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Beim Anflug auf Tegel auch. Wenn dieses Berlin auftaucht. Man sieht die ganze Stadt vor sich liegen, so erfassbar, nicht in ihren Einzelteilen sondern sie als Ganze, wie sie daliegt im märkischen Sand, ich klebe an der Scheibe, wir kommen vom Westen und umkreisen sie einmal, wir sehen den Fernsehturm, sehen das Tempelhofer Feld, den Tiergarten, wir überfliegen Schönefeld, drehen eine weite Schleife über die Ostbezirke, wir kommen immer näher, immer tiefer, steigen ab. Ich habe noch keinen Soundtrack dafür gefunden, es gibt bestimmt diesen perfekten Soundtrack für eine Tegellandung, so als Vorspann zu einem Film, wo die Protagonistin zum Fenster hinausschaut und mit ihrer Off-Stimme etwas bedeutungsschweres erzählt, von einem Wiedersehen, einem Abschied, während sie hinabsinkt, dahinter die Radialen, die auf den Alex zulaufen und die Turbinen dröhnen, die Dächer der Häuser kann man schon fast anfassen, Kurt-Schumacher-Damm, Aufschlag.

Ich sollte schnell Filmemacher werden bevor Tegel schließt. Ein paar Jährchen dürfte ich noch Zeit haben.

[fb #2]

Beim Fallrückzieher muss man fallen, bleibt man nämlich stehen, heißt das Stehrückzieher und man schießt sich ins Gesicht. Lerne niemals aus.

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Baj heißt auf schwedisch: Scheiße. Wenn man so will, dann heißt Scheißen in schwedischer Kindersprache: Bayern.

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Hach, Sommerregen.

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Die Amerikanerin in der Ubahn fragt, warum die Lautsprecherstimme immer “Einstein bitte” sagt. Ich finde, die BVG sollte wissenschaftliche Referenzen abschaffen. In Hamburg hat man es vorgemacht.

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Ich wusste den ganzen Tag, dass heute Freitag ist. Aber ich weiß erst seit vorhin, dass Morgen Samstag ist #yeah

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9:00Uhr Morgens Kottbusser Damm. Ein junger Mann mit Kopfhörern geht zur Mülltonne, hält sich mit dem Finger ein Nasenloch zu, zielt und schießt einen Rotzklachel durch den Öffnungsschlitz. Ah, Preussen.

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Gestern spielten wir in der Mittagspause in diesem Fußballkäfig an der Boppstraße. Wir schoben uns den Ball zu, schlugen ein paar Flanken, später übten wir harte Schüsse ans Gitter. Sechs Erwachsene Männer in Sportbekleidung. In der Zwischenzeit wurden wir von Grundschülern umringt, die auf dem Gelände ihre Pause verbrachten. Die Kinder fanden unsere harten Schüsse natürlich toll. Ich bin das ja nicht gewohnt, durch kleine Menschen bewundert zu werden. Wenn ein Schuss über den Käfig hinausging, rannten mindestens drei Jungs los und stritten sich darum, wer uns den Ball zurückschießen durfte. Wenn der Ball ins Seitenaus ging landete er bei ein paar Mädchen mit Kopftuch. Die hatten ein paar tolle Tricks drauf am Ball. Eine von denen nahm den Ball mit der Hacke an und lupfte ihn Volley wieder zurück. Wir klatschten. Irgendwann passte ich den Ball absichtlich zu dem Mädchen und sagte: mach den Trick nochmal. Davon war sie so erschrocken, dass sie den Ball verfehlte. Ich bin das ja nicht gewohnt, fand das aber schon rührend.

Als die Kinder von den Lehrern wieder eingesammelt wurden, kam ein kleines Mädchen auf uns zu, stemmte die Arme in ihre Seiten und sagte: Mann, ihr habt uns voll die Mittagspause versaut!

Das hat uns erstmal mitgenommen.

