[Montag, 22.11.2021 – Frisurtermin, Nackenhaare]

Heute war ich so weise, einen Frisurtermin zu buchen. Der nächste Lockdown steht bestimmt vor der Tür. Nichts ist wichtiger, als gut frisiert dem Lockdown entgegenzutreten.

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Am Abend einen Horrorfilm geschaut, der mir ein paarmal direkt in die Wurzeln meiner Nackenhaare gefahren ist. Ouija 2. Eine Mutter und ihre zwei Töchter verdienen als Hochstaplerinnen mit Geisterbeschwörungen Geld, bis irgendwann ein richtiger Geist kommt, der ziemlich schlechte Laune hat.

Ich bin ein geübter Konsument von Horrorfilmen. Aber dieser Film hat mir auf eine unangenehme Weise zugesetzt. Dieses schwebende Mädchen mit dem geweiteten Mund. Das war wirklich gut gemacht und es geschah mir ein paar Mal zu oft.


Danach im Badezimmer: ich hatte ein paar Stunden vorher die Leiter zurück in den Abstellraum gequetscht. Zwischen Staubsauger und Wäscheständer. Das Geräusch des des Staubsaugers, wie er die Tür des Abstellraumes aufdrückte und herausfiel. Schauder. Die Wurzeln meiner Nackenhaare wollten sich nicht mehr beruhigen.

[Sonntag, 21.11.2021 – Derby, Tromsö, Schwester]

Ich merke, dass sich die Tage aufgrund des Besuches meiner Schwester etwas verwischen. Einen Tag habe ich in der Erzählung gänzlich ausgelassen. Aber das ist ja egal. Wir hatten eine schöne Zeit, sind viel gelaufen und viel in Museen gestanden. Und wir haben viel geredet.

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Am Samstagabend traf ich mich mit ein paar Fussballfreundinnen um das Derby gegen Union zu schauen. Ich war nicht besonders im Derbyfieber. Normalerweise hängt bei mir das Derpypendel ja über der ganze Woche wie so ein schwingender Damokleshammer. Diesmal ist es ein Mix aus schlechtem Vorgefühl und dem Besuch meiner Schwester. Ich hatte sehr schöne Tage mit ihr und deswegen viele andere Gedanken und nur wenige ans Derby.

Ich bin mit meinen Fussballfreundinnen bei mir im Büro verabredet. Im September hatten wir beschlossen, zusammen zu gucken, aber jetzt ist der zwanzigste November, die meisten haben keine Lust auf enge Kneipen. Einige sind zwar ins Stadion zu den Coronaschwurblern aus Köpenick gefahren, aber mir ist das nichts. Darum bot es sich an, zu mir ins Büro zu gehen. Wir haben da einen Beamer und Sofas.

Ich bekam dann die Technik nicht ans Laufen. Erst einige Minuten nach Anpfiff landete das Bild auf der Leinwand. Allerdings funktionierte der Ton nicht. Irgendwann liess ich die Versuche sein, den Ton zu fixen, so schauten wir das Spiel ohne Lautstärke. Im Nachhinein war das besser so. Wir verloren das Spiel 2:0 und ich merkte, dass mich die Niederlage weniger schmerzte, wenn ich keinen Ton habe. Da hört man keine feiernden Gegner, keine runterziehenden Kommentare des Moderators und überhaupt.
Überhaupt erträgt man Niederlagen besser in angenehmer Gesellschaft.

Meine Schwester war in der Zwischenzeit bei einem alten Freund zu Besuch. Nach dem Spiel trafen wir uns zuhause und beendeten den Tag.

Am Sonntagmorgen fuhr sie dann.

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Heute entschieden wir dann die Reise nach Tromsö zu canceln. Es spielen mehrere Faktoren mit. Es gibt im Dezember nur noch ein mögliches Wochenende. Die Flüge sind mittlerweile zu teuer, das Hotel, das wir reserviert haben, geht noch so, aber je mehr wir über Corona reden, desto blödsinniger erscheint die Reise. Sowohl die Reise in vier unterschiedlichen Flugzeugen, wie auch die Qualität des Aufenthaltes vor Ort. Tromsö liegt 300 km nördlich des Polarkreises, heute misst es -5 Grad. Man wird viel Zeit in Innenräumen verbringen. Ein Maskenurlaub ist nicht das gleiche wie ein Maskenball. Die Aussicht darauf erscheint bei längerem Nachdenken nicht so gut.
Das war meiner Laune für den Rest des Tages nicht zuträglich. Das verlorene Derby hatte ich erstaunlicherweise besser weggesteckt.

