[…]

Die Sommerfestnacht am LCB: Es ist zu kalt und windig, um am Ufer zu trinken, es wird also getanzt. Die Musik ist schrecklich-schön und von allen Bedenken befreit. Natürlich ‘Haus am See’, natürlich ‘Beat it’, natürlich ‘Smells like teen spirit’, natürlich ‘Killing in the name of’. Das Berliner Feuilleton und der Betrieb tanzen wild zu ‘Killing in the name of’. Burkhard Spinnen ist ein strenger, aber gütiger Vater, und tanzt auch. ‘Insomnia’, die 8:39 lange Version: Diese langsam freigeschälten arschgeilen endkitischigen Keyboardkaskaden meiner Abizeit hatte ich vergessen, da sind sie wieder, auf dem Parkett einer Wannseevilla.

[wiiih]

Eigenartig beklemmend ist das immer. Wie es eben noch eine theoretische Vorstellung war, diesen Zahnarztbohrer im Mund zu haben, was eben alles theoretisch war, eine Vorstellung von, die man hatte, und dann plötzlich, bevor man es noch richtig verstanden hat, nur noch durch dieses beschränkte Sichtfeld zu blicken, mit weit aufgerissenen Augen in die Zahnarztlampe, die mit ihrem beiden Guckern ein bisschen so aussieht wie Wall-E’s kleine Schwester, und um das Sichtfeld herum die Zahnärztin die grobschlächtig ihrem Handwerk nachgeht und die Assistentin die mir das Kinn fixiert und mir Schäuche an den aufgesperrten Mund hängt, den man nie entpannen kann, weil das so eine natürliche Reaktion ist: zuzusperren wenn sich jemand gewalttätig dranmacht, Herr Wito entspannen Sie Ihren Mund, und mir die ganze Würde nimmt weil ich nicht antworten kann, dass ich ihr Tun so furchtbar unsympathisch finde, das Fiepen, das Schaben, das Kratzen, das Wiiiiiiiiiiiiih und das Bsiiiiiiiiiiiiih und mein ganzer Schädel der auseinanderzuklirren droht.
Aber dann. Sie hatte diesen Geruch von frisch gewaschener Kleidung an sich, der mich ganz zahm machte.

[…]

“Wir leben am Limit, die Tag-und-Nacht-Betreuung ist ein ausgeklügeltes System aus Eltern, Helfern, Schule: wenn da eine Komponente wegbricht, bricht das System zusammen” Die Hintergrundinfo.

Der von Moni mitbegründete Verein braucht bis zum 5.September 2.772€ für das Schalten einer Anzeige. Hierhin.

[18.8.]

Nachdem ich mich nun drei Tage lang in K’s Kimono durch die Wohnung gefiebert habe, wagte ich heute erstmals den Versuch Kleidung anzuziehen. Kleidung die am Körper liegt. Man fühlt sich gleich gezüchtigter. Irgendwie, als würde man gleich gesund.

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Letzte Nacht um ein Uhr hatte ich versucht das obere Fenster im Schlafzimmer zu schließen, dazu musste ich einen mit Kleidern überhäuften Stuhl besteigen um daraufhin auf die Fensterbank zu treten, doch die Fensterbank war wegen der vielen Blumentöpfe keine sehr geschickte Fläche, dachte ich, und stieg daher auf den Heizkörper, der unter meinem Gewicht sofort aus der Verankerung gerissen wurde und nach vorne zu Boden donnerte, wobei sich beide Leitungen komplett verbogen und natürlich aufbrachen und das halbe Bett, das halbe Zimmer in Leitungswasser ertränkten.
Ich konnte nur eine Wasserkatastrophe verhindern indem ich den Heizkörper wieder in seine Position bog,das verschloß die Risse notdürftig und es hörte wenigstens auf zu spritzen, wenngleich es das Leck natürlich nicht völlig dichtete. Gegen das Tropfen half der Untersetzer meines Basilikumtopfes der mehrmals in der Nacht geleert werden musste.
Die Aufregungen. Und das alles mit Fieber und einem unheimlichen Kopfschmerz der gestern Abend eingesetzt hat.

