[Freitag, 9.7.2021 – Serverraum, Schwager]

Heute früh gegen zehn Uhr fiel in der Firma der Strom im Serverraum aus. Der Moment, in dem man von dieser Nachricht erfährt, weiss man, dass das einen den ganzen Rest des Tages beschäftigen wird. Und so war es dann auch.
Zum Einen gab es kein Internet im Büro und die Kolleginnen, die sich von draussen über VPN mit der Firma verbinden mussten, kamen natürlich nicht rein. Bei einer Firma, die es mit dem Internet zu tun hat, bedeutet das einen fast hundertprozentigen Produktivitätsausfall. Gegen 15Uhr begann dann langsam wieder alles zu funktionieren.
Das Problem ist eigentlich ein Stromproblem, eine Sicherung ist gesprungen, aber weil die Server nicht mehr richtig hochfahren wollen, wird es zu einem IT Problem. Ich kann zur Lösung nicht viel beitragen, ausser den Stress vom Team wegzuhalten, aber nachdem die Störung behoben ist, setzen wir uns zusammen und versuchen Steckdosen und Stromkabel auf ein Whiteboard aufzuzeichnen. Wir glauben zu verstehen wo das Problem liegt. Eigentlich ist es ganz einfach: wir brauchen mehr Strom.

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Um 18 Uhr kam mein Schwager. Er war von Italien auf dem Weg nach Schweden und würde bei mir übernachten. Wir machten einen Spaziergang. Diese langen Tage im Auto verkrusten die Gelenke. Danach bestellen wir uns etwas zu essen. Ein türkisches Grillgericht. Ich sehe zu spät, dass das Essen aus dem Wedding geliefert wird. 11 Kilometer entfernt. Es dauert anderthalb Stunden, bis das Essen bei uns ankommt. Dann ist auch fast schon Schlafenszeit. Er will um 4 Uhr aufstehen um die Dänemarkfähre um 8 Uhr zu schaffen. Ziemlich direkt nach dem Essen legen wir uns ins Bett.

[Samstag, 10.7.2021 – Babelsberg]

Heute stand das Testspiel gegen Babelsberg auf der Agenda. Es war ein bisschen we eine Klassenfahrt. Man fährt mit der Bahn gemeinsam irgendwo hin und hat Spass. Nachdem ich in die Strassenbahn gestiegen war, fiel mir auf, dass ich mein Telefon vergessen hatte. Das ist ungewöhnlich, ich glaube, das ist mir das letzte Mal vor 5 Jahren passiert. Ohne Telefon kann ich natürlich nicht auf eine Tagesreise nach Babelsberg fahren, weil, weil, weil – weil man sich ohne Telefon nicht auf eine Tagesreise begeben kann. Ich fuhre also schnell zurück und verspätete mich deswegen um zehn Minuten.

Babelsberg ist wirklich hübsch. Ich frage mich ein paar Mal, ob das eine Filmkulisse ist, oder ob es echt ist. Ich meine, der Filmpark ist ja nicht weit entfernt, warum sollte das keine Option sein. Eine der Fussballfreundinnen hat sich aufgeschlaut und kann den historischen Kontext herstellen. Das Viertel wurde von böhmischen Protestanten erbaut, die ins religiös tolerante Preussen geflüchtet waren und hier einen Weberstadtteil aufbauten.
Das erklärt noch nicht, warum es hier so pittoresk ist, aber vermutlich wurde es von den Fliegerbomben im Krieg verschont.

Wir laufen in Richtung Stadion. Vor dem Stadion haben sich schon Fans versammelt. Das Wetter ist sonnig, aber nicht so sehr, es ist warm, aber nicht zu sehr, eigentlich genau richtig für ein Testspiel am Samstagnachmittag.

Es sind nur tausend Menschen zugelassen, aber es fühlt sich schon wie ein richtiger Stadionbesuch an. Nach dem Spiel schlendern wir langsam zurück zum Bahnhof und fahren wieder nach Berlin. Wir wollen noch etwas trinken und eine Kleinigkeit essen, kurz vorm Westkreuz fällt uns ein, dass wir ins Olympiastadion fahren könnten. Unser Stadion besuchen und dort etwas essen.
Wir essen zuerst beim Preussischen Landwirtshaus und danach laufen wir über die weiten Flächen des olympischen Platzes, schiessen Selfies für die anderen aus dem Fanclub. Wir haben ja einen Treffpunkt vor dem Stadion, dort machen wir ein Gruppenfoto und ziehen alberne Grimassen. Hinterm Stadion geht die Sonne unter und der Himmel wird rosarot.

