Ich will wieder Fiction lesen. Ich habe seit längerer Zeit keine Romane mehr gelesen. Mir fällt es seit Jahren schwer, mich auf eine erfundene Geschichte in Schriftform einzulassen. Die Tatsache, dass Geschichten erfunden sind, scheint mir bei Serien oder Filmen nichts auszumachen, es ist nur in Büchern so, ich glaube es hat also eher mit der Nähe zu tun, in die mich eine geschriebene Geschichte zwingt. Dieses Wort für Wort aufgedrückte. Ich lese jeden Satz und weiss, dass er erfunden ist. Buchstabe für Buchstabe, wie die Wörter aneinandergereiht sind, es ist alles erfunden. Ich kann mich nur schwer davon lösen, das meine ich mit Nähe, die Wörter die ich da sehe, die Sätze, die zwingen mich, wesentlich näher an der Erfundenheit der Dinge zu sitzen, als in einem Film. Vielleicht, weil mir das Handwerk des Schreibens nahe liegt, weswegen ich immer das Gefühl habe, ich durchschaue die Dinge, die Tricks, das Handwerk. Filme passieren einfach, sie gehen über mich hinweg, schütten alles aus, sobald ich im Film das Handwerk erkenne, ist schon die nächste Szene da, der nächste Dialog.
Jetzt habe ich wieder angefangen zu lesen. Ich lese Ray Bradburys „Illustrierter Mann“. Es fällt mir leichter, in diese Geschichte hineinzufinden, als mit einem zeitgenössischen Text, vielleicht weil das Handwerk in den Fünfzigern anders war. Es scheint sich eine Lage dazwischenzuschieben, ich achte weniger auf Details. Ich wollte eigentlich Brabdburys „Dandelionwine“ lesen. Das Buch wurde neulich von der Pornodarstellerin und Podcasterin Bettie Bondage in einer ihrer Insta Storys besprochen. Es ist eine gefühlvolle Coming-of-Age Geschichte ohne eine Coming-of-Age Geschichte zu sein. Ich weiss den Inhalt ihrer Besprechung nicht mehr im Detail, aber weil ich Bradburys „Fahrenheit 451“ und die „Mars Chroniken“ gelesen hatte (wobei mir vor allem zweiteres eindrücklich in Erinnerung geblieben ist), hat mich Bettie B’s Besprechung sehr eingefangen. Dandelionwine wurde auf deutsch unter dem Titel „Löwenzahnwein“ veröffentlicht. Das gibt es leider nicht als Ebook und auch die papierne Version ist vergriffen. Ich finde online zwei gebrauchte Exemplare, eines wird für 40€ zum Kauf angeboten, das andere für 80€. In Originalsprache will ich es nicht lesen. Auch wenn mein englisch mehr oder weniger einwandfrei ist, bleibt mir beim Lesen von englischsprachiger Literatur immer ein Gefühl übrig, dass über dem Text ein Filter liegt, dass ich nicht richtig an den Text herankomme, dass irgendwas sich mir nicht ganz erschliesst. Das hat sicherlich damit zu tun, dass es nicht meine erste Sprache ist und ich den Text dadurch mit einer gewissen Verkrampftheit und auch Skepsis lese. Auf niederländisch oder italienisch habe ich diese Verkrampftheit seltsamerweise nicht. Auch wenn ich behaupten würde, dass mein englisch über die Jahre hinweg wesentlich besser ist, als mein italienisch.
Ich kaufte stattdessen also „Illustrierter Mann“ und auch „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“. Ersteres ist strenggenommen kein Roman, sondern eine Sammlung lose miteinander verbundener Kurzgeschichten. Es gilt aber als Höhepunkt Bradburys Werk. Das andere Buch spielt auf einem Jahrmarkt der zwanziger Jahre und kann dem Genre „Dark Fantasy“ zugeschrieben werden. Kann ich keinem sagen, dass ich Dark Fantasie lese, aber wenn man Ray Bradbury erwähnt, dann kriegt es einen intellektuellen und poetischen Anstrich.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …