[Donnerstag, 12.10.2022 – FFP2, komplizierte Aufgeschobenheiten, Seminar bei Ufowiese]

Um 11:30 hatte ich einen Bewerber. Für dieses Meeting wollte ich im Büro sein, obwohl der Bewerber in Rumänien sass und wir per Hangout verabredet waren. Ich wollte einfach für ein paar Stunden im Büro sein. Also startete ich gegen 11 mit dem Tier, wir liefen zur Ubahn. Als wir den Schacht hinuntersteigen wollten, fiel mir auf, dass ich keine FFP2 Maske dabei hatte, also musste ich umkehren.

Zwar habe ich nicht so sehr Angst davor, mich anzustecken, ich finde es aber dennoch seltsam Antisozial, ohne Maske in engen Waggons zu sitzen, während andere Leute sich schützen wollen.

Ich ging also wieder zurück nach Hause, und dort blieb ich auch den Rest des Tages. Es war wieder ein arbeitsreicher Tag. Am frühen Abend fand ich einen unerwarteten Energieschub, durch den ich mich um ewig vor mir her geschobene Themen kümmerte. Diese waren zum einen die Übertragung meiner Versicherungsklasse vom alten Auto auf das Neue. Dies ist etwas komplizierter, weil ich zwei unterschiedliche Versicherungen für zwei Autos hatte, die ich für einige Wochen gleichzeitig besass. Ich wusste, dass das kompliziert sein würde, aber mit dem heutigen Energieschub habe ich einfach alle Unterlagen zusammengesucht und zum Hörer gegriffen.
Eigentlich ist es ganz einfach. Kompliziert zwar, aber wenn man es macht, dann ist es ganz einfach.
Das selbe galt für die Kündiogung der Telekom zu einem neuen Anbieter. Ich bin ja langjähriger T-Mobile Kunde, weil, nunja, warum eigentlich, weil Telekom halt für ein gutes Netz stand, aber ich verstehe schon seit Jahren nicht mehr, warum ich nicht zu einem billigeren Anbieter wechsle, der mir für weniger Geld wesentlich mehr Datenvolumen gibt. Vor allem die Zweitkarte meiner Frau ist auf 2GB beschränkt. Sie überzieht das natürlich ständig und hängt ab mitte des Monats mit GPRS-Standard im Netz. Ich zahle aber 70€ für zwei SIMkarten, bei anderen Anbietern zahle ich für zwei Karten und wesentlich mehr Volumen 16Euro. Ich zahle manchmal gerne etwas mehr für ein besseres Produkt, aber hier kann ich den Preisunterschied nicht nachvollziehen. Und komm mir nicht mit 5G. Ich habe auch mit der Telekom nie 5G.

Am Abend gingen wir zum neuen Hundeseminar. Das ist ein 4-teiliges Seminar für das Leben mit Hund in der Stadt. Ich berichtete neulich davon. Wir wissen bereits das meiste, was wir dort lernen, es macht uns aber dennoch Freude, uns kuratiert und in einer Gruppe, mit dem Tier zu beschäftigen. Die Hündin liebt es auch.
Ausserdem findet das Seminar auf dem Gelände des Velodroms statt. Ich mag diese Sciencefiction-Wiese mit dem eingelassenen Ufo sehr. Abends bei schummrigen Flutlicht noch viel mehr.

[Freitag, 14.10.2022 – Queere Konferenz, Fanclub Mitgliederversammlung]

Der Tag lief heute ziemlich anders als ich ihn mir vorgestellt hatte.

Die Vorstellung:
Gegen Mittag würde ich die „Unicorns in Tech“ Konferenz besuchen, eine Konferenz für queere IT-Menschen. Diese Konferenz ist für mich deswegen interessant, weil meine Firma ja eine Datingapp für queere Menschen baut. Auf der Konferenz würden viele Menschen herumlaufen, die vermutlich gerne für uns arbeiten, wenn sie wüssten, dass wir existieren und Stellen zu vergeben haben. Ich würde den einen oder anderen Kaffee zu mir nehmen, mit den Organisatoren über eine mögliche Zusammenarbeit reden, der einen oder anderen Podiumsdiskussion zuhören und eventuell teilnehmen, usw. Und sicherlich gäbe es irgendwo auch phantastische Schnittchen.
Nach der Konferenz, also um 17 Uhr, würde ich ins Fanhaus an der Cantianstrasse gehen, in dem die Mitgliederversammlung meines Fussballfanclubs stattfindet. Das ist ein Termin auf den ich mich schon lange sehr freue. Die Mitglieder wiedersehen, über Themen diskutieren und dabei Bier trinken.

