[tagebuchbloggen: 8.12.]

Nach der Arbeit stieg ich auf das Fahrrad und im Schritt riss mir die Hose. Eine Hose die ich mir vor mehreren Monaten gekauft habe, als ich mir vorgenommen hatte, viel Gewicht zu verlieren, doch war ich ziemlich schnell ziemlich euphorisch über meinen schnellen Erfolg gewesen, dass ich die Hose ziemlich früh ziemlich oft angezogen habe. Auch wenn sie noch ein bisschen eng saß. Und heute ist mir das zum Verhängnis geworden. Verhängnis, weil ich nach der Arbeit mit meinen Kollegen zum Bowlen verabredet gewesen bin. Die anderen fuhren mit den AUtos oder mit der Bahn, ich hingegen fuhr mit dem Fahrrad, erst ritsch-ratsch und unterwegs dachte ich mir, irgendetwas unternehmen zu müssen, dann fiel mir ein, dass ich auf dem Weg zur Bowlingbahn ja bei diesem Arkadenteil an der Landsberger Allee vorbeikomme, und Arkaden sind in Berlin ja das Synonym für Geschäfteanhäufung in einem gläsernen und stählernen Bau. Ich kam dann bei den Arkaden an, musste aber feststellen, dass die beste Zeit für die Landsberger Allee Arkaden längst schon gewesen ist, fand dann aber doch noch ein KiK Textildiscount im Untergeschoß, und da gab es Polyesterhosen für 7€ und dann fiel mir dieser Flyer ein, den meine Schwester neulich ins Haus gebracht hat, auf dem draufstand, dass Kik genauso schlimm ist wie Lidl und Aldi, und weil ich bei Lidl und Aldi ja auch einkaufe, habe ich bei Kik auch, nunja, die Sache sein lassen und bin mit gerissener Hose ins Bowlingzentrum geradelt.
Einen Strike habe ich geworfen und zweimal einen Spare. Sonst war ich so ziemlich der Schlechteste.

[…]

Zudem frage ich mich woher diese Empörung von allen Seiten rührt, wenn sich Rockstars daneben benehmen. Galt es früher nicht als guter Stil, das Hotelzimmer zu verwüsten? Galt es nicht als normal, sich die Birne zu betäuben, um das Ganze und noch vielmehr zu ertragen?
Pete Doherty hat gestern in Kreuzberg im Suff randaliert und alle sind empört. Aber vielleicht habe ich früher einfach andere Medien gelesen.

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Die Dinge die am Wochenende passiert sind liegen jetzt zu weit zurück um noch darüber tagebuchzubloggen. Und heute war alles fad.

[tagebuchbloggen: 4.12.]

Ohja. Vorgestern noch »Es« weitergelesen, also vorgelesen, das zweite Kapitel handelt von einem Lynchmord an ein schwules Paar, die Homophoben sollen es gewesen sein, aber in Wirklichkeit war es natürlich der CLown mit den Haifischzähnen, nur glaubt das wiedermal niemand.