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Ich meine mich zu erinnern es habe einmal diese Zeiten gegeben in denen ich niemals krank war. Glücklicherweise erfreue ich mich nach wie vor einer blendenden Gesundheit, doch werde ich in den letzten Jahren mit einem gewissen Regelmaß krank, zweidreimal im Jahr, Kleinigkeiten zwar nur, grippale Infekte, wie man sie so nennt, oder Erkältungen die mich ins Bett hämmern. Und dieses Fieber der letzten drei Tage war schon eine eigenartige Sache. Bei meiner Tante war das so: sie bekam Fieber, ärgerte sich darüber, dann ging das Fieber nicht weg, Antibiotika schlugen nicht an, und dann schaute der Arzt ein zweites mal hin und tja, das war dann Bauchspeicheldrüsenkrebs. Danach dauerte es nicht mehr lange und wir mussten sie unter vielen Tränen in der Friedhofserde begraben. Gott habe ihre Seele, sie war ein guter Mensch.

[studien]

Es gibt zwei Methoden zur Bekämpfung von Fieber: die Methode B2 und die Methode F33.

B2 wurde von mir mitte der Neunziger Jahre entwickelt, und hat sich beinahe ein Jahrzehnt lang bewährt. B2 ist eine direkte Weiterentwicklung von B1 und hatte sofort die gewünschte Wirkung, sodass es keine weiteren Studien brauchte um die Effizienz zu steigern. Diese Methode bedient sich der Achsellymphknoten (Nodi lymphatici axillares) und wirkt direkt darauf ein.
Auf die Idee kam ich leider etwas verspätet, da ich lediglich neun Jahre lang die Schule besucht habe, und in diesen neun Jahren stand das lymphatische System noch nicht auf dem Schulplan. In der Zeit davor hatte ich mich stets der Methoden aus der A-Reihe (ich bevorzugte Methode A3) bedient, die auf ziemlich unpräzisen Studien aus meiner Kindheit basierten. Die A-Reihe erfüllte jedoch ihren Zweck und in meiner Kindheit wollte ich schließlich Astronaut werden und nicht Wissenschaftler, somit setzte ich nicht auf die Weiterentwicklung von irgendwelchen Fieberverdrängungsmethoden die nicht meine berufliche Laufbahn pflastern würden.
Die Idee zur B-Reihe kam mir jedenfalls als mir einmal meine Nodi lymphatici axillares schmerzten und ich mich wunderte, wie das denn sein könne, unter den Achseln befänden sich ja keine Organe die sich entzünden könnten, oder sich verstopfen, also keine Gedärme, keine Zähne, keine Herzen. Einer der Punks mit denen ich mich in jenen Tagen so umtrieb, ein unangenehmer Zeitgenosse der immerzu nach Schnaps und altem Käse roch und die Gesichtsfarbe einem grauen, schmutzigen Bodenlappen entlehnt zu haben schien, zeigte auf seine Nodi lymphatici axillares und sagte, das seien die Lymphknoten, die seien für den Bauch zuständig, dann zeigte er auf seinen Hals und sagte: und auch das sind Lymphknoten, die sind für den Kopf zuständig. Lymphknoten? fragte ich, Ja Lymphknoten, sagte er, das sind die Dinger die Antikörper aussenden. Er mutmaßte, ich hätte etwas in meinem Bauch. Eine Verstimmung im Magen, oder ein paar Bakterien im Darm zu viel, ich sollte einen Jenever trinken, Jenever verbrenne Fremdkörper im Leib. Hilfe von extern sozusagen.
Ein halbes Jahr später, als der Winter ’97 durch die fingerdicken Risse und Spalten meines unbeheizten Abrißhauses gekrochen kam, fing ich mir eine ziemlich üble Erkältung ein und fand mich mit meiner neu gewonnenen Kenntnis über Anatomie und dem Lymphatisches System, in der Lage, die A-Reihe zu ersetzen indem ich die B-Reihe zum Einsatz brachte.
Die B-Reihe erfordert es, auf dem Rücken zu liegen und die Arme überkreuzt in die Achselhöhlen klemmen und dort mit den Fingerspitzen oder wahlweise mit den Handinnenflächen ein rotes Feld zu erzeugen. Ein rotes Feld lässt sich ganz einfach herstellen indem man sich ein rotes Feld denkt. Gewöhnlicherweise ist ein rotes Feld kreisförmig und leicht durchsichtig, etwa vergleichbar mit einem Magnetfeld nur ohne den Bögen die Magnetfelder immer ziehen, sondern ein durchgehendes kreisrundes Feld mit einem Radius von etwa zehn Zentimetern, das nach außen hin abschwächt.
Auch blaue Felder funktionieren, auch gelbe und grüne, aber rote Felder haben sich in den Studien meiner Kindheit (die A-Reihe basierte darauf schwache, rote Felder willkürlich und ohne anatomisch fundierte Kenntnisse einzusetzen) als stärker erwiesen, ohne je dafür einen handfesten Beweis gefunden zu haben, doch die Statistik, die auf Daten der Feldexperimente am eigenen Körper beruht, zeigt uns die Fakten auf.
Die roten Felder bewirken eine stärkere Produktion von Kampfschwadronen in den Lymphknoten (die achsularen Lymphknoten übernehmen bei dieser Methode wundersamerweise auch die Aufgabe der übrigen Knoten im lymphatischen System) wobei sich von den Kampfschwadronen nicht nur die Anzahl steuern lässt, sondern auch deren Aggressitivtät und Tempo. Zudem auch das Vehikel (mini-Shuttle, düsenbetriebene Vespa, Schneekatze) mit dem die Schwadronen durch die Blutbahnen rasen, die Ausrüstung (steuerbarer Helm, Brustpanzer), die Waffen (alles was irgendwie Laser kann, martialische Stichwaffen) und alles erdenkliche das dem ästhetischen Auftritt genügt. Details werden oft dem Grad des Fieberwahns überlassen.
B1 war noch nicht ganz ausgereift, ich ließ die Schwadronen drei Tage lang ausschwärmen ohne wirklich taugliche Ergebnisse einbringen zu können. In B2 versuchte ich die einzelnen Schwadronen dann besser zu koordinieren. Ich ließ sie vom Kopf abwärts arbeiten, immer nur Teilbereiche sollten in den Fokus gestellt werden, und alles musste nach unten gedrängt. An der Fußsohle öffnete ich Ventile, die das Krankheitsbild als ziemlich heißen Dampf austreten ließ. Das führte zum gewünschten Erfolg, und damit war B2 massentauglich geworden.

