[Donnerstag, 2.12.2021 – Auslagefisch, Indien]

Die ganze Wohnung stinkt immer noch nach Rauch. Das merkt man vor allem, wenn man abends nach Hause kommt.

Wir waren vorher auf einen Feierabenddrink in diesem georgischen Café. Wir durften diesmal nicht an dem schönen Tisch am Fenster sitzen, da er reserviert war. Mich trifft das immer, wenn ich nicht an dem Tisch sitzen darf, an dem ich eigentlich sitzen wollte. Das erweckt immer das Gefühl, nicht gut genug für die Auslage zu sein. Vermutlich wäre ich gerne so etwas wie der Premium Fisch, der mit offenem Mund zwischen Eiskugeln in der Auslage eines Fischweibes liegt.

Diesmal musste ich nach hinten. Als meine Frau dann eintraf, gab sie mir ein Zeichen von Weitem, das so aussah wie: was-machst-du-denn-heute-da-hinten-da-sitzen-wir-doch-nie.
Da war es aber auch nett. Seit letzter Woche haben sie alle Tische mit einem Tischtuch bezogen. Das bin ich nicht gewohnt. Tischtücher sind immer so festlich.

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Heute habe ich von den beiden inidschen Mitarbeiterinnen viel Neues über Indien gelernt. Was mich sehr überrascht hat, ist die Tatsache, dass Inder aus dem Nordosten nicht die Sprache von Indern aus dem Südwesten verstehen und deswegen englisch miteinander sprechen. Und nein, weder Bengali noch Hindi ist die Sprache, die alle beherrschen. In vielen Gegenden verweigern sich die Menschen überhaupt Hindi zu lernen, weil Hindi als den anderen übergestülpte Sprache gilt.
Indien ist eigentlich eher so etwa wie es Europa ist, mit vielen verschiedenen Sprachen, Traditionen und klimatischen Gegenden, aber man hat denen dieses Indien eher von aussen übergeholfen. Jetzt gibt es in jedem Kaff irgendeine Unabhängigkeitsbewegung undsoweiter.
Und überhaupt, Pakistan gehört kulturell eigentlich zum indischen Raum, ist also genau so indisch, wie zB Goa indisch ist, aber es hat dich dann wegen einer muslimischen Mehrheit ausgegründet, zusammen mit Bangladesh, das als Ostpkakistan galt, wobei die Bangladesher sich aber eher dem bengalischen Raum zugehörig fühlen, also der ostindischen Gegend um Kalkutta herum und sich deswegen wieder von Pakistan loslösten.

Hat mich total beschäftigt.

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Sonst ist heute nicht viel geschehen.

[Mittwoch 1.12.2021 – Blog per Email abonnieren, Herthaspieler aus Bodø, Popcornkohle]

Ich will schon seit Jahren ein Abonnement dieses Blogs per Email ermöglichen. Damit man nicht immer so mühsam die Webseite ansteuern muss. Dabei dachte ich all die Jahre, dafür bräuchte man ein aufwändiges Plugin und einen Maildienstleister, der sich um die Zustellung kümmert. Aber offenbar ist das ein Standard Feature in WordPress. Um das herauszufinden, musste das Blog volljährig werden.

Also jetzt, tadaa, kann man rechts im Menü die eigene Emailadresse eingeben, um jeden neuen Eintrag per Email zugesendet zu bekommen.

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Hertha hat den ersten Wintertransfer getätigt. Ein norwegischer Linksverteidiger aus Bodø. Bodø liegt 100km nördlich des Polarkreises, etwas südlich von Tromsø. Schon nur deswegen liebe ich diesen jungen Mann.

Ich hoffe, er kommt mit den warmen Wintern in Berlin zurecht.

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Am Abend treffe ich meine Frau am Leipziger Platz. Wir gingen in die Mall. Schauten nach Tellern.

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Zum Abendessen machte ich mir Popcorn. Manchmal gibt es diese Popcornpackungen, deren Inhalt in der Mikrowelle nicht vollständig aufpoppt. Heute blieben sehr viele ungepoppte Maiskerne übrig. Sicherlich ein Drittel. Ich weiss nicht, warum.