Was vorher geschah: meine Schwester und ich hatten uns nach dem Literarischen Nachtclub an der u8 am Alex verabschiedet, weil sie vorgestern die erste Nacht in ihrer neuen Bleibe verbracht hat, sie fuhr also gen Süden und ich gen Norden, das war so das erste mal Abschied nehmen in der selben Stadt, hey schlafgut, sehen wir uns morgen? Das war fast schon normal, so schön auch, das war sehr OK. Eine eigenartige Unaufgeregtheit, die symbolisiert, dass alles gut ist, dass alles so ist wie es sein soll.
Wir hatten uns neulich überlegt Tshirts zu kaufen mit dem Aufdruck u8, wegen des Bekenntnisses zur eigenen Ubahn, denn, sich mit Stadtteilen zu identifizieren ist ja gleich wieder so nazimäßig, sosehr Nation auf Mikroebene, weil man sich mit dem größeren Kontext nicht identifizieren mag. Diese Shirts gibts es im Mauerpark(is-our-park) zu kaufen, zudem ist der Ruf der u8 ja eh schon so schlecht, dass man durchaus eine Art Kultur schaffen sollte um der u8 eine gewisse Liebe entgegenzubringen, zu hypen vielleicht, zu gentrifizieren auf ubahnisch, bis wir alle nur noch in der u8 Prosecco trinkend rumschnöseln. OK das war jetzt albern.
Im Ubahnhof am Alex haben wir dann noch K und ihre Freundin S getroffen, die gerade von einem Abend an der Oper auf die u8 warteten, und das ist so krank, dieses anonyme Großstadtleben, wenn man nachts im Ubahnhof steht, in der Masse der Geischter, plötzlich ein bekanntes Muster erkennt. Warum das jetzt krank sein soll erschließt sich mir nicht ganz, aber das klang eben so gut, dass ich mir den Term nicht entgehen lassen will, den Satz jedoch nicht umbauen will, ist ja alles mühsal.
Zuhause lag B jedenfalls schon im Bett, weil, oh, das hatte ich noch gar nicht erwähnt, wir haben seit vorgestern B aus Wien zu Besuch, B kommt eigentlich aus meinem Dolomitendorf, ist aber eine Studienkollegin von K, sie haben zusammen in Wien studiert, und B hat mich mal beim Autostoppen mitgenommen, ich war damals vielleicht siebzehn, oder achtzehn, immer zu spät für den letzten Bus hinauf auf den Berg (19:20), weswegen ich mich so oft mitten in der Nacht auf die Straße stellen und den Finger rausstrecken musste. B hatte mich damals mitgenommen, ohne zu ahnen, dass sie jemals in Wien studieren würde, und mit einer Studienkollegin befreundet zu sein, die später einmal diesen Typen flachlegen wird, den sie da gerade von der Straße aufgelesen hat.
Das kann man natürlich witzig finden. Ist es auch. Aber mittlerweile ist das ganz normal.

Aber egal. Gestern saß ich dann wieder in der u8 nach Neuköln. Die Wohnung meiner Schwester besichtigen. Sie hatte mir eine wunderbare Suppe gekocht, und dann haben wir ein bisschen geredet, und danach zog sie ihre Kohlestifte und ihre Ölstifte hervor, und legte zwei große Kartonstücke auf den Tisch und wir fingen an zu malen. Nebenher lief ein Feature im Deutschlandradio, die Leute redeten von den Indios in Peru, vom Aufbegehren der einheimischen Minderheit und wie sie zu einer autoritären, patriarchalen Gesellschaftsform verfallen.
Danach machten wir uns auf, um noch eine Runde zu spazieren, ihren Kiez zu erkunden. Als wir das Haus verlassen wollten, klingelte es an der Tür. Es war I, eine alte Bekannte meiner Schwester, Italienerin, Berlinerin, sie hatte Ramazotti und Gin in den Händen, und ihr Mitbewohner, der auch dabei war, hatte eine Familienpackung Vanilleeis bei sich. Sie wollten nur Hallosagen, und fragen wie es geht. Das war sehr nett. Sie begleiteten uns noch ein Stück auf dem Kiezrundgang, wollten dann aber nachhause um die Sachen abzulegen, vielleicht kämen sie noch nach, wir sagten nämlich wir gingen ins Ä an der Weserstraße, das ist so ein bisschen mein Anhaltspunkt in Neuköln, nur weil ich da einmal gelesen habe, und die Location eigentlich ziemlich gut war.

So und jetzt muss ich einkaufen gehen und will nicht mehr weitererzählen.

[tagebuchbloggen: 3.12.]

Ah und dann diese neue Lesebühne im WMF, an der Klosterstraße, der Hardcover-Club, weniger Lesebühne, sondern: literarischer Nachtclub. Frank hat mich neulich darauf hingewiesen, gestern war Eröffnung und dann bin ich mit meiner Schwester hingegangen. Wir setzten uns auf die Seite des Saales – ein großer Raum aus kahlem Beton mit unverputzen Säulen – auf eine schicke Matratze, also nicht, dass das so nach Matratzenlager aussah, die Matratzen machten eher den Eindruck barocker Sofas, aber ohne Beine und Armlehnen, es lag sich vortrefflich darauf, die Beine gestreckt, die geknäuelte Jacke im Nacken, das Bier in der Linken, und so folgten wir den Texten einiger Autoren (Alexander Schimmelbusch und Leif Randt) und hörten einem Duo aus Gesang und Piano zu, wie sie Lieder von Leonard Cohen interpretierten.
Dieses Beiläufige; die nächtliche Stimmung in dem Literatur vorgetragen wurde, die Möglichkeit an die Bar zu gehen und mich rausnehmen, wenn mir ein Text gerade nicht gefiel, wenn ich nicht mehr sitzen wolte. Das gefiel mir alles sehr. Nur die Bar, es war sehr laut, an der Bar sammelten sich die Labergarde, was prinzipiell sehr gut ist, aber die Menschen nah an der Bar konnten den Texten kaum zuhören und so SSSSSSSSSSCHHHHHHHHHH-te es und PSSSSSSSSSSSSS-te es, und ich konnte mich nicht konzentrieren. Den Veranstaltern ging das auch gehörig auf den, öhm, Kübel, aber das wird sich einpendeln, man wird sich etwas überlegen, denn das Reden ist wichtig, das Quatschen, ich meine das Zurückgeben an die Literatur. Oder: das Zelebrieren. So stelle ich mir das vor.