Wie es kam:
Ab sieben Uhr früh hatten wir auf der Platform wieder ein technisches Problem. Wir sassen bis etwa 2 Uhr nachmittags in einem Zoom und arbeiteten am Problem. Die Köpfe rauchten. Gegen zwei Uhr war das Problem gelöst. Gegen 3 Uhr konnte ich zur Konferenz fahren. Als ich dort ankam, war es nach halb vier. Die Konferenz war so gut wie vorbei. Dann fiel die Mitgliederversammlung des Fanclubs aufgrund von Krankheiten und Corona aus und wurde als Remoteveranstaltung in einen Zoom verlegt. Die Aussicht darauf, 4 bis 6 Stunden in einen Zoom zu verbringen, nachdem ich den ganzen Tag schon in einem solchen verbracht hatte, stiess bei mir sehr übel auf. Ich hatte mich sehr auf das Treffen vor Ort gefreut, online wird das wieder ein stundenlanges Starren auf quadratische Fensterchen, während Leute ständig vom Bildschirm verschwinden und nebenher andere Dinge machen, mir macht das schreckliche Laune. Und nicht mal das Bier schmeckt zuhause vor dem Bildschirm richtig gut. OK, kommt ein bisschen auf das Bier an.

Die Entscheidung wurde in meiner Abwesenheit getätigt, da ich mit der Arbeit beschäftigt war. Ich bekam dermassen schlechte Laune davon, dass ich es nicht verbergen konnte. Eigentlich wollte ich nur mitteilen, dass es mir lieber gewesen wäre, die MV zu verschieben, meinetwegen ins Freie oder auf den Sommer, dabei klimperte ich aber sehr viele misslichen Töne in meine Tastatur. Schon während des Schreibens bat ich um Entschuldigung, weil ich irgendwie merkte, dass ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte, aber ich musste mich dazu äussern.

Man sah es mir nach. Ich war jedenfalls nicht beleidigend oder persönlich geworden

Die MV war dann natürlich nicht so schlimm wie erwartet. Ärger verfliegt bei mir immer schnell. Eigentlich war ich schon wieder gut gestimmt, nachdem ich meinen Unmut in die Tastatur gehämmert hatte. Offenbar reicht es mir aus, wenn Leute wissen, wie ich darüber denke. Boah, ich bin so eine simple Seele.

Ich wurde heute in den Vorstand des Fanclubs gewählt. Der Vorstand bat mich bereits vor mehreren Monaten, für das Amt des Vorstandes zu kandidieren. Anfangs zögerte ich. Als einfaches Mitglied habe ich das Gefühl, mich zurückziehen zu können. Wenn ich mich über den Fussball ärgere, über den Verein, über andere Fans, über interne Streitereien, über die Mannschaft, dann möchte ich mich manchmal einfach mal ein halbes Jahr vom Fussball zurückziehen und nichts mit dem Zirkus zu tun haben. Weil dieser Ärger aber immer nur wenige Tage andauert, nahm ich die Kandidatur an.
Bei der Wahl gab es keine Gegenstimmen oder Enthaltungen. Wir sind aber auch ein sehr freundlicher Fanclub, muss man sagen.

[Samstag, 15.10.2022 – Futterhaus, Glühwürmchen gg Leipzig]

Wir schwänzten heute Hundeschule. Danach gingen wir auf einen langen Spaziergang mit der Hündin. U.a. zu Futterhaus. Wenn wir uns Futterhaus nähern, dann verliert sie komplett die Fassung. Bereits auf dem Parkplatz beginnt sie zu ziehen wie ein Schlittenhund. Auf den glatten Fliesen des Einkaufzentrums rennt sie, aber ohne voranzukommen. Ich versuche mir vorzustellen, wie ein Besuch bei Futterhaus sich für sie anfühlen muss. All die Leckerlis auf Schnauzenhöhe, der magische Gestank der getrockneten Schweinsohren, das kostenlose Hundefutter neben der Kasse. Sie weiss sofort, wo sie hin will.
Es ist lustig mitanzusehen, ich muss sie aber eng bei mir halten.

