[tagebuchbloggen: 14.12.]

Gestern wieder lange im Büro gesessen, Sachen reparieren. Keine Herzen. OK, der war albern. Generell bin ich derzeit ein bisschen albern. Gerne bin ich derzeit ein bisschen albern.
Nachher waren K und ich in der neuen Wohnung meiner Schwester eingeladen. Es gab einen sehr gehaltvollen Eintopf; Eintopf, das klingt jetzt sehr nach Unherzlichkeit, das war aber Absicht, wegen meiner gedämpften Nahrungsaufnahme, woran ich mich nicht leicht erinnere, wenn ich an meine Nahrungseinflößungen der letzten Wochen denke. Mekstopfleben. Aber meine Schwester weiss das, und auch K, nur ich scheine mich dem ein bisschen zu entziehen, dem Wissen meine ich, und dann denke ich an so Sachen wie: Wissensentzug, und denke sofort an Bildungsentfernung, und dann bin ich schon ganz woanders. So leicht ist das.

[tagebuchblog: 13.12.]

Am Freitag essen gewesen. Und das ging so:
H aus Wien ist eigentlich H aus Südtirol, das heißt, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Abneigungen, gemeinsame Freunde, und dazu gehört auch Hannes. Als gemeinsamer Freund. Hannes hat Südtirol irgendwann in den neunzigern mit Berlin getauscht. Wir hatten nie ein besonders inniges Verhältnis zueinander, aber man kennt sich in Südtirol, wenn man sich die Haare grün färbt und gegen den Wind stinkt, aber ich weiß nicht, ganz warm war das nie zwischen uns, zudem sagte H, ich hätte dem Hannes damals seine Freundin ausgespannt, was er mir nie verziehen habe, aber ich meine mich zu erinnern, dass ich Trostpflaster für seine Exfreundin gewesen bin, eine undankbare Aufgabe, ich war meine ganze Jugend lang immer nur Trostpflaster, ich habe immer verletzte Gefühle reparieren müssen, oder Schultern zum Ausheulen hergeben müssen, küssen wollten die mich nie, aber hey, das ist jetzt wirklich sehr lange her, wir waren fast noch Babies, und die Gefühle von damals, waren so schwierig händelbar wie wie wie, ach das ist mir jetzt zu albern, nach blöden Gleichungen zu suchen.
Nun war H also in Berlin zu Besuch und er sagte, Hannes wäre jetzt Besitzer eines Restaurants in Kreuzberg und da wir allesamt ziemlich gerne essen, beschlossen wir, am Freitag den Hannes in seinem Lokal zu überraschen. Ich würde am Freitagnachmittag anrufen und einen Tisch für vier bestellen, aber als Wito anzurufen war natürlich blöd, das war dann ja keine Überraschung, also entschied ich mich für den Namen Durnwalder, denn Durnwalder ist der Name unseres Landeshauptmannes, also des südtiroler Landeshauptmannes, und Durnwalder sieht so aus, und bei dem Gedanken, mich nach so vielen Jahren beim Hannes als Durnwalder zu melden, musste ich unheimlich lachen, und so bat ich meinen Kollegen, unter der 030/34711008 anzurufen und als Durnwalder einen Tisch für vier Personen zu bestellen, also griff mein Kollege zum Telefon, stellte den Lautsprecher auf laut und wählte die Nummer, hallo hier Durnwalder, ich möchte einen Tisch für heute Abend reservieren, für wieviele?, für vier, welche Uhrzeit?, für acht, wie war nochmal ihr Name?, Durnwalder, wie bitte?, Durnwalder, d-u-r-n-w-a-l-d-e-r, ha das ist ja witzig, was ist denn bitte witzig?, oh entschuldigung, so heißt unser Landeshauptmann, ihr _was_ bitte?, unser Landeshauptmann, Landeshauptmann?, ja, das ist ein wichtiger Politiker, ahso und warum jetzt _ihrer_, ja wegen Südtirol, das ist der südtiroler Landeshauptman, achso, kann ich ja nichts dafür, ja das stimmt, ja so ein Zufall, ja tatsächlich, issjanding.
Das war schon ein sehr witziger Moment.