[tagebuchbloggen: 2.12.]

Die Handschuhe sind super, das Fahrradfahren ist wieder angenehm, morgen muss ich früh raus, meine Schwester hat heute Nacht zwei Stunden geschlafen, zum Schlafen eignen sich diese neuartigen Pennstätten in den Hörsälen also doch nicht, sie liegt jetzt nebenan und schläft, K hat gerade Pasta gegessen und ich einen Salat, ich habe heute seit längerem wieder einmal Texte hervorgeholt, nur ein bisschen drübergeschaut, ab nächster Woche werde ich wieder mehr Zeit dafür haben, und gleich gehe ich ins Bett, nehme K mit und lese dann doch »Es« vor, so zum Schlafengehen und um ein paar böse Bilder mit in den Schlaf zu nehmen, natoll, warum mach ich das eigentlich.

[tagebuchbloggen: 1.12.]

Wie sehr mich diese Minarettdiskussion an Penislängen denken lässt. Es darf nur einen geben; der Schwanzvergleich über der Solothurner Skyline. Die Gastgeber sind Gastgeber, glauben immer den Kürzeren zu ziehen und sagen daher wos lang geht (einpacken den Schniedel!) und die Gastnehmer sind nicht Gastnehmer und rufen: Menschenrechte.
Andererseits wurde früher gnadenlos (!) durchgesetzt, dass in protestantischen Gegenden, die kathoholishen Kirchen keine Türme haben durften, ganz neu ist die Angst vor Penisschwund wohl nicht, der Unterschied ist nur wie man heute über diese damalige Sitte staunt und sogar ein bisschen lächelt, und sich des historischen Kontextes nicht bewusst macht. Ganz einszueins lässt sich das natürlich nicht übertragen.

Jedenfalls.

Nach den Bürostunden war ich mit K verabredet, Handschuhe kaufen, ich brauche Handschuhe, es wird wieder kalt und ich fahre Fahrrad, und meine Handschuhe sind- ich weiß nicht, ich glaube, sie waren einmal von Motten befallen gewesen, von innen, das Futter, ich glaube mich an eine Mottenbrutstätte zu erinnern, andererseits bin ich mir da gar nicht so sicher, vielleicht liegen sie bei den Wintersachen und je mehr ich jetzt so schreibend darüber nachdenke, je mehr denke ich mir, wie wenig ich mir über den Verbleib der alten Handschuhe Gedanken gemacht habe, und denke mir: mir doch egal, die sahen ziemlich Scheiße aus.
Handschuhe jedenfalls gefunden. Sehen ziemlich gut aus. Schwarz, Leder, bisschen enganliegend und sie haben so genähte Längsstreifen an der Oberseite, damit das Leder ein bisschen auf Taille macht.

Zuhause haben wir etwas gegessen, dann kam meine Schwester, wir quatschten ein wenig über dies und über das, danach habe ich Stephen King vorgelesen, das erste Kapitel aus »Es« das war so lala: ein kleines Kind läuft einem Papierboot hinterher, trifft im Gulli einen freundlichen Clown (das Kind ist über dem Gulli, der Clown im Gulli drin) der ihn in Stücke reißt.
Wir waren uns nicht sicher ob wir das die ganzen tausend Seiten weiterlesen wollten, und liefen unseren Bücherschrank ab. Der nächste Vorschlag, von meiner Schwester, ging leicht in eine andere Richtung: Infinite Jest, DFW.
Ich las zwei Seiten Probe. Es gefiel. Wir besprachen das Buch, und wir waren uns bald einig: wir wollten eine richtige Geschichte. Die Tage werden kurz, wir fanden, dass das mit dem Vorlesen eine Art Kaminfeuersache werden sollte, und eine Kaminfeuersache hat eine klare Handlung, das steht so geschrieben, also standen wir wieder vor dem Bücherschrank verwarfen viele Dinge, einigten uns auf etwas Kürzeres, suchten weiter, und blieben schließlich bei Bohumil Hrabal hängen. Ich habe den englischen König bedient. Für Hrabal sprach vieles.

