Letztes Jahr, auf der Reise zum Nordkapp, berichtete ich auf der Rückfahrt von einem kleinen Ort namens Kautokeino. Es gab da diese zwar eher unscheinbare, aber etwas trotzige Dorfkirche auf einem Hügel, die uns bereits aus der Ferne anzusprechen schien. Deswegen beschlossen wir damals, zur Kirche zu fahren und eine Pause einzulegen. Es wurde ein sehr schöner, kurzer Aufenthalt auf diesem Hügel mit der Kirche, in einem bezaubernden Birkenwäldchen, das als Friedhof angelegt war.
Ich schrieb damals:Dieses weite Hochplateau in norwegisch Lappland.
Weite Täler, wilde, ungezähmt schlängelnde Flüsse,
die sich immer wieder zu einem See ausbreiteten.
Etwa auf der Hälfte der Strecke sahen wir uns einem
Dorf nähern, der Ort wirkte einladend und je näher wir
kamen, desto mehr fiel uns die markante Kirche auf.
Ich sagte zu meinem Vater: Komm lass uns eine
Pause einlegen, Kautokeino, hier schauts nett aus.
Er stimmte mir zu. „Kautokeino“ wiederholte er.
Ich schlug vor, bei dieser auffälligen
Kirche zu parken. Ein Schild mit dem Denkmalzeichen
zeigte uns den Weg von der Hauptstraße ab.
Die Kirche stand etwas abseits auf einem Hügel.
Eine kleine, schöne Holzkirche mit einem gezimmerten
Zwiebelturmdach. Kein rundes Zwiebeldach sondern
kubistisch vereinfacht. Wie sie dort auf ihrem
Hügel trotzte, und ein bisschen nachdenklich
über das karge Lappland schaute. Um die Kirche herum befand
sich ein verhältnismäßig großer Friedhof, der
sich über den gesamten östlichen Hügel ausstreckte.
Es war eher ein lichtes Birkenwäldchen mit
verwinkelten Wegen und Felsen. Dazwischendrin
immer wieder Gräber. Friedlich liegende Gräber,
als wären sie willkürlich verstreut. Mein Vater
und ich verloren uns. Ich schoss Dutzende
Fotos der Kirche und des Friedhofes. Keines
will aber wirklich diese magische Stimmung wiedergeben.
Nun lese ich ja gerade das Buch von dieser Französin, die vor zweihundert Jahren die Arktis und auch Lapland bereiste. Auf der Rückreise legte auch sie eine Pause in Kautokeino ein. Und auch sie berichtete, wie sie sich dieser auffällig auf dem Hügel stehenden Kirche näherte. Während des Lesens waren sofort meine inneren Bilder wieder da, dieselben Gefühle wie bei dieser Frau. Das überraschte mich sehr. Überdies übernachtete sie in dieser Kirche, bzw. im angrenzenden Pfarrhaus. Kautokeino bestand damals aus 12 Häusern. Das Kautokeino, das ich antraf, hatte immerhin schon fast 3000 Einwohner.
Am Abend waren wir bei Freunden eingeladen. Sie hatten gerade ihre Familiennamen zu einem Doppelnamen zusammengeführt und wollten das mit ihren Freunden feiern. Es gab Champagner und gutes Bier. Ich unterhielt mich längere Zeit mit dem Gastgeber über Frankreich, da sie den Sommer in der Normandie verbracht hatten. Ich muss ja gestehen, dass ich nie besonders frankophil war. Auch wenn ich Paris durchaus ästhetisch finde, überwogen für mich doch immer die Nachteile. Zu teuer, zu puppenhaft, zu starr, zu gutbürgerlich, zu klischeeartig und vieles mehr. Allerdings hat sich dieses Bild in den letzten Jahren etwas geändert, vor allem durch die Berichte über die radikale Modernisierung des Stadtraumes. Wie die Autos aus der Stadt verdrängt werden, wie sehr sich anfangs die ganze Stadt dagegen sträubte und wie sehr die Veränderung in Lebensqualität mittlerweile angenommen und geliebt wird.
Dann sitze ich immer in meinem Berlin und denke an die holprigen Fahrradpisten und die CDU und diese religiösen Gefühle zum Auto. Und werde verstimmt.