Im Glauben Wissen, bahnbrechende Studien gefertigt zu haben, arbeitete ich Anfang der 2000er Jahre an den Reihen C und D, die jedoch allesamt lediglich nette Theorien geblieben sind, weil sie für dem Krankheitsfall nicht praktikabel waren, daher werde ich sie auch nicht weiter erläutern um nicht den Rahmen dieses Textes zu sprengen. Ich hatte aber große Freude daran mein anatomisches Wissen in den Dienst der Menschheit zu stellen, und so kam ich auf die F-Reihe der Methoden, um letztendlich zur heute üblichen Version F33 zu gelangen.

F33 ist eine äußerst verfeinerte Weiterentwicklung von F1, die, wie alle Methoden aus der F-Reihe, darauf basiert, das Fieber mittels eines Sperrgitters aus dem erkrankten Organismus zu verdrängen. Die F-Reihe war anfangs noch nicht so effizient wie sie später werden wird, da sie noch sehr auf eine sanfte Vorgehensweise setzte, das war 2006, da wurde irgendwie alles Bio in den Läden um mich herum, alles wurde sanft, um den Körper zu schonen, um die Nerven zu schonen, um die ganze Schöpfung zu schonen. Mit dieser Philosophie schonte ich leider auch das Fieber.
Auf den Einfall zur F-Reihe kam ich nach einem Konzert der Einstürzenden Neubauten in der berliner Columbiahalle, als die Rausschmeißer mich und alle weiteren übriggebliebenen Konzertbesucher mit einem Sperrgitter zu verdrängen suchten, um die Halle eiligst zu räumen, möglicherweise weil zuhause die Reality Show lief die es nicht zu verpassen galt, was ich jetzt aber nur erwähne um meinen Vorurteilsdrang an die Luft zu lassen. Das war jedenfalls sehr wirkungsreich, langsam aber stetig, Meter für Meter vorarbeitend, mit kurzen Pausen dazwischen, waren die Mengen bald nach draußen gekehrt ohne großes Aufsehen zu erregen. Die Menschenmenge bekam einfach immer weniger Platz und wollte dann von selbst den Ort verlassen ohne recht verstanden zu haben was eigentlich geschehen war.
Bei der F-Reihe wendet man diese Technik an indem man sich in den hinteren Teil des Hinterkopfes setzt und mit den Beinen ein Sperrgitter nach vorne, den Hals hinunter bis zu den Füßen voranschiebt. Schwierigkeiten boten mir vor allem die Rundungen der Innenseite des Körpers, vor allem im Kopf, in den Schultern, in den Hüften, was daher rührte weil so ein Sperrgitter eine rechteckige Form hat und es auf diese Weise sehr mühselig ist, das Fieber sauber den Hals runter zu drängen. In den Versionen F2 bis F24 korrigierte ich hauptsächlich dieses Problem, ich war darin geübt, erfolglos zu sein und einem wissenschaftlichen Traum nachzuhängen, das machte mich unermüdlich. Bis ich in F25 die sogenannten Schneelinge erfand, also je ein Sperrgitter in der Form eines Schneeschuhs pro Fuß. Damit war man viel flexibler und beweglicher, man konnte erstmals die beiden Füße unabhängig voneinander bewegen. Doch auch dies benötigte eine Verfeinerung, bis ich für F33 diese elastischen Lamellen erfand, die zwar weiterhin die Form des Schneeschuhes nachahmen, aber bewegliche Lamellen sind, die nicht in einem Rahmen eingefasst sind und sich daher perfekt an der inneren Oberflächenform meines Körpers entlangschaben und so alles mitnehmen was ein Sperrgitter aus der F-Reihe mitzunehmen hat.
