[Samstag, 15.5.2021]

Es ist Samstag, der 15. Mai. Ich habe den Whatsapp Datenschutzbestimmungen immer noch nicht zugestimmt und kann es immer noch uneingeschränkt nutzen. Wenn eine Firma wie Facebook eine Sache nicht will, dann ist das schrumpfende Nutzerzahlen. Ich will sehen wie das vollzogen wird. Heute wurde bekannt gemacht, dass sich das Ultimatum um mehrere Wochen verschieben wird. Ich schaue einfach untätig zu. Ich sitze mitten drin und schaue einfach zu. Einer Firma beim Zögern zuschauen, wie sie nicht über ihre eigenen Geschäftsprinzipien springt. Das ist pure Schönheit.

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In letzter Zeit spazierten wir ein paarmal durch den St.Petri Friedhof an der Friedensstrasse. Meist eher zügig und auf den breiten Wegen, als kleiner Umweg um zur Landsberger Allee zu gelangen. Heute sind wir von den großen Pfaden abgekommen und wurden von der Schönheit der verwilderten Teile des Friedhofs überrascht. Wir schlenderten sehr langsam durch fast vollständig zugewucherte Bereiche. Riesige, marmorne Familiengräber, aus denen Bäume wachsen.
Ich bin im Friedhofswesen nicht so bewandert und weiss daher nicht, warum solche riesigen Gräber noch stehen. Abgesehen vom historischen Wert natürlich, aber Kirchengemeinden und ihre Friedhöfe sind am Ende keine karitativen Einrichtungen und wenn das Nutzungsrecht abläuft, werde Gräber schließlich auch entfernt. Ich frage mich daher, ob diese Familien vor 100 jahren einfach einen großen Batzen Geld in die Hand genommen und sich ein langes Nutzungsrecht erkauft haben. Die meisten Toten in diesen Gräbern sind zwischen den beiden Weltkriegen verstorben. In seltenen Fällen wurde noch jemand in den Fünfzigern nachbestattet.

Ich denke mal, dass Familien hier etwas Bleibendes haben wollten. Für die Nachfolgenden Generationen, in Erinnerung bleiben, vielleicht auch ein Ort in dem ihre noch unbekannten Nachfahren einen letzten Ruheort finden würden, zurück nach Hause. Seit den Zwanzigern wollte sich da niemand mehr begraben lassen. Seit Jahrzehnten interessiert das Grab niemanden mehr. Jetzt wachsen die Bäume. Aber das Grab ist noch da. Die Inschriften, die Namen, das Sterbedatum, die Symbole. Diese Familien müssen einst vermögend gewesen sein. Womöglich haben sich die Nachfahren abgekehrt.

Ich wünschte, ich hätte einen Friedhofswächter fragen können.

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Auf Friedhöfen auch immer dieses Gefühl der Versöhnung mit dem Sterben. Der Tod wird immer nur in den Einzelschicksalen übermächtig und finster. Auf Friedhöfen sieht man die einzelnen Schicksale immer in einem breiteren Zusammenhang. Dieses Gefühl, dass wir alle einfach sterben werden, ist sehr beruhigend und hat eine gewisse Leichtigkeit.

Aber dann das Grab des Vierzigjährigen. Auf dem Grab befindet sich Spielzeug. Unter seinem Namen steht eingraviert: Du warst mein Superheld.

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Um halb vier ist das Spiel gegen Köln. Uns reicht ein Unentschieden um die Klasse zu halten, wenn Bremen oder Bielefeld auch ein Unentschieden spielen. Und genau so passiert es.
Nach dem Spiel bin ich sehr erleichtert. Eine harte Saison geht zu Ende. Die zweite harte Saison in Folge. Ich kann mich jetzt langsam an die vielen dramatischen Einzelgeschichten dieser Saison erfreuen. Die Niederlagen, die Pleitenserien, die Entlassung der Geschäftsführung, des Trainers, die Quarantäne. Die Saison war nicht ganz so dramatisch wie die vorige Saison mit Klinsmann und Facebook live, aber ich will hier jetzt keine Ansprüche stellen.

In meiner Facebook- und Twittertimeline wird der Klassenerhalt gefeiert. In der Berichterstattung nach dem Spiel wird oft eine Szene wiederholt, in der Cunha dem Trainer Pal Dardai eine große Schachtel mit Zigarren überreicht. Unser Trainer tritt später per Videocall im Sportstudio auf. Er sitzt grinsend in seinem Garten und zieht an einer Zigarre. Ein ikonisches Bild.