Meine Schwester ist vorhin (23Uhr) nach Dahlem zur FU gefahren. Im besetzten Hörsaal schlafen. So fängt man das Leben in Berlin gut an.

[30.11.]

Ich sitze hier und warte auf Mitternacht, weil ich dann gleich ein paar Dinge erledigen werde. Und die dazwischenliegende Zeit kann man effizienterweise tagebuchverbloggen.
Heute nicht viel gemacht, außer mich mit Sachen auf der Arbeit herumgemüht, die sich nicht so umsetzen lassen wie ich sie gerne haben möchte.

Andernseits auch Erfolgserlebnisse gehabt: meine neue Lederjacke. Das heißt, gar nicht so sehr die Jacke, sondern mein Hüftumfang, weil jetzt: Jacke passt um den Hüftumfang herum. Was beim hereinbrechenden Winter durchaus von Vorteil sein kann. Zehn Kilo abgenommen in den letzten zwei Monaten. Vier dieser Wochen habe ich gehungert, mir den Spaß genommen, und danach habe ich einfach anders weitergegessen als früher. Einige Sachen dabei gelernt: mit Essen erschlägt man oft nur einen kurzen Reiz der dem Ziehen an der Zigarette ziemlich ähnlich ist, oder: Wasser ist super! Und mein Körper nimmt immer noch ab, fast als wäre er dankbar und könne sich nun der ganzen Überflüssigkeiten entledigen, die er so lange schon widerwillig mit sich mitschleppt, aber dankbar ist er natürlich nicht, ich weiß schon, dass das Alarmzustand für ihn ist, ein Körper will ja nicht abnehmen, weil er dann denkt, es wäre eine Hungersnot ausgebrochen, oder es gäbe Missernte, weil der Körper ja noch glaubt, er wäre der Körper eines Steinzeitmenschen und nicht eines sitzenden Büroangestellten der zu viel isst und sich zu wenig bewegt und eigentlich immer essen hat, von Alarmzustand kann also keine Rede sein, und von Missernte schon gar nicht, weil Kaisers hat nie niemals keine Missernte, zumindest solange sie bei Kaisers Geld machen wollen, oder solange die Banken frisches Geld nachreichen können, aber wie auch immer, ich lese ja auch viel Schund und ich sagte neulich zu K, vielleicht hätte ich ja Krebs, weil ich mal gelesen habe, dass man bei Krebs auch abnähme, Geiwchtsverlust sei sozusagen ein Indikator für Krebs, weil Krebs: schlauet Ding, nimmt dem Körper das Gewicht und die Gesundheit gleich mit. Aber K beruhigte mich, sie sagte, so ein Zufall wäre zuviel des Zufalls, aber große Worte waren das nicht, und ich fühlte mich ziemlich der Koketterie entlarvt, wobei Entlarvung jetzt voraussetzt, dass das wirklich Koketterie ist, aber mir ist es ernst, und ich wusste nicht wie ich es anders formulieren soll, entlarvung hat so etwas kriminalistisches, das wollte ich immer schon einmal sagen: entlarvung, man fühlt sich so seriös wenn man das sagt, entlarvung entlarvung, irgednwie journalistisch. aber ach.

Noch eine weitere positive Meldung: meine Schwester hat jetzt eine Wohnung gefunden, in einer kleinen Neukölner WG.

[tagebuchbloggen: 29.11.]