Am Freitagabend fuhren also K, H, und ich nach Kreuzberg. Meine Schwester kam aus Neuköln, und war schon lange vor uns da, sie und Hannes kannten einander nicht, meine Schwester ist viel jünger, aber sie kam ins Lokal, sagte, sie habe einen Tisch reserviert, auf den Namen Durnwalder und der Hannes sagt: hey Du bist ja die Schwester vom Mek, und sie sagte, ja, öhm, wusste dann aber auch nicht weiter, Hannes meinte aber meine andere Schwester, die beiden werden dauernd verwechselt, was ich nie nachvollziehen kann, weil sie ja so unterschiedlich aussehen, aber egal, um der Sache die Spannung rauszunehmen: Hannes ahnte auf einmal, was sich hinter Durnwalder verbarg, und war dann entsprechend gelassen, als wir gutgelaunt und grinsend das Lokal betraten.

Wir haben dann tolle Sachen gegessen, ich einen Hirschrücken mit Blaukraut und Speckknödeln in wunderbarer Weinsoße, die Mädels hatten ein üppiges Knödeltris in geschmolzener Butter mit Parmesankäse und Salat. H aß die Gans. K und ich nahmen uns als Nachtisch einen Kaiserschmarrn.
Nachher setzte sich Hannes zu uns und öffnete eine Anderthalbliterflasche Obstler. Schenkte ein. Und blieb dann einschenken. Und machte mit dem Einschenken weiter. Bis es ungefähr zwei Uhr war. Auch noch an der Bar beim Zahlen. Auch noch als ersichtlich wurde, dass wir nicht mehr wirklich zur Ubahn laufen konnten. Laufen wollten. Als wir das Lokal verließen hörte er aber auf.
OK, nur H und ich hatten uns verführen lassen. K und meine Schwester waren früher zur Vernunft gekommen.

Am nächsten Tag: lange geschlafen. Und dann zum Kollwitzmarkt spaziert. H wollte am Abend für uns kochen und brauchte frische Zutaten. Ziemlich spät am Nachmittag sind wir dann mit zwei kleinen Tüten Kräuter wieder nachhause zurückgekehrt, haben einen Kaffee getrunken, und da hatten wir diese grandiose Idee ins Alexa zu fahren, Lebensmittelgroßeinkauf, H war nämlich mit dem Auto in Berlin, und K und ich müssen sonst ja immer schleppen, das klang so wunderbar: mit dem Auto Großeinkauf machen, hinfahren, einpacken, zurückfahren – also sind wir am späten Samstagnachmittag, zusammen mit ganz Ostberlin, nein: zusammen mit ganz Ostberlin und ganz Brandenburg und ganz Westberlin, ins Alexa gefahren und dort noch richtig shoppen gegangen: Hosen, Hemden, Unterwäsche, Konzerttickets, Schuhe, haben uns durch alle Etagen gedrängt und uns die ganze Zeit gewundert, was für einen unheimlichen Blödsinn wir da gerade machen. Lebensmittel haben wir dann auch gekauft.
Und danach gekocht.

Und dann wurde Sonntag. Viel Zeit in der Küche verbracht. Bei Kaffee und Tee, bis in den Nachmittag hinein, dann haben wir H zum Auto gebracht und uns verabschiedet. Danach war plötzlich Abend und jetzt geh ich ins Bett.

[tagebuchbloggen: 10.12.]

Also nicht, dass es nichts zu berichten gäbe, auch fehlt mir nicht der Ton, doch war es in diesen Tagen eher die Zeit. Also Stichpunktartig (rap-artig, oder wrap-artig, haha, auch wenn Stichpunkte ja nicht umwickelt sind, sondern ausgepackt und ausgelegt, der Rap sollte den Takt geben und das Wrap sollte alles nackig machen, aber ich schweife ab) nachgeholt:

-Mittwoch waren K und ich bei A und N zum Essen eingeladen. Pärchenabend, sehr toll, und das meine ich nicht ironisch.
-Donnerstag ist H aus Wien gekommen und bleibt ein paar Tage. Gestern waren wir also noch weg, K, H und ich, ins Toca Rouge an der Torstrasse essen und nachher noch im Bergstüb’l (das schreibt man wirklich so) an der Brunnenstraße (nicht das in der Invalidenstraße) dreivier Biere getrunken und über Blogs geredet, und über Ästhetik, komische Mischung, war aber richtig.

