[Dienstag, 10.8.2021 – Pandemielog, Macbook]

Coronalog. Seit Anfang Februar schreibe ich nun konsequent und täglich diese Tagebucheinträge. So lange war ich noch nie konsequent. Die Einträge waren als eine Art Pandemielog gedacht, damit ich in zehn, zwanzig, dreissig Jahren darauf zurückschauen kann. Die Pandemie spielt aber längst keine vordergründige Rolle mehr in meinem Alltag, obwohl sie ja immer noch da ist, aber an viele Dinge habe ich mich einfach gewöhnt. Vermutlich werde ich mich in zwanzig Jahren darüber wundern, warum in diesen Einträgen keine Bars und keine Kneipen vorkommen, Restaurants kommen ab und zu noch vor, ich schreibe aber nicht, dass wir da ausschließlich draussen saßen und dass wir mit Masken auf die Toilette gingen.
Gut, die Pandemie ist nicht mehr apokalyptisch, wie sie im März/April 2020 war, als die Strassen ausgestorben waren und man keine Flugzeuge am Himmel sah, wo man sich auf den Bürgersteigen symbolisch aus dem Weg ging, wo man bei einer Familie auch einmal den Bürgersteig wechselte.

Was ich ja immer noch mache: wenn ich einer größeren Menschengruppe begegne, halte ich den Atem an um keine Aerosole einzuatmen. Mal schauen wie lange es dauert, bis ich diesen Habitus ablegen kann.

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Heute machte ich die Macbooks klar. Ein Macbook Air für meine kleine Nichte und ein Macbook Pro, auf das ich Linux installieren wollte. Ich habe es mit MacOS probiert, aber ich werde so gar nicht damit warm. Ich verstehe durchaus den Reiz daran, dieses einheitliche Design, alles funktioniert auf Anhieb, es fühlt sich aber alles auch sehr limitiert an, man stößt schnell an Grenzen, es fühlt sich wie betreutes Arbeiten an, wie ein Wandern auf einem schönen Pfad durch ein Auenland.

Nach einigen Wochen habe ich jetzt einfach Linux darübergebügelt. Es ist ein erstaunliches Gefühl der Freiheit.

[Montag, 9.8.2021 – Michelle, Herthadoku]

Früher musste ich meinen Nachnamen am Telefon nur selten buchstabieren. Ich sagte immer „Pfeifer, wie Michelle, aber mit einem F.“ Auf deutsch konnte ich manchmal die Feuerzangenbowle als Referenz heranziehen. Aber Michelle funktionierte eigentlich immer.
In den letzten Jahren hat das auffallend nachgelassen. Heute rief ich wieder einen niederländischen Dienstleister an. Und ich so: Pfeifer, like Michelle Pfeiffer.
Die Antwort war: Michelle Who?

Es ist vielleicht eine Generationenfrage. Andererseits ist sie immer noch eine Schauspielerin, die aktiv in ihrem Berufsleben steht und auch noch Hauptrollen spielt. Und abgesehen davon eine Frau die mit zunehmendem Alter immer schöner wird.

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Eigentlich wollte ich heute früher nach Hause gehen, aber dann blieb ich doch noch eine ganze Weile im Büro hängen. Tabellen schieben, Pläne erstellen, Mails schreiben.
Und ich führte ein längeres Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Welle. Es wird ja eine Doku über Hertha BSC für Netflix gedreht, dabei sollen auch Stimmen von Fans zu Wort kommen. Wegen des englischsprachigen Publikums wurden englischsprachige Fans gesucht und deswegen wurde ich gefragt. Ich soll meinen Kopf in die Kamera halten und kluge Worte für das Netflix-Publikum sagen.

Die Aufnahmen finden erst im September statt. Wie hundertprozentig fix das ist, weiss ich jetzt nicht, ich sollte nach dem Telefonat so etwas wie ein Bewerbungsvideo schicken um mich auf Kameratauglichkeit hin zu prüfen. Also Kamera an, zwei drei Sätze über irgendwas sagen und per Messenger schicken.

Nichts leichter als das: Hi, my name is Markus Pfeifer. Pfeifer, like Michelle, but with one F. -blödes Grinsen-

[Sonntag, 8.8.2021 – enemenemuh]

Wir hatten für den Sonntag viele Arbeiten geplant. Kabel in der Küche wegschlichten, die Balkontür, die vom Wetter etwas mitgenommen wurde, reparieren. Also kratzen, schleifen und lackieren.

