[Do, 17.8.2023 – Lanz und Vinzentinum]

Ich war ja mit Markus Lanz zusammen in einer Klosterschule. Die Klosterschule bezeichnete sich als katholisches Knabenseminar Vinzentinum, eine Internat-artige Schule in Brixen, einer südtiroler Kleinstadt. Ich war freiwillig zwei Jahre dort, ich mochte das wirklich gerne und hatte als elfjähriger Knabe meine Familie darum gebeten, ins Internat ziehen zu dürfen.

Das waren zwei sehr unterhaltsame Jahre, im zweiten Jahr geriet ich allerdings in die Pubertät und da ich etwas frühreif und neugierig war, tat ich ständig dumme Dinge, woraufhin man meinen Eltern in einem Schreiben mitteilte, dass man mich für das dritte Jahr nicht mehr aufnehmen würde. Das empfand ich als eine ungemein starkte Ablehnung meiner Person. Ich kann mich noch genau an die Gefühle erinnern, als ich mich im Badezimmer einsperrte um diesen Brief zu lesen.

Jedenfalls war ich auch Sänger im Knabenchor und im Knabenchor sang auch Markus Lanz. Da ich noch keinen Stimmbruch hatte, sang ich Alt, ich konnte aber auch Sopran, wenn man mich brauchte, so war das auch später im Erwachsenenchor, allerdings setzte man mich da immer als Tenor ein, weil es an Tenören immer mangelte, aber lieber stehe ich beim Bass, weil ich finde, dass meine Bassstimme besser rauskommt als beim Tenor, schliesslich war ich als Knabe ein Alt.

Markus Lanz ist aber sechs Jahre älter als ich, er stand hinten und war bereits ein richtiger Mann. Ich weiss nicht mehr, welche Stimme er sang, aber ich weiss noch, dass er damals schon eine auffällige Person war. Es war ein Typ, den auch wir jungen allgemein kannten und respektierten.
Er war der Lanz. Wir wurden immer mit unserem Familiennamen angesprochen. Auch wir Knaben sprachen einander mit den Artikel und Familiennamen an. Der Peratoner, der Lamprecht, der Tschurtschenthaler. Ich war der Pfeifer. Der Lanz hiess Markus mit Vornamen. Genau wie ich. Das ist mir in Erinnerung geblieben. Sonst habe ich wenig über Markus Lanz zu sagen. Ausser, dass er auf der Wikipediaseite des Vinzentinums vermerkt steht. Darauf bin ich schon ein wenig neidisch. Aber gut, ich habe ja nichtmal einen Wikipedia Eintrag.

Ich merke schon, dass die Erinnerungen hochkommen. Aber heute habe ich keine Zeit. Morgen ist Firmenausflug, ich muss früh aus dem Bett.

4 Kommentare

  1. Ich finde das total interessant dass Dich Deine Eltern da haben gehen lassen. Erinnere mich noch an ein Gespräch dass ich in der Grundschule mit einer Bibliothekarin hatte, weil ich mir immer die Hanni und Nanni Bücher ausgeliehen habe, die Bibliothekarin meinte, ihre Tochter hätte sie angefleht, auch auf ein internat zu dürfen, aber das könnte man sich so nicht leisten. Kann mich erinnern, dass bei mir Gedankenexperimente wo man sich von zuhause wegbewegt (eigentlich attraktiver Gedanke) immer an meiner Großmutter gescheitert waren. Hatte die beste Großmutter der Welt die bei uns im Haus wohnte, das schlug alle sonstigen Probleme und Interessen. Denke allerdings auch meine Mutter wäre sicherlich sehr dagegen gewesen. Nicht unbedingt nur wegen Geld, aber auch.

  2. Gut, dass du das sagst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das viel Geld gekostet hat, meine Eltern waren beide Rettungssanitäter (immerhin beide, also doppeltes Einkommen). Muss ich mal nachfragen. Andererseits wohnten wir drei Kinder in einem Schlafzimmer, vermutlich wurde ein extra Schlafzimmer bzw ein Umzug mit eingerechnet.

  3. Ich habe mich mal mit dem Thema beschäftigt, und war gleich mehrfach schockiert, denn die Preisunterschiede bei den Internaten sind riesig. Riesig. Unterschiede bis ca. Faktor 10. Ich habe beim Vinzentinum auf der Webseite mal nachgesehen, und da steht Schulbesuch und Internat zusammen 435 EUR.
    Man kann aber auch locker mal über 3000 EUR ausgeben
    https://www.internat-wissen.de/kosten.html
    Beim Vinzentinum auf der Webseite werden auch Preisnachlässe für sozial schwache Familien angeboten. Ich denke dann, dass die Bibliothekarin, so wie ich auch, erst mal dachte, dass sowas nur für Leute mit viel Geld ist, denn schließlich hatte sie so 1985 wenig Möglichkeiten so was einfach mal so herauszufinden. Wasn mich auch schockiert hat, war, wie sehr Hanni und Nanni wohl Gebrauchsliteratur gewesen zu sein scheint. Die Bücher sind ja schon etwas älter, wurden dann aber mal für den Deutschen Markt einfach umgeschrieben und an die deutsche Kultur der 60er Jahre angepasst, alles was mit dem Englischen Klassensystem zu tun hat, wird gestrichen, später werden nur für den deutschen Markt dann mehrere Bände von anderen Autoren verfasst. In den frühen Nullerjahren wurde es dann wohl nochmal upgedatet. Fand ich irgendwie schade, dass das nicht einfach mal in einer anderen Zeit spielen kann. Das hat mich auch bei den Büchern wenig gestört, obwohl einem aus den Mädchenbüchern der 60er schon so eine gewisse Biederkeit entgegenschlägt.
    Fun Fact: Meine Großtante war vor ihrer Pensionierung Lehrerin gewesen und wohnte mit Ihrer Schwester zusammen, und ich hatte Zugriff auf alle Bücher, die aus ideologischen Gründen mal aus der Schulbibliothek ausgemustert worden waren, die hatte sie sich nämlich behalten. Kann mich noch an ein bewegtes Kolonialepos aus Deutsch-Südwest erinnern, wo Kinder zeitweise verloren gehen. Im Grunde habe ich also sowohl alle gelesen, sowohl die erwünschten Hanni und Nanni Lektüren aus der Pfarrbibliothek als auch die wegzensierten aus der Geheimbibliothek der Tante.

  4. 435€. Interessant. Das lässt sich sicherlich gut mit einem extra Zimmer und Nahrung für ein Kind gegenrechnen. Konnte mir auch nur schwer vorstellen, dass meine Eltern das Geld für ein teures Internat gehabt hätten.
    Aber ich werde das diese Woche mal in Erfahrung bringen, wie das damals so lief.

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