[Sonntag, 11.7.2021 – asiatischer Lunch]

Ich bin heute erstaunlich müde. Vermutlich habe ich zu viel Zeit in der prallen Sonne verbracht und vermutlich bin ich zu viel gelaufen, zu viel gestanden und habe zu wenig Wasser getrunken.

Ich verbringe den ganzen Vormittag zwischen Bett und Schreibtisch.

Um 14 Uhr bin ich mit einer Ex-Kollegin und ihrem Mann zum chinesischen Lunch verabredet. Die Ex-Kollegin kommt aus China und sie kennt alle asiatischen Geheimtipps in Berlin. Wir waren schon einmal in einem Lokal an der Warschauer, in dem Nordostchinesische bzw Nordkoreanische Küche zubereitet wurde. Das Lokal hatte nur vier lange Tische und wurde von zwei Neonröhren beleuchtet. Und das Essen kostete weniger als 10 Euro. Für diese Rinderstreifen mit diesem marinierten Kohl wollte ich unbedingt schnell mit Frau und Freunden wiederkommen. Aber dann kam Corona. Und der Laden hat nicht überlebt.

Heute treffen wir uns im „Alley Tea House“ in der Schönhauser Strasse. Das ist nicht unbedingt ein Geheimtipp, da eine lange Schlange davor stand, aber ich kannte den Laden nicht.
Ich muss gestehen, dass ich immer noch nicht verstanden habe, was ich da getrunken habe. Es ist so etwas wie ein Trinkjoghurt mit Tee und Purple rice, zu einer Art von flüssigem Milchreis verarbeitet.
Unter Lunch hatte ich mir zugegebenermaßen etwas anderes vorgestellt, aber die Ex-Kollegin ist eine totale Foodie, da will man keine blöden Sachen sagen, sonst outet man sich gleich als Vielfrass.

Wir setzten uns unter einem Baum auf der Wiese gegenüber der Museumsinsel an die Spree, reden von unserer Ex-Firma und unseren Ex-Kolleginnen und finden, dass wir uns nach Corona alle wieder einmal im Biergarten treffen sollten. Die meisten von uns hatten da eine gute Zeit und nachdem die Firma in 2019 auseinanderkrachte haben wir uns sicherlich noch viel zu erzählen.

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Ich komme erst gegen sieben nach Hause und habe natürlich Hunger. Das Joghurt war ein bisschen wenig. Also bestelle ich mir eine libanesische Grillplatte mit einem großen Tomatensalat. Irgendwann zur ersten Halbzeit schalte im Wohnzimmer das EM Finale ein, aber es gibt wenig, das mich weniger interessiert, als das EM Finale. Doch irgendwie ist es wie Silvester. Es findet statt. Und man muss sich irgendwie dazu verhalten.

Die EM hat sich wieder einmal darin bestätigt, dass sich Leute über eine kulturell- nationalistische Bedeutungshoheit definieren und werten.

[Montag, 12.7.2021 – Edelspeisen, Reisevorbereitungen]

Es ist ein vollgepackter Tag. Morgen breche ich nach Schweden auf und ich muss im Büro noch alles zu Ende bringen bzw übergeben.

Mittags gehe ich mit meinen Impfunterlagen zur Apotheke und lasse mir die Verifizierung für den Impfpass geben. Ab Freitag habe ich den theoretischen vollen Impfschutz, was die Bewegungen zwischen den Ländern etwas erleichtert. Aber dennoch werde ich schon morgen fahren. In zehn Tagen, am 25.7 will ich wieder zurück in Berlin sein, ich möchte aber auch ein paar extra Tage in Schweden.

