[Freitag, 3.9.2021 – Melancholin, Bibimbap]

Da ich es momentan nicht schaffe, mir Essen von zuhause mitzubringen, gehe ich schon seit Tagen zu den Foodtrucks in der Varian-Fry-Strasse am Potsdamer Platz, um mein Mittagessen zu verspeisen. Im Laufe der Pandemie habe ich gemerkt, dass ich unheimlich viel Geld spare, wenn ich mir das Essen zuhause zubereite und nicht jeden Tag irgendwo draussen zu Mittag esse. Bis Corona hatte noch nie Essen von zuhause mitgenommen, auch nicht in meinen Zwanzigern, vielleicht habe ich deswegen kein Geld auf meinem Konto. Die Erkenntnis ist nicht uninteressant, es sind immerhin 5 bis 10 Euro pro Tag, auf den Monat hochgerechnet, sind das gerne mal 200 Euro. Ausserdem nehme ich davon ab.

Aber da ich es in dieser Woche nicht hinbekam, mir zuhause Essen zuzubereiten, ging ich jeden Tag zu den Foodtrucks und an dieser Stelle möchte ich dokumentieren: Bibimbap ist eine total tolle Speise. Ich kannte das vorher nicht. Laut Wikipedia ist es eine koreanische Reste-Essen Speise. Reis mit irgendwas. Reis mit Scheiss, wenn man will.
Das „Bibimbap – Honey BBQ Beef“ ist aber eine richtig geile Sache.

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Abends bin ich momentan immer etwas geschlaucht. Eine gute Geschlauchtheit immerhin, aber abends bin ich dafür sehr müde, was mich wiederum früh ins Bett bringt und ich dadurch lange schlafe.

Gestern nahm ich Melancholin. So nenne ich das. Es ist eigentlich Melatonin. Aber weil meine Augen so schläfrig werden, fiel mir spontan Melancholin ein. Müdigkeit hat natürlich wenig mit Melancholie zu tun, aber you know.

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Heute am späten Abend besprechen wir in einem kleineren Chat einen Text, der demnächst im Blog des Fanclubs online gehen soll. Der Text enthält einige Passagen, die mich persönlich etwas ärgern. Ich finde aber, dass der Text veröffentlicht werden soll, er ärgert mich aus Leserinnenperspektive und nicht aus der Perspektive für mich als Redakteurin. Je länger wir darüber diskutieren, desto hitziger wird die Diskussion. Irgendwas triggert mich sehr an diesem Text.

[Donnerstag, 2.9.2021]

Wegen des Bahnstreiks brachte ich meine Frau frühmorgens mit dem Auto nach Potsdam. Sie musste um 9 Uhr da sein und weil ich damit rechnete, dass wegen den Streiks die ganze Stadt verstopft sein würde, plante ich extra Zeit ein und ich sagte alle Meetings am Vormittag ab bzw ich sagte allen, dass ich erst spät ins Büro kommen würde. Statt 50 Minuten plante ich zwei Stunden ein. Man weiss nie.

Wir flutschten dann nach Potsdam als wäre ganz Berlin zuhause geblieben. Das ist vielleicht auch ein neues Phänomen, das Corona uns gebracht hat. Wenn die Bahn streikt, dann weiss man mittlerweile wie Homeoffice funktioniert.
Wir waren dann eine Stunde zu früh in Potsdam und da ich gleich wieder zurück nach Berlin fuhr, war ich so früh im Büro wie noch nie.
Als die Menschen nach und nach ins Büro hereintröpfelten, grüßten sie mich alle überrascht. Möglicherweise hatte ich ein Riesentheater um meine Fahrt nach Potsdam gemacht.

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Später am Tag, als ich nach Hause fahre, vollziehe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Vollbremsung. Ich konnte das bisher nur in den Fahrstunden vor einigen Jahren üben und ich wusste nie, wie ich im richtigen Leben auf solche Situationen reagieren würde, ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich Zweifel daran hatte, dass ich das Pedal richtig hart durchdrücke und gleichzeitig an die Kupplung denke.

