[tagebuchbloggen: 26.11.]

Weil ich am Mittagstisch von 2012 redete, glitten unsere Gespräche ab und landeten bei Freddy Kruger aus den Nightmarefilmen und Jason aus den anderen Filmen, und ich weiß jetzt gar nicht warum ich das erwähne, inhaltlich lässt sich das gar nicht vertiefen, außer ich bin jetzt ganz angestrengt, aber der Flow: wie wir Jungs am Tisch, von den Filmen aus den Jugendjahren sprachen, da will man gar nichts vertiefen, da will man nur buddeln, nur sich erinnern: diese eigenartige Stimmung beim Friedhof der Kuscheltiere, den wir eh alle als Buch viel besser fanden, was dann wieder komisch war: wieviele Menschen Friedhof der Kuscheltiere gelesen haben, fast als wäre es Kings beste Geschichte, aber war das nicht eher Er, sie, es oder Tommyknockers?, ich kenne mich ja nicht so aus, zudem habe ich nur die Kuscheltiere richtig wahrgenommen und natürlich Sie, verfilmt mit der einen soweit ich mich erinnern kann, tollen Schauspielerin, die ich jetzt googeln müsste, wie sie dem Protagonisten mit dem Vorschlaghammer die Füße zerschlagen hat, das war so ein Bild, das geblieben ist, neben diesem unsäglichen Gefühl, ganz langsam in eine Falle getappt zu sein, eine Falle, die man von Anfang an erahnte, aber sich dann schlimmer als alle Vorstellungen herausstellte, aber quatsch, nicht das war das schlimme Gefühl, sondern das Gefühl ausgeliefert zu sein, das war das schlimme Gefühl, das andere ist ein nebenseitiger Effekt, der am Anfang die gute Stimmung, ahnungslos zerbröckeln ließ, aber ich verliere mich in Details, und klinge schon, als würde ich jetzt Stephen King Bücher besprechen wollen, neinnein, aber dochnochschnell: vielleicht sollte ich wirklich mal Sie lesen, von King sagt man ja, der würde ganz eigene, unheimliche Stimmungen herstellen, und wenn die Stimmung gemeint ist, die ich bei den Kuscheltieren gefühlt (eh? sagt man, dass man Stimmungen fühlt? Stimmungen hört man ja eher, aber ach: Musik fühlt man ja auch, egal) habe, dann willichwillich (oha!) wissen wie unheimlich sich die Stimmung in jenem Haus im Schnee in den amerikanischen Bergen sich anhört, -fühlt.
Ah und dann fällt mir the Shining ein, das war ja auch King, nagut, wir kennen ja nur die Verfilmung von Kubrik mit Jack Nicholson, weil, wer hat Shining schon gelesen, wir haben ja alle nur die Kuscheltiere gelesen, und nicht die anderen.

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Abends war niemand zuhause. K war aus essen, meine Schwester war tanzen und ich habe die Gelegenheit genutzt, Papierkram zu erledigen. Der liegengebliebene Papierkram ist abendfüllendes Programm.
Dabei ist dieser vorige Satz als letzter Satz, dermaßen unmöglich, dass ich diesen Satz anfügen muss, und schon drücke ich mich vor dem Punktmachen, weil dieser angefügte Satz so oberlehrerhaft ist, aber immerhin angenehmer im Abgang als der vorige Satz der den Tonfall einer Pointe hat, aber den Inhalt einer Krokette – so.

[tagebuchbloggen: 25.11.]

Was ich gestern noch vergessen hatte zu erwähnen, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, die paar Drinks mit Frank in einen Satz zu quetschen, war die Sache mit der geräumten Brunnenstraße 183, an der ich gestern abend noch vorbei lief. Nicht, dass ich um diese Uhrzeit noch etwas vernünftiges dazu zu sagen hätte, Himmelnein, ich kann nicht Politik, ich habe nur beobachtet wie die Bauarbeiter unter Polizeischutz spätnachts noch das Haus unbewohnbar schlugen, Fensterrahmen aus der Mauerverankerung rissen, Treppen demontierten, so banal das alles.