Überhaupt das Bergstüb’l, eigenartige Bar, man würde sie ja eher im alten Berlin der neunziger sehen, oder wenigstens im hintersten Friedrichshain, oder heute in Neuköln, keine Ahnung was da früher drin war, möglicherweise ein Massagesalon, der hinterste Raum ist weiss gefließt, der mittlere Raum und der vordere haben Holz an den Wänden, und irgendwie ist alles kaputt und verbraucht, dann steht die Bar ein wenig verloren im oberen Teil der südlichen Brunnenstraße, der Teil der nicht so recht weiß was aus ihm werden wird, aber: super Bar, super Musik, super Räumlichkeiten, und super Leute. Nur sind immer so wenig Leute da, dass das Super total im Überfluss ist.
Ich werde da jetzt öfter hingehen, den Rockandroll am Leben zu halten, bevor alles loungemäßig geradegeschaltet wird.

[tagebuchbloggen: 8.12.]

Nach der Arbeit stieg ich auf das Fahrrad und im Schritt riss mir die Hose. Eine Hose die ich mir vor mehreren Monaten gekauft habe, als ich mir vorgenommen hatte, viel Gewicht zu verlieren, doch war ich ziemlich schnell ziemlich euphorisch über meinen schnellen Erfolg gewesen, dass ich die Hose ziemlich früh ziemlich oft angezogen habe. Auch wenn sie noch ein bisschen eng saß. Und heute ist mir das zum Verhängnis geworden. Verhängnis, weil ich nach der Arbeit mit meinen Kollegen zum Bowlen verabredet gewesen bin. Die anderen fuhren mit den AUtos oder mit der Bahn, ich hingegen fuhr mit dem Fahrrad, erst ritsch-ratsch und unterwegs dachte ich mir, irgendetwas unternehmen zu müssen, dann fiel mir ein, dass ich auf dem Weg zur Bowlingbahn ja bei diesem Arkadenteil an der Landsberger Allee vorbeikomme, und Arkaden sind in Berlin ja das Synonym für Geschäfteanhäufung in einem gläsernen und stählernen Bau. Ich kam dann bei den Arkaden an, musste aber feststellen, dass die beste Zeit für die Landsberger Allee Arkaden längst schon gewesen ist, fand dann aber doch noch ein KiK Textildiscount im Untergeschoß, und da gab es Polyesterhosen für 7€ und dann fiel mir dieser Flyer ein, den meine Schwester neulich ins Haus gebracht hat, auf dem draufstand, dass Kik genauso schlimm ist wie Lidl und Aldi, und weil ich bei Lidl und Aldi ja auch einkaufe, habe ich bei Kik auch, nunja, die Sache sein lassen und bin mit gerissener Hose ins Bowlingzentrum geradelt.
Einen Strike habe ich geworfen und zweimal einen Spare. Sonst war ich so ziemlich der Schlechteste.

[…]

Zudem frage ich mich woher diese Empörung von allen Seiten rührt, wenn sich Rockstars daneben benehmen. Galt es früher nicht als guter Stil, das Hotelzimmer zu verwüsten? Galt es nicht als normal, sich die Birne zu betäuben, um das Ganze und noch vielmehr zu ertragen?
Pete Doherty hat gestern in Kreuzberg im Suff randaliert und alle sind empört. Aber vielleicht habe ich früher einfach andere Medien gelesen.

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Die Dinge die am Wochenende passiert sind liegen jetzt zu weit zurück um noch darüber tagebuchzubloggen. Und heute war alles fad.

[tagebuchbloggen: 4.12.]

Ohja. Vorgestern noch »Es« weitergelesen, also vorgelesen, das zweite Kapitel handelt von einem Lynchmord an ein schwules Paar, die Homophoben sollen es gewesen sein, aber in Wirklichkeit war es natürlich der CLown mit den Haifischzähnen, nur glaubt das wiedermal niemand.