Heute fuhr ich über den südlichen Teil der Friedrichsstrasse. Das ist der Teil auf dem man Vorfahrt hat. Dann kommt ein Auto von links und nimmt mir die Vorfahrt. Ich trete voll auf Kupplung und Bremse, so dass man das trrr trrr des ABS Systems spürt.
Beide Autos kamen zum Stillstand, weil auch der andere Fahrer eine Vollbremsung hinlegte.
Ich regte mich ziemlich auf, gestikulierte mit dem Finger und zeigte ihm die Vorfahrtsrichtung und hielt den Finger an meine Schläfe. Dennoch merkte ich schnell, dass die Aufregung etwas gekünstelt war, da ich mich total darüber freute, wie reflexartig und gut ich die Vollbremsung hingelegt hatte.
Ich fuhr gleich weiter und hatte die ganze Zeit ein inneres Yayyy in mir.

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Dennoch: ich trage derzeit eine bisher ungekannte schlechte Laune in mir. Schon seit ein paar Tagen. Ich muss mich regelrecht anstrengen, diese Laune nicht ständig nach aussen zu tragen. Ich schaffe es nicht immer, aber ich kenne das so auch nicht von mir.

[Mittwoch, 1.9.2021 – Mannschaftsaufstellungen im Halbschlaf, dreister Biergarten]

Ich schlief schlecht wegen des gestrigen Transfergeschehens in meinem Verein. Eigentlich total lächerlich. Ich wachte mehrmals auf und hatte mich gedanklich in Spielsystemen verheddert. Wer auf welcher Position spielen sollte und wie man auf Ausfälle adäquat reagieren könne. Im Halbschlaf konnte ich Spieler vom FC Köln bei uns in den Kader einbauen. Spieler die dort eher zweite Wahl sind. Keine Ahnung warum gerade aus Köln.

Es hat mir total zugesetzt.

Am Abend treffe ich frühere Kolleginnen. Wir sind noch ein kleiner Kreis von Kolleginnen, die sich immer noch treffen. Dabei arbeiten wir seit etwa 11 oder 12 Jahren nicht mehr in dieser Konstellation zusammen. Die Gruppe ist über die Jahre natürlich kleiner geworden, aber es ist eine gewisser verbindlicher Kern geblieben. Einer der Exkolleginnen ist Herthaner (ha, hier wird das generische Femmininum interessant), und wir bleiben uns schon deswegen verbunden. Aber nicht nur.
Andere sind nicht mehr dabei, einer ist zB Coronaleugner geworden und ist mittlerweile düstere, rechte Abhänge hinuntergerutscht. Der will nach einem wüsten Streit in unserer Whatsapp Gruppe, in der es über die Gefährlichkeit von Corona ging, mit uns nichts mehr zu tun haben.
Lustigerweise habe ich einige frühere Weggefährten an Corona verloren. Bei einigen ist es immer irgendwie auf der Kippe. Einige sind aber vollends in diese Echokeller hinuntergstiegen, den sie vermutlich nicht mehr verlassen werden.

Aber zurück zur Gruppe mit den Exkolleginnen. Wir treffen uns, wie fast immer, im BRLO Biergarten am Gleisdreieck. Das BRLO hat viele gute Seiten, zum einen ist es ein gut erreichbarer Biergarten mit okayem Bier (das Bier ist nur okay und nicht gut). Aber es ist eine unverschämte Gelddruckmaschine. Was mich neben den ziemlich überteuerten Preisen (bei Selbstbedienung) am meisten stört, ist dass man jetzt offenbar das Toilettenbusiness outgesourced hat. Es steht tatsächlich eine Frau am Eingang der Toiletten, bei der man Geld auf einen Teller schmeissen soll. Wie auf der Autobahn. Das BRLO ist wohlgemerkt eine Gaststätte. Um dem BRLO steht sogar ein fest installierter Zaun.
Klar kann es sein, dass mal ab und zu mal jemand vom Park sich reinschleicht und die Toiletten benutzt, dass man das mit einer Toilettenfrau löst und die Toilette für Gäste faktisch kostenpflichtig macht, finde ich sehr dreist. Und natürlich zahlen die meisten Menschen. Die meisten Menschen gehen ungerne an einer Toilettendame vorbei, ohne die 50 cent zu bezahlen.
Ich habe heute aber nicht bezahlt. Ich habe zu der Frau gesagt, es täte mir leid für sie, aber ich sehe nicht ein, dass ich hier als zahlender Gast noch einmal extra für die Toilette bezahlen soll. Ich denke nicht, dass sie meine Beweggründe verstanden hat, aber das ist mir egal.
Mich regt diese Dreistigkeit so auf, dass ich kurz davor bin, ganz Tripadvisor und Googlemaps damit vollzuschreiben.