[iron]

Jetzt hat es mich auch erwischt. Fünf Euro, weil ich letzte Woche nichts gebloggd habe. Ich bin seit Januar auch ein Ironblogger, was nichts anderes bedeutet als eisern jede Woche mindestens einen Eintrag im eigenen Blog zu verfassen. Tut man das nicht, zahlt man fünf Euro in einen Topf ein, der regelmäßig geleert wird. Bei diesen Leerungen kommen die Ironblogger zusammen und trinken so viel Bier bis kein Geld mehr im Topf ist. Wenn das Geld weg ist, trinkt man vermutlich einfach weiter.
Ich bin da ja total die Zielgruppe. Ich blogge seit einigen Jahren etwa 0,8 Beiträge in der Woche. Früher habe ich täglich etwas geschrieben, mittlerweile beginne ich oft Einträge, habe aber keine Lust sie zu Ende zu denken, oder ich bin zu müde, manchmal fehlt mir auch der Glaube, dass den Eintrag jemanden interessieren könnte, die Relevanzfrage also. Was natürlich Käse ist. Jetzt bleibe ich eisern dabei. Diesen Eintrag zum Beispiel schiebe ich schon seit Wochen mit mir herum. Ich wollte über das Ironbloggen schreiben, falls ich mal nichts zum Schreiben haben, ist ja praktisch, so ein Thema auf der hohen Kante zu haben. Letzte Woche Sonntag wusste ich dann nicht, wie ich diesen Eintrag anfangen soll. Dann Patzbumm. Woche um, fünf Euro weg. Am Montag begann ich dann diesen Eintrag, ich schrieb “Jetzt hat es mich auch erwischt”. Ich schrieb jeden Tag eine oder zwei Zeilen darüber. Jetzt ist aber wieder Sonntag, es war keine sehr blogbare Woche, aber ich habe ja dieses Thema, jetzt muss ich den Text nur noch irgendwie fertigkriegen.

[uh]

Das Gekeife der Leute. Dass Hoeneß in den Knast muss. Dieses Bestrafen, Rächen, ihn leiden sehen, die Befriedigung, der Schaum vorm Mund.

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Als er sagte, er wolle sich nicht dagegen wehren, sich der Strafe stellen, das Eingeständnis der Schuld, die Demut auch, ich kaufe ihm das alles ab, wie er sich dem Schicksal stellt. Natürlich kommt er früher frei, natürlich wird er im Knast nicht mit feuchten Handtuchknoten bearbeitet, natürlich ist er ein Edelknacki, aber wie er sich dem Schicksal stellt, mit seinen Millionen, dieses Übermaß an Freiheit und Möglichkeiten, die sein Leben ihm immer boten. Dies jetzt unter Demut einzutauschen mit der Akzeptanz des Freiheitsentzugs, während draußen die Leute weiterkeifen. Boah, was für eine Grandezza.

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Andererseits: Während die vielen Millionen draußen warten sind die paar Knastjahre ohnehin nichts weiter als eine Pause. Vergleichbar mit Managern, die sich ins Kloster zurückziehen um ihr Leben zu reflektieren. Wie gesagt, ich kaufe es ihm ab, wenn er die Steuerhinterziehung als seinen größten Fehler bezeichnet. Jetzt bezieht er mit gesenktem Haupt seine Mönchszelle und wird beten.
Das meine ich völlig unironisch.

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Allerdings: ich wünsche ihm keinen zahnlosen Dortmund-Hool als Zellengenosse.

Dabei finde ich Steuerhinterzug wie auch seinen Fussballclub ziemlich Stuhlgang.

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Außerdem habe ich Knast ohnehin nie verstanden. Sperrt man nicht Leute weg, wenn sie gefährlich für die anderen sind? Was habe ich davon einen Steuerstraftäter wegzusperren? Immerhin kostet er “uns” jetzt Geld. Ist es nicht sinnvoller jemanden wie ihn am Geld zu belangen? Irgendeine Wurzelrechnung aus den Siebenundzwanzig Millionen ziehen, das Geld den Armen geben und den Hoeneß ziehen lassen?

