[Do/Fr, 22./23.12.2022 – Parfüm, Weihnachtsvorbereitungen]

Bei einer Lieferung von Parfumedreams gab es heute ein Probefläschchen von einem Parfüm namens Fuoco Infernale. Das bedeutet Höllenfeuer und ist sicherlich etwas aufgesetzt, meine Frau roch daran und kam sofort auf mich zu. Sie wusste, dass ich den Geruch mögen würde. Tatsächlich ist das ein ungemein unanständiger und betörender Geruch, der mit nebligen Zedernholz- und Moschusaromen daherkommt.

Ich muss ständig den Unterarm, auf dem das Parfüm aufgeträufelt wurde, an meine Nase halten, der Geruch löst immer so etwas wie Überraschung in mir aus. Das Parfüm ist wirklich gut.
Die Parfümerie heisst Linari, ich google die, sie kommt überraschenderweise aus Hamburg. Das finde ich zuerst überraschend, aber nicht schlimm, eigentlich freut es mich, wenn gute Gerüche nicht immer aus Paris oder Mailand kommen, mein Hausparfüm kommt aus London, was ja auch nur eine mittelmässige Parfümstadt ist. Aber dann hätte ich mir vielleicht lieber ein deutsches Branding gewünscht. Linari klingt ja schon sehr nach Mailand, es schwindelt ein wenig, ich mag ja beispielsweise den Namen der berliner Parfümmarke „Schwarzlose“, leider mag ich deren Gerüche weniger, aber der Name klingt schon nach einem Statement, auch deren Gerüche, die heissen „Leder“, „Rausch“ oder „Zeitgeist“.
Aber egal. Es ist ein wirklich toller Geruch.

#
Am Donnerstag kochten wir den Weihnachtsschinken vor. Das ist ein schwedisches Weihnachtsgericht. Das tote Tier wird in Wasser mit Gemüse und Salz aufgekocht und bleibt danach einen ganzen Tag in seinem Wasser liegen. Mit dem Wasser kochen wir am Weihnachtstag den braunen Kohl, also den Brunkal.

Als der Schinken auf der Kochplatte stand, fuhr ich in den Winskiez in eine Schwulenbar, dort war ich mit Fussballfreundinnen verabredet. Es gab keinen wirklichen Anlass für das Treffen, aber es fühlte sich an, wie ein spontaner vorweihnachtlicher Drink. Wir haben viel Spass.

#
Am Freitag habe ich dann keine Zeit den Tagebucheintrag zu vervollständigen. Ich arbeite von zuhause aus, dann bereiten wir die Wohnung für Weihnachten auf, fahren ins Centro Italia an der Greifswalder um einige Besorgungen zu machen, dann gehen wir auf einen langen Spaziergang mit der Hündin und landen schliesslich im Brewdog für ein Bierchen. Und dann ist es schon spät.

[Mittwoch, 21.12.2022 – Schlaf, Wintersonne]

Miserabel geschlafen. Nach drei Stunden schlaf lag ich zwei Stunden wach. Dann beschloss ich aufzustehen und mir einen Kaffee zu machen. da war es vier Uhr. Die Hündin ging mit mir in die Küche mit und ich konnte ein halbes dutzend Fragezeichen über ihrem Kopf erkennen. Als ich mich an den Schreibtisch setzte und anfing zu tippen, merkte sie, dass da irgendwas nicht stimmt und sie ging zurück ins Schlafzimmer in ihr Bettchen.

Nach zwei Stunden ging ich auch wieder ins Bett, konnte aber trotzdem nicht schlafen. Oder halb. Oder wasweissich. Meine Smartwatch zeichnete allerdings zwischen sechs und acht Uhr noch eine Stunde Schlaf auf. Die muss es ja wissen.