[Dienstag, 31.9.2021 – das Transferfenster]

Ich versuche hier mal ganz nüchtern den Transfertag zu dokumentieren. Ganz nüchtern, weil ich mich von einer gewissen Panik nicht ganz befreien kann.

Heute ist der letzte Tag des Transferfensters. Das bedeutet, dass nur noch bis 18Uhr neue Spieler verpflichtet werden können. Die Sportführung spricht ganz offen darüber, dass noch drei oder vier Verstärkungen gesucht werden. Vor allem in der Offensive, da wir praktisch die gesamte Offensive verkauft haben und diese bisher nicht wirklich überzeugend nachbesetzt haben. Außerdem sind regelmässige Schwächen auf beiden defensiven Aussenpositionen festgestellt worden. Weil so offen über diesen Wunsch gesprochen wird und der Verein das erste Mal Geld auf dem Konto hat und jetzt mit den neuen beiden Geschäftsführern professionell arbeiten will, sind die Erwartungen entsprechend hoch.

An so einem Tag, der seit einigen Jahren Deadlineday genannt wird, ist man als Fan naturgemäß etwas aufgeregt und wenn Transfers angekündigt werden, sitzt man eigentlich den ganzen Tag mit einem Auge auf Socialmedia und den Transfernews.

Noch am Vormittag wird Myziane Maolida, ein bereits erwarteter Neuzugang aus Nizza, angekündigt. Herthabsc veröffentlicht auf Twitter einen Ladebalken und vermeldet: 22%. Die Prozentzahl könnte bedeuten, dass bis sechs Uhr noch vier weitere Spieler angekündigt werden.
Der Tag tickt sich durch die Sekunden, Minuten, Stunden. Die Chats, Facebook und Twitter werden immer nervöser. Aber mit dieser Mischung aus Zutrauen und Panik. Leute, die einander beruhigen und Leute, die Panik schieben, Leute die Gerüchte posten, Leute, die Witze machen.

Die Uhr geht unaufhaltsam auf sechs Uhr zu. Dann wird es sechs Uhr, nichts passiert. Es kann natürlich sein, dass Transfers vollzogen, aber nur noch nicht angekündigt wurden. Die Stimmung wird überall düsterer, die Zyniker werden lauter. Sieben Uhr, nichts passiert, acht Uhr, nichts passiert. Die Medienabteilung des Vereines ist verstummt.

Meine Fussballfreundinnen zerstreiten sich, sind verstört, auch darüber, wie andere Menschen mit dieser Enttäuschung umgehen.
Unter vielen Fans herrscht immer mehr Panik. Wir haben alle ersten 3 Spiele verloren und haben jetzt unsere besten Offensivleute verkauft. Außerdem klappte unsere Abwehr in diesen ersten drei Spielen nicht mehr.
Ich beschließe, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen, schaue aber alle 10 Minuten in die Chats und auf Twitter. Dunkle Wolken.

Gegen 23 Uhr gibt es dann eine Ankündigung. Man sieht den ominösen Ladenbalken auf 86%. Es handelt sich um den Abgang eines jungen Spielers, den wir vor drei Jahren als niederländisches Talent verpoflichtet hatten. In der Hoffnung, dass er uns in zweidrei Jahren einmal weiterhelfen würde. Tat er nicht. Jetzt geht er leihweise zurück in die Niederlande.

Es wird also zu 14% noch etwas passieren. Ich glaube nicht, dass es etwas sein wird, das mir Hoffnung gibt. Ich lege mich schlafen.

Mitten in der Nacht werde ich wach. Es ist 2 Uhr. Ich schaue auf mein Telefon. Es ist eine weitere Ankündigung. Jetzt steht der Ladebalken auf 100%. Javairo Dilrosun wird uns verlassen indem er leihweise nach Bordeaux wechselt. Ein weiterer Offensiver.

Auf Twitter gibt es auch ein Statement vond er sportlichen Führung, ich lese etwas von wohlüberlegt und dass man lieber etwas aktiver gewesen wäre. Daraufhin lege ich das Telefon weg.