Was vorher geschah: meine Schwester und ich hatten uns nach dem Literarischen Nachtclub an der u8 am Alex verabschiedet, weil sie vorgestern die erste Nacht in ihrer neuen Bleibe verbracht hat, sie fuhr also gen Süden und ich gen Norden, das war so das erste mal Abschied nehmen in der selben Stadt, hey schlafgut, sehen wir uns morgen? Das war fast schon normal, so schön auch, das war sehr OK. Eine eigenartige Unaufgeregtheit, die symbolisiert, dass alles gut ist, dass alles so ist wie es sein soll.
Wir hatten uns neulich überlegt Tshirts zu kaufen mit dem Aufdruck u8, wegen des Bekenntnisses zur eigenen Ubahn, denn, sich mit Stadtteilen zu identifizieren ist ja gleich wieder so nazimäßig, sosehr Nation auf Mikroebene, weil man sich mit dem größeren Kontext nicht identifizieren mag. Diese Shirts gibts es im Mauerpark(is-our-park) zu kaufen, zudem ist der Ruf der u8 ja eh schon so schlecht, dass man durchaus eine Art Kultur schaffen sollte um der u8 eine gewisse Liebe entgegenzubringen, zu hypen vielleicht, zu gentrifizieren auf ubahnisch, bis wir alle nur noch in der u8 Prosecco trinkend rumschnöseln. OK das war jetzt albern.
Im Ubahnhof am Alex haben wir dann noch K und ihre Freundin S getroffen, die gerade von einem Abend an der Oper auf die u8 warteten, und das ist so krank, dieses anonyme Großstadtleben, wenn man nachts im Ubahnhof steht, in der Masse der Geischter, plötzlich ein bekanntes Muster erkennt. Warum das jetzt krank sein soll erschließt sich mir nicht ganz, aber das klang eben so gut, dass ich mir den Term nicht entgehen lassen will, den Satz jedoch nicht umbauen will, ist ja alles mühsal.
Zuhause lag B jedenfalls schon im Bett, weil, oh, das hatte ich noch gar nicht erwähnt, wir haben seit vorgestern B aus Wien zu Besuch, B kommt eigentlich aus meinem Dolomitendorf, ist aber eine Studienkollegin von K, sie haben zusammen in Wien studiert, und B hat mich mal beim Autostoppen mitgenommen, ich war damals vielleicht siebzehn, oder achtzehn, immer zu spät für den letzten Bus hinauf auf den Berg (19:20), weswegen ich mich so oft mitten in der Nacht auf die Straße stellen und den Finger rausstrecken musste. B hatte mich damals mitgenommen, ohne zu ahnen, dass sie jemals in Wien studieren würde, und mit einer Studienkollegin befreundet zu sein, die später einmal diesen Typen flachlegen wird, den sie da gerade von der Straße aufgelesen hat.
Das kann man natürlich witzig finden. Ist es auch. Aber mittlerweile ist das ganz normal.

Aber egal. Gestern saß ich dann wieder in der u8 nach Neuköln. Die Wohnung meiner Schwester besichtigen. Sie hatte mir eine wunderbare Suppe gekocht, und dann haben wir ein bisschen geredet, und danach zog sie ihre Kohlestifte und ihre Ölstifte hervor, und legte zwei große Kartonstücke auf den Tisch und wir fingen an zu malen. Nebenher lief ein Feature im Deutschlandradio, die Leute redeten von den Indios in Peru, vom Aufbegehren der einheimischen Minderheit und wie sie zu einer autoritären, patriarchalen Gesellschaftsform verfallen.
Danach machten wir uns auf, um noch eine Runde zu spazieren, ihren Kiez zu erkunden. Als wir das Haus verlassen wollten, klingelte es an der Tür. Es war I, eine alte Bekannte meiner Schwester, Italienerin, Berlinerin, sie hatte Ramazotti und Gin in den Händen, und ihr Mitbewohner, der auch dabei war, hatte eine Familienpackung Vanilleeis bei sich. Sie wollten nur Hallosagen, und fragen wie es geht. Das war sehr nett. Sie begleiteten uns noch ein Stück auf dem Kiezrundgang, wollten dann aber nachhause um die Sachen abzulegen, vielleicht kämen sie noch nach, wir sagten nämlich wir gingen ins Ä an der Weserstraße, das ist so ein bisschen mein Anhaltspunkt in Neuköln, nur weil ich da einmal gelesen habe, und die Location eigentlich ziemlich gut war.

So und jetzt muss ich einkaufen gehen und will nicht mehr weitererzählen.

[tagebuchbloggen: 3.12.]