Am Abend bin ich mit den Chefs der Firma in einem sehr edlen Restaurant am Potsdamer Platz verabredet. Da ich mit kurzer Hose und einem engen Tshirt unterwegs bin, habe ich am Morgen zur Sicherheit eine Anzugsweste eingepackt. Anzugswesten geben immer den Anschein, dass man Geschmack hat, man kann Anzugswesten also gut zu Tshirts und kurzen Hosen tragen und es sieht nicht ganz so ungepflegt aus, da es vortäuscht, dass man sich Gedanken gemacht hat. Meine Essensbegleiter sitzen da in Jeans und Trainingskleidern. Nur der Engländer trägt ein Jackett mit einem Einstecktuch.

Das Essen kommt in vielen kleinen Schüben. Mit Betonung auf klein. Auch wenn ich die Qualität der Speisen in solchen Lokalen sehr schätze, passt das langsame Tempo nicht zu meinem Biorythmus. Ich verspüre den ganzen Abend über Hunger, den ich in Wein zu ersäufen versuche. Was sich positiv auf meine Laune auswirkt.
Ich bin der einzige Heterosexuelle in der Runde und merke wieder einmal, wie entspannt und stilvoll man mit homosexuellen Männern über Sex reden kann, das geht mit heterosexuellen Männern nicht.

Sie haben in solchen Lokalen noch kein gutes Bier, solche Lokale sind meist etwas konservativer und hängen dem Zeitgeist hinterher, Bier ist immer noch minderwertig und mit industriellem Fernsehbier gleichgesetzt. Sie haben also nur Radeberger oder Carlsberg oder sowas, ich trinke deswegen Wein, was ich mittlerweile sehr selten trinke, da meistens ich die Lokale aussuche und ich checke vorher immer die Bierkarte. Wein ist für mich gefährlich, wenn ich nicht aufpasse, dann trinke ich Wein in einem ähnlichen Tempo wie Bier, und Wein hat bekanntlich doppelt so viele Umdrehungen wie Bier. Das ging schon ein paar Mal nicht gut aus.

Gegen Mitternacht fahre ich nach Hause. Zuhause buche ich noch die Fähre für morgen. Ich habe mittlerweile einen genaueren Zeitplan im Kopf. Der Plan ist, am Nachmittag gegen ein oder zwei Uhr loszufahren, irgendwo mitten in Dänemark hatte ich bereits ein kleines Hotelzimmer gebucht. Sechs Stunden Fahrt. Dann habe ich am nächsten Tag noch eine ähnliche Fahrtzeit und komme am frühen Nachmittag an.

[Dienstag, 13.7.2021 – Fähre, Dänemark, Hotel]

Am Vormittag hatte ich noch ein paar Dinge für die Firma zu erldigen, ich konnte es aber alles von zuhause aus klären. So schaffte ich es nebenher noch zu packen und meine Reiseliste abzuarbeiten.

Um 14 Uhr steige ich dann ins Auto und fahre los in Richtung Rostock. Ich habe die Fähre um 17:45 gebucht und mir ein bisschen Puffer eingeplant, ich bin eine Stunde früher da, aber das ist okay, an einem Fährhafen zu stehen weckt bei mir immer große Urlaubsgefühle. Wenn ich da am Auto stehe und mich strecke, während links und rechts sich die Autos und LKWs einreihen und in der Ferne die Schornsteine der Schiffe und der Fähren vorbeiziehen.

Am Fährhafen überwältigt mich der Drang, meine Reisegefühle auf Socialmedia zu posten. Whatsapp Status, Facebook und Instastory. Während ich so auf die Fähre warte, lerne ich sogar, wie man eine Insta Story mit Musik erstellt. Mit Iggy Pops Passenger. Es passt perfekt. Ich spamme alle Kanäle voll.

Die Einreise in Dänemark läuft ohne Zwischenfall. Man muss einen negativen Test vorweisen können. Die Polizei steht wie immer bei der Ausfahrt des Hafengeländes, aber sie nehmen wahrscheinlich nur Stichproben. Zu mir schauen sie herein, winken mich aber weiter.