Nachdem ich die Gepoppten gegessen hatte, beschloss ich, die Ungepoppten noch einmal in jene Papiertüte zu geben und ein weiteres Mal durch die Mikrowelle zu schicken. Dafür faltete ich die Papiertüte gut zusammen, damit keine Körner aus der Packung entfleuchen.

Etwa eine Minute später raucht die Mikrowelle. Ein dicker Schwaden Rauch tritt aus den Öffnungen der Mikrowellentür hervor. Es sieht bedrohlich aus, ich laufe zur Mikrowelle, schalte sie aus, nehme die Packung heraus (aua Heisssss!) und schmeisse sie ins Waschbecken, wo ich den Wasserhahn aufschraube. Die Popcornkohle ist natürlich unbrauchbar. Die ganze Küche stinkt. Die ganze Wohnung stinkt. Ich muss alle Fenster aufreissen, draussen weht der Sturm und kalte Luft zieht durch die Wohnung. Ich muss mir wärmere Kleidung anziehen, meiner Frau reicht eine Wolldecke.

Der Küchenunfall will mir nicht so recht einleuchten, ich habe nichts weiter gemacht als das, wofür die Packung und der Inhalt vorgesehen war. Nach einiger eingehenden Fehleranalyse denke ich, lag es an der geschlossenen Tüte. Ich verschloss die Tüte zu sehr, sodass die heisse Luft darin nicht entweichen konnte und eine zu hohe Temperatur erreichte. Wenn man die Tüte zum ersten Mal verwendet, dann hat sie ja diesen Luftschlitz, der immer geöffnet bleibt. Das muss es gewesen sein. Ich werde das nächste mal darauf achten. Hier ist es jetzt protokolliert, ich muss nur im Blog danach suchen, bevor ich das wieder mache.

[Dienstag, 30.11.2021 – nasse Oberarme, kaputtes D]

Heute früh kam ich nass in der Arbeit an. Als ich von zuhause losfuhr tröpfelte es nur vereinzelt, nach zehn Minuten aber ein bisschen mehr. Zwar hatte ich die Regenjacke in meiner Tasche, aber wenn ich mal in Schwung bin, dann ist mir Regen meist egal. Was heute anders war: meine Oberarme waren nass.

Normalerweise trockne ich an meinem Schreibtisch recht schnell aus. Von der Radfahrt bin ich noch eine Weile lang wie ein Ofen, das hilft der Verdunstung. Nur die Oberschenkel sind meistens durchnässter als der restliche Körper, aber feuchte Oberschenkel stören mich nicht.

Heute hatte ich allerdings feuchte Oberarme. Keine Ahnung wo das nun herkommt. Etwa eine Stunde lang hatte ich komische Gefühle. Irgendwann merkte ich, dass ich mich an nasskalten Oberarmen störte und das komische Gefühl von dorther kommt. Meine Oberarme waren vor Nässe regelrecht ausgekühlt. Also ging ich ins Badezimmer und föhnte mir die Oberarme warm.
Danach ging es mir besser. Seltsame Sache.

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Im Büro ist über Nacht meine Tastatur kaputt gegangen. Die Taste „D“. Sie will nicht mehr richtig. Manchmal geht sie, meistens aber nicht. Dummerweise kommt in meinem Passwort ein „D“ vor. Das dauerte heute ewig, bis ich den Bildschirm entsperrt bekam. Da wusste ich noch nichts von dem defekten „D“, das fand ich erst später heraus. Ich hatte schon begonnen, die Schuld bei mir selbst zu suchen, so schlimm war das.

Noch schlimmer fand ich, dass ich in der Zwischenzeit auf eine flache Rubberdome Tastatur ausweichen musste. Ich hasse solche Tastaturen. Seit ich auf mechanischen Tastaturen arbeite, fühlen sich alle gewöhnlichen Tastaturen wie Mickymaustastaturen an. Als würde man von einem Grand Piano auf ein billiges Midiklavier zurückgestuft.