Ah und dann diese neue Lesebühne im WMF, an der Klosterstraße, der Hardcover-Club, weniger Lesebühne, sondern: literarischer Nachtclub. Frank hat mich neulich darauf hingewiesen, gestern war Eröffnung und dann bin ich mit meiner Schwester hingegangen. Wir setzten uns auf die Seite des Saales – ein großer Raum aus kahlem Beton mit unverputzen Säulen – auf eine schicke Matratze, also nicht, dass das so nach Matratzenlager aussah, die Matratzen machten eher den Eindruck barocker Sofas, aber ohne Beine und Armlehnen, es lag sich vortrefflich darauf, die Beine gestreckt, die geknäuelte Jacke im Nacken, das Bier in der Linken, und so folgten wir den Texten einiger Autoren (Alexander Schimmelbusch und Leif Randt) und hörten einem Duo aus Gesang und Piano zu, wie sie Lieder von Leonard Cohen interpretierten.
Dieses Beiläufige; die nächtliche Stimmung in dem Literatur vorgetragen wurde, die Möglichkeit an die Bar zu gehen und mich rausnehmen, wenn mir ein Text gerade nicht gefiel, wenn ich nicht mehr sitzen wolte. Das gefiel mir alles sehr. Nur die Bar, es war sehr laut, an der Bar sammelten sich die Labergarde, was prinzipiell sehr gut ist, aber die Menschen nah an der Bar konnten den Texten kaum zuhören und so SSSSSSSSSSCHHHHHHHHHH-te es und PSSSSSSSSSSSSS-te es, und ich konnte mich nicht konzentrieren. Den Veranstaltern ging das auch gehörig auf den, öhm, Kübel, aber das wird sich einpendeln, man wird sich etwas überlegen, denn das Reden ist wichtig, das Quatschen, ich meine das Zurückgeben an die Literatur. Oder: das Zelebrieren. So stelle ich mir das vor.

[tagebuchbloggen: 2.12.]

Die Handschuhe sind super, das Fahrradfahren ist wieder angenehm, morgen muss ich früh raus, meine Schwester hat heute Nacht zwei Stunden geschlafen, zum Schlafen eignen sich diese neuartigen Pennstätten in den Hörsälen also doch nicht, sie liegt jetzt nebenan und schläft, K hat gerade Pasta gegessen und ich einen Salat, ich habe heute seit längerem wieder einmal Texte hervorgeholt, nur ein bisschen drübergeschaut, ab nächster Woche werde ich wieder mehr Zeit dafür haben, und gleich gehe ich ins Bett, nehme K mit und lese dann doch »Es« vor, so zum Schlafengehen und um ein paar böse Bilder mit in den Schlaf zu nehmen, natoll, warum mach ich das eigentlich.

[tagebuchbloggen: 1.12.]

Wie sehr mich diese Minarettdiskussion an Penislängen denken lässt. Es darf nur einen geben; der Schwanzvergleich über der Solothurner Skyline. Die Gastgeber sind Gastgeber, glauben immer den Kürzeren zu ziehen und sagen daher wos lang geht (einpacken den Schniedel!) und die Gastnehmer sind nicht Gastnehmer und rufen: Menschenrechte.
Andererseits wurde früher gnadenlos (!) durchgesetzt, dass in protestantischen Gegenden, die kathoholishen Kirchen keine Türme haben durften, ganz neu ist die Angst vor Penisschwund wohl nicht, der Unterschied ist nur wie man heute über diese damalige Sitte staunt und sogar ein bisschen lächelt, und sich des historischen Kontextes nicht bewusst macht. Ganz einszueins lässt sich das natürlich nicht übertragen.

Jedenfalls.

Nach den Bürostunden war ich mit K verabredet, Handschuhe kaufen, ich brauche Handschuhe, es wird wieder kalt und ich fahre Fahrrad, und meine Handschuhe sind- ich weiß nicht, ich glaube, sie waren einmal von Motten befallen gewesen, von innen, das Futter, ich glaube mich an eine Mottenbrutstätte zu erinnern, andererseits bin ich mir da gar nicht so sicher, vielleicht liegen sie bei den Wintersachen und je mehr ich jetzt so schreibend darüber nachdenke, je mehr denke ich mir, wie wenig ich mir über den Verbleib der alten Handschuhe Gedanken gemacht habe, und denke mir: mir doch egal, die sahen ziemlich Scheiße aus.
Handschuhe jedenfalls gefunden. Sehen ziemlich gut aus. Schwarz, Leder, bisschen enganliegend und sie haben so genähte Längsstreifen an der Oberseite, damit das Leder ein bisschen auf Taille macht.