Heute dann mit meiner Schwester ins Kino gegangen am Potsdamer Platz. Ich kam direkt aus dem Büro, und war eine Stunde zu früh, wollte noch eine Kleinigkeit essen, und ein bisschen lesen. Ich setzte mich in eine dieser Touristenfallen im SonyCenter, dieser australische Laden, an dessen Name ich mich nie erinnern kann, er hat jedenfalls zwei rr’s wie Canberra, heisst aber ganz anders, doch haben sie ein Käguru im Logo, unverwechselbar, und jeder versteht wenn ich sage: treffen wir uns in dem australischen Laden im SonyCenter.
Klappt immer.

Nach dem Essen dann Katastrophenfilm: 2012.
Sehr flach, sehr vorhersehbar, sehr laut, sehr aufgeblasen. Wir wussten das alles vorher, doch scheint mir, als näme ich mir gerne vor, solchen Schund zum letzten mal zu sehen.

Auf dem Nachhauseweg auf der Bernauer überall Polizeiwagen und Wasserwerfer die gerade in den Feierabend zu fahren schienen.

Ach, ich weiß auch nicht.

[tagebuchbloggen: 24.11.]

Den Tag in Meetings verbracht. Am Abend mit Frank verabredet gewesen und über so eine Sache geredet, über die ich hier irgendwann berichten werde, wenn es einmal Zeit wird.
Und jetzt frage ich mich, ob ich diesen Tagebucheintrag nicht in einen einzigen Satz unterbringen hätte können.

[tagebuchbloggen: 23.11.]

Hamburg liegt immer noch wie eine wohlige Decke um mich gewickelt, viel weicher als man denkt.
So wohlig eingewickelt saß ich im Büro und ging den Dingen nach, die ich zwischen Montag und Freitag immer mache, und ha, jetzt eben Freutag geschrieben gehabt, was ich mir sofort explitiziert vor Augen geführt habe und ungefähr so aussah: *!FREUTAG!* mit hüpfenden Smileys, die dem Beat der Wochenendeparties folgen.

Auf dem Nachhauseweg fiel mir ein, Essen zu kaufen, weil ich heute alleine essen würde, und da es niemand merken wird, stimmte ich mich auf Faulheit ein und kaufte mir Tütensalat und Schinken, leerte zuhause die Tüten lieblos in die Salatschale, schnitt ein bisschen Schinken in Streifen, goß Öl und Essig dazu und aß.
Danach las ich die Blogs nach, las die Nachrichten und las von Le Corbusier und seiner Nähe zu den Nazis und Faschisten. Und danach einen sehr gewagten Artikel, der Le Corbusier des Totalitarimuses bezichtigt.
Ich las den zweiten Artikel auf dem Sofa, lehnte mich in Schräglage, und pennte ein. In meiner wohligen Hamburger Kuscheldecke.

[tagebuchbloggen: 20./21./22. 11.]

Da wir am Nachmittag schon in Hamburg sein wollten, hatte ich mir den Freitag frei genommen. Am Vormittag bin ich mit meiner Schwester im Weltempfänger am Arkonaplatz frühstücken gewesen. Am großen Fenster an der Platzseite gesessen und hinausgeschaut wie Berlin so den Freitagvormittag verbringt. Das kam mir so eigenartig fremd vor. Und schön.

Und dann war es plötzlich viertelvoreins. Um viertelnacheins sollte der Zug fahren. Es war also viertelvoreins und alles ging drunter und drüber. Um zehn nach eins saß ich im Taxi in der Invalidenstraße im Stau. K rief mich an und sagte, sie stünde auf Gleis 8 am Abschnitt B und fragte an welchem Abschnitt ich denn stünde, ich sagte, ich säße im Taxi. Und das war nicht so toll.
Ich schaffte es dann aber doch noch. Und ich musste K versprechen, mir diese Art von Verspätung abzugewöhnen.

Und dann kam Hamburg.
K und ich fuhren mit der SBahn weiter zur Sternschanze, stiegen aus, ich zeigte ihr die Susannenstraße, zeigte ihr das Schulterblatt, erklärte die Dinge, erklärte die Stadt, wegen des Kontextes der immer erklärt werden will um urbane Zusammenhänge zu verstehen, ich erklärte den Platz mit der Flora, den Galaostrich, erklärte wie die Flora die ganze Schanze vor der Versnobbung rettet, weil sie in ästhetischer Hinsicht am Platz alles dominiert, weil die Flora, in ihrer ganzen Unruhe die sie verkörpert, sowas wie Balance herstellt.

Danach gingen wir ins Hotel, legten unsere Dinge ab, schauten aus dem Fenster, liefen noch ein bisschen herum.
Und dann die Lesung.