Um 15:30 spielte Hertha gegen den SV Meppen. Die Saison hat begonnen. Die Saison beginnt immer mit einem Pokalspiel. Hertha ist bekannt dafür, in Pokalspielen gegen unterklassigen Gegnern zu verlieren. Diesmal ging es gut. Wir haben das Spiel 1:0 gewonnen und sind eine Runde wieder. Dieses Allesodernichts bei Pokalspielen. Ene mene muh. Wir waren oft die Kuh.

Das war der Sonntag.

[Samstag, 7.8.2021 – Bären, Fachwerkkirche]

Am Samstag sind wir nach Stuer an die Müritz gefahren, weil es dort einen Bärenwald gibt. Also Bären, die zwar in Gefangenschaft leben, aber auf riesigen Flächen im Wald. Durch diesen Wald kann man spazieren, dabei ist man mittels hohen Zäunen mit Elektrospulen von den Tieren getrennt. Bären. Das sind erstaunliche Tiere. Es sind ja Hundeartige.
Wir saßen eine ganze Weile alleine bei so einem großen Braunbären der gerade ein paar Möhren verspeiste. Man könnte mit so einem Bären vermutlich relativ friedlich zusammenleben, wenn er merkt, dass man kein Feind ist, schließlich interessiert sich ein Bär nur für Nahrung. Ich ahne aber, dass sie launisch sind. Vermutlich hauen sie dir dann einfach mal ihre Pranken über, wenn sie Lust darauf haben. Deswegen sind sie auch Einzelgänger. Und deswegen konnte man Wölfe vermutlich zähmen, weil Wölfe sich anführen lassen und Hierarchien anerkennen. Das ist meine Erklärung dafür, während ich so auf dieser Bank saß und Fotos für Insta machte.

Die Bären in diesem Wald sind gerettete Bären, meist aus russischen Zirkussen. Einer der Bären war zwei Jahrezehnte lang hinter einem kroatischen Restaurant angekettet, um Gäste anzulocken. Dann gab es diesen Bären mit nur drei Beinen. Das eine Bein hat er bei einem Kampf verloren. Allerdings habe ich nicht verstanden ob dem Kampf eine tragische Geschichte zugrunde lag, oder ob es bloss Natur war. Ein Kampf halt. Um Hoheit. Um ein Weibchen oder um Futter. Man neigt aber trotzdem dazu die bösenbösen Menschen dafür verantwortlich zu machen. Einfach weil es besser zu dem Gefühl passt, geretteten Bären zuzusehen.

Später machten wir eine längere Pause auf einer etwas abseits gelegenen großen Liegebank. Wir quatschten rum, schlossen auch die Augen, die schwache Sonne im Wald wärmte das Gesicht. Wir schliefen fast ein.

Dann.

Dann begann der Boden zu zittern. Ein dumpfes Poltern. Das Poltern eines rennenden, schweren Tieres. Das Poltern wurde jeden Moment lauter und dann hörte man sogar ein Schnauben und Schnaufen. Und dann das Geräusch, von einem schweren Tier das ins Wasser stürzt. Ich finde kein richtiges Synonym dafür. Platschen ist zu kindisch und es würde der Schwere des Tieres nicht gerecht.
Wie wir da so im Wald lagen, fast schon schliefen, und diesen schweren, rennenden Bären hörten. Der Puls war in einer Sekunde auf 600 bpm.

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Auf dem Rückweg hielten wir bei dieser kleinen Fachwerkkirche neben der Strasse. Es ist die Dorfkirche von Stuer. Protestantische Kirchen sind immer verschlossen, ich weiss nicht, warum das so ist. Aus meiner Kindheit und Jugend weiss ich noch, dass wir immer in jede Kirche hineingegangen sind, wenn wir verreisten. Wir waren aber immer in katholischen Gegenden unterwegs. Seit ich aus katholischen Landen weggezogen bin, stehe ich immer vor verschlossenen Kirchen. Den Habitus, immer in Kirchen gehen zu wollen, konnte ich nämlich noch nicht ablegen.

[Freitag, 6.8.2021 – Spaziergang, ein paar eindringliche Gemälde, Essen an der Promenade]

Am Nachmittag habe ich zwei sehr anstrengende Meetings. Um vier Uhr beschliesse ich den Hammer niederzulegen und das Wochenende einzuläuten. Meine Frau und ich wollten uns am Alex treffen und zusammen nach Hause laufen. Auch sie kann früher raus.