#
Es ist Wintersonnenwende. Um 12:05 wird die Sonne in Berlin den niedrigstmöglichen Höchststand erreicht haben. Aber sie kam gar nicht raus, eine dicke Wolkendecke hängt über das winterliche Berlin. Es ist Zeit, es sich drinnen kuschelig zu machen. Winter. Ich schrieb die Kollegen im Chat an, dass ich Lust auf einen Feierabenddrink habe. Es ist der kürzeste Tag des Jahres, ich möchte ein paar Stunden in einer warmen Bar verbringen und an einem Drink nippen. Es war aber kaum jemand im Büro, es gab nur zwei maybe-Zusagen, nach ein paar Stunden warten, blies ich es ab.

Daraufhin schrieb mich ein Ex-Kollege an, der gerade in der Stadt ist. So verabredeten wir uns im Brewdog.

[Dienstag, 20.12.2022 – über das Lesen]

Ich will wieder Fiction lesen. Ich habe seit längerer Zeit keine Romane mehr gelesen. Mir fällt es seit Jahren schwer, mich auf eine erfundene Geschichte in Schriftform einzulassen. Die Tatsache, dass Geschichten erfunden sind, scheint mir bei Serien oder Filmen nichts auszumachen, es ist nur in Büchern so, ich glaube es hat also eher mit der Nähe zu tun, in die mich eine geschriebene Geschichte zwingt. Dieses Wort für Wort aufgedrückte. Ich lese jeden Satz und weiss, dass er erfunden ist. Buchstabe für Buchstabe, wie die Wörter aneinandergereiht sind, es ist alles erfunden. Ich kann mich nur schwer davon lösen, das meine ich mit Nähe, die Wörter die ich da sehe, die Sätze, die zwingen mich, wesentlich näher an der Erfundenheit der Dinge zu sitzen, als in einem Film. Vielleicht, weil mir das Handwerk des Schreibens nahe liegt, weswegen ich immer das Gefühl habe, ich durchschaue die Dinge, die Tricks, das Handwerk. Filme passieren einfach, sie gehen über mich hinweg, schütten alles aus, sobald ich im Film das Handwerk erkenne, ist schon die nächste Szene da, der nächste Dialog.

Jetzt habe ich wieder angefangen zu lesen. Ich lese Ray Bradburys „Illustrierter Mann“. Es fällt mir leichter, in diese Geschichte hineinzufinden, als mit einem zeitgenössischen Text, vielleicht weil das Handwerk in den Fünfzigern anders war. Es scheint sich eine Lage dazwischenzuschieben, ich achte weniger auf Details. Ich wollte eigentlich Brabdburys „Dandelionwine“ lesen. Das Buch wurde neulich von der Pornodarstellerin und Podcasterin Bettie Bondage in einer ihrer Insta Storys besprochen. Es ist eine gefühlvolle Coming-of-Age Geschichte ohne eine Coming-of-Age Geschichte zu sein. Ich weiss den Inhalt ihrer Besprechung nicht mehr im Detail, aber weil ich Bradburys „Fahrenheit 451“ und die „Mars Chroniken“ gelesen hatte (wobei mir vor allem zweiteres eindrücklich in Erinnerung geblieben ist), hat mich Bettie B’s Besprechung sehr eingefangen. Dandelionwine wurde auf deutsch unter dem Titel „Löwenzahnwein“ veröffentlicht. Das gibt es leider nicht als Ebook und auch die papierne Version ist vergriffen. Ich finde online zwei gebrauchte Exemplare, eines wird für 40€ zum Kauf angeboten, das andere für 80€. In Originalsprache will ich es nicht lesen. Auch wenn mein englisch mehr oder weniger einwandfrei ist, bleibt mir beim Lesen von englischsprachiger Literatur immer ein Gefühl übrig, dass über dem Text ein Filter liegt, dass ich nicht richtig an den Text herankomme, dass irgendwas sich mir nicht ganz erschliesst. Das hat sicherlich damit zu tun, dass es nicht meine erste Sprache ist und ich den Text dadurch mit einer gewissen Verkrampftheit und auch Skepsis lese. Auf niederländisch oder italienisch habe ich diese Verkrampftheit seltsamerweise nicht. Auch wenn ich behaupten würde, dass mein englisch über die Jahre hinweg wesentlich besser ist, als mein italienisch.