* ich
* Isa
(Pause)
* Maximilian
* Henrike

Wunderbare Stimmung wiedermal, wunderbare Leute, wunderbare Texte und wunderbare Moderation. Ich las ein bisschen hastig, der Text ist so lang. Hier die gesamte Lesung inklusive der Kidschen Moderation, in der er mich u.a. des öffentlichen Proseccotrinkens bezichtigte.
Ein großer Dank geht an Lars und Axel für diese Aufnahme.
Und dem Hamburgerjung für die Fotos.

Der Rest des Abends war ein sehr netter Abend mit sehr guten Gesprächen, diese Abende die so erschreckend kuschelig sind, dass es fast schon anfängt zu jucken.
Auf dem Nachhauseweg schaukelte Hamburg um mir herum, K gefiel die Stadt sehr, und dann holten wir uns noch den besten Döner der Welt, im Big Food am Schulterblatt.

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Samstag:
Am frühen Nachmittag das Bett verlassen. Wir hatten einen Riesenhunger und beschlossen, im neuen Hatari an der Schanzenstraße zu frühstücken. K bestellte Käsespätzle und ich bestellte ein Riesenschnitzel mit einer schweren, braunen Soße und einen halben Kilo Pommes.
Nach dem Frühstück spazierten wir über den Flohmarkt am Schlachthof hinüber ins Karolinenviertel, durch die Marktstraße, schauten Läden an, wir gingen gezielt ins Garment, fanden ein wunderschönes rotes Kostüm für K, fanden siebenhundert Euro allerdings eine Nummer zu klein.
Nachher setzten wir uns in ein sehr tüddeliges Kaffeundkuchen-Cafe in der Markstraße, kein Tante-Emma-Kaffee-und-Kuchen, sondern eines dieser neuen Szenelokale die so auf Omaschick machen, wie sie derzeit auch in Berlin wie Kaninchen aus dem, öhm, Boden schießen. Das Lokal musste ziemlich neu sein, vor zwei Jahren existierte es jedenfalls nicht.
Wir setzten uns an die Bar und bestellten: Kaffeundkuchen.

Nach dem Kuchen gingen wir raus auf die Feldstraße, ich wollte K den Dom zeigen, wir liefen einmal quer hindurch, schauten den Lichtern zu, den schnelle Gefährten, den Karusellen, den Nieten auf dem Boden, ich setze mich nie in eines der Geräte, ich begehe auch keine Geisterhäuser, höchstens werfe ich ab und zu nach Dosen, aber immer daneben, und gestern wollte ich mich auch nicht blamieren, und so gelangten wir auf die Reeperbahn, natürlich, nicht nur Pflichtprogramm, aber Pflicht. In der Boutique Bizarre meine Kreditkarte gezückt, mir auch gedacht, dass das eigentlich Supermarche Bizarre heiße müsste, und weniger Boutique, aber Erkenntnis war das keine, dafür Angeberei auf ganz platt möndänisch, was ich natürlich gleich tagebuchbloggen muss und mir denke: herrje.
Auf einmal war dann sehr schnell Abend geworden. Wir waren mit Isa, ihrem Mann, Kid37, Maximilian, the Realstief und der Frau mit dem Namen Monalisaseyes verabredet, im Westwind in St.Georg, gleich hinterm Hotel Atlantic. Dabei haben wir vom Taxifahrer erfahren, dass das Atlantic alle seine Sterne verloren hat, wegen ausgebliebenen Sanierungsarbeiten, und wir fanden das irgendwie total tragisch, so wegen der Grande Dame, die in ihrer Überheblichkeit mal nicht aufgepasst hat und dann übelst abgerutscht ist. Roter Wein, Cognac, Armagnac, all der Kacque, ihr wisst schon. Udo Lindenberg wohnt dort aber noch, dem sind die Sterne schnuppe.

Danach mit den Freunden Hirschgulasch gegessen und von so vielen Sachen geredet.

