Am Samstag fuhr ich gleich nach der morgendlichen Hunderunde mit der S-Bahn zum Olympiastadion. Gegen Schalke würde es sehr voll werden. Ich holte mir ein kleines Bier, weil ich mir vorgenommen hatte, keine Grossen mehr zu bestellen. Seit ich die Einliterbecher trinke, trinke ich einfach doppelt so viel und das ist keine gute Sache. Mit dem Halbliterbecher ging ich gleich runter in den Block.
Seit zwei Wochen bin ich auf Snapchat, weil mein Freund Benny mich dazu eingeladen hat. Er erklärte mir, dass man sich jeden Tag Fotos schicken kann und wenn man das tut, dann bekommt man Flammen, je mehr Fotos man sich am Tag schickt, desto mehr Flammen erhält man. Wenn man aber an einem Tag kein Foto schickt, dann ist man wieder auf Null. Er schickte mir vor zwei Wochen ein Foto auf Snapchat, das ich mit einem Foto beantwortete. Jetzt haben wir einen Streak von 18 Flammen und ich habe Angst, diese alle zu verlieren. Vor einigen Tagen ist auch seine Frau mit mir in einen Chat eingestiegen. Mit ihr habe ich erst sechs Flammen.
Unten im Block waren zu dieser Uhrzeit fast nur die jungen Leute aus meinem Fanclub. Mein Freund Benny steht nicht unten bei uns in Q3 sondern weiter oben und etwas südlich in T2. Natürlich schickten wir uns Snaps aus dem Olympiastadion zu. Die jungen Leute neben mir fanden es witzig, dass ich Snapchatte. Ich sagte, ich finde das auch witzig. Dann begannen sie mir Features zu erklären. Ich sagte: hey, ich bin kein Boomer, ich bin Gen-X.
Während des Spiels wollte die Stimmung nicht so recht aufkommen. Die Ultras machten zwar ordentlichen Lärm, aber in meinem Bereich der Kurve liess die Lust nach jeder Strophe immer wieder nach. Unser Verein läuft gerade durch ein tiefes Tal. Wir stehen unweit der Abstiegsplätze in die dritte Liga. Ein Abstieg in die dritte Liga wird den Verein in die Insolvenz führen und damit folgt der Abstieg in die Regionalliga. Die junge, freche Niedersächsin, die neuerdings immer neben mir steht, war heute weniger frech. Sie hatte unfassbar schlechte Laune. Sie liess diese Laune während des ganzen Spiels aus sich heraus. Nur als das Tor für uns fiel, muss sie kurz glücklich gewesen sein. Aber das bekam ich nicht mit, weil ich draussen war, um einen Freund zu treffen. Noch während ich draussen war, fiel ein weiteres Tor, aber an der Geräuschkulisse konnte ich erkennen, dass es gegen uns gefallen war. Als ich wieder runter in den Block kam (mit einer Cola Zero), traf ich sie weinend vor. Sie wurde von einer Freundin hinter uns getröstet. Sie wollte aber nicht sagen, warum sie weinte.
Trotz eines guten Spiels unserer Mannschaft verloren wir wieder. Nach Abpfiff hatte ich keine Lust darauf zu warten, dass die Mannschaft in der Kurve kommt und begab mich deswegen derweil hoch in Block 1.1, um die beiden Fanclubbanner abzunehmen. Während ich mich im Umlauf befand, hörte ich laute Pfiffe aus dem Inneren. Sie galten der Mannschaft. Es ist sehr lange her, dass die Mannschaft ausgepfiffen wurde. Als ich oben ankam, begaben sich die Spieler bereits auf den Weg in die Kabinen.
Später am Rondell war die Stimmung nicht besser. Als nach einer Stunde die Bahnsteige etwas weniger voll waren, nahm ich einfach die Bahn zurück nach Hause. Es schien noch die Sonne, also setzten meine Frau und ich uns auf den Balkon. Diese spätwinterlichen Frühlingstemperaturen sind wirklich schön.
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Am Sonntag. Was ist eigentlich am Sonntag passiert. Weil der Besuch der Schwiegerelter kurzfristig abgesagt wurde, hatten wir tagsüber nichts vor. Deswegen schauten wir „The Substance“ mit Demi Moore. Diesen preisgekrönten Film, in dem eine alternde Schauspielerin eine Substanz nimmt, um ein Doppelleben als junge Frau zu führen.
Weiss nicht. Also ich finde Demi Moore ja deutlich attraktiver als diese junge Margaret Qualley. Ja, die Szene, in der sie ihren jungen Körper entdeckt, ist schon sehr erotisch, aber dennoch. Ihre Mutter Andie MacDowell wäre eher mein Fall. Der Film ist sehr ästhetisch, die Bilder gut komponiert, sogar der Bodyhorror, der etwa zur Mitte des Films zunehmend einsetzt, ist in seinem gesamten Ekel ästhetisch.
Mir kam vor, dass der Film irgendwo als wichtig, bzw als feministischer Film besprochen wurde. Uns erschloss das aber nicht. Die Geschichte und die Message sind beide sehr eindimensional. Was der Film aussagt: kaufe keine zwielichtige Medikamente, um jung auszusehen.
Das hätte ich Demi Moore aber auch vorher sagen können.
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Bis Mittwoch kann noch die Novelle mit persönlicher Widmung vorbestellt werden. Alle Infos hier.
Wegen des Fotos möchte ich – zusätzlich! nicht statt dessen! – noch BeReal in den Raum werfen. Man macht 1x am Tag ein Foto mit Front- und Backkamera, also sieht man die Person und was die Person gerade sieht, das finde ich total schön. Man kriegt allerdings keine Flammen. Aber ich suche immer noch weitere Personen, denen ich da folgen kann, also wäre es schon zu etwas gut.