Ich habe das eh nicht in der Hand, was passiert, ich muss mich dem Schicksal hingeben, das gehört zu meinem Schicksal als Fan. Es ist immer noch Unterhaltung. Die Verantwortlichen wissen sicherlich was sie tun. So sage ich das mir.

[Montag, 30.8.2021 – Ewiger Herbst, Pesto]

Es ist wieder Montag.

Dieser Herbst, der im Juni begann. Übermorgen beginnen drei weitere Herbstmonate.

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Am Abend komme ich nach Hause. Ich mache Pesto für uns und die Gäste. Ich habe in meiner Schwiegerfamilie den Ruf, den besten Pesto der Welt zu machen. Manchmal fürchte ich, man will nur nett zu mir sein. Ich schmeisse nur Basilikum, Pinienkerne und Knoblauch zusammen. Dabei folge ich keinem Leitfaden, oder keinen vorgeschriebenen Mengen. Meine Pesti sind in Wirklichkeit jedes Mal anders. Manchmal gebe ich ein bisschen Ziegenkäse dazu. Oder auch Feta. Manchmal sogar frische Tomaten. Das mit den Tomaten habe ich aber wieder gelassen, da es auf geteiltes Echo stiess. Wenn ich schon Mal einen guten Ruf habe, muss ich es nicht gleich aufs Spiel setzen.

[Sonntag, 29.8.2021 – Schiffshebewerk, Brandenburg, Eberswalde]

Wir hatten gestern beschlossen, heute nach Niederfinow zu fahren und das Schiffshebewerk anzuschauen. Ich war vor einigen Jahren einmal da und fand das ein beeindruckendes Bauwerk. Es ist ein Bauwerk im Geiste von Gustave Eiffel. Schiffe fahren in dieses Metallgerüst hinein. Dort befindet sich eine riesige Wasserwanne. Diese Wasserwanne wird dann 36 Meter hochgehoben und oben angekommen, werden die Schiffe wieder in den da wartenden Kanal in Richtung Havel/Elbe entlassen. Man kann schräg unter diesem Bauwerk stehen und der Maschine beim Heben und Senken der Wanne zuschauen oder man kann auch eine Führung buchen, bei der man in das Bauwerk und oben an der Balustrade gehen kann. Wir beließen es dabei, die Maschine von unten zu bestaunen. Die Kraft die man da in Bewegung ziehen sieht.

Es regnet. Der ganze Tag soll mit Regen durchzogen sein. Es ist dieser schöne Spätsommerregen. Nicht zu sehr, aber immer ein bisschen präsent, an der Windschutzscheibe, an den Unterschenkeln. Manchmal geht der Himmel auf und diese sanfte Sonne scheint durch. Manchmal muss man kurz unterstehen.

Wald.

Ich erkläre meinem Schwiegervater Brandenburg. Dabei sage ich, dass es in Brandenburg kein Internet gibt. Demonstrativ zeige ich auf meine Telefon, auf dem tatsächlich kein Netz gefunden wird. Außerdem erzähle ich, dass hier Wölfe wohnen und betrunkene Männer nachts in die Allee gurken. Die Alleen sind schön, da sind wir uns einig. Überhaupt: ich habe ja positive Gefühle für Brandenburg. Ich mag diese märkischen Dörfer, diese langgezogenen Straßen, an denen sich die alten Häuser reihen wie an einer Perlenkette, dann in der Mitte der Anger mit einer steinernen Kirche und danach wieder die Perlenkette. Diese steinernen Kirchen in Brandenburg. Meist in romanischem Stil. Diese Dörfer müssen alle in der selben Epoche entstanden sein. Zwölfhundert, Dreizehnhundert, die Zeit in der Berlin auch entstand.
Ab und zu hat eines dieser Dörfer ein Geschäft. Das sticht dann regelrecht ins Auge.

Wir fahren nach Eberswalde. Das neue Boomtown. Weil schön und gut erreichbar aus Berlin. Familien ziehen hier her. Ich kann es verstehen, Eberswalde wirkt wirklich lebenswert. Wir kehren in der „Alten Brauerei“ ein, weil wir etwas essen wollen. Mit so Namen wie „Alte Brauerei“ kriegt man mich immer. Ich esse ein Rindergulsch in Schwarzbiersauce mit Eierspätzle. Schmeckt OK. Leider haben sie kein eigenes Bier, sondern eine kleine sächsische Marke. Schmeckt aber auch.