Ich kaufte stattdessen also „Illustrierter Mann“ und auch „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“. Ersteres ist strenggenommen kein Roman, sondern eine Sammlung lose miteinander verbundener Kurzgeschichten. Es gilt aber als Höhepunkt Bradburys Werk. Das andere Buch spielt auf einem Jahrmarkt der zwanziger Jahre und kann dem Genre „Dark Fantasy“ zugeschrieben werden. Kann ich keinem sagen, dass ich Dark Fantasie lese, aber wenn man Ray Bradbury erwähnt, dann kriegt es einen intellektuellen und poetischen Anstrich.

[Montag, 19.12.2022 – aus Krankheit zurück, online buchhändler aus Seattle]

Heute ging ich wieder ins Büro. Mit der Hündin. Sie freute es. Mich eigentlich auch. Es ist immer ein Gefühl der Erneuerung, wenn man nach einer Woche Krankheit wieder ins Büro zurückkehrt. Es ist anders als eine Woche Urlaub. Nach zehn Tagen Krankheit wird man ein bisschen gefeiert, als hätte man über etwas gesiegt, dass es schön sei wieder da zu sein, es ist nicht so, dass man auf einem Siegertreppchen steht, aber vielleicht vergleichbar mit einem Trostpreis. Ich habe mich auch immer über Trostpreise gefreut. Der vorletzte Platz war immer doof, aber als letzter bekam man manchmal ein Gefühl, das damit vergleichbar ist, aus Krankheit zurückzukommen.

#
Heute habe ich ein Buch bestellt. Über Amazon. Ein Buch zum Anfassen, aus Papier. Amazon. Das ist doch dieser online Buchhändler aus Seattle.

[Sonntag, 18.12.2022 – duschen und mich besser fühlen]

Der erste Tag, an dem ich mich wieder gesund fühle. Ich ging duschen. Ich habe mich tatsächlich seit einer Woche nicht mehr geduscht. Ich lebte in einem Cocon aus Hoodie und Joggingshose. Seltsamerweise rieche ich nicht schlecht. Bis auf die Kleider. Die Kleider aber auch erst seit heute. Meine Frau meinte, die Kleider riechen nach altem Mann. Ich weiss, was sie damit meint.

Das war der Tag. Duschen und mich besser fühlen.

[Samstag, 17.12.2022 – Gewohnheit aufrecht halten, an der Handfertigkeit arbeiten]

Habe ich doch glatt vergessen, den gestrigen Eintrag livezuschalten. Er war schon am frühen Vormittag fertig, also klickte ich auf „Veröffentlichen“. Nach dem Klick auf Veröffentlichen muss man ein weiteres Mal die Veröffentlichung bestätigen. Vor diesem Schritt bin ich vermutlich aufgestanden und gegangen.

Nun hing dieser Tab den ganzen Tag herum und wartete treu auf meine Bestätigung. Ich sah das erst um 22Uhr.

Heute geht es mir besser. Wir machten einen längeren Spaziergang. Wir fuhren auch eine Runde mit dem Auto. Die Dogwalkerin berichtete, unsere Hündin hätte sich bei der Fahrt wieder übergeben. Das überraschte uns sehr, weil sie mittlerweile richtig lange Auitofahrten nach Südtirol und nach Schweden relativ entspannt mitmachte. Wir sind aber schon länger nicht mehr mit dem Auto gefahren, das letzte Mal Anfang November, wahrscheinlich muss man die Gewohnheit
aufrecht erhalten.

Die Gewohnheit aufrecht halten. Das ist ein Bild, das müsste man malen können.