Ich bestellte mir eine Tastatur von Razer. Die bauen ziemlich gute mechanische Tastaturen, die auch leise genug sind, um unter Kolleginnen verwenden zu können. Dabei hatte ich die Black Widow Lite ins Auge gefasst, eine mit orangenen Switches und ohne Nummernblock. Orangene Switche verbinden die Vorteile von braunen und von roten Switches. Sie haben genug Taktilität für einen Vieltipper wie mich, allerdings mit der Leisigkeit von roten Switches, die noch einmal mit einer Schalldämpfung versehen sind.
Nachdem ich die Bestellung aufgab, wurde ich informiert, dass es zu Verzögerungen kommen kann. Jetzt sehe ich mich schon wochenlang auf einer Spielzeugtastatur arbeiten. Ich hasse es jetzt schon.

[Montag, 29.11.2021 – hängende Krabbenaugen]

Der Tag fing eigentlich ganz gut an. Und gegen Abend hin endete er auch wieder gut. Aber zwischendrin hing er eine ganze Weile ordentlich durch.

Heute wurde Pal Dardai als Cheftrainer bei Hertha entlassen. Ja, Pal hatte keine gute Zeit mehr. Man sah es ihm schon länger an. Während der Spiele stand er nicht mehr an der Seitenlinie sondern sass nur noch teilnahmslos auf seiner Bank oder entspannt und gut gelaunt, wie wenn man den Eisbären im Zoo beim Spielen zusieht.

Es würde nicht mehr lange gehen mit Pal. Inzwischen hangelt der Club wieder von Pleite zu Pleite, späte Gegentore in der siebten Minute der Nachspielzeit, die vielen verpufften Millionen, die man nicht auf den Rasen gekriegt hat, und überhaupt, dieser unsympathische Investor, dann im Osten der Kultclub, der wiederum mit der Hälfte des Budgets haufenweise Siege einfährt, alle lachen über uns, bei uns will niemand mehr ins Stadion, gerade einmal 15000 waren am letzten Samstag da, nunja, wir haben uns in der Pandemie immer anders verhalten als unser Nachbarclub, aber die Dinge werden nicht besser.

Also ja, mit Pal würde es nicht weitergehen. Warum auch immer wir da gelandet sind. Es war ein bisschen überraschend, dass es gerade heute passierte. Dann denkst du dir, die wissen schon, was sie tun, wenn sie die Reissleine ziehen und Herthalegende Pal gehen muss. Dann haben sie sicherlich eine Lösung, die dem eingeschlafenen Zustand unter Pal, neues Leben einhaucht. Und dann kommt: Korkut.

Bei Telegram gibt es viele Sticker, mit denen man hängende Schultern oder hängende Köpfe symbolisieren kann. Einer meiner Lieblingssticker ist „Grab this Crab„. Eine kleine Krabbe, die Dinge tut. Eines seiner Dinge ist: auf dem Boden liegen, kurz aufschauen und dann alles wieder fallen lassen. Das macht er mit seinen runden Krabbenaugen. Diese Kraftlosigkeit mit der er seine Krabbenaugen fallen lässt. So war mein Montag 29. November 2021.

Und alle 5 Minuten fühlte ich mich so:

[Sonntag, 28.11.2021 – Eislandschaften, das Steuernmachen]

Heute maß es -1 Grad. Ausserdem ist erster Advent. Was noch mehr? Heute probierte ich Schlafhypnose-Stimmen. Das war morgens, ich wollte noch ein wenig dösen. Meine Frau spielte mir eine Audiodatei, mit dem Titel „Igloos and the North Pole“ vor, eine Frauenstimme, die von Eislandschaften redete. Ich kann mich nur noch an einen Wind erinnern und dann eine Frauenstimme, die von einem weichen Bett im Schnee sprach. Über mir ein Himmel. Dann war ich weg. Natürlich würde ich in einem wirklichen Schneebett frieren. Allerdings soll es kurz vor dem Kältetod auch zu einer wohligen Wärme kommen, sagt man. Innen wie aussen, und überhaupt.

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Heute beendeten wir auch die Steuern. „Die Steuern machen“. Das ist ein ähnliches Sprachbild wie „Homeoffice machen“. Mein amerikanischer Mitarbeiter wunderte sich neulich darüber, dass man auf deutsch Homeoffice macht, anstatt zu sagen „I am working from home“ oder „I am working from my homeoffice“. Die ganze internationale Community in Berlin sagt mittlerweile: I am doing Homeoffice.