Auf dem Rückweg, in Berlin gibt es Stau. Die Danziger ist komplett von Coronaspinnern verstopft. Eine wilde Mischung von Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren, die den Begriff Freiheit nicht verstehen und behaupten, sie seien das Volk.

[Samstag, 28.8.2021 – Friedhof, Köfte, Spiel gegen Bayern]

Wir hatten einen sehr ruhigen und gemütlichen Samstag mit den Schwiegereltern, haben ewig lange gefrühstückt und am Tisch geplaudert. Es ging schon in Richtung später Nachmittag, als wir das Haus für einen Spaziergang verliessen. Wir zeigten ihnen den Friedhof an der Landsberger Allee, den wir während Corona entdeckt hatten. Dieser merkwürdig verwinkelte, in Teilen verwilderte Friedhof, in dem man immer wieder neue Bereiche findet, die aus anderen Epochen zu sein scheinen. Vielleicht sind auch andere Friedhöfe so. Wir sind keine Friedhofgroundhopper. Aber schön ist es jedenfalls.

Zuhause bereiten wir dann Köfte zu. Wir perfektionieren das Rezept, das wir unter der Woche bereits vorversucht hatten.

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Ab 18 Uhr verabschiede ich mich aber in Richtung Wohnzimmer. Das Vorgeplänkel zum Spiel gegen den FC Bayern läuft. Wir haben das letzte Mal in 1977 gegen Bayern in Bayern gewonnen. Ich glaube jedes Jahr wieder, dass diese Niederlagenserie diesmal beendet wird und wir mit einem fulminanten Sieg gegen diese Mannschaft gewinnen. Ich bin aufgeregt und optimistisch, das erste Bier trinke ich in drei Zügen aus.

Ungefähr in der sechzigsten Minute des Spiels ist das Köfte fertig, es steht bereits 3:0 für den FC Bayern. Ich bekomme ein zauberhaft zubereitetes Tablett mit Köfte, Gemüse, Reis und Bier zum Sofa gebracht. Allerdings bin ich schon dermaßen deprimiert vom Spielverlauf, dass ich beschliesse in der Küche mit den anderen zu essen. Diese schlechte Laune auf das Essen zu übertragen, ich glaube, das ist nicht gut.

Das 4:0 höre ich bis in die Küche. Man schaut mich etwas besorgt an, ich esse aber das Köfte.

Am Ende steht es 5:0 für die Bayern. Meine Mannschaft hat eine grauenhafte Vorstellung abgegeben. In meinen Chats ist die Stimmung ziemlich am Boden. Wir stehen bei 0 Punkten nach drei Spielen, haben unsere beiden besten Spieler verkauft und uns mit mittelmäßigen oder alten Spielern verstärkt. Der ganze Auftritt der Mannschaft, eine Theaterstück mit hängenden Schultern. Ich sehe eine düstere Saison vor uns.
Es gibt noch drei Tage um neue Spieler zu verpflichten. Es stellt sich aber die Frage wo die jetzt herkommen sollen.

[Freitag, 27.8.2021 – Pasta Primavera]

Ich machte früh Feierabend. Es ist Freitag und meine Schwiegereltern kamen. Meist helfe ich mit den schweren Koffern und Kartons.

Fürs Abendessen stand eine Pasta auf dem Programm. Eine simple Eigenentwicklung meiner Schwiegerfamilie. Sie nennen es „Pasta Primavera“, weil sie frühlingshaft leicht und mediterran schmeckt. Ich übernahm die Zubereitung und sie geht so:

Viel Basilikum in feine Streifen schneiden
Viel Knoblauch pressen
Viele Schwarze Oliven in feine Scheiben/Streifen schneiden
Viele Tomaten in kleine Quader schneiden

Diese vier Zutaten in eine Schüssel geben und mit Olivenöl und Salz verrühren. Stehen lassen. Wasser Kochen, Pipe oder andere Pasta (ich bin da nicht religiös) ins Wasser geben und dann getrennt servieren.

Sehr simpel, sehr frühlingshaft. Auch im Herbst.
Ich muss das einmal mit Haferreis statt Nudeln probieren. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass es zu einer Reismitscheiss-Mantsche wird. Muss ich mal sehen.

