[Mittwoch, 22.12.2021 – die letzten Tage, Wichteln]

Ich mag diese Tage vor Weihnachten sehr. Wenn das Büro sich leert, wenn sich die Kollegen in den Urlaub verabschieden, wenn die Lichter in den Büros gegenüber ausgehen, wenn die Wohnungen auf der anderen Strassenseite sich verdunkeln, jeden Tag ein neues Fenster, wie ein Adventskalender.

Ich kann mich an mein erstes Weihnachten alleine erinnern. Das war mein erstes Weihnachten in den Niederlanden. Da war ich neuzehn, ich wohnte in einem besetzten Schulgebäude. Die meisten Bewohnerinnen waren ihre Familien besuchen. Es blieben nur zwei weitere junge Männer zurück. Wir kochten uns etwas und redeten ein wenig. Mein Zimmer war ungeheizt, deswegen hielt ich mich in der Küche auf. Draussen war die Stadt regelrecht zugefroren. Ich saß auf dem Sofa, auf der Seite des Gasofens. Eigentlich wollte ich ein Buch lesen. Ich saß in jenen Wochen meistens auf der warmen Seite des Sofas und las ein Buch. Das Schulgebäude hatte große, einfach verglaste Fenster, die Wärme blieb nicht im Raum, die Wärme gab es nur direkt an der Quelle.

Einer der Bewohner schlug vor, in die Kneipe zu gehen. Also gingen wir durch die leere, gefrorene Stadt in die Kneipe. Dort saßen andere Menschen. Eine Art von Übriggebliebensein. Manche sicherlich nicht freiwillig. Manche schon. Ein bisschen wie in einem Raumschiff sitzen und draussen die große, kalte Leere, wir sind da, in diesem Kontinuum, eher ein Zustand, entkoppelt.

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Heute Abend wichtelten wir. Auch das ist so eine Sache. Ich werde da total kindisch. Bis zum letzten Jahr kannte ich Wichteln nur theoretisch. Meine deutschen Freunde erzählten mir immer, das sei ein oller deutscher Brauch, muss man nicht machen, muss man nicht kennen.
Bis jemand in meinem Fanclub letztes Jahr eine Wichtelveranstaltung organisierte. Unbekannten Menschen etwas schenken und von unbekannten Menschen etwas geschenkt bekommen. Irre. Schon allein vom Gedanken daran werde ich aufgeregt.

Letztes Jahr war leicht, ich bekam einen Podcaster eines Hertha-Podcasts zugelost und weil sie in dem Podcast ständig Bier trinken und das Bier auch kommentieren, stellte ich, der Biersnob, eine persönlich kuratierte berliner Bierselektion zusammen.

Dieses Jahr fiel mein Los auf ein sehr offensives und engagiertes SPD Mitglied. Und mit sehr offensiv und engagiert meine ich: seehr offensiv und engagiert.
Deshalb googelte ich nach Franziska Giffey, ging damit zu Rossmann, druckte es in Fotoqualität aus und kaufte einen passenden Rahmen. Dazu gab ich eine richtige Berliner Weisse (nicht die Kindl Weisse, Himmel) und schickte das Paket ab.

Heute war dann das online Geschenkeauspacken. Der von mir Bewichtelte war erfreut und schockiert gleichzeitig. Wobei ich ahne, dass der Schock überwog.

Ich selbst bekam eine Flasche selbstgemachtes Chili-Öl und eine Stange mit verschiedenen Salzen.

[Dienstag, 21.12.2021 – Wintersonne]

Wintersonne. Die Sonne war um 12:05 auf dem niedrigstmöglichen Höchststand. Eine Freundin war in der Gegend und wir gingen auf einen Kaffeespaziergang. Wir liefen am Potsdamer Platz in Richtung Süden, vor der Sonne hingen aber dichte Wolken. Schon seit einer Woche hängt diese Wolkendecke über den Tag. Das Licht zerstreut sich darin wie in einem Diffusor. Ich weiss noch, wie ich damals lernte, Diffusoren einzusetzen um beim Fotografieren Schattenwürfe zu verweichen. Mit diesen weissen, getrübten Scheiben davor verschwand die Härte aus den Gesichtern. Manchmal war das gut, manchmal war das schlecht. Heute liefen wir ganz schattenlos unter der Wintersonne.

Um 15:55 beginnt die lange Nacht.

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Am Abend schauten wir eine Weihnachtsschmonzette. Ich traue es mich ja kaum zu sagen, aber weil wir hier unter uns sind: ich liebe Weihnachtsschmonzetten.

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Die lange Nacht.

