Weil ich Geburtstag hatte, bereitete heute meine Frau das Frühstück zu. Normalerweise bin ich der Frühaufsteher und kümmere mich deswegen um die gesamte Morgenlogistik. Einmal einfach liegen bleiben und warten, bis die ganze Wohnung nach Frühstück duftet, ist daher schon schön. Aber das geht jetzt ja nicht, wir haben jetzt ja die Hündin, mit der ich morgens immer mindestens eine Stunde auf dem Weg bin. So nahm meine Frau heute die Zeit meines Spaziergangs, um alles vorzubereiten.
Sie schenkte mir ein E-Piano. Das wollte ich schon lange, aber ich drückte mich immer vor dem hohen Preis. Zudem habe ich nicht wirklich einen guten Ort in meinem Arbeitszimmer, wo ich das Piano dauerhaft hinstellen könnte. Nach langer Überlegung entschied ich mich jedoch, es einfach über das Hundebett zu stellen, bzw das Hundebett darunter. Wenn die Hündin dort liegen will, während ich spiele, dann habe ich immerhin warme Füsse, oder ich kann mich mit den Zehen ins Fell des Tieres einkraulen. Nach dem Frühstück baute ich es gleich auf und lud mir Noten von Bach und Max Richter herunter. Ich werde mit dem „Präludium I“ aus dem „Wohltemperierten Clavier“ wieder meine Finger in Übung bringen und je nach Stimmung auch „Departure“ von Max Richter. Das Präludium konnte ich einmal wirklich gut, aber es ist schon 16 oder 17 Jahre her, dass ich es spielte, ich fange wieder völlig von vorne an. „Departure“ ist die eindringliche Sonate aus der Serie „The Leftovers“. Die wollte ich immer schon einmal spielen können. Sie ist vermeintlich einfach, aber da man den Hauptpart mit der linken Hand spielt, ist es für mich ungeübten Amateur sehr schwierig zu erlernen.
Warum ich überhaupt Klavierspielen kann? Ich kann es nicht wirklich gut. Als Kind hatte ich eine Obsession für klassische und frühromantische Musik. Niemand verstand, wie das passieren konnte. Schliesslich komme ich aus einem bildungsfernen Elternhaus. Meine Eltern sind weder musikalisch noch kulturell interessiert. Als wir einmal bei unserem Nachbarn, den Doktor, zu Besuch waren, legte er Beethoven auf einem Plattenspieler auf. Offenbar erstarrte ich damals vor dem Plattenspieler zu einer unansprechbaren Säule aus Natriumchlorid. So etwas hatte ich vermutlich noch nie gehört. Der Doktor wusste wohl, was er in diesen kleinen Jungen ausgelöst hatte, und so schenkte er mir ein paar Tage später ein Boxset der neun Symphonien von Beethoven. Und später legte er noch Schallplatten mit Opernchören und Ouvertüren von Verdi und Puccini dazu.
Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Ich hörte danach jeden Tag und den ganzen Tag lang diese Musik. Nach einiger Zeit und neuen Schallplatten wollte ich schliesslich Pianist werden. Meine Eltern wussten nicht so recht, was sie damit anfangen sollten, aber der Schullehrer, der selber Klavier und Klarinette spielte, empfahl ihnen, das zu fördern. So bekam ich irgendwann ein Klavier. Allerdings übte ich nicht gerne. Ich musste wochenlang und monatelang Terzen und Quinten üben. Nach einigen Jahren entwickelte ich meine Klavierkünste kaum weiter und so gab ich den Unterricht wieder auf.
Ich kann mir allerdings Musikstücke selber beibringen. Vor etwa zwanzig Jahren, als ich in Madrid lebte, kaufte ich mir ein billiges Keyboard, weil ich wieder Lust hatte, ein bisschen zu spielen. Da ich Noten lesen konnte, studierte ich manchmal Stücke ein. Vorzugsweise von Bach oder Mozart. Weil ich aber nicht gut bin, brauche ich dafür ewig. Ich arbeite mich Takt für Takt voran und nach einigen Wochen kann ich ein relativ komplexes Stück spielen. Als ich nach Berlin zog, verkaufte ich das Keyboard wieder, weil ich andere Schwerpunkte in meinem Leben hatte. Seit einigen Jahren drängt sich aber wieder diese Lust am Musikspielen in mir auf. Diese Freude erfüllte mir heute meine Frau. Das war ein schönes Geburtstagsgeschenk.
Am Nachmittag gingen wir ins Due Forni Pizza essen und Bier trinken. Ich liebe das Due Forni am Nachmittag. Ich liebe es auch am Abend, aber ich liebe es noch mehr am Nachmittag, wenn dieser riesige Raum fast leer ist. Und ey, ihr könnt mir mit euren neumodischen Pizze alla Napolitana kommen wie ihr wollt, für mich gibt es keine bessere Pizza als die im Due Forni. Früher sagte ich oft, es sei die beste Pizzeria nördlich der Alpen, aber neuerdings bin ich der Überzeugung, dass es sogar südlich der Alpen keine besseren Pizze gibt. Und ich möchte behaupten, dass ich an jedem Ort, den ich auf dieser Welt besuch habe, schon einmal Pizza ass. Sogar in einem Einkaufszentrum in einer mittelgrossen Stadt in Nordwest Schottland und auch in Lappland. Sogar auf Spitzbergen in der Hocharktis. Wobei ich diese drei nicht unbedingt weiterempfehlen möchte.
Danach setzten wir uns ins Kaschk am Rosa-Luxemburg-Platz, diese durch BRLO betriebene Bierbar in dem schwarzen, fensterlosen Bau an der Ecke zur Torstrasse. Mittlerweile habe ich meine Meinung zu den BRLO Bieren geändert. Sie haben offenbar ihre Rezeptur angepasst, vor allem das Pale Ale und das rosane IPA sind wirklich gut geworden. Nicht das German IPA, das hat so eine unausgewogene Härte, aber das mit den rosanen Buchstaben ist super. Überteuert sind sie dennoch, aber daran wird sich wenig ändern.
Mensch, ich habe wirklich gerne Geburtstag. Es mag kindisch sein, aber ich liebe es, an einem Tag Geschenke und Glückwünsche zu kriegen und dabei irgendwas zu unternehmen, das mir gefällt. Sei es auch nur in einer etwas schäbigen Pizzeria Pizza zu essen und Bier zu trinken. Und einen im Tee zu haben, bevor die Sonne untergeht.
Danke für die Glückwünsche auf den verschiedenen Kanälen.
nachträglich herzlichen Glückwunsch auch!
HAPPY BIRTHDAY!!
Happy Birthday!
Glückwünsche gehen ja auch noch nachgeplätschert!
🎁🎈🎂🍰🍺🍺🍕🍾🥂