Ich hatte ein billiges Zimmer in einem Hotel in Vordingborg. Das ist etwa eine Stunde vor Kopenhagen. Irgendwo in der Mitte meiner dänischen Strecke. Der Ort wirkt etwas verfallen. Der Hotelparkplatz ist zum Teil eine Brachfläche mit verrosteten Gerätschaften.
Es gibt eine Terrasse, aber die Bar hat gerade geschlossen. Auf der Terrasse sitzen noch Menschen. Fast alles Männer. Es gibt auch eine Frau. Sie sitzt mit einem Mann am Tisch. Ich überlege, ob sie dafür bezahlt wird, mit dem Mann am Tisch zu sitzen. So wirkt sie aber nicht.

Der Rezeptionist ist ein älterer, gemütlicher Herr, er sagt „You must be Marcos, from Berlin“. Er scheint auf mich gewartet zu haben. Er ist freundlich jovial und sagt mir, ich solle die Maske abnhemen, hier trüge man keine Maske mehr. Ich weiss nicht ob er damit das Hotel meinte oder Dänemark. Ich winke ab und sage, haha, ach ich bin es gewohnt Maske zu tragen.
Ich frage, ob ich noch etwas zu essen bekomme, er verneint, im Hotel gäbe es keine Küche, und er bezweifelt, dass ich hier etwas zu essen bekäme, aber ich könne hier rechts aus dem Hotel rausgehen ins Dorfzentrum, es gäbe eine Pizzeria, die vielleicht offen hat. Es ist zehn Uhr.

Das Hotel ist eine sehr einfache Unterkunft, bei näherer Betrachtung ist sie sogar etwas siffig. Der Teppichboden klebt, es hängt der Geruch von alten Männern in der Luft, die Bettwäsche fühlt sich unsauber an. In der Summe, sind 100€ ein stolzer Preis. Aber mir ist es egal, wenn ich alleine bin, stört mich das nicht so sehr. Ich werde eine kleine Runde durch den Ort machen und mich dann schlafenlegen.

Als ich das Zimmer verlassen will, merke ich, dass ich das Zimmer nicht von aussen verschliessen kann. Das Zimmer war schon bei meiner Ankunft offen. Ich probiere lange herum. Wenn ich eine wichtige Sache in meinem Leben gelernt habe, dann ist es das Wissen, dass andere Länder andere Schlösser haben. Es ist wirklich eingerartig, wie unterschiedlich in Ländern Türschlösser gehandhabt werden. Aber nach längerem Probieren merke ich, dass sich das Zimmer schlichtweg nicht von ausser verschliessen lässt. Ich laufe zur Rezeption, aber der Mann ist nicht mehr da und es gibt auch keine Klingel und auch das Licht ist bereits ausgeschaltet. Auch auf der Terrasse sitzt niemand mehr.

Das werte ich als Zeichen. Ich werde mir den Ort morgen Vormittag ansehen. Mittlerweile bin ich richtig gespannt darauf zu wissen, wo ich hier gestrandet bin.

[Mittwoch, 14.7.2021 – Vordingsborg, Weiterfahrt nach Schweden]

Ich habe ein Reisemikrophon dabei um dieses Blog aufzunehmen. Hoffentlich stört das nicht, wenn die Qualität sich ändert. Ich habe bereits gemerkt, dass die Eingangslautstarke auf meinem Laptop höher ist. Die Aufnahmen, die ich unterwegs einspreche, sind daher etwas lauter und das Reisemikro wirkt etwas trockener. Man kann es sich aber gut anhören, soweit ich das von unterwegs einschätzen kann.

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Am Morgen sage ich dem Hotelchef, dass ich das Zimmer nicht von aussen verschliessen kann. Er lächelt und sagt: doch das geht. Er zeigt mir den Trick. Ich muss den Schieber auf der Innenseite waagerecht legen, dann kann ich auch von aussen zusperren. Ich ahnte es. Ich sage: andere Länder andere Schlösser. Er sagt: nein, es ist nur ein altes, schrottiges Hotel.

Dann gehe ich duschen. Als ich nass bin, drücke ich auf den Duschgelspender. Aber es kommt nichts raus. Ich schaue mich im Badezimmer um, es gibt auch keine anderen Seifen. Es ist fast schon klischeehaftig.

Der Frühstücksraum im Hotel ist eng. Die Leute tragen keine Masken. Es sind vor allem ältere Menschen, sie werden vermutlich alle vor mir sterben. Aber die Fenster sind geschlossen und zwei Tische weiter hustet ein Mann ständig. Mich nervt das, also stehe ich auf und gehe. Es geschieht selten, dass ich das Frühstück überspringe.