Am späten Nachmittag kommt Klaus. Wir schauen Hertha gegen Leipzig. Wir verlieren, aber es ist wieder ein sehr amüsantes und gutes Spiel. Diese Hoffnung, die seit Wochen in uns lebt. Wir sind am Ende nur hilflose Glühwürmchen. Dabei trinken wir Whisky und Bier. Und essen Pizza.

[Sonntag, 16.10.2022 – Reiseplanungen, Karpfenteiche, fallende Blätter]

Wir müssen Tromsö buchen. Wir schieben die Buchung schon ewig vor uns her. Heute einigten wir uns immerhin auf das Wochenende Anfang Dezember. Wir haben auch schon zwei Hotels in der engeren Auswahl. Wegen der bereits erhöhten Preise ärgern wir uns ein wenig und wir kommen vom einen ins andere, treffen keine Entscheidung, planen aber plötzlich die Reise in die Arktis, vermutlich im April, Ostern würde sich empfehlen, aber Longyearbyen lässt sich fast nur an Samstagen vernünftig anfliegen, sieben Stunden in total, mit einem Zwischenstop in Oslo oder Tromsö. Die Flüge an allen anderen Tagen starten am späten Nachmittag und man landet erst gegen Mittag des Folgetages auf Spitzbergen, man müsste einen Abend in Oslo oder Tromsö mitdenken, aber das klingt sehr stressig. Wir planen also viel, treffen aber keine Entscheidung und dann ist es Mittag.

Um 12 sind wir mit der Nachbarin von gegenüber für einen langen Spaziergang verabredet. Wir fahren nach Buch und wandern durch eine Landschaft die sich Karpfenteiche nennt. Der Name klingt sehr banal, es ist aber eine sehr schöne Waldlandschaft mit einer mooartigen Seeenkette. Ich bin heute nicht sehr gut zu Fuss, ich weiss nicht, was los ist. Meine Füsse schmerzen, wir beschränken die Wanderung auf zwei, anstatt der drei geplanten Stunden und nehmen dafür eine Abkürzung durch einen dichtbewachsenen, struppigen Wald. Wir enden an einem unpassierbaren Wassergraben und müssen und an einem Damm durch das Gestrüpp vorankämpfen. Es ist durchaus spassig. Aber an manchen Momenten dachte ich, verloren zu sein.

Heute misst es 20 Grad. Die Landschaft ist in Braun- und Ockertönen getaucht. Ein Herbst aus dem Fotobuch. Seltsam auch, dass es keine schöne Bezeichung dafür gibt. Altweibersommer finde ich hässlich, Indian Sommer bezieht sich auf nordamerikanische Eingeborene, die eben nicht Indianer genannt werden wollen. Dann bleibt nicht mehr viel übrig. In Wikipedia gibt es den Eintrag Goldener Oktober, aber das ist so poetisch wie eine Fototapete.

[Montag, 17.10.2022 – Spinnentiere, der letzte Sommerabend]

Von der Wanderung im Gestrüpp holten wir uns eine handvoll Zecken. Eine spazierte auf dem Bademantel meiner Frau. Als ich daraufhin alle meine Kleider in die Badewanne warf, kletterte genüsslich eine Zecke aus der Hose hervor. Aus dem Bauch der Hündin zogen wir ganze drei Spinnentiere heraus.

Ich hasse Natur.

Gegen Mittag ging ich zum Tierarzt und kaufte eine Simparica Tablette für das Tier. Diese Tablette hält einen Monat und vergiftet jede Zecke, die sich mit ihrem Blut vollsaugt. Ja, es ist komisch, der Hündin Gift oral zu verabreichen, aber sie verträgt es gut. Wir gaben ihr das Simparica bereits den ganzen Sommer lang für die Reisen nach Schweden. Dort ist es üblich.