Sie war heute in der Tat auch nicht sehr entspannt dabei, ihre Schnauze tropfte wieder. Dabei fuhren wir nur zu Lidl und zu Fressnapf. Ärgerlich, aber gut zu wissen, dass Gewohnheit ein, nunja, Prozess ist.

Am Abend planten wir das Essen der Weihnachtstage. Zumindest den 24. und 25. Am 24. essen wir schwedischen Weihnachtsschinken mit Braunkohl und Kartoffelbrei. Wir werden auch Köttbullar dazumachen. Um wieder zu üben. Vermutlich werden wir zu Silvester Köttbullar zubereiten, da laden wir Nachbarn und Freunde ein, da wäre es ganz gut, an der Handfertigkeit zu arbeiten.

An der Handfertigkeit arbeiten. Das ist ein Bild, das müsste man malen können.

[Freitag, 16.12.2022 – Kalt, sehr kalt, Aquadom, Reichstagskuppel]

Heute wachte ich um vier Uhr auf, weil mir zu warm war. Daraufhin konnte ich nicht mehr weiterschlafen, also stand ich auf, kochte mir einen Kaffee und setzte mich an den Computer. Ich trug nur ein Tshirt und eine Uhose, in der Hoffnung, ich würde etwas abkühlen und weiterschlafen können. Nach anderthalb Stunden war ich zwar nicht unbedingt abgekühlt, aber immerhin war ich wieder so müde, dass ich ins Bett konnte um noch ein bisschen Schlaf nachzuholen. Nach anderthalb Stunden Schlaf wurde ich dann wach und ich fror. Ich friere eigentlich nie. Aber heute fror ich. Ich zog mir eine lange Uhose an, eine Thermoshirt, eine Hose und den Hoodie. Ich zog gleich die dicke Winteracke drüber und ging mit der Hündin raus. Mein Motor musste angekurbelt werden. Draussen war es Minus sieben, normalerweise bin ich in einer halben Minute auf Temperatur, aber heute wollte der Motor nicht richtig anspringen. Wir gingen in den Park, machten unsere Runde. Wir trafen andere Hunde. Dabei unterhielt ich mich mit einer Logopädin, ich hätte vielleicht nicht so lange stillstehen sollen, weil mir immer kälter wurde. Dann gingen wir nach Hause in die ungeheizte Wohnung, aber die Temperatur dort betrug 18 Grad, das ist nicht kalt, ausserdem haben wir schon seit einer Woche 18 Grad.

Nach einer weiter Stunde rumfrieren in der Wohnung, zog ich mir Wollsocken an und ging vollständig bekleidet samt obenbeschriebener Thermokleidung ins Bett. Meine Füsse waren Eisklötze. Aber nach 15 Minuten muss ich eingeschlafen sein.
Zwei Stunden später wurde ich wach und mir war nicht mehr kalt.

#
Das Aquadom ist heute früh geplatzt. Die Nachricht verbreitete sich, als wäre ein osteuropäisches Land überfallen worden. Familie und Freunde schicken mir Fotos der Verwüstung nach Berlin.

Ich war einmal im Aufzug des Aquadoms. Eigentlich wollte ich gar nicht in den Aufzug hinein, ich fand das zu aufgesetzt gewollt, zu billig spektakulär, wir waren vorher aber im Sealife nebenan, weil ich die Tintenfische sehen wollte und das Ticket für das Sealife berechtigte uns auch dazu, mit dem Aufzug durch diese Röhre zu fahren. Billig spektakulär ist ein billiger Stempel, dem ich der Röhre aufdrücken wollte, weil ich menschengemachtem Hype grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe und ich mich schön zurücklehnen kann um zu sagen: ah den Scheiss muss ich nicht mitmachen.
Aber.
Es war ein ausgesprochen überwältigendes und mit mehreren Sinnen spürbares Erlebnis.