So oft auf dem Flohmarkt am Mauerpark gewesen wie in letzter Zeit, bin ich schon lange nicht mehr gewesen. Aber meine Schwester geht da gerne hin, zudem sucht sie eine Jacke. Das Resultat des Flohmarktgehens ist aber immer, dass sie sich nichts kauft, dafür aber ich. Gestern: eine kurze Lederjacke und Stephen Kings „Es“, ja genau Stephen King, da mich Stephen King neulich schon so ungeniert beschäftigt hat, habe ich mir gleich einen tausendseitigen Klotz von ihm gekauft. Zweieurozehn.
Stephen King werden wir dann vorlesen, zu zweit oder zu dritt, ich lese solches Gruselzeug nicht alleine.

Am Nachmittag lange vor mir hergeschobene Sachen erledigt. Handwerkkrams: Türschwelle geschliffen, Bedetuchstange montiert und die Schlafzimmertür vom Quietschen befreit. Das war dann wieder so ein Tag wie der Samstag, dass plötzlich der Abend da ist und man nicht weiß wo die Zeit geblieben ist.
Dann haben wir uns Pizza bestellt und 21 grams mit Sean Penn und Naomi Watts geschaut.

Undso.

[tagebuchbloggen: 28.11.]

Gestern Abend Frau Gagas Link gefolgt, und zur Vernissage von Jan Sobottka in die Schwedenstraße im Wedding gegangen, und wie immer, wenn ich im Wedding bin, habe ich mir gedacht, was für tolle Häuser da herumstehen, und überhaupt, dass die berliner Frauen die schöneren Schuhe tragen als die in Hamburg, auch wenn das nichts mit dem Wedding zu tun hat und nichts mit Jan und mit Gaga, doch, mit Gaga vielleicht, aber irgendwo muss ich das ja erwähnt haben.

In den Räumen neben Jan gab es noch weitere Vernissagen: eine Malerin, die sehr viel mit schwarz macht, die Bilder waren vage düster, schwarz, verschwommen in dunkelgrau, und anfangs stieß das ein wenig gothicmäßig auf, viel zu explizit, zu ausgedrückt, und schwarz ist ja schon so eine gewollte Sache, bei aller vagen Düsternis will ich nicht Vampirzähne sehen, bei einem anderen Bild störte mich auch eine Körperform, die zu sehr eine Mumie in einem schwarzen Raum sein sollte, auch wenn alles nur angedeutet war, stilisiert, so war es doch zu sehr eine Körperform, die einen Mumie in einem schwarzen Raum sein sollte. Aber beim gelangweilten Schlendern entlang der Bilder gelangten K und ich in einen hinteren Raum, in dem ein paar gute Sachen hingen. Das zentrale Bild war ein schwarzes Bild mit einer schwarzen Figur, die an eine Schachfigur (ein Bauer) erinnerte, aber merkwürdig sakral wirkte, als würde sie beten oder segnen, jedoch nicht verkitscht, oder romantisiert, sondern ungreifbar, zwei Meter groß, schwarz in schwarz, und das eine schwarz leuchtete anders als das andere schwarz.
Meine Schwester machte sich später schlau und wusste zu berichten, dass das eine schwarz Ölfarben war und das andere schwarz Acrylfarben. Die unterschiedliche Lichtreflektion, der unterschiedlichen Farbkörper wegen, ah, klasse, das.

In einem Raum daneben hatte ein Künstler Europakarten gemacht, ich konnte mich nicht dafür begeistern, ich bin ein großer Landkartenfreund (an dieser Stelle muss ich auch endlich mal das Landkartenblog verlinken) und betrachte Landkarten reflexartig mit einem wissenschaftlichem Hintergrund. Dass der Künstler die Karten wahlweise, mit willkürlichen Farben, oder willkürlichen Linien versehen hatte, konnte ich wenig abgewinnen. Und wieder einmal hatte sich meine Schwester informiert, die mir das später alles erklärte. Zumindest die Karten mit den Linien, wurde ihr erklärt, die Linien stellten alle je definierten Grenzverläufe auf dem europäischen Kontinent dar. Ich wäre danach gerne zu den Karten zurückgegangen, aber dann erblickte ich auch schon Gaga und dann war ich sozusagen verkauft.

Nach ein paar Drinks sind wir dann gegangen, in Richtung Ubahn Pankstraße und ich fing wieder an, von den Häusern zu schwärmen, dann wollten die beiden Frauen Schawarma essen und so sind wir in einen Schawarmaladen eingekehrt. Auf dem Nachhauseweg haben wir nochmal eine Pause gemacht, diesmal für einen Drink im Akikaurismäki. Ich trank ein Bier, K trank einen Prosecco und meine Schwester ein Wasser. Komische Mischung und auch irrelevant, weiß jetzt auch nicht warum ich das erwähne, machnmal ist es die Chronistenpflicht die ruft.