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Heute misst es 25 Grad. Es ist der letzte Sommerabend. Wir gehen auf einen Spaziergang und setzen und anschliessend ins Backaro und trinken einen Aperitiv und dann noch einen Zweiten. Meine Frau überlegt nach Hause zu gehen, aber ich sage, ow, nein, es ist der letzte Sommerabend des Jahres, lass uns draussen sitzen, also bestellen wir einen Toast und noch einen dritten Aperitiv. Wir machen Fotos von uns im Tshirt und einem Aperol in der Hand, dann verschicken wir sie an Freunden und Familie. Und von unserem Tier, das sich im Herbstlaub suhlt. Wir sind glücklicherweise nicht die einzigen, die das tun, ganz berliner Instagram ist voll von Leuten, die den letzten Sommerabend fotografieren.

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[Dienstag, 18.10.2022 – Regenjacke, wieder technisches Problem]

Es regnete den ganzen Vormittag. So sehr, dass ich die Regenjacke anzog um in die Firma zu fahren. Die Regenjacke hielt mich nur obenrum trocken. Meine Oberschenkel wurden durchnässt. Die Schuhe auch. Im Büro holte ich mir ein Handtuch aus der Dusche, trocknete mir die Hose damit ab und legte es mir über die Oberschenkel. Da liess ich das Handtuch für die nächste Stunde. Ab und zu drehte ich es um. Wie ich so mit diesem Handtuch auf den Oberschenkeln dasass, fühlte ich mich wie eine Omi.

Es ist das erste Mal in diesem Jahr, dass ich die Regenjacke anzog. Dies fürs Protokoll.

Wir hatten wieder ein technisches Problem das mich den ganzen Tag auf Trab hielt. Am Abend war das Problem dann behoben und der Tag war vorbei.

[Mittwoch, 19.10.2022 – Rosl, Leben]

Gestern spät am Abend schrieb mir meine Mutter, dass es meiner Tante Rosl nicht besonders gut geht und sie vielleicht nicht mehr lange lebt.
Heute früh starb sie dann.

Rosl ist einer der Tanten, die ich in meiner Ahnengalerie beschrieben habe. Eigentlich hatte ich keine wirkliche Beziehung zu ihr. Ich besuchte sie manchmal noch im Altersheim, aber sie wusste schon seit einigen Jahren nicht mehr, wer ich bin. Seit zwei Jahren erkannte sie auch meine Mutter nicht mehr. Meine Mutter war die letzte, die sie noch hatte.

Eigentlich sollte mich ihr Tod nicht besonders berühren, sie war alt und vegetierte schon seit Jahren, für sie war es vermutlich eher eine Erleichterung, mindestens aber egal. Was mich aber dennoch den ganzen Tag schon deprimiert, ist der Gedanke daran, dass ein Leben zu Ende gegangen ist, das eigentlich ein Scheissleben gewesen ist. Sicherlich hat sie auch wenig daraus gemacht, sie hätte es ändern können, andererseits hatte sie aber auch nicht die Instrumente, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und vielleicht hat sie es auch nicht gewollt. Oder nicht gewusst.

Deprimiert mich trotzdem.

Und es erinnert mich daran, leben zu müssen. Ich lebe gerne und ich versuche mit den mit zur Verfügung stehenden Instrumenten gerne zu leben und letztendlich geht es wohl darum gerne zu leben, oder? Das schliesst natürlich Schwierigkeiten und Löcher mit ein, aber ich möchte am Ende dieses meines Lebens ungerne ein Gefühl haben, nicht gerne gelebt zu haben. Mit zunehmendem Alter merke ich, dass mir das stets wichtiger wird, die Dinge gerne zu machen. Das kann auch ein Problem sein, ich liebe Probleme. Aber es gibt Dinge, die ich nicht gerne mache. Manchmal muss ich solche Dinge machen, aber ich versuche sie zu vermeiden.

Das Klingt jetzt alles wie eine Kalenderphilosophie, aber es beschäftigt mich heute. Gerne leben.

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Nach der Arbeit traf ich mich mit meiner Fussballfreundin Sabine im Brlo. Ich weiss, ich habe schon oft geschrieben, dass ich das Brlo nicht mag, aber es ist unfassbar einfach, sich dort zu treffen.
Wir blieben draussen, es war zwar kühl, aber noch nicht kalt, wir setzten uns an einen dieser Stehtische, neben uns ging eine Wintersonne unter und verschwand in Schöneberg.