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Max Richter. Sleep.
8 stündiges Konzert.

https://www.youtube.com/watch?v=Flv6MMzKD4E

[Montag, 20.12.2021 – Tätowiererin, mein Vater]

Neulich schrieb ich eine Tätowiererin an, deren Entwürfe von Tieren mir auf Insta gut gefallen haben. Meine neue Tätowierung wird ein ganz bestimmtes Tier und ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie die neue Tätowierung nicht sein soll, und deswegen klicke ich mich schon seit Monaten durch Galerien von verschiedenen Studios und blieb immer etwas unzufrieden.
Dann stiess ich auf diese Tätowiererin. Sie hat einen sehr eigenen Stil, sie zeichnet sehr ungenau, mit groben Linien, aber dazwischen mit vielen Details. Die Entwürfe wirken wie grobe Skizzen, bei denen man den Eindruck bekommt, die Künstlerin habe mitten im Entwurf die Lust daran verloren. Das sieht grossartig aus.

Ich schrieb ihr, was ich mir ungefähr vorstellte, schickte ihr Links von zweien ihrer Entwürfe, mit dem Hinweis, dass ich mir etwas in dieser Richtung vorstellte. Das Tattoo sollte 10cm gross sein.

Heute antwortete sie, zehn Zentimeter sei ihr zu klein, sie wolle den ganzen Arm. Ich schrieb freundlich, mit Danke und so, ich hätte es aber lieber nur zehn Zentimeter groß, sie sagte, nein, das ginge nicht, ihr Tattoo brauche Raum.

Selbstverwirklicher. Uff. Die mochte ich noch nie. Es beginnt jetzt wieder eine lange Suche.

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Am Abend „The Father“ geschaut. Dieser Film mit Olivia Coleman und Anthony Hopkins. Anthony Hopkins in der Rolle des an Demenz erkrankten Vaters. In weiten Teilen aus der Wahrnehmung des zunehmend kränker und verwirrter werdenden Vaters erzählt. Was für ein grossartiges Drehbuch. Was für ein zermürbender Film.

Als der Film zu Ende war, hatte ich ein Schuldgefühl gegenüber meinem Vater, also stand ich auf und rief ihn an. Wir telefonieren ungefähr vier Mal pro Jahr.
Mein Vater war aber gar nicht zermürbt, sondern äusserst gut gelaunt. Er hat eine neue Freundin und fährt als Rentner Hotelgäste vom Hotel zu den Liftanlagen. Er ist zweimal geimpft und geboostert.
Funfact: er war im Januar 2020 einer der ersten an Covid erkrankten Menschen. Er hatte nur leichtes Fieber und das Essen schmeckte fahler als sonst. Damals wusste man noch nicht, was los war. Erst zwei Wochen später brach in Bergamo das Unheil aus.

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Meinem Neffen geht es gut. Die weiteren Checks im Krankenhaus ergaben, dass offenbar nur die Knochen und die Lunge betroffen sind. Er hat schon ein Croissant gegessen und wollte auch schon Youtube schauen. Reden ist aber noch etwas schwierig.

[Sonntag, 19.12.2021 – Verfressenheit, Skisport ist ein Kacksport]

Der Bruder meiner Frau fuhr heute wieder nach Hause.

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Der Sonntag war sehr langsam.

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Ich muss jetzt wieder mit diesem Gefresse aufhören. Von den achtzehn Kilos, die ich im letzten Winter verloren habe, sind ungefähr zehn wieder zurück auf den Rippen. Seit dem Sommerurlaub in Schweden habe ich nicht mehr in mein gutes Essensverhalten zurückgefunden. Es wurde dann von dem Urlaub in Südtirol nur noch verschlechtert. Jetzt steht Weihnachten an, ich freue mich schon auf die Köttbullar und die Lasagne und auf die Chicago Style Pizza, es wird nicht besser. Es ist eine seltsame psychobiologische Imbalance, die mich festgegriffen hat. Psychobiologisches Adjektiv. Muss ich bei Gelegenheit mal googlen, ob es das gibt.

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Einer meiner Neffen ist im Krankenhaus gelandet 😐
Mehrfache Knochenbrüche. Skifahren ist eigentlich ein Kacksport. Wie er da jetzt so sediert in seinem Bett liegt. Tut weh, das mitanzusehen.

[Samstag, 18.12.2021 – Beamer, Siegerpizza]

Heute gingen wir zu Toom. Ich habe letzte Woche einen tragbaren Minibeamer gekauft, damit wir auch im Bett Filme oder Serien schauen können. Das beste an der dunklen Jahreszeit ist, nunja, die Dunkelheit und man deswegen Filme und Serien an die Wand schmeissen kann.

Bei Toom suchte ich nach einer Vorrichtung, um den Minibeamer hinter das Kopfbrett des Bettes zu klemmen. Ich fand einen breiten Metallhaken für 3€, auf den der Beamer passt. Es ist perfekt.