Es ist ähnlich wie mit der Reichstagskuppel. Hat mich auch nie interessiert. Ja, sieht cool aus, aber ich muss mich da nicht mit den Menschenmengen durchzwängen. Bis wir einmal an einer Architekturführung des benachbarten Paul-Löbe Hauses teilnahmen und am Ende die Gruppenführerin sagte, wir könnten mit dem Ticket auch unter den Spreetunnel laufen und direkt mit dem Aufzug und ohne anzustehen in die Kuppel hinauffahren. Haben wir natürlich sofort gemacht.
Dieses Raumerlebnis in dieser Kuppel ist sehr stark. Man erlebt es nicht mit mehreren Sinnen, wie auch schon oben gesagt, so viele Sinne gibt es ja gar nicht, aber wie man den Raum spürt, in dieser Glaskuppel, bei dieser aufsteigenden, schleifenartigen Betonbrücke, gerade so über den Dächern Berlins. Das ist schon sehr speziell.

#

Aber ja. Die toten Fische.

#
Am Abend schaltete ich die Heizung im Wonzimmer und in meinem Arbeitszimmer an.

#
Die Hündin niest. Das ist lustig. Es war mir gar nicht bewusst, dass ein Tier sich auch erkälten kann, aber klar, ist ja auch nur ein Lebewesen.
Ich decke sie mit einem Tshirt zu, wenn sie in ihrem Körbchen liegt. Sie scheint es zu mögen.

[Donnerstag, 15.12.2022 – Hundegeburtstag und Dezember und immer noch krank]

Minus 9 Grad am Morgen und immer noch krank.

Die Hündin ist heute 1 Jahr alt geworden. Das machte Spass. Aber nur uns beiden Menschen. Die Hündin fand das alles seltsam, dass wir so aufgekratzt waren und dass wir sangen, und ihr diese rote Geschenktüte als Hut aufsetzten, und dass wir beim „…birthday toooo youuuu“ ins Hundejaulen übergingen.
Aber die Fleischtorte mit Lachscreme und Herzkekse fand sie spitzenmässig und frass sie in Rekordtempo auf.

Heute war auch Weihnachtsparty in der Firma und Geburtstagsfeier einer Freundin. Ich hasse es, gerade in dieser Zeit krank zu sein. Dezember ist der schönste Monat im ganzen Jahr, vor allem um den 15. herum. Viel Vorfreude gehabt, jetzt ist alles weg. Gedämpft. Immerhin hatte ich Vorfreude.

[Mittwoch, 14.12.2022 – Wohntemperatur gegen russische Faschisten, Dogwalkerin und Kälte, White Lotus]

Minus 7 am Morgen. Wir heizen immer noch nicht. Unter normalen Bedingungen würden wir heute vermutlich das erste Mal die Heizung anschmeissen. Aber hey, it’s Putin time, es macht irgendwie Spass, eisern zu bleiben, gegen die russischen Faschisten. Es hat 18 Grad in der Wohnung, 18 Grad sollte eigentlich nicht kalt sein.

Ich googelte das mal:
Richtwert: zwanzig Grad tagsüber in den Wohnbereichen. Nachts geht auch 18 Grad. Unter 18 Grad empfindet man die Wohnung als kalt. Interessant. 18 Grad scheint auch bei mir ein Wendepunkt zu sein. Vor allem, wenn ich bei 18 Grad eine Stunde lang regungslos am Bildschirm sitze. Es zieht irgendwann am unteren Rücken und von dort aus breitet sich die Kälte in alle Richtungen aus. Hände und Finger auch. Aber das ist egal, dann stehe ich eben auf und bewege mich ein wenig oder trinke einen Kaffee, dann kommt die Wärme wieder zurück. Es ist Putin-time, leiden für die westeuropäische Freiheit.

