[nbn]

Ich mag das: in der Nebensaison in diesem Ferienort Restaurants betreten und hänschenkleinmäßig zu sagen: ich bin alleine, wo darf ich mich setzen.
Oft kriege ich einen schönen Tisch. In den altmodischen holzlastigen, deutschen Gaststätten darf ich mich in diese Nischen am Tresen setzen. Auf diese lederbezogenen Bänke. Die stämmige Kellnerin fragt mich von der Seite ob es schmeckt. Ich sage mit vollem Mund: wunderbar!
Sie grinst, ich grinse.

# In der UBB von Ahlbeck nach Zinnowitz setze ich mich zu drei achtzigjährigen Mädls. Sie tragen graue Dauerwelle, sind gutgelaunt und sitzen in den Sesseln wie drei glückliche Kartoffeln. Sie kommentieren alles was sie sehen, jede Person die vorbeigeht, jedes Haus, das draußen vorbeizieht. Und sie lachen. Dauernd. Eine junge Frau mit Musik im Ohr läuft vorbei. Sie trägt schwarze Leggings, darüber weiße Shorts. Die Frau rechts neben mir grinst: »Sie trägt ihren Schlüpper über der Hose«. Alle kichern sie. »Ch…ch…ch«. Sie erwischen mich beim verschämten Mitlachen. Später muss ich daran denken, dass die drei Ladies sicherlich solche Shorts als Unterhosen tragen. Womit ich sie jetzt nicht lächerlich machen will, ich finde den Witz dann nur noch besser, so unvermittelt ernstgemeint: »Sie trägt ihren Schlüpfer über der Hose. Ch…ch…ch.«

# Nein, kein Wasser diesmal.

[zw]

Wenn ich Berlin in nordöstlicher Richtung verlasse, Gesundbrunnen, Karower Kreuz, Bernau, Eberswalde, dahinter fängt ein zauberhaftes Brandenburg an, bei dem man der Erdkante entgegen zu fahren scheint. Die Erdkante ist da, wo die Erde sich korrigiert, und wieder zur Scheibe wird, wo dahinter alles nach unten fällt. Nach Norden oder nach Westen zu fahren ist anders. Im Norden liegt Rostock, im Osten Frankfurt/O, aber zum Nordosten hin tut sich eine Landschaft auf, die noch in der Morgensonne blinzelt. Immer. Wenn ich nach Nordosten fahre, habe ich das Gefühl, Berlin wirklich hinter mir zu lassen. Nach Nordosten hin kommt die Uckermark, eine Landschaft, die ich dauernd in Retrofarben fotografieren will, weil ich sie sonst nicht zu erfassen vermag, dann Vorpommern, Usedom, Ostsee. Und dann ist die Welt zu Ende.

Kiefernwälder, hach, Birkenwälder, hach, Kiefernwälder.

Die junge Frau mit den Fingernägeln.

Ich bin der einzige, der ein Onlineticket vorzeigt. Die anderen sind Abohälter, oder halten kleine Automatentickets in der Hand.

Mein Headhunter ruft mich an. Ich überlege lange, ob ich abnehmen soll. Das ist eine andere Welt. Ich nehme ab und begrüße ihn mit seinem persischen Namen, der hier klingt, als wäre es ein Namen von einem anderen Planeten. Ich sehe seinen perfekten Anzug vor mir, seine perfekt umrissenen Koteletten, seine gezupften Augenbrauen. Ich sage solche Sachen ins Telefon wie: Zalando, ja bin ich interessiert” oder “liegt das Angebot von Groupon noch vor?”. Ich sage zum ihm, ich nähme mir ein paar Tage Auszeit, müsse mich für ein paar Tage an die Ostsee zurückziehen.

[…]

Bei all den automatisch sich umstellenden oder nicht-umstellenden Uhren auf Handy und Wecker und Computer, und meiner damit zusammenhängenden Verwirrung heute früh, war nur Verlass auf die Analoge Uhr in der Küche: ich wusste, sie geht eine Stunde falsch.