[Freitag, 19.11.2021 – Humboldtforum, Pickelhauben]

Meine Schwester ist zu Besuch. Wir hatten ein ewig langes Frühstück. Wir saßen etwa drei Stunden lang am Frühstückstisch. Bald wurde es dreizehn Uhr und wir beschlossen, aus dem Haus zu gehen. Um vier wird es ja wieder dunkel. Wir fuhren mit dem Fahrrad zum Hackeschen Markt und liefen dann zum Humboldtforum. EIgentlich wollte meine Schwester in die CHarite. Sie ist Ärztin, sie wollte dort verschiedene Ausstellungen ansehen. Aber alle öffentlichen Bereiche der Charite bleiben pandemiebedingt bis 2022 geschlossen.
Also gingen wir ins Humboldforum, also dem wiederaufgebauten Stadtschloss. Ich bin dem Stadtschloss ja nicht ganz so abgeneigt, wie ein Großteil der Berlinerinnen, auch wenn ich den abgerissenen Palast der Republik ästhetisch ansprechend fand und er hätte stehen bleiben sollen, aber ich finde Rekonstruktionen durchaus akzeptabel und auch ein Ausdruck des Zeitgeistes. Nur finde ich das Schloss an sich nicht so schön. Zumindest nicht den barocken Teil, der wiederaufgebaut wurde. Ich hätte mir mindestens den romanischen, bzw spätmittlealterlichen Ostflügel des Schlosses gewünscht, weil der ein Sammelsurium an Anbauten verschiedener Epochen war. Gerade dieser Teil wurde in unfassbar langweiligem, modernem Rasterstil aufgebaut. Der moderne Ostflügel war als Kompromiss ein Entgegenkommen zu den Gegnern eines Wiederaufbaus.

Nunja.

Von Innen ist der Bau sehr beeindruckend. Das Raumgefühl in diesen 30 Meter hohen Hallen am Eingang. Die Ausstellungen sind OK. Was ich weniger mochte, ist das Fehlen von Beschriftungen zu den Exponaten. Die Erklärungen zu den Exponaten kann man sich auf zentralen Displays aufrufen. Gut gemeint, alles digital, aber intuitiv ist es nicht.

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Geschwister mit Pickelhaube.

Geschwister ohne Pickelhaube.

[Mittwoch 17.11.2021 – Nochmal Bart, Schwester zu Besuch]

Am Morgen rasierte ich dann mit frisch geladenem Akku meinen Bart zu Ende. Das ging nicht gut. An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich die Wartung meines Bartes meiner Frau in die Hände gelegt habe. Das ist noch gar nicht so langer her. Aber offensichtlich habe ich jegliche Kompetenz darin verloren. Mein Bart sah zersaust aus und sichtbar außer Symetrie. Dabei erschrak mich ganz besonders, dass ich die Fehler nicht mehr eigenständig zu korrigieren wusste.

So sah ich den ganzen Tag über seltsam aus. Seltsam jugendlich und ungepflegt. Das macht es nicht besser, wenn man den ganzen Tag in eine Webcam starrt.

Am Abend versuchte meine Frau etwas Balance in meinen Bart zu bekommen, er war aber bereits zu kurz und die Korrektur gelang daher nur in Teilen.

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Um halb neun fuhr ich zum Hauptbahnhof. Meine Schwester kam an. Sie ist die nächsten Tage zu Besuch in Berlin. Das freut mich sehr. Ich habe zwei Tage frei genommen. Wir werden ein paar schöne gemeinsame Tage verbringen.

[Dienstag, 16.11.2021 – talibaniger Bart]

Mein Bart ist wieder so groß geworden, dass ich das Gefühl hatte, mir würde unterhalb der Ohren ein zweiter Kopf wachsen. Vor allem links und rechts unter den Ohren wird der Bart dann immer so talibanig.

Also nahm ich den Langhaarschneider und rasierte die linke Backe, den linken Hals und kam bis zum Kinn. Dann gab der Akku auf. Leere Akkus kommen immer so plötzlich. Und Rasiermaschinen kann man nie gleichzeitig laden und verwenden, ja warum eigentlich nicht, Telefone können das doch auch, aber Rasiermaschinen müssen dann immer stundenlang laden.

So saß ich den Abend mit halbem Bart.

Zwischenzeitlich kam der Lieferant von Trinkteufel Durstexpress Flaschenpost. Dem ist das aber nicht aufgefallen. Oder er war wegen des Trinkgeldes einfach diskret.

[Montag, 15.11.2021 – Ambasciata]

Heute früh auf der Botschaft gewesen um meinen Pass machen zu lassen. Heute wurde ich auf der Ambasciata das erste Mal freundlich behandelt. Keine Ahnung warum.