Der Spaziergang dauert etwa eine Stunde. Ein bisschen weniger. Ich habe das Fahrrad dabei. Manchmal denke ich, das ist schlecht für meine Haltung wenn ich lange Strecken immer etwas einseitig spaziere und es passiert wirklich oft, dass ich das Fahrrad neben mir herschiebe. In dreissig Jahren werde ich es vermutlich wissen, ob es schlecht für mich war. Andererseits plagen mich jetzt ja schon Nacken- und Rückenschmerzen, ich sollte vielleicht erst lernen anständig zu sitzen oder noch besser: weniger sitzen, bevor ich mir um die Haltung vom Fahrradschieben Gedanken mache.

Wir spazieren also die Karl-Marx Allee hinunter und reden von den Dingen. Es gibt da diese eher neue Galerie, kurz vor der Straße der Pariser Kommune. Wir bleiben da hängen, wegen einer Ausstellung mit großflächigen Bildern von einem Künstler namens Marc Padeu. Gesellschaftszenen von Menschen mit dunkler Hautfarbe vor dunklem Hintergrund.

Ich erzähle von einer Hochzeit in Holland, als die beste Freundin meiner damaligen Freundin einen Mann aus Zaire heiratete. Als die Braut mit Bräutigam und seinen drei Trauzeugen aus Zaire unter einem Baum für das Foto posierten. Wie die Verwandtschaft sich nachher hinter vorgehaltener Hand über dieses Foto lustig machte, auf dem man eigentlich nur das rosarote Gesicht der Braut erkennen konnte und sonst vier Männer, deren Gesichtszüge im Schatten und der Stammfarbe des Baumes verschwanden. Vier gesichtslose Anzüge und eine lustig grinsende Braut dazwischen. Dieses Lachen der Verwandtschaft hinter vorgehaltener Hand. Die vorgehaltene Hand.

Ich denke, die Bilder wurden absichtlich so gemalt. Auch wenn nicht alle Bilder die Menschen vor dunklem Hintergrund darstellen, so ist die Komposition doch etwas auffällig: Helle Gegenstände, die Köpfe aber vorwiegend vor einem betont dunklen Hintergrund.
Die Gefahr ist natürlich gross, dass ich gerade rassistischen Scheiss verzapfe und die Künstlerin schlichtweg alltägliche Szenen nachgemalt hat. In dem Fall sagt es dann mehr über meinen weiss-europäischen Blick auf die Dinge.

Stilistisch mochte ich die Gemälde sehr. Klare, große Linien, deckende Farben, viel blau, Königsblau, Familienportraits im Stile einer Fünfzigerjahre Neuinterpretation, ein bisschen Retro, ohne altbacken zu wirken, sondern modern, groß, Pop. Und dann diese Gesichter, die auffallend in den dunklen Hintergrund verschwinden.

Wir betreten die Galerie, stehen vor diesen großen Bildern. Die Gesellschaftszenen mag ich sehr. Die anderen Bilder weniger. Manchmal hätte ich gerne viel Geld und große weisse Wände um mir solche Bilder aufzuhängen, damit ich lange davor stehen kann, wann immer ich will. Es ist der letzte Tag der Ausstellung und sie werden bald schließen.

Danach wechseln wir die Strassenseite und laufen unter dieser sandigen Promenade, an der mittlerweile ein paar Lokale geöffnet haben, die ganz okay aussehen. Nicht zu hipp, nicht zu altbacken. Eine Weinbar, die auch Briefmarken verkauft, das klingt erst mal tüdelig und elitär hipp, das Publikum sieht von aussen okay aus. Wir sind kurz versucht etwas zu trinken, sind aber beide eher in dem nicht-alkoholischen Modus, aber für Ausnahmen sind wir immer wieder empfänglich, wir checken einander kurz ab, wie empfänglich die jeweils andere für einen Ausnahmedrink ist, schütteln aber beide eher den Kopf. Ausserdem streiche ich derzeit wieder mein Abendessen von meinem Essensverhalten, Alkohol passt da nicht rein.