Es wurde wieder spät und Hamburg schaukelte wieder um mich herum. K und ich liefen an der nächtlich beleuchteten Binnenalster entlang, hinunter zum Jungfernstieg, liefen da weiter unter den Kollonaden, bogen rechts ab und überquerten die Fleete, standen auf einmal schon am Axelspringerhaus und dann fiel mir ein, dass wir ganz nah am Gängerviertel standen. Auf gut Glück schrieb ich Frau Stella, mit der mich zu treffen, ich eigentlich schon abgeschrieben hatte, eine SMS, ich schrieb: Hey, sind beim Gängerviertel, Dunochda?
Und eine halbe Minute später kam ein Anruf. Ja sie sei noch da.
Sie zeigte uns das ganze besetzte Gelände, alle Gebäude, die Höfe, erklärte uns was sie wie und wo machten, wie gut das alles lief, und sie zeigte uns das Hauptgebäude das sie leider aufgeben mussten. Daraufhin stiegen wir eine Treppe hinab in einen engen, verrauchten Keller, die Bässe brummten, wir holten uns ein Bier und setzten uns in eine dunkle Ecke neben den Boxen.
Das Gängeviertel ist super. Befreit von dem ganzen dogmatischen SchwarzeBlock-Scheiß einerseits und der AllesfürdieKunst Tacheles-Esoterik ist es so wunderbar subversiv, und gleichzeitig so aktuell politisch, ohne die ganze linksradikale Attitüde auszuhängen, dass einem fast die Tränen kommen.
Ich muss das vielleicht noch einmal besser erklären. Für mich zum Verständnis.

Doch war die Nacht spät geworden, bald brachen wir auf, in Richtung Hotel, wir liefen über die Feldstraße und beim Anblick des türkischen Restaurants an der Ecke zum Pferdemarkt wurden wir von einer Hungerattacke heimgesucht. Der wir nicht wiederstehen wollten.

Später beim Einschlafen fiel mir die Checkout-Zeit ein, Checkout-Zeit, immer Checkout-Zeit, was mich an Hotels immer nervt, ist die Checkout-Zeit, und schlimmer noch als Checkout-Zeit ist, wenn man nicht genau weiß wann Checkout-Zeit ist.

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Sonntag: Am frühen Vormittag aus dem Bett gekrochen, geduscht und mich an der Rezeption nach der Checkout-Zeit erkundigt. Zwölf Uhr, ahso.
Nachher gingen wir wieder ins Hatari zum Frühstücken, K bestellte wieder Käsespätzle und ich diesmal das Pfälzer Kombinat. Saumagen, Bratwurst und Leberknödel auf Sauerkraut. Ich bat die Kellnerin, den Leberknödel durch eine Bratwurst zu ersetzen. Das war dann schon alles ein bisschen viel. Vor allem, weil ich K noch mit ihren Käsespätzles geholfen habe.
Während wir auf das Essen warteten gingen uns die Themen aus und spielten deshalb „Werbinnich“. K war erst KingKong und nachher Humphrey Bogart. Ich war hingegen erst Kid37 und danach ein Saumagen. Wir haben uns alle nicht erraten.

Aber ein Hamburgbesuch ohne an der Elbe gewesen zu sein, ist wie ein Berlinbesuch ohne, ohne, ohne. Deshalb sind wir mit der U3 zu den Landungsbrücken gefahren und das ist dann schon ziemlich toll, wenn sich dem nichts ahnenden Fahrgast plötzlich der Berg öffnet und er über das Wasser, die Kupferdächer und die Kräne schaut.
Dann war also erstmal Elbe.
Und nach der Elbe war Hauptbahnhof, ICE, und dann Berlin.
Wir haben uns als erstes in dieses Segafredo im Hauptbahnhof gesetzt und öffentlich einen Prosecco getrunken.

[tagebuchbloggen: 18.11.]

In den letzten Tagen Dinge erledigt. Rechnungen ausgemistet, an Texten gearbeitet, einen lektorierten Text zurückbekommen und (wie immer) über meine vielen fehlenden Kommas gestaunt. Immer wenn es mir einfällt, Nebensätze deutlicher einzugrenzen und sie mit Kommas zu versehen, kommt es mir vor als hacke ich den Satz in viele unlesbare Stücke: laberlaber pause laberlaber pause laberlaber pause. Ich lese mir meine Texte beim Schreiben immer innerlich vor. Viellecht ist meine innere Pause mehr eine Punktpause statt einer Kommapause.

Ha, und die fehlenden Kommas hier oben habe ich eben erkannt. Jetzt lasse ich sie aber stehen.