Am Eingang steht ein älterer Herr mit einer Namensliste und einer Fieberpistole. Zuerst hält er mir die Pistole an die Stirn. Ich habe einen Moment Angst, weil ich gerade 35 Minuten mit dem Fahrrad gefahren bin. Mein Körper fühlt sich wie ein Ofen an. Die Pistole piept aber nicht, also lässt er mich rein. Er fragt nach meinem Namen. Er redet deutsch, dabei hat er einen starken Akzent. Ich antworte auf italienisch, er bleibt aber bei deutsch.

Das macht er mit allen so. Er redet mit allen deutsch, auch wenn Leute kein deutsch können und ihn auf italienisch ansprechen. Er hat eine sehr laute und sonore Stimme, er bügelt einfach über alles drüber, die Besucherinnen verstehen dennoch das Ja und das Nein, und dass sie sich in den Warteraum begeben sollen. Auch Leute, die abgewiesen werden verstehen es. Sein „Nur mit Termin“ ist universal. Oder wenn die Besucherinnen sagen: „I don’t speak german“. Er bleibt konsequent bei der deutschen Sprache.

Danach kommt ein Italiener mit einem komplizierten Problem. Etwas mit der italienischen Gesundheitskarte seiner Frau, die noch in Italien lebt. Das Problem dabei: er spricht nur italienisch und hat keinen Termin. Er will aber unbedingt rein und versteht nicht, warum er nicht hinein darf. Daraufhin interveniert ein junger italienischer Mann. In dem Moment verstehe ich erst: der Pförtner ist kein Italiener.

Auch so ein Ding. Stellste am Empfang der italienischen Botschaft einen Mann hin, der weder englisch noch italienisch kann. Diese Theatralik. Fast genial.

[Sonntag, 14.11.2021 – putzen, Ingmar Bergman]

Heute haben wir uns also der Wohnung gewidmet. Jetzt blitzt sie. Im Sinne von blitzeblank.
Sowas dauert auch mal einen ganzen Tag. Zugegebenermaßen bedeutet Wohnung aufpimpen nicht immer nur putzen, sondern auch Musik hören und quatschen und zwischendrin was essen. So geht manchmal ein ganzer Tag rum.

Beim Aufräumen hörten wir die neue Element of Crime, also die aus 2019. Sie gefiel uns aber beiden nicht so.

In einer der Putzpausen schauten wir in die neue Serie mit Jessica Chastain rein. „Scenes from a Marriage“. Eine Neuverfilmung von Ingmar Bergmans Serie mit dem gleichen Namen. Die Serie besteht wie das Original, fast nur aus den Dialogen der beiden Charaktere und von Nahaufnahmen der Gesichter. Die Frau hat seit einer langen Zeit eine Affäre und will sich trennen. Die Geschichte und die Gespräche sind sehr eindringlich und sie saugte uns sofort auf. Aber bevor ich das weiterschauen werde, möchte ich aber das Original sehen. Deswegen hörte ich auf.

Ingmar Bergman war fünf mal verheiratet und hatte neun Kinder. Das mit dem Heiraten verstehe ich, damals war unverheiratetes Lieben nicht ganz so einfach, vor allem für viele Frauen, aber jedes Mal Kinder? Jedes Mal das Versprechen einer Familie? Gut, auch das kann man sicherlich auf die Epoche schieben.

Seine letzte Frau heiratete er erst 1971. Deren gemeinsame Tochter kam aber bereits 1959 zur Welt. Dazwischen war er mit einer Frau verheiratet und mit einer weiteren Frau liiert. Mit beiden zeugte er Kinder. In „Scenes from a marriage“ spielen zwei Geliebte gleichzeitig mit.

Ich werde demnächst Ingmar Bergman Filme schauen. Schon nur deswegen. Und damit ich Jessica Chastain sechs Stunden lang beim Reden zusehen kann. Das meine ich ernst.

[Samstag, 13.11.2021 – Martinigans, Alleecenter]

Heute habe ich den gestrigen Tagebucheintrag einmal ausgelassen. Grund dafür war eine Nacht mit wenig Schlaf. Als ich dann gegen Mittag einigermassen wach war, hatte ich ein einnehmendes Bedürfnis, den Tag zu beginnen.

Am Vorabend waren wir mit lieben Freunden im Alt-Wien in der Hufelandstrasse, Martinigans essen. Wir machen das seit Jahren. Fast immer in dieser Runde. Letztes Jahr fiel die Martinigans pandemiebedingt aus.

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Nächste Woche kommt meine Schwester, ich muss in der Wohnung noch vieles vorbereiten, das Gästezimmer, die kaputte Duschvorrichtung und vieles mehr. Ausserdem: die Wohnung muss wieder einmal gründlich durchgeputzt werden. Und die Steuerunterlagen müssen sortiert, geprüft und dann endlich auf die Post.