Und dann kommt ja dieser Abschnitt, der mich manchmal an Promenaden in Rimini oder auf Mallorca oder eben Touristenpromenaden in warmen Urlaubsländern denken lässt, wo sich Seniorengruppen niederlassen und mal „lecker griechisch und Pizza“ essen und dazu ein Weizenbier bestellen. Es reiht sich ein Mexikanisches- ein Vietnamesisches-, ein Böhmisches- und ein Griechisches Restaurant. Und etwas später kommt noch ein Steakhouse. Die Ästhetik und das Publikum dieser Lokalreihung ist so seltsam aus der Zeit und auch aus dem, öhm, Raum gefallen. Aber beim Griechen hat es uns dann erwischt. Wir lesen die Karte und unser Hunger kriegt eine Spontanentzündung. So setzen wir uns hin, bestellen uns Vorspeisen und Hauptspeisen. Der Ouzo, der uns vor dem Essen serviert wird, steigt mir direkt in den Kopf. So schnell hatte ich mich wieder vom Alkohol entwöhnt. Wir werden cremig. Reden über Hunde. Wir wollen uns einen Hund anschaffen. Seit langem schon, aber ich zögere noch etwas. Es ist ein langes Thema. Vielleicht ein andermal mehr dazu.

Als wir nach Hause kommen prasselt der Regen los. Später regnet es noch mehr. Bis Mitternacht. Ich kann am besten einschlafen, wenn der Regen in den Hinterhof plätschert. Sobald ich mich hinlegen will, hört der Regen auf.

[Donnerstag, 5.8.2021 – Quatschen am Platz, Deutschland]

Nach der Arbeit bin ich mit Klaus am Arkonaplatz verabredet. Wir reden über Deutschland. Es ist nicht das erste Mal, dass wir über Deutschland reden. Und wir reden über Textarbeit. Er arbeitet gerade an einem Veröffentlichungsprojekt. So nenne ich das jetzt mal. Uns beide beschäftigt die Änderungen in der Medienwelt. Der Nieder
gang der Zeitungen. Auch der vermutlich voranstehende Niedergang der klassischen Buchverlage, alternative Vertriebs- und Veröffentlichungskanäle. Sicherlich gibt es schon viele Menschen, die hier mit Pionierarbeit sehr weit vorangekommen sind, richtig, erfolgreiche Alternativen gibt es in meinen Augen aber noch nicht. Manchmal denke ich, man sollte einfach Texte aus der Schublade nehmen, sie in gute Form bringen und auf Amazon publizieren. Dann einfach mal sehen, was passiert.
Aber ein schönes Buch basteln ist halt auch eine sehr feine Sache und da man an Geschichten vermutlich eh nie Geld verdienen wird, ist ein schönes Buch eben, nunja, eine sehr feine Sache.

Nach etlichen Stunden stehen wir auf und machen eine Runde um den Platz und entfernen ein paar Köpenick-Sticker. Der Arkonaplatz ist schließlich Herthas Geburtsort. Wir halten den Kiez für Sie sauber.

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Als ich nach Hause komme, muss ich wiedermal das Auto umstellen, da morgen im Haus gegenüber jemand umzieht und daher ein ganzer Bereich als Parkverbot markiert wurde. Um 22 Uhr abends einen neuen Parkplatz zu finden ist ein Unterfangen mit mäßig gutem Auskommen. Nach längerem Herumirren durch den Kiez, parke ich einfach halb in einer Einfahrt des Nachbarhauses. Die Lücke ist dort etwas großer. Wenn ich mich ganz nahe an einem der parkenden Autos heranstelle, dann kommen wenigstens die Müllfrauen daran vorbei. Wir wissen ja alle, dass die Verbotsschilder keine richtigen Einfahrten sind, aber es gibt immer irgendwelche Nachbarn mit gesetzlicher Genauigkeit, die wegen einer solchen Ordnungswidrigkeit die Ordnungskräfte rufen. Es kommt selten vor, vor allem in unserem Bezirk, aber diese Leute tauchen immer wieder mal auf. Und je deutscher Berlin wird, desto schlimmer wird es.
Auch so ein Thema worüber wir am Arkonaplatz redeten. Früher hatte ich immer die Hoffnung, dass Deutschland ein bisschen mehr Berlin wird. Die Entwicklung drehte sich leider um. Berlin wurde ein bisschen mehr Deutschland. Ich hätte nie gedacht, dass ich Nostalgiker werde.

Da ich sitzend nicht so gut sehen konnte, wie nah ich an das andere Auto heranfahre, stieg ich aus und schob das Auto auf einen Millimeter an das andere Auto heran. Die Fahrerin des anderen Autos wird sich morgen eventuell nicht freuen. Vielleicht fährt sie das Auto aber auch nur einmal im Monat und sie wird es nicht merken. Wie der Rest der Strasse eigentlich auch.

[Mittwoch, 4.8.2021 – der alte Mann am Fenster]

Es ist eine anstrengende Arbeitswoche. Ich habe viele Themen auf dem Tisch, die ich nicht abgearbeitet bekomme.