Heute: Heute ist ja schon gestern. Heute lange geschlafen. Meine Schwester hat die Wohnung schon ziemlich früh verlassen. Als ich aufgewacht bin, habe ich Kaffee gemacht, dann auch einen Tee für K und habe sie dann geweckt, ich würde jetzt in der Küche sitzen, die Zeit lesen, die sie bei einem fliegenden Aboverkäufer zum Probelesen gratisabonniert hatte, Probelesen Probelesen, als müsse man die Zeit noch probelesen. Dass die sich auf schusselige Menschen einstellen die den Gratisausgaben erlegen sind, und dann die Abokündigung verschlafen, ist so klar wie die Spree. Aber sowas macht man nicht mit K, denn K verschläft sowas nicht. Ich hingegen habe sogar das FAS-Abo einmal verschlafen.
Ich habe mich jedenfalls in die Küche gesetzt, Kaffee geschlürft und die Zeitung gelesen, und zu K gesagt, ich säße in der Küche und würde die Zeit lesen, also ist auch K in die Küche gekommen, hat Tee geschlürft und einen anderen Teil der Zeit gelesen, K hat sich aber auch ein Brötchen geschmiert ich hingegen dachte mir, Mensch Du bist auf Diät, streiche einfach mal das Frühstück, und dann habe ich das Frühstück gestrichen, was total Ausnahmezustand ist, weil Frühstück so eine Art Symbol der Freude für mich ist, so ganz vulgär: ich setze mich ans Frühstück und mein Tag ist super. Was natürlich nur Blendung ist, sobald sich der Tag super anfühlt, ist es auch schonwieder vorbei damit. Spätestens wenn das Frühstück verspeist ist, ist diese Erkenntnis dann auch bei mir angelangt, aber ach, in der Zeit stand jedenfalls dieser Artikel über die Unselds und Suhrkamp, und die Witwe Ulla, Ulla Unseld-Berkéwicz die mich ja unheimlich in ihren Bann gezogen hat, weil es sie irgendwo ja ziemlich sympathisch macht, wie sie, möglicherweise ahnungslos und gegen ihren Willen, diese ganze Altherrenriege von selbstverliebten Schriftstellern a la Walser verscheucht hat, also nicht, dass ich im Besonderen etwas gegen Walser hätte, aber irgendwie wirken diese Herren auf mich immer wie kleine Kinder, die immer ein kümmerndes Mütterchen um sich herum haben müssen, weil sie in der gefühlten Unendlichkeit ihres Geistes, umöglich an ihre Hauspantoffeln denken können, und dann übernimmt Ulla Berkéwicz den Laden, die alles andere ist als ein kümmerndes Mütterchen und überall gehen auf einmal die Wunden auf. Aber hey, ich male mir das ja nur so aus, ich kenne den Betrieb da nicht, und die Menschen nicht, aber sehr soapy ist das allemal.

Bis K und ich jedenfalls einigermaßen bereit waren den Tag anzugehen, war es mittlerweile 14Uhr geworden. Um 14Uhr sind wir ins Bauhaus am Hermannplatz gegangen: Kabel kaufen, Werkzeug kaufen und überraschenderweise: Lampen. Zwei richtig tolle Lampen die man von der Decke hängen lassen kann, Lampen aus dem Baumarkt, das darf man ja niemandem sagen, ohne gleich die Lizenz zum Kulturschaffen (Bloggen) entzogen zu bekommen. Dafür habe ich noch ein paar Tuben Cobaltblau, Elfenbeinschwarz und Echtrot Dunkel gekauft um weitermalen zu können, und dann gleich noch zwei große vorbespannte Leinwände dazu, ich habs gerade ja eh mehr mit dem Malen, kommt mir so vor, alles sehr visuell gerade, wie ich mir die Sachen vorstelle, weniger Rythmik drin, so, wenn man versteht was ich zu verstehen meine.
Wir haben dann, im Baumarkt noch, meine Schwester getroffen, die in Neukölln gerade auf einer Wohnungsbesichtigung war, sie half uns mit den schweren Dingen aus dem Baumarkt, und sie hielt K Gesellschaft als ich zu Reichelt oder Rewe oder Kaisers oder Netto oder Plus musste um Basilikum zu kaufen, weil sich K sich wieder Pesto zum Abendessen gewünscht hatte, also warteten sie in diesem Vorraum beim Bäcker zum Supermarkt und tranken übelsten Filterkaffee. Danach kam ich vom Einkauf zurück und setzte mich dazu.
Es war aber alles so schwer. Wir winkten uns ein Taxi herbei, das, wie gerufen (!), ein Lastentaxi war, in dem wir all unser schweres Geschütz und Künstlerbedarf, einfach in den Kofferraum schmeißen konnten.
Als wir dann zuhause ankamen, war es sieben Uhr oder halb acht, und niemand wusste wo die ganze Zeit geblieben war.