Gestern mit meiner Schwester von Neukölln aus, den ganzen Landwehrkanal entlangspaziert. Am nächtlichen Wasser. Bis zur Möckernbrücke, dann umgedreht, zum Halleschen Tor zurück und über den Mehringsplatz die Friedrichsstrase hochgelaufen bis zum SBahnhof. Dort dann erschöpft in die SBahn geplumst.

[tagebuchbloggen: 15.11.]

Samstag: Aufgestanden, gefrühstückt, einkaufen gegangen, und danach ganz furchtbar schlecht gelaunt gewesen. Warum sage ich nicht. Später mit meiner Schwester zum Open Mike gegangen und zugehört, auf dem Rückweg Basilikum gekauft und zuhause Pesto gekocht, für meine Schwester, K und ihre Mutter, und danach beim Aufräumen haben wir uns zu viert in die enge Küche gequetscht, Bier getrunken und von so Sachen geredet, bis wir uns alle furchtbar gut gelaunt ins Bett verabschiedet haben.

Sonntag: zu Mittag sind M und J aus Altlandsberg zum Brunchen zu uns gekommen.
Wir haben aufgetischt:
-einen Zucchinikuchen
-verschiedene Käses
-verschiedene Schinkens
-einen unwiderstehlichen Brotaufstrich (von mir kreiert: getrockenete Tomaten geschlagen mit fettem Joghurt, Ziegenkäse und Knoblauch)
-einen ebenso unwiderstelichen Brotaufstrich (von meiner Schwester kreiert: fetter Joghurt mit Knoblauch, trockener Minze und etwas Zitrone)
-Und so anderes Zeug
Nachher über den Mauerpark spaziert.

Später um sechs sind K, ihre Mutter und ich zum Potsdamer Platz gefahren ein schwedisches, in Berlin lebendes, sehr exzentrisches Ehepaar zu treffen. Alte Familienfreunde. Sie, eine einstmals, sehr gutaussehende Frau, man nannte sie Vamp, trägt große Ringe an den Fingern, raucht Kette, erzählt in Zeitlupe mit Grabesstimme während sie am Weißwein nippt. Er, ein immer noch gutaussehender Mann, schneeweißes Haar, ein Seidentuch um den Hals gebunden, trinkt Bier und flirtet. Wir trinken, wir essen. Der Mann schleicht sich davon und bezahlt alles.
Wir sind, wann-auch-immer, zum Essen eingeladen in ihrer Charlottenburger Wohnung. Der Ball läge jetzt bei uns.

[17. Open Mike]

17. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin. In der Wabe an der Danziger Straße. Erster Tag, zweiter und dritter Block.

* Anne Krüger. Sie trägt große rote Ohrringe, in Ringform. Die Haare nach hinten gekämmt und mit einem Haarreifen fixiert. Hose: Jeans. Schuhe: Turnschuhe. Ihre Brille hat einen dicken Rand. Ihr Pullover ist rot, zinnoberrot (wir sind Jollyverseucht), hat vorne einen Reißverschluß, der nach oben hin geöffnet ist und so einen breiten Kragen auf beiden Seiten über ihre Schultern schlägt. Der Pullover hat auch weiße Linien über Schultern, Nacken und da wo die Nieren sind.

* Onrej Cikan. Schwarzer, einknöpfiger Blazer. Roter (zinnoberrot) Rollkragen, dunkle Jeans, schwere Lederschuhe.

* Vea Kaiser. Kurzes, graues Stoffkleid, lange Beine, grüne Pumps, 7cm Absatz, schwarze, verspielt gemusterte, schwarze Strümpfe, ich vergesse mich kurz und denke an eine Wiese mit Blumen. Sie stakst über die Bühne, trägt ihre brünetten Locken locker am Gesicht.

* Lutz Woellert. Schwarzes Hemd. Dunkle Jeans. Weiße Turnschuhe. Kurze Haare. Macht den Eindruck einer ehrlichen Haut auf mich. Er erinnert an Norman Bates.

* Claudine Muller. Roter Rollkragen (kein zinnoberrot, eher Karminrot), schwarze Hose mit Bügelfalte, streng zurückgekämmtes und gebändigtes Haar. Schuhe sehe ich nicht. Nach der Pause habe ich mich umgesetzt, die Sicht ist versperrt. Ich schätze: absatzlose Lederschuhe. Dezent braun, vielleicht schwarz.