Die Sache mit den Lamellen und den Schneeschuhen hatte zwar nur mehr wenig mit der ursprünglichen Form des Sperrgitters in F1 zu tun, in einem anderen Zusammenhang hätte ich vermutlich eine neue Reihe angefangen, aber an der F-Reihe hatte ich so lange gearbeitet, dass ich ihr gewissermaßen anhänglich geworden war. Und im Grunde ist es immer noch die selbe Methode, man sitzt eben im Hinterkopf und schiebt das Fieber den Leib hinunter.

Nur eine Schwierigkeit habe ich in der F-Reihe bisher nicht lösen können: der Dreck in dem ich selbst sitze. Ich sitze im Hinterkopf und schiebe das Fieber erfolgreich vor mir her, aber ich werde das Fieber in dem ich selber sitze, also das Fieber zwischen mir und Sperrgitter, nicht los. Workarounds habe ich ein paar: Abklopfen, abwischen, doch es sind alles nur Workarounds, besonders schön ist das nicht, zudem kriege ich nie alles weg. Gegen dieses Problem schmeiße ich dann ein Ibuprofen und gut ist.

[15.8.]

Heute mich zu sehr auf das Grillen im Monbijoupark gefreut, wegen der Käsekrainer (Eitrige) die ich gekauft hatte, es war also weniger das Grillen worauf ich mich freute, sondern die Eitrigen die ich mit ein paar Bieren in der Abendsonne an der Spree verdrücken würde, denn anfangs hatte ich ja noch diese Bedenken, Grillen, muss das tatsächlich sein, ich rede doch immer so schlecht über die Grillerplage, die überall immer und alles befällt, wenn der Sommer mit einem Auge durch die graue berliner Wolkendecke lugt.
Doch meine Gelenke fingen an zu ächzen und die darin steckenden Glieder hingen schwer daran, die Nackendusche half nichts und als ich dann diese leichten Halluzinationen bekam, legte ich den Link zu Fieber um danach das Fieberthermometer zu konsultieren, das es mir schwarz auf braungrau bestätigte: höchste Zeit sich krank zu fühlen.
K legte mich ins Bett, kochte Tee und las mir DFW vor, doch ich konnte ihr nicht folgen, dann las sie mir Paul Auster vor, doch ich konnte ihr nicht folgen, dann schlug sie mir vor, Harry Potter zu lesen, doch den habe ich nicht mehr. Sie las dann doch Paul Austers letzte Dinge, und das war wunderbar, ich vergaß zwar dauernd die Namen der Figuren doch verwebte ich später einen fiktiven Plot zu dem mir Vorgelesenen, und das Fieber stieg und ich riet mir zu Ruhe, legte mich in die stabile Seitenlage um nicht abzuheben, oder vom Bett runter ins berliner Urstromtal zu rollen, danach musste ich meine Kampfschwadronen durch die Blutbahnen schicken die in ihren metallenen Schlitten, die so aussehen wie diese Wasserfahrgeräte, nur windschnittiger und mit einem Metallgehäuse obendrum, damit man sich nicht an den Stalagtiten in den Blutbahnen verdingst, meinen Schmerz und die Hitze nach unten hin verdrängen. Das kommt unten dann als eine Art Dampf aus der Fußsohle heraus.