Mit „Steuern machen“ ist bei uns nur gemeint, die Unterlagen für die Steuerberaterin zusammenzusuchen und vorsortieren. Wir hassen das beide so sehr. Es dauert bei uns immer Monate.

Als die Mail an die Steuerberaterin raus ging und wir den dicken Brief mit den analogen Papieren zuklebten, bestellten wir uns eine Pizza. Es ist Steuertag. Das feierten wir auch letztes Jahr schon mit Pizza. Es ist der Anfang einer Tradition.

[Samstag, 27.11.2021 – paar Gedanken zu Winter, Licht und Europa]

Unsere Nachbarn sind heute für drei Monate zu ihren Familien nach Indien verreist. Das machten sie letzten Winter auch. Die Frau hat ein bisschen Angst vor der dunklen Jahreszeit.
Vorher wohnten sie zwei Jahre in Paris, jetzt zwei Jahre in Berlin. Eigentlich wollten sie bleiben. Diese dunklen Winter in Europa fänden sie aber sehr einschüchternd.

Ich habe erst vor einigen Jahren begriffen, wie weit oben auf der Erdkugel sich Europa befindet. Vergleicht man es mit den USA, dann befindet sich New York C ungefähr auf der Höhe von Madrid. Ein Bekannter von mir wohnt in der Nähe von Montreal in Quebec, da sind die Sommer eher kurz und er hat bis in den Mai hinein Schneehaufen vor seiner Haustür. Zieht man eine Linie von seiner Stadt bis nach Europa, landen wir etwas nördlich von Bordeaux. Zieht man von Berlin eine Linie gegen Westen, landet man in Zentralkanada bei einem Naturpark für Eisbären. Genau. Eisbären.

Meine indische Kollegin zog letztes Jahr im November nach Berlin. Als sie noch in Indien lebte erzählte ich ihr von den großen Lichtunterschieden im Winter und im Sommer. Sie freute sich vor allem auf die langen Sommertage. Bei ihr zuhause ging die Sonne immer zwischen 6 und 7 unter. Jeden Tag. Das ganze Jahr.

Im Winter sehe ich hier manchmal den Tag nicht. Wenn ich nach Hause fahre, ist die Sonne schon lange untergegangen. Glücklicherweise fahre ich morgens meist spät ins Büro. Die Fahrt ins Büro ist im Dezember meine tägliche Ration Licht. Falls ich in der Mittagspause spazieren gehe, verzieht sich das Tageslicht schon in Richtung Abend.

Vor einigen Jahren schrieb mich eine frühere Bekannte aus Madrid an. Sie würde für ein Jahr nach Köln ziehen, sie wollte wissen, auf was sie sich vorbereiten müsse. Dicke Pullover? Wie viele Lagen? Welche Jacken? Und Schuhe? Das war ein lustiges Gespräch. Es wurde ein sehr milder Winter. Dieses Schreckensgespenst.

Ich habe mich jetzt auf den Winter eingestellt. Das beginnt meistens Anfang November. Oft durch die Zeitumstellung. Auch wenn Licht und Wärme eine feine Sache sind, kann ich dem Winter als dem Gegenentwurf dazu, viel Freude abgewinnen. Schlimm finde ich nur März und April. Diese Zwischenzeit, in der es nicht mehr Winter ist, man aber noch wie im Winter lebt. Diese zwei langen, grauen Monate bis das Land wieder auftaut.

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Und die Pandemie wirft eine neue Welle auf. Ich stelle mich auf einen neuen Coronawinter ein. Coronawinter fühlt sich wie ein langes Weihnachten an.

[Freitag, 26.11.2021 – Bloggeburtstag, Blog volljährig]

Das Blog ist in diesem Monat 18 Jahre alt geworden.

Bereits im März jenes Jahres 2003 begann ich Tagebuchnotizen auf meine Webseite zu schreiben. In HTML. Jeden Tag ein paar Zeilen. Ich wohnte damals in Madrid, die Domain hiess antarctica.dhs.org. Eislandschaften verfolgen mich offenbar schon seit langem.