# Ende März. Bin im Resturlaub.

[knt]

Vorhin auf dem Flohmarkt im Mauerpark. Die Betreiberin des Fellstandes fragte mich, warum ich ihre Felle fotografiere, ich sagte: das ist Knut. Sie sagte, nein Knut hängt da drüben, und zeigte auf einen zwei mal zwei Meter messenden Flokati. Ich sagte, das fände ich zu pervers für mein um Ausgleich bemühtes Blögchen. Aber vielleicht wusste sie noch nicht, das Knut gestern gestorben ist. Kurz gezuckt und ins Wasser gefallen. Und nicht mehr aufgetaucht. Nicht jeder liest Zeitungen und bekommt sowas mit. Mich hat das dann doch ziemlich getroffen. Ich saß mit K und zwei Freunden im Cafe der Berlinischen Galerie, und las auf meinem Handy: Knut ist tot. Eilmeldungmäßig. Ich kriegte mich nicht mehr ein. Musste es gleich allen sagen.
Ich habe ihn letzten Januar mit den kleinen Jungs meiner Schwester gesehen. Die fanden ihn toll. Und all die Menschen vor seinem Gehege, die auf ihn zeigten, und die alten Frauen, die ihm vertrauensvoll Schnuckeligkeiten zuriefen, diese Hoffnungen, die man ihm zutrug, kuschelig warme Projektionsfläche, ein ganzes Volk in Liebe. Das fand ich schon sehr witzig.

# “Aber er war noch so jung!”

# “Eisbären müssen nie weinen”

[bkprn]

Ganz merkwürdig: beim Lesen von Peter Stamm dauernd das Bedürfnis, diesen Mann knutschen zu müssen. Er öffnet Projektionsflächen für Verliebtheiten. Das ist total merkwürdig. Ich bin mir noch nicht sicher, was ich künstlerisch von seinen Texten halten soll, ich bin bin erst auf Seite hundertirgendwas von »Sieben Jahre«, mir gefällt der Klang, er lullt mich ein, ich komme mir vor wie in einem Videoclip, es hat den ähnlichen Effekt, als würde man mit Kopfhörern durch einen Supermarkt latschen. Und das meine ich positiv. Zudem gefallen mir die Frauen in dem Text, sie sind so da, und die Gefühle für sie haben immer etwas Verbotenes. Viel weiß ich also noch nicht darüber zu sagen, aber ich habe schon ein Urteil über seine männlichen Leser, ganz schlimm, aber es drängt sich so auf: Männer, die knutschen wollen, oder Männer, die geknutscht werden wollen.

# Book Porn. (via Aléa Torik).

[rnm]

Dieses Gefühl, morgens nach dem Aufstehen, nachdem ich den Rechner anschalte, inzwischen den Kaffee aufsetze, und dann zurückkomme, dieses Gefühl, kurz bevor ich die Seiten der großen Nachrichtenmagazine aufrufe, was wohl nachts in Japan passiert sein möge, mein Wissen über den Zustand der Welt ist ja schon sieben Stunden alt, an jenem Moment an dem ich die Seite öffnen werde, könnte die Nachricht ganz oben stehen, mit einem dramatischen Bild versehen und darüber in blinkenden Buchstaben, oder gelb unterlegt: EILMELDUNG; ich meine, ich wache morgens auf und denke mir, dass in Japan mittlerweile alles schief gelaufen sein könnte. Dieses Gefühl, kurz bevor man die Seiten aufruft, dass die Welt gleich ziemlich anders aussehen könnte, das ist schon ein, öhm, Gefühl.

[…]

# Der späte Drink unter Männern in der Küche. Nachdem die Frauen ins Bett gegangen sind schenken wir uns noch Wein nach, schauen mit glasigen Augen in den Raum und reden von den Dingen. Weiss nicht, warum wir das immer machen. Weiss auch nicht, ob das gut ist.

# “Wahrscheinlich Kernschmelze”

# Ich kann keine Wachteleier essen. Das Gefühl, einer kleinwüchsigen Huhnart die Regel wegzuessen. Wie es da als Spiegelei auf dem Teller liegt, der Welt ausgesetzt. Macht mich ganz fertig.

# “Keine Gefahr”

# Beim Lesen von Coetzees »Schande« kalt erwischt worden. Die Geschichte kommt leichtfüßig und unscheinbar daher, Gesellschaftsstudie vielleicht, schön zu lesen, große Figuren, Nobelpreisliteratur halt, dann kommt die Szene mit dem Überfall, unangekündigt und beiläufig, man braucht ein bisschen Zeit zu verstehen, dass jetzt etwas anderes passiert, und schon hat man das Grauen hereingelassen und wird von seiner ganzen, beliebigen Brutalität erschlagen. Meine Handinnenflächen haben kalten Schweiß abgegeben. Den Rest des Tages blieb ich leicht verstört.

# “Mit ziemlicher Sicherheit Kernschmelze”

[…]

Neulich auf einer Geburtstagsparty Kekse verschenkt. Auf die Frage hin, ob die mit Ohr-Sand seien, wurde wissend gelacht. Hach, Internet.