Wir redeten über das Älterwerden. Im weiteren Sinne auch darüber, gerne zu leben.

[Donnerstag, 20.10.2022 – Psychogramm, AI, künstliche Face- und Dickpics]

So viel Text der sich in diesem Blog über die Jahre hinweg ansammelt. Aufgrund der Subjektivität des Textberges wird man in ein paar Jahren mit der sogenannten AI ein detailiertes Psychogramm über mich erstellen lassen können. Davor habe ich ein bisschen Angst. Vor allem wegen der Tagebucheinträge, diese sind allesamt unlektoriert und unkorrigiert, es is also mehr oder weniger Rohmaterial meiner Psyche. Aber bei so viel unlektoriertem Text kommen ja auch die unschönen Seiten mit raus, die vielen kleinen Eitelkeiten, die vielen kleinen Überheblichkeiten, die ich sonst gut zu verbergen weiss, bei dieser selbstreferenziellen Textmenge lässt sich viel wegfiltern, aber die kleinen Eitelkeiten nicht, kleine Überheblichkeiten auch nicht und all die kleinen, miesen Charaktereigenschaften rutschen immer hindurch, aber man sieht sie erst, wenn man länger darin liest.

Ich schaffe es nur die grossen Themen rauszufiltern, zB die privaten Themen, die ich nicht im Internet haben will, der Filter ist etwas grobmaschig. Vielleicht doch einmal ein anonymes Zweitblog, aber die paar Versuche hielten nie lange durch.

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Apropos AI. Heute besprachen wir Betrugsfälle im Internet und einer der Entwickler zeigt uns wie man per AI schon künstliche Gesichter automatisiert erstellen lassen kann -> This person does not exist. Jedes dieser Gesichter (mit Reload kann man neue Bilder erzeugen) gibt es nicht. Es kommt Grusel über mich.

Das gleiche gibt es übrigens für Schwanzbilder -> This dick does not exist (NSFW). Fanden wir alle lustig. Aber bei den Penissen gibt es noch ein paar Bugs, wie man sehen kann.

[Freitag, 21.10.2022 – Iran, Ukraine usw.]

Wir haben auch drei Mitarbeiterinnen aus dem Iran in meiner Firma. Gespräche über die gegenwärtige Situation in deren Land ist schwierig. Sie sind deprimiert. Alle drei beklagen, dass es bei den Protesten keine Führung gibt, dass es niemanden gibt, der die Mullahs stürzen und von denen übernehmen könne. Alle drei sind innerhalb der letzten 8 Monate aus dem Iran geflohen, alles ist noch sehr frisch, ihr Kopf ist noch in Persien.
Wie fundiert die Einschätzung ist, weiss ich nicht.

Wir haben auch Kolleginnen aus Russland und der Ukraine bei uns. Man redet wenig darüber. Es ist alles so eindeutig und derprimierend. Ab und zu spreche ich das Thema an, es findet aber nie ein Austausch darüber statt. Was die Russen allerdings einheitlich sagen: Deutschland schätzt Putin immer falsch ein. Putin sei nur militärisch zu besiegen.

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Eigentlich wollte ich meine Frau und das Tier zu Feierabend auf einen Aperitiv treffen. Es ist Freitag, es war wieder eine harte Woche. Aber dann, um kurz vor vier, gibt es wieder Probleme auf unserer Platform in der Firma. Ich kam erst spät nach Hause. Es ist gerade sehr ärgerlich.

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Das ist das Tier. Ich meine, dass ich hier noch nie ein Tierfoto gepostet habe.

[Samstag, 22.10.2022 – Manuskript, Rainer S, Gartenparty in Mahlsdorf]

Meine Exfreundin aus den Niederlanden schickte mir heute die ersten 50 Seiten ihres Manuskriptes. Sie schreibt gerade an einem teilweise autobiographischen Roman, der von ihrer Zeit in Zimbabwe erzählt. Sie sieht sich nicht als Schriftstellerin, sie veröffentlich aber regelmässig Bastel- und Workshop-Bücher für Kinder. Allerdings läuft sie schon seit Jahren mit dieser Geschichte aus Afrika herum und nun scheint sie den richtigen Ton dafür gefunden zu haben.