[Donnerstag, 26.8.2021 – seltsam ereignisreicher Abend, Wahlomat, des Neffen Telefon]

Morgens nahm ich ein kurzes Video für den jüngeren der beiden Neffen auf und verschickte es per Messenger. Er hat heute Geburtstag. Ich hatte ihm letzten Herbst mein altes Telefon geschenkt, jetzt hat er Whatsapp, Telegram etc. Das ist neu, dass wir uns einfach Sachen schicken können.

Ich hatte einen seltsam ereignisreichen Abend, obwohl nichts passiert ist. Zuerst zur Ärztin gegangen, ein Rezept abzuholen, dann in die Apotheke gegangen, auf dem Rückweg die Nachbarin getroffen, mit der ich dann etwas länger plauderte, dann zuhause mich an den Text gesetzt, dann in den Supermarkt, dann wieder Text, dann Wäsche gewaschen, alte Wäsche gehangen, mit meiner Schwester gechattet, die Wischfunktion des Saugroboters getestet (wischt nicht gut), Paket zum Nachbarn gebracht, weil er es seit Tagen schon nicht abholt… etc. dabei nur die Hälfte der Ereignisse aufgezählt.

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Mein Neffe hatte am Abend das Video immer noch nicht gesehen, deshalb schrieb ich die andere Schwester an und erzählte ihr das. Sie meinte, der Kleine sei mit dem Telefon baden gegangen.
Das ist natürlich keine so gute Sache. Sie sind auf Elba. Salzwasser. Ich fürchte, davon wird sich das Gerät nicht erholen.

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Zwar darf ich in Deutschland nich wählen, dennoch schmiss ich den Wahlomaten für die Berlin-Wahl an. Der Wahlomat spuckte die Partei der Humanisten aus. Ich kannte diese Partei gar nicht. Bin dennoch glücklich darüber. Fast wie Geburtshoroskop lesen. Sozial, liberal und progressiv.
Interessanterweise landen die großen Volksparteien bei mir alle eher weit unten. Auch die Grünen oder die SPD, die ich in einer realen Welt wohl am ehesten wählen würde. Aber die etablierten Parteien können genau diese drei Werte nicht zusammenbringen. Sozial, liberal und progressiv. Es ist immer nur ein Aspekt, den die Parteien voranbringen. Und es gibt keine große Partei, die wirklich liberal ist, auch nicht die FDP, die ist nur wirtschaftsliberal.

[Mittwoch, 25.8.2021 – Brückenwächter, Herthablues]

Jetzt habe ich es nach den vielen Jahren doch tatsächlich geschafft, meine Größe an einem Morgen zu messen. Das lag vermutlich daran, dass der Bleistift, das Massband und der Buchblock noch von gestern an der selben Stelle lag und ich es deswegen einfach tat.
Das erstaunliche Ergebnis ist: morgens messe ich 1,5cm mehr als am Abend.

Es ist jetzt nicht so, dass ich mich zu klein fühle, aber ein bisschen größer sein wäre schon cool. Ich wäre gerne ein muskulöser, 195cm großer Fleischberg. Im Mittelalter wäre ich ein Brückenwächter am Anfang einer Brücke über eine tiefe Schlucht, die so tief ist, dass man den Abgrund nicht sieht. Wenn Könige und ihre Entouragen kämen, müssten sie mir Fragen beantworten. Fragen nach der Lieblingsfarbe zumbeispiel, oder nach dem Lieblingsclub.

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Ich brauche derzeit Herthapodcasts um die Niederlagen zu verarbeiten. Üblicherweise höre ich auf dem Fahrrad, wenn ich einkaufen gehe oder wenn ich mal in der Mittagspause alleine spaziere. Oder wenn ich in der Küche bin und Dinge mache.
Vorhin sass ich längere Zeit auf dem Schaukelstuhl in der Küche, mit den Kopfhörern im Ohr. Und liess mir meinen Herthablues wegtherapieren. Gegen Mitte der Woche geht es meistens wieder besser. Am Samstag spielen wir aber gegen die Bayern in München. Hertha hat das letzte Mal in 1977 dort gewonnen.

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Den Rest des Abends verbrachte ich an einem älteren, lustigen Text. Eigentlich wollte ich die Hausbesetzergeschichte überarbeiten, aber dann stiess ich auf diesen unterhaltsamen Text aus 2007, den ich damals etwas eilig hingeschrieben hatte. Ich werde ihn überarbeiten, einlesen und in den nächsten Tagen hier einstellen.