Am Abend habe ich Bringmeisterdienst. Wir bestellen unsere größeren Einkäufe mittlerweile immer per Lieferdienst. Bringmeister, weil ich das Sortiment von Edeka am besten kenne. Bringmeisterdienst bedeutet: rechtzeitig zuhause sein und sich um die Annahme der Lieferung kümmern. Das Lieferfenster ist üblicherweise zwei oder vier Stunden groß, das hängt vom Einkauf ab. Wir sind eigentlich immer die letzten. Wenn das Zeitfenster zwischen 7 und 11 ist, klingelt es um fünf vor elf. Ist es zwischen neun und elf, dann auch.

Heute klingelte es um 19:15. Ich dachte es sei die Müllabfuhr.

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Ich könnte mein Leben damit verbringen, aus dem Fenster zu schauen. Manchmal fürchte ich mich davor, einer dieser alten Herren zu werden, die den ganzen Tag aus dem Fenster lehnen und auf die Strasse zu schauen. Noch bin ich so jung, dass ich mich um einen guten Ruf in der Nachbarschaft bemühe, ich ziehe meinen Kopf nur deswegen wieder ein, weil ich nicht will, dass die Menschen von den Häusern gegenüber von mir denken: guckt mal, der ist mittevierzig und hängt jetzt schon aus dem Fenster wie ein alter Mann, der hat bestimmt nichts zu tun in seinem Leben. Soziale Kontrolle um mir spannendere Hobbies zu suchen.

Ich weiss nicht was passiert, wenn mein Ruf mal ruiniert ist.

[Dienstag, 3.8.2021 – Räumen]

Heute hatte ich ein Lunchdate das ich total vergaß. Ich kam nichtsahnend, anderthalb Stunden zu spät zurück zu meinem Schreibtisch und sah die Anrufe in Abwesenheit. Anderthalb Stunden zu spät sein ist doof. Da hat man auch keine faule Ausrede mehr parat. Das bedeutet einfach: ich habs vergessen.

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Heute ist Räumtag. Seit wir aus Schweden zurück sind, ließen wir die wichtigen logistischen Dinge liegen. Wäsche, Koffer, Mitbringsel, Verpackungen, Auto ausräumen. Mein Schreibtisch ist zur Ablage geworden. Während ich diesen letzten Satz so schrieb, müsste ich eigentlich sagen: mein Schreibtisch ist so ziemlich oft eine Ablage. Ziemlich oft eine permanente Ablage. Nicht für andere Menschen, ich kann die Schuld niemandem zuschieben. Es ist meine eigene Ablage. Und das meine ich nicht positiv. In der letzten Woche war sie aber noch viel mehr als nur eine Ablage. Es lag einfach alles darauf, was keiner Kategorie zuzuordnen war und nach einem Urlaub kann man so ziemlich gar nichts einer Kategorie zuordnen.
Das ist ja eine Ablage, oder? Ein Ort, an dem man unkategorisierbare Dinge ablegt. Weil die Dinge für die man einen Stempel findet, schiebt man in Schubladen ein. So wie Menschen das eben machen.

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Danach noch in den vierten Teil von Twilight hineingeschaut. Im vierten Teil haben sie Sex. Sie hatten echt die ganze Zeit keinen Sex. So viel unsterbliche Liebe und dann keinen Sex. Danach heiraten sie und sie wird schwanger. Und der Werwolf ist immer noch eifersüchtig. Am Anfang ist Regen. Es ist Wald und es regnet.

[Montag, 2.8.2021 – kurzehosenproblem, zu viel eifersucht in Twilight]

Ich muss einsehen, mich zum Fan von kurzen Hosen gewandelt zu haben. Diese Wandlung vollzog sich von 0 auf 95 innerhalb nur weniger Wochen.
Dennoch fällt es mir schwer. Kurze Hosen haben ein ästhetisches Problem. Kurze Hosen haben immer etwas latent Freizeitlookiges und wenn ich etwas nicht mag, dann ist es Freizeitlook. Ich habe keine Freizeitkleidung. Ich kann zwar Grasmäher im Wald sein, dann ziehe ich mich wie ein Grasmäher im Wald an, beim Fussball ziehe ich mich fürs Stadion an, und wenn ich deine Gesellschaft am Tresen bin, dann trage ich Kleidung um deine Gesellschaft am Tresen zu sein, nicht einmal wenn ich auf dem Sofa sitze und Twilight schaue, habe ich Freizeitkleidung an, da sitze ich lieber in Tshirt und Unterhose.
Mit kurzen Hosen sehen alle Männer immer aus wie nette Papas oder campende Touristen.