Daher gehe ich ins Dorf und schaue mir die Dinge an. Es ist gar nicht so ausgestorben wie mir der Hotelchef gestern weismachen wollte. Ausserdem ist es in Teilen sogar richtig schön. Unmittelbar neben dem Hotel gibt es eine Einkauffstrasse, mit mehreren Bars und einigen Restaurants. Vier oder fünf nur, aber das ist mehr als nur eine Pizzeria. Vielleicht hatten wir uns bloss missverstanden.
Die Kaffees haben noch geschlossen. Es ist neun Uhr. Das erste öffnet um zehn. Mitten im Zentrum gibt es eine Ansammlung von Ruinen. Es ist ein Park mit alten Mauern. Und darauf steht ein hoher, ziemlich intakter, mittelalterlich anmutender Turm. Ich laufe zu den Ruinen, es gibt ein Besucherzentrum, Menschen arbeiten, sie bereiten vermutlich den Besuch der Touristinnen vor. Ich laufe bis zum Ende hin, da gibt es eine Aussichtsplatform, man kann den Hafen überblicken. Die ganze Anlage, die Größe des Ortes und auch die Dimension des Hafens, das wirkt für mich als wäre dieser Ort einmal wesentlich bedeutender gewesen. Auf dem Rückweg hole ich mir eine Broschüre und in der Tat, war der Ort Vordingborg im Mittelalter eine sehr bedeutende Stadt.
Vordingborg schläft um diese Uhrzeit aber noch, also checke ich aus und fahre los in Richtung Norden.

Dieses Jahr nehme ich die Öresundbrücke anstatt der Fähre in Helsingborg. Üblicherweise nehme ich die Fähren, damit ich die gesamte Fahrt dritteln kann und während der Überfahrten Pausen einlegen kann ohne Zeit zu verlieren. Diesmal bin ich schon mitten in Dänemark, ich entscheide mich also für die Brücke und für die pausenlose Durchfahrt.
Das wird sich eher als Fehler herausstellen. Da ich nur eine Coladose und zwei Snickers bei mir habe, werde ich sehr müde und quäle mich ein wenig. Das schlimme dabei ist: ich checks nicht. Fünf Stunden lang. Erst etwa 20 Minuten vor Ankunft merke ich, dass ich Hunger und Durst habe.
Als ich bei unserem Häuschen ankomme bin ich ziemlich erschöpft. Ich kriege aber sofort zu essen (Wurst und Brot und Wasser) und schon bald geht es mir besser.

Es ist sehr warm hier. Wärmer als in Berlin. Morgen wird es noch wärmer. Um 16Uhr habe ich noch einen Call mit dem Geschäftsführer. Wir müssen noch ein paar Details im Jahresbudget klären. Das war so abgesprochen. Draussen beginnt ein Unwetter. Der Donner bringt die Wände zum Beben. Mein Gesprächspartner fragt, ob ich mich da in einer sicheren Umgebung befinde. Ich versichere ihm, dass das der Fall ist.

Später hört es auf zu regnen und die Temperatur steigt wieder an. Der Schwiegervater beginnt mit der Zubereitung des Abendessens. Meine Frau und ich wollen noch ein Stück spazierengehen. Wir gehen hinunter zum Fluss und laufen noch ein Stück weiter durch den Teil, den ich immer Moor nenne. Das ist kein richtiges Moor, aber es ist eine sehr feuchte Ebene, die im Frühjahr oft vom Fluss überschwemmt wird. Üblicherweise sind in dem Moor immer viele Insekten, aber heute ist es ganz besonders schlimm, vermutlich wegen des Unwetters und wegen der drückenden Schwüle, also der Feuchtigkeit in der Luft. Ich werde plötzlich total nervös, ich werde regelrecht von Pferdemücken überfallen. Ich fange an, wild um mich zu schlagen und überall beginnt es mich zu jucken. Also drehen wir um. Dann ist alles wieder gut.

Nach dem Essen legen wir uns bald schlafen.