Mich freut das sehr für sie. Auch ich komme in der Geschichte vor, sie überlässt es aber mir, ob ich bei meinem richtigen Namen genannt werden will.

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Rainer Schaller ist vermutlich tot. Sein Privatflugzeug ist mit ihm an Bord, in der Karibik verschwunden. Mittlerweile hat man Trümmerteile und nicht identifizierte Leichen gefunden. Rainer Schaller kenne ich persönlich, weil ich in 2012 bei McFit arbeitete und damals für den Rollout der IT in Italien und Spanien zuständig war.

Ich kannte ihn nur in beruflichem Kontext. Damals gab es wieder einen Prozess gegen seine Person wegen der Katastrophe auf der Love Parade in Duisburg. Keine Ahnung wie er damit umging, dass eine von ihm organisierte Veranstaltung zu 21 Toten führte. Mich würde so etwas fertig machen. Er war in meinen Monaten bei McFit aber immer nur professionell, nett.

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Am Nachmittag gingen wir auf eine Geburtstagsfeier einer Freundin nach Mahlsdorf. Die Feier war als Gartenparty angelegt, wir konnten also das Tier mitnehmen, auch weil noch andere Hunde da sein würden.

Wir fuhren mit meiner Freundin Doro im Auto. Mahlsdorf ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht besonders gut zu erreichen. Wir bräuchten mehr als eine Stunde, mit dem Auto hingehen sind es dreissig Minuten. Ich fahre aber ungerne mit dem Auto zu einer Feier, ich trinke nämlich nicht wenn ich fahre, allerdings gehe ich auch nicht auf eine Party, wenn ich nichts trinke. Das erste und letzte Mal, an dem ich mit einem Auto zu einer Feier fuhr, war auf einer Hochzeit in Sardinien. Da ich es nicht gewohnt bin, auf Feiern keinen Alkohol zu trinken, vergass ich das Trinken vollends und bekam furchtbare Kopfschmerzen deswegen. Auch Tabletten und nachträgliche Wassermengen schafften es nicht den Schmerz zu besänftigen.
Soviel zu meiner Erfahrung mit rauschlosen Nächten.

Doro fuhr mit dem Auto und bot sich an uns mitzunehmen.

Auch Anne war da. Sie war den ganzen Weg von PBerg nach Mahlsdorf geradelt. Anne war übrigens auch auf jener Hochzeit in Sardinien zugegen. Lustiger Zufall, dass diese beide Umstände völlig kontextlos in einem einzigen Tagebucheintrag untergebracht sind. Dabei hatte ich jene Sardinienfahrt 2016 gar nicht im Blog erwähnt. Das hatte damals Gründe.

Die Feier ist sehr liebevoll ausgerichtet. Der grosse Garten mit Lichterketten und Herbstthemen geschmückt. Am hinteren Ende des Gartens brennt ein Feuer. Drumherum sind feste Strohballen ausgelegt, auf denen es sich ganz vortrefflich sitzt. Es gibt ein selbstgebrautes Coffee Porter und phantastische, vegetarische Speisen, ausserdem ein superfette Torte, von der mir nachher der ganze Mund klebt. Die beiden Gastgeberinnen sind Bloggerinnen von früher, wir kennen uns schon lange. Sie lieben Skandinavien und Hunde. Der Ehemann braut Bier und kennt sich mit Whisky aus. Wir haben also immer viele Themen.

Als Geschenk bringen wir einen finnischen Gin mit, in dem arktischen Preisselbeeren verarbeitet sind. Das passt thematisch zu unserer Freundschaft.

Auf der Rückfahrt hängt ein leichter Nebel über der Stadt. Die Lichter verwischen. Doro spricht mich darauf an, dass ich meine Hündin immer als ‚das Tier‘ bezeichne. Ich weiss, dass das etwas seltsam klingt. Ich empfinde so viel Liebe für dieses Tier, dass ich sie aus Selbstschutz als Tier bezeichne. Das gibt mir ein wenig Distanz wenn ich über sie schreibe. Vielleicht muss ich das aber ändern.