Mein Problem ist jetzt aber, dass ich diese Luft an meinen Unterschenkeln zu lieben gelernt habe. Und seit ich diese Liebe habe, verstehe ich auch, warum ich an den Waden oft mit diesem unangenehmen Gefühl herumlief. Ein Gefühl der Wärme, ein Gefühl, das bei steigender Hitze, auch in warmen Innenräumen, oft ein Bäh-Gefühl war.

Jetzt also kurze Hosen. Sogar in diesem so angenehm frischen Sommer. Wenn es morgens 14 Grad hat und ich mit kurzer Hose auf das Rad steige. Dieses angenehm kühle Gefühl an den Waden. Obenrum ziehe ich etwas mehr an, um mich vor der kühlen Luft zu schützen, aber dieser Luftzug an den Waden weckt Lebensgeister in mir. Ich weiss jetzt nicht, was ich tun soll. Ich kann ja nicht ewig in diesem Freizeitlook herumlaufen. Das ist richtig schwierig.

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Als ich nach Hause komme telefoniere ich lange mit meiner kleineren Schwester.

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Danach will ich den dritten Teil von Twilight schauen, aber der dritte Teil beginnt mit Eifersucht. Ich kann Eifersucht total nicht ausstehen. Ich kriege richtig schlechte Laune davon. Überhaupt, dieser eifersüchtige Werwolf. Er ist seit dem ersten Teil eifersüchtig auf den Vampiren. Dabei gibt es viele schöne Frauen in diesem Dorf und keine davon ist vergeben. Was für ein Scheissleben.
Nach 14 Minuten beschliesse ich, nicht mehr zu schauen. Vielleicht schaue ich irgendwann weiter, damit meine ich auch die folgenden Teile, ich glaube, dass ich Twilight noch nicht verstanden habe. Ich bin mit Filmkultur noch nicht am Ende.

[Sonntag, 1.8.2021 – arktischer Ozean, Stauraum, Twilight]

Heute lange geschlafen. Mein Immunsystem hat heute Nacht etwas ausgebrütet. Es fing bereits gestern Abend an und heute Nacht habe ich faktisch krank geschlafen. Gestern und vorgestern habe ich ein paarmal zu viel geschwitzt und war dabei zu leicht gekleidet und auf dem Fahrrad dem Fahrtwind ausgesetzt, ich merkte bereits tagsüber, dass mein Immunsystem etwas am Boden liegt.
Über Nacht habe ich dann alles ausgebrütet und ab dem späten Vormittag war alles wieder gut.

Zum Frühstück schauten wir wieder Cecilia Blomdahl. Wir hatten viele ihrer Youtube Videos nachzuholen, da wir mehrere Wochen nichts mehr von ihr geschaut hatten. Cecilia hat ja ihre Hütte in der Arktis vergrößert und die ganze Renovierung ist nun abgeschlossen. Die Küche ist super geworden, nur verstehe ich nicht, warum sie ihr Arbeitszimmer in die Bergseite der Hütte verlegt hat. Hätte ich den Arktischen Ozean vor der Nase würde ich meinen Schreibtisch an einem Fenster stehen haben wollen, wo meine Augen über den Arktischen Ozean schweifen können und nicht auf einen braunen Hang.
Andererseits: kann man überhaupt noch arbeiten wenn man über Wasser schaut?

Nachdem Cecilia in den Videos den Stauraum in ihrer Küche zeigte, überfiel mich das Bedürfnis, die Vorratsschränke in der Küche aus- und einzuräumen. Ich hatte in den letzten zwei Tagen jeweils eine Motte in jener Ecke gefangen. Und ich weiss von diesen offenen Mehltüten und auch Haferflockenpackungen werden schnell mal zu Mottennestern.

Anderthalb Stunden später war alles aus- und wieder eingeräumt. Ich hatte keine Motten gefunden, dafür aber wieder viel mehr Platz, weil wir Packungen umfüllten und zusammenlegten.

So ist das.

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Sommerregen.

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Am Abend wollte ich den zweiten Teil von Twilight sehen. Weil ich jetzt in der Geschichte drin war und ich es jetzt auch richtig wissen wollte mit der Popkultur. Der zweite Teil ist eine Geschichte von Liebeskummer. Uff Liebeskummer.