Ich suchte dann nach einer richtigen Domain, die DHS-Subdomain fand ich doch etwas amateuristisch. Da mich alle Menschen Mek nannten und ich in Spanien wohnte und immer schon eine Vorliebe für schlechte Wortspiele hatte, besorgte ich mir mequito.org.
Seitdem schreibe ich. Früher viel, dann ein paar Jahre etwas weniger, dazwischen immer wieder ein paar mehrwöchige Tagebuchwellen, aber immer wenigstens einen Eintrag pro Monat, seit Februar diesen Jahres schreibe ich wieder Tagebuch, Tag für Tag, zehn Monate, das war so eigentlich nicht gedacht, aber der Flow hält an.

Es gibt wenige Konstanten in meinem Leben. Die längste Konstante ist mein Blog. Ein sehr larmoyantes Grabsteinzitat, muss ich zugeben.

Im Sommer dieses Jahres überlegte ich, die Volljährigkeit meines Blogs zu feiern. Vielleicht sogar mit Freundinnen und vielleicht sogar öffentlich, mit einer Bloglesung, warum nicht, wie früher in den Nullerjahren. Bloglesungen waren immer großer Spass, es fühlte sich avantgardistisch an, dieses Geschichtenschreiben im Netz, dann diese Geschichten aus dem Netz zu holen und sie auf eine Bühne zu stellen. Dann Bier und Wein. Ein Brutkasten der Literatur. Einige sind ja richtig berühmt geworden.

Aber mir war schon bewusst, dass wir im November noch nicht hemmungslos feiern werden können. Immerhin gibt es noch weitere möglichen Jubileen, zB. das Zwanzigjährige, oder das Dreissigjährige. Die Pandemie geht sicherlich irgendwann vorbei. Haha.

[Donnerstag, 25.11.2021 – Frisur, Impfung, Stalinallee]

Am Morgen ging ich mir die Haare schneiden lassen. Die Frisörin war neu, und sehr jung, anfang zwanzig vielleicht. Auch sie war sehr nett, wie alle ihre Kolleginnen im Salon, wir plauderten ein wenig, über Corona, wie es in unseren Familien und im Freundeskreis gegangen sei, irgendwann fragte ich sie beiläufig ob sie geimpft sei. Eine Frage, bei der ich automatisch ein Ja erwartete, weil ich davon ausgehe, dass Menschen, mit denen ich eine angeregte Konversation führe, in der Regel mit einer gewissen Vernunft daherkommen und sich deswegen auch impfen lassen. Ausserdem dachte ich, wenn ein Mensch so viel physische Nähe zu vielen fremden Menschen hat, sich selbst schützen will. Und ja ich weiss, es ist vielleicht naiv, aber ich dachte wohl auch, dass man sich auch als Dienst an den Kundinnen impfen lassen würde. Man ahnt es am dramaturgischen Aufbau der letzten Sätze: sie antwortete mit einem Nein.

Daraufhin wusste ich erst mal nicht, was ich sagen sollte. Ich sass da mit einer geschnittenen und mit einer zotteligen Kopfhälfte. Am liebsten wäre ich aufgestanden, aber mit asymetrischen Haarschnitt blieb ich einfach sitzen.

Ich machte auch nachher kein Thema daraus, aber es ärgerte mich den ganzen Tag.

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Am Abend traf ich mich mit einem Freund in einem dieser Cafés an der Karl Marx Allee. Das Lokal hat im Inneren viele alte Art-Deco Elemente. Art-Deco hatte ich eigentlich nicht erwartet, die Häuser sind ja im sozialistischen Zuckerbäckerstil gebaut, architekturhistorisch also dem Neoklassizismus zuzuordnen. Und Art-Deco ist ja eine Weiterentwicklung des Jugendstils, oder?. Müsste ich mal googlen. Optisch passt es ja durchaus.

Letzte Woche haben auch meine Schwester und ich die Häuser etwas genauer angeschaut. Der sogenannte Stalin-Stil ähnelt sehr dem Bozner Mussolini-Stil, der zwar etwa 20 Jahr älter und wesentlich strenger ist, aber vor allem bei Hauseingängen und Treppenhäusern erkennt man die Ähnlichkeit zur Bozner Freiheitsstrasse.

