Apropos MAGA-cunt, ich lernte das Wort „cunt“ erst Anfang der Zweitausender kennen. Das war in Madrid in einer Bar namens Lovely’s, in der immer britische und niederländische Expats abhingen. Die Gäste waren hauptsächlich meine Kolleginnen, da sich unweit davon das Büro unserer Firma befand, wo mehrere internationale Teams versammelt waren, um als Support-HUB Kunden aus dem europäischen Raum zu unterstützen. Der Grossteil der Kolleginnen waren Studiumabgängerinnen, männlich, mitte zwanzig und zum ersten Mal weit von der Familie entfernt. Für die meisten war die Madrider Zeit lediglich ein Aufenthalt für ihren Lebenslauf und für die Briten waren die Nächte im Lovely’s ein Leben in der britischen Diaspora.
Mein Englisch war damals eher mittelmässig. Zwar sprach ich ein gutes IT-englisch, aber wenn ich Zeit mit den Natives verbrachte, dann geriet ich schnell an die Grenzen meines Vokabulars. Diese Unzulänglichkeit verstärkte sich in den langen Nächten im Lovely’s, wo sich nach mehreren Gläsern Cerveza bestimmte Sprachareale in meinem Bewusstsein verdunkelten. Und so geriet ich in die verfängliche Situation, dass mir eine junge Frau aus Manchester das Wort „cunt“ beizubringen versuchte.
Ich kann mich nur erinnern, dass jemand einen Witz erzählte, dessen Pointe ich nicht verstand. Anstatt mich in Sicherheit zu verstecken und verschwiegen mitzulachen, fiel mir in einer übermütigen Laune nichts besseres ein, als zu sagen, dass ich den Witz nicht verstanden hätte. Daraufhin sah sich eine junge Frau auf der anderen Seite des Tisches dazu verpflichtet, ihn mir zu erklären.
Ich kenne die Pointe nicht mehr, sie drehte sich jedenfalls um das Wort „cunt“. Vermutlich war es ein Wortspiel. Nun muss man wissen, dass „cunt“ eines dieser Wörter ist, die damals als unaussprechbar galten. Vor allem in einem semiberuflichen Umfeld, wo es nicht schadet, wenn man ein Mindestmass an Anstand aufrecht hält, ausserdem kann eine Frau mit vulgärem Sprachgebrauch zwischen britischen Mates und Lads schnell in Verruf geraten.
Um mir den Witz zu erklären, hätte die junge Frau aus Manchester das Wort „cunt“ aussprechen müssen. Das traute sie sich allerdings nicht. Sie war eine der wenigen Frauen im Raum, ausserdem waren auch zwei Chefs anwesend. Deswegen buchstabierte sie mir das Wort C-U-N-T und sagte den Satz: „C U Next Tuesday“.
Ich verstand nicht, warum sie mir vorschlug, mich nächsten Dienstag zu sehen. Sie hatte einen Freund, der sass direkt neben ihr. „Why next Tuesday?“ wollte ich wissen. Ich stand völlig auf dem Schlauch. Da bemerkte ich bereits die ersten Gesichter, die rot anliefen. Die junge Frau sagte: „Noo! C U Next Tuesday!“. Bei mir kam aber nur „See you next tuesday“ an. „Next Tuesday?“. Um mich herum gab es Belustigung.
„Noo! You don’t understand!“. Sie sagte, ich sollte nur die Anfangsbuchstaben nehmen. Sie buchstabiere nämlich. „C U Next Tuesday!“. Jetzt verstand ich. See You Next Tuesday! Ich sagte: „SYNT?“ Ich sprach es mit einem deutschen Ypsilon aus. SÜNT. Es gab erstes, vorsichtiges Gelächter. Der Frau begann es unangenehm zu werden. Sie sah sich um. Sie sah ihren Freund an. Dann schüttelte sie den Kopf.
„C-U-N-T!“
Ich wiederholte: „Yes. SYNT!“
Das war der Moment, wo das Gelächter losbrach. Die Frau verzweifelte. Sie sagte: „C U Next Tuesday. C-U-N-T.“ Aber diesmal lauter. Als würde es etwas helfen. Ich wiederholte nur: „See you Next Tuesday.“
Sie sah mich an: „Und jetzt sprich es aus!“
Ich so: „SYNT!“
Das Dumme ist: ich hatte das Wort noch nie gehört. Ich kannte Immanuel Kant, also hätte ich es phonetisch hinbekommen, weil das aber ein deutscher Name ist, legte ich natürlich nicht den Link. SYNT lag mir schon wegen Synthesizer näher als irgend ein anderes englisches Wort. Ich sah nur „See You Next Tuesday“ vor meinem inneren Auge und das war SYNT. Die Frau starrte mich aber entsetzt an. Sie schien meinen sprachlichen Fehlgriff nicht akzeptieren zu wollen.
Wir wiederholten es mehrmals:
„Say after me: C-U-N-T“
„C-U-N-T“
Yes und jetzt aussprechen!
„SYNT!“
„No!“
„What no?“
„C-U-N-T!“
„See-You-enn-Tee: SYNT!“
Die Menschen kriegten sich vor Lachen nicht mehr ein. Die Chefs grinsten nur, versuchten sich aber zurückzuhalten. Ihrem Freund wurde es allerdings unangenehm, er bat sie, damit aufzuhören. Sie dachte aber nicht daran und wiederholte ständig: „C-U-N-T!“, worauf ich weiterhin mit „SYNT!“ antwortete.
Schliesslich war es der Niederländer Antoon aus meinem Team, der mir die Auflösung ins Ohr soufflierte. Ich verstand mein Missgeschick. CU. Deswegen sprach ich es laut aus: „CUNT?“. Dabei zuckten die Engländer zusammen. „I don’t know that word“.
Nach der Auflösung schienen alle zufrieden zu sein. Auch die junge Frau. Der Satz hat sich bei mir allerdings ziemlich eingeprägt. Wenn sich jemand verabschiedet und auch nur „See you next Monday“ sagt, denke ich immer nur: you cunt!
Die Frau wurde übrigens die beste Freundin der Frau aus dieser Geschichte. Da kommt aber keine cunt darin vor.
Heute höre ich das Wort überall im Netz, vor allem Ricky Gervais verwendet es in jedem zweiten Satz. Vielleicht ist es nicht mehr so unaussprechbar, wie es damals war.
Das ist doch wirklich beeindruckend, dass das Gehirn, wenn es einmal etwas auf eine ganz besondere Art und Weise gelernt hat, das nie wieder vergisst.
Na, wenn es sich schon so viel Mühe damit gemacht hat… 😊
Stimmt, das soll sich dann gefälligst auch lohnen!