Schon seit fünf Tagen nicht mehr am Romanprojekt gearbeitet. Seit der Arbeit an der Novelle lernte ich viel über Schreibroutinen. Wie grössere Texte entstehen, wie ein Tagespensum variiert etc. Dabei stellte ich fest, dass feste Rahmen wie eine feste Wortzahl oder feste Zeiten für mich wirklich unerlässlich sind. Sonst verliere ich den Fokus. Wenn ich mir vornehme, von 10:17 bis 11:17 den Schreibtisch nicht zu verlassen und den Browser nicht zu öffnen, dann entsteht in diesen 60 Minuten tatsächlich Text. Manchmal entstehen in 60 Minuten 5 Buchseiten, manchmal nur eine halbe. Ich nahm mir vor, jeden Tag mindestens 250 Wörter aufzuschreiben, also eine Buchseite. Meistens wird daraus mehr, aber diese eine Buchseite ist ein motivierender Einstieg, weil es ein Häppchen ist. Stephen King schreibt pro Tag etwa 1000 bis 2000 Wörter, also 6 bis 10 Buchseiten, das erklärt natürlich seinen immensen Output. Dabei sagt er, dass diese Seiten bereits dicht und schon ziemlich fertig sind. Bei mir variiert die Qualität eines Textes. Manchmal sind 5 Seiten wie in Stein gemeisselt und manchmal arbeite ich einen Tag lang an einem Absatz, den ich am Ende verwerfe. Nur um Extrembeispiele zu nennen. Ich bin aber auch kein Vielschreiber. Wobei: Der Durchschnitt meiner täglichen Blogeinträge beträgt 800 Wörter, das sind zwei bis drei Buchseiten. Auch immer in unterschiedlicher Qualität. Diese Zeit könnte ich auch für das Romanprojekt reservieren, andererseits ist mir diese Blogroutine als Schreibübung für Stil, Tempo und Perspektivwechsel, Inszenierung usw. sehr wichtig geworden. Nicht alles ist hier von Qualität, zudem werden meine Blogeinträge natürlich nie lektoriert und auch nicht gegengelesen und manche Sachen funktionieren nicht. Dafür weiss ich mittlerweile wesentlich besser, was als Text funktioniert.
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Dafür zieht mich Berlin gerade runter. Berlin hat keine Energie mehr. Schon seit ein paar Jahren nicht mehr. Vielleicht auch ganz Deutschland, aber es wird nicht mehr besser. Schlimm fand ich es immer, wenn ich von den Dienstreisen aus Amsterdam zurückkam, in einer Stadt, in der man merkt, dass sie von ihren Bewohnerinnen geliebt wird, sogar in den Aussenbezirken und in Gewerbegebieten, alle scheinen gerne Amsterdamerin zu sein, es wirkt, als achten die Leute auf ihre Stadt. Dann komme ich zurück nach Berlin: Alles ist wurschtig, träge, die Leute schlecht gelaunt, der Inhalt des Müllsacks, der letzte Woche aufgerissen wurde und einmal die ganze Strasse hinunter verteilt wurde, liegt immer noch da. Es interessiert niemanden. Die unkoordinierten Baustellen, die kaputten Radwege, jetzt brechen auch noch die Brücken ein. Diese Negativität, diese Trägheit, sie kommt von allen Seiten, vom Bürgertum, von meiner linkslastigen Blase, alle werden zunehmend konservativer, sogar mein linksliberales Umfeld in Berlin war nie wirklich liberal, immer eher konservativ, ich nenne es nur aus Gewohnheit so. Ich sage das allen, mit denen ich spreche: Berlin hat keine Energie mehr. Zum einen erwarte ich Zustimmung, aber Zustimmung deprimiert mich dann noch mehr. Früher war Berlin immerhin arm, aber sexy, dann wurde es ansatzweise wohlhabender und blieb sexy, jetzt werden wir wieder ärmer, aber ohne die Sexyness.
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Aber Frau Casino hat mein Buch gelesen. Und das hebt die Laune wieder. Disclaimer: sie ist eine meiner besten Freundinnen. Aber sie würde nicht darüber schreiben, wenn sie es nicht meint.
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Moment. Wenn bei Dir 250 Wörter eine Buchseite sind, warum sind bei King dann 3000 Wörter nur sechs Seiten? Ich habe ja vor beiden Leistungen argen Respekt.
Habe das eben mal gegoogelt. Die Quellen dazu variieren von 1000 bis 2000 Wörter und von 6 bis 10 Buchseiten. Hatte ich wohl nicht sauber recherchiert.
(habs im Text angepasst)