[Donnerstag, 15.7.2021 – Sonne meiden]

Die Aufnahmen mit dem Reisemikrophon sind etwas leise geworden. Und es nimmt mehr Hintergrundgeräusche auf. Ausserdem kommt ein leichtes Grundrauschen mit. Aber eventuell stammt das auch vom Laptop und seinem Lüfter.

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Es ist offenbar ein Fliegen- und ein Schmetterlingsommer. Schmetterlinge sind natürlich toll, auch wenn man manchmal davon erschrickt. Ständig begegnet man den flatternden Freunden, sich verirren sich ins Haus, landen auf Oberschenkeln und auf Tischen, Stühlen. Es wirkt nicht, als hätten sie die Flugsteuerung wirklich unter Kontrolle. Spass machen sie dennoch, weil sie diese simple Freude wie Blumen auslösen. Und sie sind besser als Mücken. Mücken bin ich bisher noch keinen begegnet, bis auf die großen Pferdemücken gestern unten im Moor.
Aber eben auch viel Fliegen. Fliegen nerven total.

Es misst 34 Grad. In Berlin wären es entspannte 27. Mein Vater in den Bergen berichtet von 16 Grad und Regen. Verrückte Welt. Okay, den Berg kann man nicht unbedingt als Vergleich heranziehen. Aber ich sehe die Bilder von den Überschwemmungen aus dem Reinland, Düsseldorf, Wuppertal, das sind vielleicht 900km Luftlinie.

Ich schaue mir Insta-Stories und Tweets der Leute aus dem Rheinland an. Wir sitzen draussen im Schatten auf den Bänken und quatschen. Wir reden über die Überschwemmungen, wir reden über Peter R. de Vries. Meine Frau schält Kartoffeln für den Kartoffelsalat am Abend, wir werden grillen. Sie zählt die Toten. Im Laufe des Tages kommt sie immer wieder mit einer neuen Zahl. Und sie sagt mir, dass Peter R. de Vries jetzt im Krankenhaus verstorben ist. Ich kannte Peter R. de Vries noch aus der Zeit als ich in den Niederlanden lebte. Das war in den Neunzigern, ich schaute das total gerne, auch wenn mir der Typ mit seinem leicht narzisstischen Sendungsbewusstsein auf RTL5, sehr suspekt war. Den Narzissmus dichte ich ihm jetzt an, weil er sich bei den Ermittlungen immer sehr zu inszenieren wusste. Aber er funktionierte. Seine Reportagen waren unheimlich spannend und er löste Fälle mit einer Abenteuerlust, und mit einer Hartnäckigkeit.

Ich habe heute wirklich nicht viel getan. Ich saß nur draussen im Schatten vorm Haus und mied die Sonne.

Dann schmeissen wir den Grill an. Es gibt verschiedene Arten von Würsten und Haloumi. Ich finde es immer schade, dass so wenig Essen in einen Bauch passt.

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Morgen fahren der Schwager und ich nach Göteborg ein neues Sofa kaufen. Das alte Sofa wurde im Winter von Mäusen heimgesucht. Es muss eine riesige Kolonie im Haus überwintert haben, ein Teil des Sofas haben sie als Klo verwendet, es gab offenbar einen riesgen, stinkigen Klumpen zwischen Kissen und einer der Armlehnen. Überhaupt soll es ein Mäusewinter gewesen sein. Das hat offenbar der Kammerjäger gesagt. Es habe in seinem Leben noch nie so viele Mäuseplagen gegeben.
Wir fahren also nach Boras, mieten einen Lieferwagen und fahren nach Göteborg. Da liegt offenbar das nächstgelegene Ikea. Ich dachte wirklich, dass hier in jedem mittelgroßen Kaff ein Ikea steht. Aber das ist wohl nicht so. Verständlich. Es laufen hier ja auch nicht überall Pipis in langen Strümpfen rum. Okay, alberner Witz. Ich habe tatsächlich noch nie ein Ikea gesehen in den 12 Jahren, die ich jetzt jährlich nach Schweden komme.

Morgen muss ich also früh aufstehen. Vermutlich bringe ich diesen Eintrag dann schon vor dem Bettgehen online.

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Mir fällt ein, dass ich schon in 2018 Tagebuch über meinen Urlaub in Schweden geführt habe.