[ – 13.8.]

Sommerlieder. Mit Minka aus Bern den jährlichen Drink genommen, eine Weißweinschorle vor dem Dave Lombardo am Zionskirchplatz. Ich hatte Dave Lambado in die Email geschrieben, möglicherweise wegen der Musik, als ich nämlich neulich mit Madame Modeste und dem J dort saß, wusste der J sein iPhone zu zücken und den Namen Lombardo zu googeln, und dieser Lombardo war dann nichts geringeres als der Schlagzeuger von Slayer, was eine eigenartige Entdeckung war, mit der keiner von uns so recht etwas anzufangen wusste, weil sich keiner von uns auf ein Gespräch über Heavy Metal einlassen wollte und für einen Witz sich dieser Fakt nicht wirklich ausschlachten ließ, und alles andere mühselig war, so saßen wir da, wussten wie der Schlagzeuger von Slayer heißt, hatten aber keine Ahnung was das nun bedeuten mochte.
Dass es mit Musik zu tun hatte ist mir aber in Erinnerung geblieben, und so wurde Lombardo heute zu Lambado, was ihn möglicherweise ärgern wird und mir jetzt nicht ganz klar macht ob das nun witzig ist oder ob ich nur einen Vorwand brauchte diesen Fakt in zwei gekünstelten Sätzen aufzuschreiben.
Minka hat es jedenfalls gefunden.

[13.8.]

Ich bin ganz eigenartig erholt seit meinem Urlaub, es hält an, im Inneren ruhe ich immer noch in diesem roten Häuschen im Wald und esse panierten Fisch mit Kartoffeln, und äußerlich esse ich zum Früshtück noch den mitgebrachten Schmelzkäse mit Krabben, die beste Erfindung der Schweden nach nach nach, nunja, nach Schmelzkäse mit Flußkrebsen vielleicht.

Bin so begeistert deswegen.

[Relevanz ist Ententanz]

[tillbaka]

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Unser Häuschen ist das letzte am Stromnetz aus westlicher Richtung. Nördlich von uns, nach anderthalb Kilometern Wald, steht ein Bauernhof, direkt danach ein weiteres Häuschen. Südlich von uns, zwei Kilometer Wald weiter, ein verlassenes Haus, danach sechzehn Kilometer Wald und dann ein kleines Dorf. Östlich gibt es erstmal Wald, und danach Wald und dann nochmal Wald. Irgendwann kommt laut Landkarte ein Dorf, und dann ein weiteres Dorf. Dazwischen, danach und daneben: Wald.

Westlich von uns fließt ein kleiner Fluss auf dem wir tagsüber manchmal rudern, wir fahren hoch bis zum Wasserfall, wir erzählen uns Sachen, von Tanten, von daheim, von den Menschen. Die Erzählungen werden ganz plastisch beim Plätschern der Ruder im Wasser. Am Ufer sind die Baumwurzeln blankgespült. K sagt da gingen die Trolle ihren Beschäftigungen nach: schlafen frühstücken, einkaufen, meeten, Powerpoint-Präsentationen vorführen.