Das meiste haben wir nicht erledigt, wir werden es auf den Sonntag verschieben müssen. Dafür unternahmen wir einen Spaziergang zum Alleecenter an der Frankfurter Allee. Dort gibt es den Laden mit dem Namen DEPOT, da verkaufen sie diese großen Teller mit 28cm Durchmesser. Davon wollten wir ein paar kaufen.
Die großen Teller gab es aber nicht. Dafür kauften wir andere Dinge.

[Donnerstag, 11.11.2021 – Covid, kaputtes Fahrrad]

Saumies geschlafen.

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Es mehren sich jetzt auch wieder die Coronafälle im Bekanntenkreis. Heute gab es insgesamt drei Fälle. Zwei mal betraf es jeweils Kinder. Einmal den Freund direkt.

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Abends holte ich mein Fahrrad ab. Das Licht geht wieder, die Bremsen auch. Dieser Fahrradladen, es ist der beste der Welt. Wenn man das Fahrrad dort gekauft hat, sind alle Reparaturen umsonst. Man zahlt nur Materialkosten. Der Chefreparierer kennt mein Fahrrad. Einmal war mein Pedal gebrochen, als ich es zur Reparatur bringen wollte, stand ich aber vor einer geschlossenen Werkstatt. Es war Ruhetag. Also parkte ich mein Fahrrad gegenüber da ich es nicht nach Hause schieben wollte. Es ist ein altes Fahrrad, das wird nie geklaut. Ich liess das Rad nicht vor dem Laden stehen, sondern gegenüber, auf der anderen Strassenseite. Am nächsten Abend wollte ich das Fahrrad aufschliessen und in die Werkstatt bringen, aber dann sah ich, dass es bereits repariert war.
Ich ging in den Laden und wurde freundlich begrüßt. Er habe das kaputte Pedal gesehen und schon verstanden, dass der Italiener für eine Reparatur am Ruhetag vorbeigekommen war. Er nennt mich den Italiener. Niemand darf mich Italiener nennen. Seit diesem Move mit dem Pedal, darf er das aber. Er selber kommt aus Turin.

[Mittwoch, 10.11.2021 – Russian Leather, Fahradladen]

Ein Kollege arbeitete früher bei Molton Brown in London. Das erzählte er mir vor einigen Monaten nebenbei an der Kaffeemaschine. In jenem Moment nicht wusste er noch nicht, dass ich eigentlich fast nur noch Parfums von Molton Brown verwende, genauer gesagt, die beiden Varianten von Russian Leather, also sowohl das Eau du Toilette, aber noch lieber das Eau de Parfum. Er meinte, er habe noch nie jemanden in Berlin getroffen, der die Marke Molton Brown kennt.
Wir fachsimpeln seitdem immer wieder mal über Gerüche. Erst vor wenigen Wochen, kurz bevor er nach London fuhr. Wir redeten über Geschlechterrollen und Parfums. Er sagte, dass Frauen oft Männer- sowie Frauendüfte tragen, Männer aber nie Frauendüfte. Deswegen ist man auch dazu übergegangen, Duftkategorien anstatt Geschlechterdüfte zu designen, also beispielsweise blumig oder holzig, statt einer Geschlechtszuordnung.

Heute war er wieder da und hatte mir eine Molton Brown Kerze mitgebracht. Russian Leather. Man kann die Essenz des Geruches, ein rauchiges Leder, regelrecht durch die Verpackung riechen.

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Nach der Arbeit traf ich mich wieder mit meiner Frau. Zur Zeit treffen wir uns fast jeden Tag und spazieren zusammen nach Hause. Heute war alles anders. Heute spazierten wir zu meinem Fahrradladen. Die Vorderlampe ist kaputt. An den letzten Abenden geriet ich wegen des fehlenden Lichts in ein paar heikle Situationen mit Autos, die mich zu spät gesehen hatten. Dass ich ohne Licht, mit dunkler Kleidung und Podcasts im Ohr, ziemlich schnell fahre, ist nicht die beste Mischung. Auch die Bremsen sind nicht mehr in Ordnung.

Nachdem ich das Fahrrad im Laden abgegeben hatte, war uns noch nicht so recht danach, den Heimweg anzutreten und so schauten wir in dieses neue georgische Lokal hinein. Wir waren neulich bei einem Spaziergang daran vorbeigelaufen. Ein junges paar aus Georgien öffnete vor einigen Monaten ein Lokal mit georgischen Speisen und Bier von Lammsbräu. Durch die Fenster sah es immer gemütlich aus, also gingen wir hinein, bestellten uns Bier und, nunja, wurden etwas cremig.