Später wird sich allerdings herausstellen, dass man im Bett ganz ruhig liegen bleiben muss, damit das Bild an der Wand nicht ständig wackelt.

Und überhaupt. Beamer. Vor einigen Tagen habe ich auch wieder den großen Beamer im Wohnzimmer angeschmissen. Ich finde das weihnachtlich. Man kann schon Fussballspiele auf dem Beamer schauen, weil es früh dunkel wird.

Heute dann das Spiel gegen den BVB, die zweitbeste Mannschaft in diesem Land. Seit unserer schmachvollen Niederlage am Dienstag wollte ich ein paar Tage lang nichts mit Hertha zu tun haben, vielleicht sogar für ein paar Wochen, bis in den Januar. Es ist das letzte Spiel des Jahres, wir werden verlieren, haushoch vielleicht, ich werde die schlechte Laune mit in die Feiertage nehmen, bis hinein ins nächste Jahr.
Aber dann. 23 Minuten vor Spielbeginn war ich wieder optimistisch wie ein Lämmchen und setzte mich vor das Empfangsgerät. Heute vorm Beamer. Wir gewannen 3:2 und spielten den BVB teilweise in ihrer eigenen Hälfte fest.

Zum ganzen Siegestaumel wird mir ausserdem frische Pizza serviert. Ich sitze in meinem Sessel, und schaue meiner motivierten Mannschaft zu, während der Schwager und meine Frau in der Küche Pizza backen. Alle zehn Minuten kommt jemand ins Wohnzimmer und legt mir frische Pizza in den Schoss.

[Freitag, 17.12.2021 – Datumfehler, Essigflasche, Pasta ai Fagioli]

Ich muss feststellen, dass ich morgens oft Schwierigkeiten mit dem Datum in den Blogeinträgen habe. Die Einträge stelle ich ja erst am Morgen online. Der Text ist zwar schon immer am Vorabend fertig, aber ich bilde mir ein, dass der Text über Nacht gären muss. Am nächsten Morgen ist mein Blick auf dem Text etwas schärfer, ausserdem sehe ich morgens am ehesten Rechtschreib- oder Kommafehler. Am ehesten. Aber eben auch nicht sicher. Ich bin blind für Kommafehler, vor allem, wenn es meine eigenen sind.

Am Morgen überfliege ich den Text noch einmal, putze ihn manchmal noch etwas heraus, spreche ihn ins Mikrophon, setze Datum und Titel und dann bringe ich ihn online.

Immer wieder bekomme ich Emails, dass das Datum falsch gesetzt ist. Der Eintrag vom gestrigen Donnerstag ging als 18.12. ins Netz, dabei war es der 16.12.
Jetzt mit der Abofunktion per Email fällt das ganz besonders auf, weil die Email rausgeht und nachträgliche Korrekturen ja nicht nachgereicht werden.
So ist das. Jetzt muss ich aufpassen, keinen Scheiss mehr zu schreiben.

Zu allem Überfluss sagte ich auch noch „Freitag“ ins Mikro. Ich habs dann gelassen, weil es mit nachträglich ausgetauschten Audiodateien bei Spotify immer etwas kompliziert ist.

Fast die ganze erste Dezemberhälfte lang hatte ich Schwierigkeiten, das Wort Dezember auszusprechen. Ich sagte immer so etwas ähnliches wie „September“. Das bekommen aber nur die Hörerinnen der Audioversion mit.

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Heute hatte ich grüne Bohnen dabei. In der Büroküche bereitete ich sie mir als Salat zu. Dabei griff ich wieder einmal fälschlicherweise nach dieser Whiskyflasche. Es steht eine Flasche Whisky, die aussieht wie eine Essigflasche, auf unserem Gewürztablett. Ich nenne das einfach mal Gewürztablett. Es ist ein Tablett auf dem Gewürze draufstehen, Salz, Pfeffer aber auch Olivenöl, Senf, Sojasaucen und eben verschiedene Essige.
Und eine Whiskyflasche, die aussieht, wie eine Essigflasche.
Weil ich mich darüber lustig machte, dass ich schon wieder nach der Whiskyflasche gegriffen hatte, klärten mich die Kollegen darüber auf, dass der Whisky von einem früheren Kollegen sei, der dann an Krebs gestorben ist. Das sei ein sehr lieber gewesen, der plötzlich krank wurde und schnell starb. Der Whisky trägt seinen Familiennamen, er kam aus einer deutschen Spirituosenherstellerfamilie.

Die Flasche ist noch zu einem Drittel voll. Seit Jahren schon. Niemand trinkt den Whisky mehr.