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Wenn spät Abends sich der Himmel verdunkelt, verdunkeln sich die Baumkronen, es verdunkelt sich der Weg vor dem Küchenfenster, es verdunkelt sich die kleine Lichtung mit dem hölzernen Tisch, es verdunkelt sich der Weg zum Klo hinter der Scheune. Es verdunkelt sich die Sicht auf die Vorgänge.
Und der Wald dehnt sich, die Kilometer ziehen sich in die Länge, und werden zu endlosen, finsteren Weiten, zu Orten gehörtner Zwerge, doppelzüngiger Weiblein, nach Fäule riechender Schuppenmenschen die in flackerndem Schein des Feuers Ratten zerlegen.

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Die Aufregungen vom Lande: der verstopfte Abfluss. Ich bekomme die Aufgabe der Abwasseraufsicht zugewiesen. Das Abwasser ist verstopft und versickert schon beim Zähnepuzten nur zögerlich. Die Waschmaschine braucht daher eine Abwasseraufsicht. Ich sitze draußen auf einem Sofa, die Beine lässig auf einem Holzstuhl, auf dem Holzstuhl ein gefülltes Glas Prosecco, über meine Beine, die als Stütze funktionieren, hinweg, führt der Abwasserschlauch in einen Eimer, der in einer Wanne steht, ich sitze da, lese Christoph Hein und K sitzt drinnen auf der schleudernden Waschmaschine und singt mit vibrierendem Zwerchfell die schwedische Nationalhymne.

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K’s Vater und ich fällen eine Birke die am Wegesrand gefährlich überhängt. Mit einer Motorsäge und einem dicken Seil bringen wir den Baum in die gewünschte Richtung zu Boden. Quer über den Weg drüber, in eine kleine Lichtung hinein. Mit der Axt schlagen wir die mittleren und kleineren Äste vom liegenden Stamm, mit der Säge die Großen. Wir wechseln dabei keine Worte, ich halte mit der Axt den Stamm fest wenn er sägt, er unterstützt mit seinem Fuß den Druck auf dem Stamm wenn ich schlage. Wir nehmen die Äste, zerkleinern diese noch einmal, in Stücke so kurz wie sie in den Herd passen. Ich nehme meine Elle als Maß. Den Stamm sägen wir nachher in ebenso große Stücke. Nach anderthalb Stunden liegt der ganze Baum als Ofenholz im Holzschuppen zum Trocknen. Am Wegesrand erinnert nur ein Baumstumpf an die Birke.
Die Frauen haben kaum etwas davon mitbekommen. Wir Männer aber wissen jetzt alles was wir voneinander erfahren wollten.

Abschnüffeln ist zu steinzeitmäßig.

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Ich bin kein Naturmensch. Ich hasse Insekten, ich dusche nicht gerne kalt, ich kacke nicht gerne auf die Kacke anderer Leute, ich will mich nicht dauernd auf Zecken untersuchen (allerdings lasse ich mich gerne auf Zecken untersuchen, doch bleibt das ein Workaround und ich hasse Workarounds, zwar weniger als Insekten), ich hasse bäh.
Aber es war natürlich klasse.

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Sie kann mich nicht zuordnen. Ich sitze in der ersten Klasse, exponiert und habe mich breit gemacht. Bücher, Laptop, Halbliterflasche Rotwein. Sie kommt auf mich zu. Sie hat etwas hanseatisch nobles und unheimlich biederes an sich. Ich sitze dort exponiert, mein Bart, mittlerweile zum Vollbart herangewuchert, ist ungestüm, mein Haupthaar lang und ziemlich schmutzig, verwildert vom Leben im Wald. Sie kommt auf mich zu und kneift ihre Augen zusammen. Sie ist möglicherweise sechzig, reist nur erste Klasse, eine edle Dame, nicht ganz stilsicher, aber sicher, wie man sich in ihrem Villenviertel kleidet.
Ich stinke die erste Klasse voll, bin schon ein bisschen angetrunken, schreibe einen Text über die Liebe, über das Ermessen, über den größere Kontext, ich trage Nadelstreife, Hose, Jacket, schwarzes Hemd und eine schicke Krawatte. Sie kommt auf mich zu und kann mich nicht zuordnen. Sie bleibt vor mir stehen und atmet tief durch. Dann geht sie weiter.

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Tillbaka