Achso, das Keifen der Leute.

[tumileid]

Man kann sich ja nicht entschuldigen. Man kann nur um Entschuldigung bitten. Es bleibt dem anderen überlassen ob er einen entschuldet. Dieser Andere kann auch keine Entschuldigung annehmen, sondern er kann nur entschulden. Dafür wurde das Leidtun erfunden. Man kann sagen, dass es einem Leid tut, damit sagt man dem Leidtragenden, dass das eigene Verhalten nicht okay war, jedoch ist es ihm freigestellt, ob es zu so etwas wie einer Entschuldung kommt. Man selbst gerät in die Rolle des Demütigen, der über sich urteilen lässt. Findet eine Entschuldung des Leidtragenden nicht statt, worauf der Leidtragende sein gutes Recht hat, ist er halt ein bisschen grummelig und nachtragend, es ist aber sein Recht. Leidtun ist hauptsächlich für Eilige sinnvoll, wenn man mit Koffern durch den Flughafen (oder mit Ellbogen durch die Welt) marschiert. Man hat nicht die Zeit, stets abzuwarten ob es zu einer Entschuldung kommt, sondern man wirft bei Anremplern einfach ein “Tut mir leid” durch die Gegend, in der Hoffnung, dass der eine oder andere eine Entschuldung ausspricht. Mit ein bisschen Glück kommt man auf eine Entschuldungsquote von über 50% (“Ist okay, kein Problem”) und man selber läuft nicht mit dieser ungeheuerlichen Schuldlast herum. Und mal ehrlich, die Grummeligen und Nachtragenden, die einen nicht entschulden, sind doch immer ein bisschen selbst schuld.

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Jetzt bin ich auch weg von ICQ Whatsapp und hinüber zu Telegram. Dort sitzen schon zehn meiner Kontakte. Die üblichen Verdächtigen. Punker, Quersitzer, Blogger, Mörder und Räuber. Back home.

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Wiedermal die Retouren-Kartons auf die Post gegeben. Den letzten Karton habe ich aus Mangel an Fußballzeitungen mit einem Ausdruck eines älteren Manuskriptes ausgepolstert. Da ich Angst hatte, jemand bei der Telekom würde mit meiner Arbeit zum Millionär und gefeierten Romancier, habe ich die erste von 160 Seiten weggelassen. K sagt, ich hätte besser jedes zweite Wort durchgestrichen. Da hat sie natürlich recht. Ich dachte, das Fehlen einer Seite bringt das Kunstwerk aus der Balance. Aber man kann es nicht oft genug wiederholen: unterschätzt nicht den Wert von Fragmenten.

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Wenn Männer in der U-Bahn breitbeinig und das Territorium markierend sitzen, braucht man nur zärtlich zu sein. Den Oberschenkel an seinen Oberschenkel reiben. Ohne Druck, nur zärtlich reiben. Zwei mal, das reicht. Dann hat man wieder Platz. Das funktioniert natürlich nur unter Männern.

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Es gibt die zwei Situationen, in denen ich zahm wie ein Lämmchen bin. Die eine Situation ist bei meiner Zahnärztin, wenn sie sich beim Aufreißen meines Mundes über mich beugt und dieser Geruch von frisch gewaschener Wäsche meine Sinne benebelt. Sie könnte mir die Zähne mit einem Meißel bearbeiten und ich säße nur da, zahm wie ein Lämmchen, verzaubert. Ich habe mich nie getraut nach ihrem Waschmittel zu fragen.