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Als ich nach Hause kam, hatten mein Schwager und meine Frau Pasta ai Fagioli gekocht. Bohnen und Pasta. Ich stellte mich in die Küche, öffnete mir ein Bier und setzte mich an den gedeckten Tisch. Meinetwegen kann der Schwager immer hier bleiben.

[Donnerstag, 16.12.2021 – Notfallpasta]

Der Schwager ist ein Feinschmecker und entsprechend gut kann er auch kochen. Als ich heute vom Büro nach Hause kam gab es umwerfende Pilze Pasta, die er seine „Notfallpasta“ nannte. Notfälle sehen bei mir anders aus.

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Viel blogtaugliches ist heute sonst nicht passiert.

[Mittwoch, 15.12.2021 – Whisky, Schafskäse, Bier, Schokolade, Wein]

Heute kam mein Schwager. Er brachte Whisky mit. Den standard Scapa aus Orkney und den „Mach“ von Caol Ila. Wir hatten im Sommer über beide Whiskys geredet. Das hatte er sich einfach gemerkt.

Ausserdem brachte er mehrere Kilos „Fiore Sardo“ mit. Das ist ein roher und lang gelagerter Schafskäse aus Sardinien.

Wir saßen am Abend ewig in der Küche, redeten, assen dabei sardischen Käse und tranken gutes Bier. Danach wechselten wir zu Schokolade und Wein. Das war ähnlich gut.

[Dienstag, 14.12.2021 – Rémi, Ratlosigkeit]

Heute früh schaltete ich dann den Eintrag im Fanclubblog live. Es soll ein Gedenken an einen verstorbenen Weggefährten sein. Als wir im Mai diesen Jahres gemeinsam am Grab standen und uns die Geschichten erzählten, entstand die Idee, diese Geschichten in Textform zu geben und daraus einen Gedenk-Eintrag für das Blog zu erstellen.
Ich finde den Eintrag sehr schön geworden.

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Heute war auch Spieltag. Es ist das vorletzte Spiel der Rückrunde. Heute gegen Mainz und am Samstag gegen Borussia Dortmund. Gegen Mainz würden wir schon gewinnen und wenn wir am Samstag einen guten Tag haben, dann auch gegen Dortmund.

Aber dann.

Meine Mannschaft fällt ab der dreissigsten Minute völlig auseinander. Ist immer einen Schritt zu spät, verliert ständig den Ball, bringt die Pässe nicht mehr an den richtigen Mann.
Wir verlieren 5:0. Oder war es 4:0? Ich glaube es war nur 4:0, es fühle sich aber wie ein 6:0 an.
Nach der Leistung der letzten beiden guten Spielen sitze ich etwas ratlos vor dem Bildschirm. Mit Ratlosigkeit versuche ich meine Enttäuschung zu überschatten. Klappt bisher ganz gut.

Am 18. Januar werde ich vermutlich das Derby im Pokal mit meinen Neffen schauen. Ich überlege eine Ausrede zu finden. Sie haben Hertha bisher noch nie gewinnen sehen. Das war wirklich Pech bisher. Aber so ein Spiel? Ich fürchte, das färbt schlecht auf mich ab.

[Montag, 13.12.2021 – neue mechanische Tastatur, Chicago Style Pizza]

Diese neuen Vitamin-D Tabletten in Kugelform, die mir immer von Schreibtisch rollen. Wer bitte designt denn Tabletten in Kugelform?

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Heute kam meine neue mechanische Tastatur fürs Büro. Sie hat einen total tollen Anschlag, aber leider ist sie lauter als meine vorige. Es wurden allerdings Gummiringe mitgeliefert, die man bei Bedarf unter die Tasten einhängen kann. Das dämpft tatsächlich das Geräusch und hat keinen negativen Einfluss auf die Tastenhaptik.
So musste ich heute jede einzelne Taste rausheben, Gummring ranpopeln und wieder einstecken. Dafür sind online Meetings also gedacht. Dass man nebenher basteln kann, ohne dass es jemand merkt.

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Dieses Weihnachten werden wir wieder eine Chicago Style Pizza backen. Es gibt kein einziges korrektes deutschsprachiges Rezept für eine Chicago Style Pizza. Was alle deutschen Rezepte konsequent auslassen ist der in Butter gefaltete Teig, ein Teig der drei Mal mit Butterschichten gefaltet wurde. Ähnlich wie Blätterteig, nur halt gröber. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Zu Weihnachten werde ich das Rezept dann aufschreiben und hier veröffentlichen und vielleicht auch bei Chefkoch hochladen, falls das geht. Kann ja nicht sein, dass hier falsche Rezepte in den Umlauf kommen. So ist das nämlich.