[Freitag, 16.7.2021 – Göteborg, Sofa, Bett]

Heute sind wir also zu Ikea nach Göteborg gefahren. Der Ablauf war strategisch durchgetaktet.
Wir würden:

  • zuerts mit dem Auto nach Borås fahren
  • dort einen kleinen LKW mieten
  • mit dem LKW zu Ikea fahren
  • Sofa und Bett kaufen
  • die Möbel ins Sommerhäuschen bringen
  • das alte Sofa und Sperrmüll in den LKW laden und zum Recyclinghof bringen
  • dann zurück nach Borås, LKW zurückgeben und das Auto abholen
  • zu ICA einkaufen
  • zurück nach Hause

Wir fuhren um halb neun Uhr hier los und waren gegen halb vier Uhr nachmittags fertig. Mein Schwager und ich begannen gleich Sofa und das Bett aufzubauen, damit das erledigt ist. Dafür brauchten wir nochmal anderhalb Stunden, vielleicht ein bisschen mehr.
Danach setzten wir uns hin, auf den Bänken vor dem Haus im Schatten. Wir öffeneten uns ein Bier. Der beste Moment.

Ich war danach ziemlich geschafft. Das Essen und das Bier versetzte mich in einen komatösen Zustand. Ich ging ziemlich bald ins Bett.

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Funfact: in Göteborg fuhren wir am Forschungszentrum von AstraZeneca vorbei. Dieser Schriftzug Astrazeneca. Ich musste es es einfach fotografieren. Dieses Iconosität. Iconighaftigkeit.

[Samstag, 17.7.2021 – Borås]

Gestern gab mit meine Frau ein Antihistaminikum um besser zu schlafen. Das ist das gleiche Mittel das in Vick MediNait steckt. Mich haut das erfahrungsgemäß immer weg. Allerdings brauche ich auch am nächsten Tag noch lange Zeit um mich davon zu erholen.
Heute früh schlafe ich durch bis neun. Dann gehe ich frühstücken und nach dem Frühstück bin ich wieder platt. Ich muss mich hinlegen vor lauter Kraftlosigkeit.

Gegen Mittag muss ich mich aber zwingen, aufzustehen. Meine Frau und ich wollten heute nach Borås, das ist die nächste größere Stadt in der Gegend. Wir fahren jedes Jahr mindestens ein mal nach Borås. Borås ist nett, nicht unbedingt pittoresk, aber es hat eine gemütliche Innenstadt an einem Park mit Wasser und kleinen Fussgängerbrücken. In Boras gehen wir oft zum Rathausplatz und trinken da einen Kaffee oder wir essen eine Kleinigkeit an diesem großen Platz unten beim Kanal.

Fast immer gehen wir shoppen. Ich gehe immer zu Dressmann. Dressmann ist ein Modegeschäft für Männer, dort finde ich immer etwas. Diesmal kurze Hosen und ein Hemd mit kurzen Ärmeln. Ich habe seit einigen Wochen Kleidung mit kurzen Gliedern verstanden und für gut befunden.

Früher hatten sie bei Dressmann auch immer gute und exzentrische Anzugswesten. Ich habe Anfang der Woche schon einmal von Anzugswesten geschrieben. Also ich besitze viele Anzugswesten. Viele davon habe ich im Laufe der Jahre bei Dressmann gekauft, weil sie immer spezieller waren als anderswo. Meist mit einem schrägen Innenfutter oder zum Beispiel mit einem schreiend pinken Muster auf der seidenen Hinterseite. Vorne konservativ grau, hinten schreiend pink. Das mag ich. Oder psychedelische Muster. Auch gut.

Vor zwei Jahren hörte das auf. Vermutlich wurde der Westeneinkäufer ausgetauscht und der Neue hat einfach einen anderen Geschmack. Eine Person an der falschen Stelle und schon ändert sich alles. Seitdem habe ich auch keine neue Westen mehr gekauft. Auch online finde ich die Westen meist zu konservativ. Also konservativ kann ganz OK sein, ich habe auch viele konservativen Westen und auch die trage ich gerne. Aber davon gibt es halt ein Dutzend Variationen aber das wars dann auch schon.
Ja, Westen, ein schwieriges Thema.