So und jetzt habe ich für heute genug. Wird ja nie fertig sonst.

[tagebuchbloggen: 26.11.]

Weil ich am Mittagstisch von 2012 redete, glitten unsere Gespräche ab und landeten bei Freddy Kruger aus den Nightmarefilmen und Jason aus den anderen Filmen, und ich weiß jetzt gar nicht warum ich das erwähne, inhaltlich lässt sich das gar nicht vertiefen, außer ich bin jetzt ganz angestrengt, aber der Flow: wie wir Jungs am Tisch, von den Filmen aus den Jugendjahren sprachen, da will man gar nichts vertiefen, da will man nur buddeln, nur sich erinnern: diese eigenartige Stimmung beim Friedhof der Kuscheltiere, den wir eh alle als Buch viel besser fanden, was dann wieder komisch war: wieviele Menschen Friedhof der Kuscheltiere gelesen haben, fast als wäre es Kings beste Geschichte, aber war das nicht eher Er, sie, es oder Tommyknockers?, ich kenne mich ja nicht so aus, zudem habe ich nur die Kuscheltiere richtig wahrgenommen und natürlich Sie, verfilmt mit der einen soweit ich mich erinnern kann, tollen Schauspielerin, die ich jetzt googeln müsste, wie sie dem Protagonisten mit dem Vorschlaghammer die Füße zerschlagen hat, das war so ein Bild, das geblieben ist, neben diesem unsäglichen Gefühl, ganz langsam in eine Falle getappt zu sein, eine Falle, die man von Anfang an erahnte, aber sich dann schlimmer als alle Vorstellungen herausstellte, aber quatsch, nicht das war das schlimme Gefühl, sondern das Gefühl ausgeliefert zu sein, das war das schlimme Gefühl, das andere ist ein nebenseitiger Effekt, der am Anfang die gute Stimmung, ahnungslos zerbröckeln ließ, aber ich verliere mich in Details, und klinge schon, als würde ich jetzt Stephen King Bücher besprechen wollen, neinnein, aber dochnochschnell: vielleicht sollte ich wirklich mal Sie lesen, von King sagt man ja, der würde ganz eigene, unheimliche Stimmungen herstellen, und wenn die Stimmung gemeint ist, die ich bei den Kuscheltieren gefühlt (eh? sagt man, dass man Stimmungen fühlt? Stimmungen hört man ja eher, aber ach: Musik fühlt man ja auch, egal) habe, dann willichwillich (oha!) wissen wie unheimlich sich die Stimmung in jenem Haus im Schnee in den amerikanischen Bergen sich anhört, -fühlt.
Ah und dann fällt mir the Shining ein, das war ja auch King, nagut, wir kennen ja nur die Verfilmung von Kubrik mit Jack Nicholson, weil, wer hat Shining schon gelesen, wir haben ja alle nur die Kuscheltiere gelesen, und nicht die anderen.

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Abends war niemand zuhause. K war aus essen, meine Schwester war tanzen und ich habe die Gelegenheit genutzt, Papierkram zu erledigen. Der liegengebliebene Papierkram ist abendfüllendes Programm.
Dabei ist dieser vorige Satz als letzter Satz, dermaßen unmöglich, dass ich diesen Satz anfügen muss, und schon drücke ich mich vor dem Punktmachen, weil dieser angefügte Satz so oberlehrerhaft ist, aber immerhin angenehmer im Abgang als der vorige Satz der den Tonfall einer Pointe hat, aber den Inhalt einer Krokette – so.