[Mittwoch, 24.11.2021 – Ampelkoalition, Hetztraum]

Die neue Koalition hat sich bereits zu einigen modernen Themen bekannt, die mich sehr freuen. Der Abtreibungsparagraph wird gestrichen, das Transsexuellengesetz wird abgeschafft, Cannabis wird freigegeben. Es wäre schön, wenn auch Sterbehilfe geregelt werden würde. Leider wird das Tempolimit auf Autobahnen nicht kommen.

Es wundert mich, dass der Spiegel schreibt, das Verkehrsministerium würde „natürlich“ an die FDP gehen. Ich hatte immer das Gefühl, Verkehr wäre ein wichtiges grünes Anliegen. Wenn man von Verkehrswende spricht, geht das eigentlich nur mit den Grünen, oder? Vielleicht liege ich aber falsch, die Liberalen haben mich trotz Besserverdienerpolitik immer wieder mal überrascht, weil Liberalität auch einfach, genau, Liberalität bedeutet, nicht nur im wirtschaftlichen und darwinistischen Sinne. Mal sehen.

Immerhin geht das Gesundheitsministerium an die SPD.

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Am Abend trafen wir uns wieder in diesem neuen georgischen Café bei uns um die Ecke. Das habe ich letzten Mittwoch nicht erwähnt, weil meine Schwester kam und den Mittwoch davor hatte ich es nicht erwähnt, weil- jetzt muss ich mal nachschauen. Ah doch, ich hatte es erwähnt.

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Heute wendete ich das erste Mal Suizid in einem Alptraum an. Und es war erfolgreich. Ich stand irgendwo südlich von Berlin und war in Mitte verabredet. Zuerst stieg ich in die falsche Bahn, dann musste ich wieder zurück, allerdings war das ein anderer Bahnhof, was ich viel zu spät merkte und dann suchte ich nach anderen Lösungen und so wurde der Traum zu einem Hetztraum. Nach einer langen Hetzerei um die Zeit, stand ich lange Zeit später immer noch auf diesem Bahnhof mit einem Polizisten, der mich beruhigen wollte. Wir standen auf einer Betonplattform und er redete auf mich ein, während ich ihm zu erklären versuchte, dass ich da weg muss. Als links und rechts von uns gleichzeitig die lang ersehnten Bahnen eintrafen, diese aber beide die falschen waren, merkte ich: oh! Das ist bestimmt ein Traum. Und dann fiel mir ein, dass ich künftig solche Situationen mit Suizid lösen wollte. Also beschloss ich, mich vor den Zug zu schmeissen. Als die Lok sich mir näherte, zögerte ich kurz, ich bin in Suizid nicht sonderlich geübt, ich sagte dem Polizisten, dass ich mich gar nicht beruhigen müsse, das sei nur ein nerviger Hetztraum, aber das verstand er natürlich nicht, Polizisten sehen ja nie den größeren Rahmen, die verstehen immer nur den Moment, ich sagte also, ich müsse mich jetzt umbringen, aber auch das verstand er nicht, also ließ ich mich vor den einfahrenden Zug fallen.
Dann wachte ich ziemlich aufgewühlt auf. Aber es war eine Wohltat.

[Dienstag, 23.11.2021 – noia]

Den ganzen Abend lang bin ich seltsam lustlos. Und Antriebslos. Ich hänge im Netz herum und bin eigentlich nur gelangweilt. Es ist nicht schlimm. Manchmal ist das so.
Ich hätte die Gelegenheit nutzen und einmal früh ins Bett gehen sollen. Stattdessen hänge ich weiter herum.

Kurz vorm Schlafengehen nehme ich die Arbeit an einem etwas längeren Text für das Fanclubblog wieder auf. Es ist ein Text, der die Beiträge mehrerer Mitglieder enthält. Ich muss den Text noch ein bisschen in Form bringen. Dann stecke ich plötzlich in Arbeit, bin super motiviert und denke nicht mehr ans Schlafen.