Bajen – ein Text aus 2018. Warum mein Auto in Schweden mit Vorurteilen konfrontiert ist.

Wir fahren an der Borås Arena vorbei. Heute spielt Elfsborg IF aus Boras gegen Östersund FK. Östersund ist ja dieser nette Club aus Nordschweden, gegen den Hertha in der Europa League vor vier oder fünf Jahren so kläglich verloren hat. Östersunder Fussballspielerinnen müssen einmal in der Saison ein Theaterstück einstudieren und vortragen. Eine schöne Geschichte.

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Es hat hier immer noch 31 Grad und es ist staubtrocken. Es ist gerade schwer, sich die Katastrophenlage im Rheinland vorzustellen.

[Sonntag, 18.7.2021 – gesperrte Brücke]

Heute endlich ein kühler Tag. Es wird 22 Grad nicht überschreiten.

Seit einigen Jahren ist eine wichtige Brücke, die zu unserem Häuschen führt gesperrt. Der Hintergrund dazu ist, dass ein Unternehmer einen Staudamm für die Stromgewinnung errichten will, dies aber politisch verhindert wird. Weswegen er sich weigert, eine Brücke, die auf seinem Grundstück steht, zu warten. Er sagt, sie sei baufällig und er wolle sie nicht sanieren, weswegen er sie nun aus Sicherheitsgründen schliessen müsse. Er nutzt das seit einigen Jahren als Druckmittel. Für uns ist das nicht das große Problem, wir fahren einfach einen Umweg über holprige Waldstrassen, aber für die Bauern und deren schweren Maschinen, sowie deren Milch-Laster sind die guten und kurzen Wege wichtig, weshalb es zu einem Thema in der Gemeinde geworden ist.

Einer der Gründe, warum man ihm den Bau verwehrt, sind der Naturschutz aber auch der Denkmalschutz. An dieser Stelle im Fluss leben seltene Muscheln, von denen man bisher dachte, sie seien ausgestorben. Ein anderer Grund ist eine mittelalterliche Mühlenruine die unter Denkmalschutz steht.

Meine Frau und ich nahmen heute bei unserem täglichen Waldspaziergang einen Abstecher zu dieser gesperrten Brücke und der alten Mühle.
Die Brücke ist bei näherer Betrachtung wirklich verrottet. Zumindest oberflächlich, die Geländer sind rostig und teilweise abgebrochen. Aber das sagt natürlich nix über die Statik aus. Sie ist allerdings so schmal, dass ich mich wundere, wie hier jahrelang die großen Milchtanker drüberfahren konnten.

Unter der Brücke ist ein Wasserfall. Am Wasserfall stehen alte Mauern. Das ist die alte Mühle. Wir machen viele Fotos.
Am meisten beeindruckt mich die gesperrte Strasse zur Brücke. Es sind nun vielleicht drei Jahre vergangen, dass hier keine Autos mehr fahren. Hohe Gräser und kleine Sträucher spriessen aus der Asphaltdecke hervor. Es erstaunt mich, wie schnell das ging.

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Zuhause helfe ich dem Schwager mit der Kühlung seines PC’s. Er hat einen riesigen PC, den er mit Wasser kühlen will. Prozessor und Grafikkarte wird also an flexiblen Rohren angebunden, die mit durch eine Pumpe das Wasser zirkulieren lässt. Der Schwager nimmt dafür eine rote Kühlflüssigkeit und die Rohre sind durchsichtig. Es sieht gut aus, finde ich.

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Die niedrigere Temperatur weckt wieder die Lebensgeister in mir, ich bin wesentlich aktiver und frischer.
Oben habe ich gelogen, als ich von unserem täglichen Waldspaziergang schrieb. Der tägliche Waldspaziergang bezog sich auf die vorherigen Jahre. Da liefen wir die Strecke täglich. Vier oder fünf Kilometer. Aber bei 34 Grad mache ich das einfach nicht. Die Temperatur erdrückt mich, heizt mich auf, macht mich träge. Bei 22 Grad will ich nichts wie raus in den Wald.
Vielleicht ja wieder täglich.

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Ein gelbes Hemd mit kurzen Ärmeln aus Boras.