* Jan Sprenger. Kurze Haare, antrazitfarbenes Hemd, darunter ein schwarzes Tshirt das aus dem Kragen hervorlugt. Schlank. Im Ansatz graumelierters Haar. Jeans. Schuhe sehe ich immer noch nicht, ich schätze: lederne Halbschuhe, ein etwas schwereres Modell.

* Andreas Lehmann. Weißes Hemd mit leichten dunklen Längsstreifen, Jeans, Brille, blonde, kurze Haare. Ein Ansatz von Koteletten an den Backen. Schuhe sehe ich nicht, ich vermute: dunkle Turnschuhe (braun?), eventuell sogar einen militärischen Schuh, schwere Sorte vielleicht, nicht Stiefel, sondern bis zum Knöchel.

[tagebuchbloggen: 13.11.]

Fehlplanungen. Im Stadtbad Wedding läuft gerade diese Save Berlin-Veranstaltung, ein Wochenende im Zeichen der Urbanistik, organisiert von Expats, absichtlich und in englisch gehalten, weil man der Überzeugung ist, dass die Berliner und ihr Senat, die Stadt kaputtmachen, kaputtmachen lassen, weil sie schon zu lange hier leben und oft gar nicht wissen was ihre Stadt da draußen in der Welt so faszinierend macht. Das ist natürlich ein witziger Ansatz, und relativ harmlos, wenn man weiß, dass die Veranstalter aus einem eher subversiven Milieu (Milliö) entstammen, also harmlos im Sinne, dass man bei diesem Thema sofort an westeuropäische Yuppies und Investoren denkt, die in Hippness zu investieren gedenken und beim Anblick der Großen Grauen immer nur phantasieren, wie sie Brandmauern und Baulücken zubetonieren können um darin eine eigenartig cleane Ästhetik zu zelebrieren, die mit diesem Berlin, das immer ein bisschen verraucht und schaurig war, so gar nichts mehr zu tun hat.
Ich bin dann nicht mehr hingegangen, weil meine Schwester und ich noch zu Kaisers gegangen sind, Obst zu kaufen, Kaisers, das ist so irre, man stelle sich vor, wir müssten die Welt vorantreiben und dann gehen wir alle zu Kaisers und kaufen Obst. Immerhin gibt es Bio da, aber mittlerweile macht sich ja eh die halbe Welt in einem eigenartigen Zynismus lustig darüber, dass die andere Hälfte der Welt nur noch Bio kauft, dabei fällt mir gerade auf, dass diese Biosache gar nichts mit dieser cleanen Ästhetik gemein hat, sondern in Wirklichkeit ja eine Grauswurzelsache ist, die fronten verhärten sich also, oder sie addieren sich. Darüber muss ich jetzt nachdenken.

Ks Mutter ist jedenfalls in Berlin zu Besuch und wir bewohnen jetzt diese kleine 63 Quadratmeterwohnung zu viert und wenn ich nachts auf dem Sofa liege und gegen die Decke starre, dann denke ich mir, dass man zur Kaiserzeit hier in diesen Arbeiterlöchern ja zu zehnt oder zwanzigt wohnte und dann gefällt es mir plötzlich, wenn ich mich nicht umdrehen kann ohne irgendwas hinunterzuschmeißen oder jemanden in den Hintern zu dingsen, und alles fühlt sich plötzlich weniger gentrifiziert an, also als wäre ich weniger ein Teil dieser jungen, urbanen Leute die gerne in den jungen urbanen Vierteln wohnen und eigentlich alles kaputt machen was es kaputt zu machen gibt, weil frühen haben wir ja nur das kaputt gemacht was uns kaputt macht, aber jetzt machen wir ja uns selber kaputt und bevor ich jetzt den Satz kaputtrede und im Schwung gar nicht mehr den richtigen Schluß finden kann, mache ich einfach einen Punkt.
Ahso. Jedenfalls ist Ks Mutter zu Besuch und nach dem kaiserlichen Obstkauf sind wir dann ins Lemongrass in der Anklamer Strasse gegangen, ein neuer Vietnamese der uns empfohlen wurde, und dort haben wir alle tolle Sachen gegessen für einen tollen Preis. Nachher sind wir dann in diese neue, etwas versteckte Weinerei in der Griebenowstrasse gegangen und haben uns dort noch durch das Weinangebot getrunken. Ks Mutter und ich tranken uns an einem spanischen Crianza fest, K trank Weißwein und meine Schwester hatte Pech (Kork).
So.