Die Dogwalkerin kam heute wieder. Sie hat eine Coronainfektion ausgestanden. Wegen unserem Urlaub im Oktober und die anschliessende Läufigkeit unserer Hündin, war sie jetzt schon fast 2 Monate nicht mehr mit unserem Tier im Wald. Heute war es wieder so weit. Bei Minus 7 Grad in den Wald. Es ist ein erfrischender Beruf. Unsere Hündin fand das trotzdem gut, sie friert nicht, sie leidet eher ab 25 Grad aufwärts, Kälte scheint ihr bisher nichts anzuhaben, ich hoffe, dass das so bleibt, ich versuche schon aus Eigenliebe ein Leben über dreissig Grad Celsius zu vermeiden.

Üblicherweise schiesst die Dogwalkerin immer Fotos vom Ausflug, heute entschuldigte sie sich dafür, sie hatte einfach keine Lust, mit frierenden Händen das Telefon zu bedienen. Ich konnte es nachvollziehen.

Tagsüber arbeitete ich trotz Krankheit mehr oder weniger den ganzen Tag. Vormittags hielt ich mehrere Calls mit meinen Techleads wegen der Nacharbeiten eines Problemes und darüber, wie wir das über die Feiertage stabilisieren wollen, danach musste ich mich den ganzen Nachmittag wegen organisatorischen Problemen rumärgern, aber das konnte ich wenigstens alles schriftlich klären.

Am Abend schauten wir die zweite Staffel von White Lotus. Eine tragische Komödie über ein Luxusresort. Ich liebte bereits die erste Staffel. Die Zweite ist auf Sizilien angesiedelt. Alles passt wieder. Figuren, Konflikte, alles anders, aber alles passt wieder.

[Dienstag, 13.12.2022 – Home, Schwurbeldoku]

Immer noch krank. Mit dieser Info begann ich alle letzten paar Tagebucheinträge.

Meine Frau hat mir meinen Lieblingshoodie gewaschen. Ich kam mir dabei vor wie ein kleiner Junge. Jetzt sitze ich hier, verkrochen in der Kapuze des Hoodies und die Hände in den Bauchstaschen verstaut.

Home.

Am Abend war meine Frau mit einer Freundin verabredet, das bedeutete, dass ich richtigen Trash im Fernsehen schauen konnte. Ich entschied mich für diese Pseudoarchäologische Dokuserie auf Netflix von dem Bestsellerautor Graham Hancock, der spektakuläre Theorien über archäologische Funde weiterspinnt und daraus gut verkaufbare Geschichtstheorien für ein Millionenpublikum erzählt. Das alles mit einem seltsamen Verschwörungsduktus, dass Archäologen und Regierungen Funde und Beweise zu vertuschen suchen.

Die Doku heisst „Ancient Apokalypse“. Dabei werden aber durchaus interessante Fragen aufgeworfen und wahrscheinlich sind es gerade diese Fragen, die das Publikum begeistern. Für die Fragen gibt es keine fundierte Erklärung, beispielsweise, wie es denn sein könne, dass Malta vermutlich vor 7000 Jahren durch sizilianische Fischer und Jäger auf Flössen bevölkert wurde, die dann plötzlich aus dem Nichts megalithische Tempel bauen konnten. Und warum erst auf Malta und nicht schon in Sizilien? Er findet sich aber nicht damit ab, dass man schlichtweg noch keine schlüssige Erklärung dafür hat, sondern er spinnt wilde Theorien, die einen grösseren Plan suggerieren, von irgendwelchen „Riesen“, die im Liedgut verschiedener Kulturen vorkommen. Dabei verhält er sich gerade noch so, dass man ihn nicht als Spinner abtun kann. Und er wird nicht müde von den „sogenannten Archäologen“ oder „Mainstream-Archäologen“ zu reden, die als Vertuscher und Widersacher auftreten. Es ist ein bisschen ermüdend. Ich schaue es aber dennoch gerne, weil es viele spannende Fragen gibt, zu denen es halt keine wissenschaftliche Erklärung oder Grundlage gibt. Wobei ich den wilden Theorien natürlich auch nur schlecht widerstehen kann. Zwei Stunden später habe ich dutzende Wikipedia-Tabs im Browser offen und kenne mich nicht mehr aus.