[So/Mo, 2./3.10.2022 – Hoffenheim, Cello, Ölmakrelen]

Am Sonntag war ich im Stadion gegen Hoffenheim. Diesmal mit einem ehemaligen Mitarbeiter und seinem Sohn. Ich besorgte zwei Karten für die beiden und so gingen wir gemeinsam hin. Sein Sohn ist gerade 19 geworden, er ist glühender Herthafan und stand noch nie in der Ostkurve. Er war sehr aufgeregt, hatte sich im Vorfeld über alles belesen. In die Kurve zu gehen, muss sich in diesem Alter wie eine Initiation anfühlen. Auch wenns mit zwei so ollen Papas ist.

Der Spieltag war offiziell als Nachhaltigkeitsspieltag ausgerufen. Viele Fans kamen mit dem Fahrrad, auf dem Stadiongelände stand ein sogenanntes Nachhaltigkeitsdorf auf dem auch unser Fanclub einen Stand betrieb u.a. zum Sammeln von Unterschriften für die Initiative „Berlin Klimaneutral2030“. Üblicherweise treffe ich meine Freunde und Fanclubfreunde ausserhalb des Stadiongeländes, heute trafen wir uns drinnen beim Stand.

Am Abend war ich dann so so müde, dass mir die Kraft fehlte, den Tag zu verbloggen. Aber es ist ja auch nicht viel passiert. Ausser dem Stadionbesuch.

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Montag

Ah. Feiertag. Die indischen Nachbarn sind ausgezogen und seit wenigen Tage wohnt jemand Neues da. Wir wissen, dass die Eigentümerin der Wohnung nur temporäre Verträge vergibt. Es ist eine mehr oder weniger möblierte Wohnung, in der jedes Jahr jemand Neues einzieht. Die indischen Nachbarn durften zwei Jahre darin wohnen. Weil sie explizit danach gefragt hatten und die Eigentümerin sich zu einer Ausnahme bewegen liess. Das indische Paar wäre natürlich gerne weiter in der Wohnung geblieben, aber die Eigentümerin sagte, sie würde jetzt selber einziehen. Das hielt ich für sehr unwahrscheinlich.

Seit ein paar Tagen wohnt jetzt wieder jemand da. Ich legte mich am Vormittag noch einmal zu meiner Frau ins Bett. Früher war das immer die Zeit, in der ich ihr etwas vorlas. Diese Vormittage im Bett sind immer die besten Momente im Leben. Heute schlief ich einfach nochmal, weil ich immer so schlecht schlafe.
Ich wurde von Celloklängen geweckt. Es war keine Aufnahme, es war jemand, der übte. Ich döste noch ewig vor mich hin, während ich den Klängen lauschte. Dieses Gefühl, wenn jemand im Haus ein Instrument spielt, erweckt schöne Bilder. Später spielte die Person ein Blasinstrument, es klang wie eine Flöte, es wird sich um eine Querflote gehandelt haben. Ich schlief wieder ein, oder ich döste im Halbschlaf, oder eine Mischung aus beiden.

Zuerst dachte ich, es sei die Nachbarin von oben. Die ist Musikwissenschaftlerin für chinesische Musik und lebt üblicherweise in Shanghai, aber nun ist sie für eine längere Zeit zurückgekehrt. Bisher hatte ich sie noch nie ein Instrument spielen gehört, ich weiss auch nicht ob sie überhaupt aktiv ein Instrument bespielt, ich habe keine Ahnung ob Musikwissentschaftlerinnen überhaupt das Instrumentenspiel praktizieren, deren Spezialgebiet ist es ja nur, über die Musik Bescheid zu wissen.
Die Musik klang jedenfalls zu nahe um von oben zu kommen, es klang eher von nebenan, dazu muss man wissen, dass unser Schlafzimmer und das Schlafzimmer der Nachbarn nur eine sehr dünne Wand trennt. Mit alleine Vor- und Nachteilen. Zum Glück wird die Wohnung nur an ausländische Mietparteien, die kein deutsch sprechen, vermietet.

Ich legte also mein Ohr an die Wand. Die Musik kam von nebenan.

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Am Nachmittag machten wir uns Brötchen mit Sgombro. Sgombri sind Makrelen. In Italien kauft man Sgombri in Dosen mit Öl, wie Sardinen. Und Ölfische auf Brot ist eine Sauerei. Das Öl verschmiert überall. Mir tropft das Öl auf mein Unterhemd. Als ich mit dem Essen fertig bin, kriecht das Tier zu mir herauf und leckt mich ab. Vom oberen Rand des Unterhemdes bis zum unteren Rand.

Makrelen gäben ja ein erstaunlich gut tätowierbares Motiv ab. Das weiss ich schon länger. Aber wahllose Tätowierungen, die man sich nur wegen deren Tätowierbarität stechen lässt, finde ich ja eher mittel. Tätowierungen sind bei mir das einzige bisschen Religiösität, die ich in meinem Leben ertrage, sie haben also einen sehr persönlichen oder biographischen Bezug. Mit Makrelen haben ich keinen biographischen Bezug. Ausser vielleicht, dass Makrelen-Öl die Liebe meines Hundes zu mir symbolisieren könnte. So funktioniert ja Religion, oder? Irgend einen Bezug herstellen um irgendwas zu erreichen oder erklären.

(Bild, Hans Hillewaert)