Zuhause haben wir etwas gegessen, dann kam meine Schwester, wir quatschten ein wenig über dies und über das, danach habe ich Stephen King vorgelesen, das erste Kapitel aus »Es« das war so lala: ein kleines Kind läuft einem Papierboot hinterher, trifft im Gulli einen freundlichen Clown (das Kind ist über dem Gulli, der Clown im Gulli drin) der ihn in Stücke reißt.
Wir waren uns nicht sicher ob wir das die ganzen tausend Seiten weiterlesen wollten, und liefen unseren Bücherschrank ab. Der nächste Vorschlag, von meiner Schwester, ging leicht in eine andere Richtung: Infinite Jest, DFW.
Ich las zwei Seiten Probe. Es gefiel. Wir besprachen das Buch, und wir waren uns bald einig: wir wollten eine richtige Geschichte. Die Tage werden kurz, wir fanden, dass das mit dem Vorlesen eine Art Kaminfeuersache werden sollte, und eine Kaminfeuersache hat eine klare Handlung, das steht so geschrieben, also standen wir wieder vor dem Bücherschrank verwarfen viele Dinge, einigten uns auf etwas Kürzeres, suchten weiter, und blieben schließlich bei Bohumil Hrabal hängen. Ich habe den englischen König bedient. Für Hrabal sprach vieles.

Meine Schwester ist vorhin (23Uhr) nach Dahlem zur FU gefahren. Im besetzten Hörsaal schlafen. So fängt man das Leben in Berlin gut an.

[30.11.]

Ich sitze hier und warte auf Mitternacht, weil ich dann gleich ein paar Dinge erledigen werde. Und die dazwischenliegende Zeit kann man effizienterweise tagebuchverbloggen.
Heute nicht viel gemacht, außer mich mit Sachen auf der Arbeit herumgemüht, die sich nicht so umsetzen lassen wie ich sie gerne haben möchte.

Andernseits auch Erfolgserlebnisse gehabt: meine neue Lederjacke. Das heißt, gar nicht so sehr die Jacke, sondern mein Hüftumfang, weil jetzt: Jacke passt um den Hüftumfang herum. Was beim hereinbrechenden Winter durchaus von Vorteil sein kann. Zehn Kilo abgenommen in den letzten zwei Monaten. Vier dieser Wochen habe ich gehungert, mir den Spaß genommen, und danach habe ich einfach anders weitergegessen als früher. Einige Sachen dabei gelernt: mit Essen erschlägt man oft nur einen kurzen Reiz der dem Ziehen an der Zigarette ziemlich ähnlich ist, oder: Wasser ist super! Und mein Körper nimmt immer noch ab, fast als wäre er dankbar und könne sich nun der ganzen Überflüssigkeiten entledigen, die er so lange schon widerwillig mit sich mitschleppt, aber dankbar ist er natürlich nicht, ich weiß schon, dass das Alarmzustand für ihn ist, ein Körper will ja nicht abnehmen, weil er dann denkt, es wäre eine Hungersnot ausgebrochen, oder es gäbe Missernte, weil der Körper ja noch glaubt, er wäre der Körper eines Steinzeitmenschen und nicht eines sitzenden Büroangestellten der zu viel isst und sich zu wenig bewegt und eigentlich immer essen hat, von Alarmzustand kann also keine Rede sein, und von Missernte schon gar nicht, weil Kaisers hat nie niemals keine Missernte, zumindest solange sie bei Kaisers Geld machen wollen, oder solange die Banken frisches Geld nachreichen können, aber wie auch immer, ich lese ja auch viel Schund und ich sagte neulich zu K, vielleicht hätte ich ja Krebs, weil ich mal gelesen habe, dass man bei Krebs auch abnähme, Geiwchtsverlust sei sozusagen ein Indikator für Krebs, weil Krebs: schlauet Ding, nimmt dem Körper das Gewicht und die Gesundheit gleich mit. Aber K beruhigte mich, sie sagte, so ein Zufall wäre zuviel des Zufalls, aber große Worte waren das nicht, und ich fühlte mich ziemlich der Koketterie entlarvt, wobei Entlarvung jetzt voraussetzt, dass das wirklich Koketterie ist, aber mir ist es ernst, und ich wusste nicht wie ich es anders formulieren soll, entlarvung hat so etwas kriminalistisches, das wollte ich immer schon einmal sagen: entlarvung, man fühlt sich so seriös wenn man das sagt, entlarvung entlarvung, irgednwie journalistisch. aber ach.

Noch eine weitere positive Meldung: meine Schwester hat jetzt eine Wohnung gefunden, in einer kleinen Neukölner WG.