Die andere Situation ist das Radio beim Schnipseln von Obst und Gemüse. Ich höre selten Radio und ich schnipsle ungerne Obst oder Gemüse. Kombiniere ich allerdings das Schnipseln mit dem Radiohören, dann erledige ich beides mit einer bisher ungekannten Intensität. Es müssen diese Redesendungen sein, wo Menschen endlos über Dinge reden, Interviews, Reportagen, Gesräche. Wenn ich dabei Obst oder Gemüse in kleine Stücke hacke interessiert mich jedes Thema, wirklich JEDES Thema und ich schneide dabei wie ferngesteuert Gemüse oder Obst. Wenn ich nichts mehr zwischen den Fingern habe was sich zerkleinern lässt, dann ärgere ich mich regelrecht, manchmal viertle ich dann einfach die bereits vorher geschnittenen Teile oder schnipsle Vorräte auf. Ganz klein und quadratisch.

[Bushi No Kondate]

Vorgestern auf der Berlinale diesen japanischen Film gesehen. Er spielte im Japan des frühen achtzehnten Jahrhunderts und zeigte Menschen beim Zubereiten von schönen Speisen, also beim schönen Zubereiten von schönen Speisen. Schöne Werkzeuge, erlesene Zutaten, zeremoniertes Zubereiten, Riten. Ich weiß nicht, inwiefern der Film die Zustände weichzeichnet, dafür kenne ich Japans Geschichte zu wenig, wenn man mal von den Taten im zweiten Weltkrieg hinwegsieht würde es mich nicht wundern, wenn den Japanern so etwas wie eine superschönes und supersauberes kulturgeschichtliches Selbstverständnis zugrundeliegt. Denke ich an Japan, denke ich an, öhm, Sauberkeit, papierne Wände, Höflichkeit, Menschen, die barfuß über Bastmaten oder auf Pantoffeln laufen, kniend auf dem Boden sitzen und dort essen.

Denke ich an das frühe achtzehnte Jahrhundert in Europa, dann denke ich an Friedrich Zwo in seinem Potsdamer Schloß und denke an seine vornehmen französischen Gäste, die in die Ecken hinter die Vorhänge urinierten.
Dieser Film zeigt ein Japan, in dem es bereits damals in niedrigeren sozialen Schichten die strikte Trennung zwischen Innen- und Außenbereichen gab. Die Innenbereiche waren Bohlen auf denen die Leute in ihren Pantoffeln liefen oder in unpraktischen Haltungen auf dem Boden knieten und ihre Hände falteten. Unmöglich, dass da jemand ins Eck hinter die Vorhänge urinierte.

Andererseits: es wurden keine Klos gezeigt. Es wurden allerdings auch keine Vorhänge gezeigt, hinter die man hätte pissen können. Es wurde nie aufs Klo gegangen. Passiert in Filmen ohnehin selten. Aber hier: ausgeschlossen. Jetzt weiß ich natürlich nicht wie japanische Klos im Japan des frühen achtzehnten Jahrhundertes aussahen. Macht mich ganz fertig, wenn man sich so in ein Weltbild hineingedacht hat und dann an Toiletten verzweifelt.

[fb #1]

Im Deutschlandfunk läuft eine Sendung über Internationale Gerichte. Ich denke: oh nein, Kochsendung.

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Mitgliedsnummer 88. Ha. So was kann man doch sicher für viel Geld verkaufen.

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Ich werde das jetzt einmal im Monat tun. Meine Zweizeiler aus Facebook oder Twitter ins Blog stellen. Zumindest bis Reclaim.fm das automatisch für mich erledigt. Dieses Wegdriften meiner Vergangenheit in die Datensenken von Facebook oder den anderen Diensten. Ich fühle mich da immer matrixmäßig fremdgesteuert.

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Was ich in Italien immer vermisse: einen ordentlichen, deutschen Latte Macchiato.

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Meine ersten richtigen Turbulenzen. Plötzlich roch es nach verschmortem Plastik. Ich wäre fast wieder katholisch geworden.

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repepetitiv

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Wish schreibt man nicht Whish sondern Wish. Meine Finger: immer Whisky wenn die WH’s zu nahe beinander stehen.

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Screenagerliebe. Am schlimmsten sind Gesellschaftskritiker, wenn sie religiös verstrahlt werden. Als würde Selbstgerechtigkeit nicht reichen.