[Freitag, 14.5.2021]

Morgens klingelte ein Paketdienst. Ein Paket für meine Frau. Erdbeeren in Schokolade. Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Erdbeeren in Schokolade. Das fühlt sich falsch an. Aber der Inhalt gibt optisch viel her, es sieht wie eine sehr edle Pralinenschachtel aus, große, erdbeerförmige Pralinen in verschiedenen Schokoladentönen. So sehen Geschenke aus.
Ich darf mich über den Inhalt hermachen und ich stelle mit einigem Erstaunen fest, dass die Mischung funktioniert, also Erdbeeren mit Schokoladenkruste.

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Heute ist der letzte Tag, an dem man Whatsapp benutzen kann, ohne den neuen Datenschutzbestimmungen zugestimmt zu haben. Ich habe lange darüber nachgedacht, Whatsapp von meinem Telefon zu nehmen. Es wäre ein guter Zeitpunkt, weil bereits so viele Leute wegen des Kommunikationsdesasters bezüglich der neuen Datenschutzbestimmungen aufgeschreckt waren. Und es ist eigentlich wirklich an der Zeit, allen Facebook Companies den Rücken zu kehren. Es hat eine Trendwende stattgefunden, dass man sich nicht mehr ständig ausspionieren lassen will.

Dennoch werde ich Whatsapp vorerst nicht löschen. Zum einen habe ich noch keinen Backup der Chats erstellt und habe auch gerade keine Lust mich mit Whatsapp-Backups auseinanderzusetzen und zum anderen verwende ich ja noch weitere Apps von Facebook Companies, also Instagram und Facebook selbst, es wäre daher lediglich Augenwischerei, mich von Whatsapp aus Datenschutzgründen zu verabschieden.
Instagram verwende ich fast ausschließlich um Stories der Einwohner von Longyearbyen zu schauen und Facebook verwende ich noch zum Facebookstalken von Leuten und um automatisierte Videoempfehlungen anzuklicken, die ich dann in total verblödeten Launen schaue, also lustige Tiervideos, lustige Fails, lustige Pranks. Totaler Käse.

Mit Facebook ist in den letzten paar Jahren etwas passiert. Ja, die laufende Erzählung, dass nur noch die alten Leute auf Facebook sind, mag da mitgewirkt haben, aber irgendwo über diesem blauen Browserfenster scheint auch immer die selbstverliebte Fresse von diesem Zuckerberg zu hängen. Sogar meine Mutter will Facebook nicht nutzen, „weil da immer alle mitlesen“. Dass Whatsapp auch mit dringt hängt weiss sie nicht und, dass Google und die sogenannten anderen ja nicht unbedingt besser sind, sei mal dahingestellt. Finde es dennoch schön zu sehen, was mit Facebook passiert ist oder zu passieren scheint.

Ausserdem: wenn ich einen Blogeintrag auf Facebook verlinke, gibt es vielleicht 5 Klicks, höchstens zehn. Wenn ich den gleichen Eintrag auf Twitter verlinke, gibt es etwa zehnmal so viele. Früher war das umgekehrt.
Das mag sicherlich auch ein meiner persönlichen Blase liegen und Twitter ist viel mehr eine Blase von Leuten, als Insta oder Facebook, die gesellschaftlich wesentlich breiter und diverser sind.

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In unserem Fanclubshop gibt es übrigens neue Ware. Vor allem die Pixelfahne finde ich gut. Und natürlich das „Liberté, Egalité, BSC“.

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Heute war ein guter Tag im Büro. Wenn niemand arbeitet und unterbricht, ist das gut fürs Gemüt.

[Donnerstag, 13.5.2021]

Es ist mitten in der Nacht, es regnet. Ich öffne das Fenster. Und schlafe ein.

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Es ist ein Feiertag. Vatertag. Deutscher Vatertag. Himmelfahrt als Vatertag gibt es ja nur in Deutschland. In Südtirol feiert man den Vatertag im März, aber ich vergesse das Datum immer, es ist der Josefstag, was ja durchaus sinnvoll ist, wegen des Schreiners aus Nazareth, der religiöse Begründer der Patchworkfamilien.

Am Vatertag sollte man dem Vater Vatertagsgrüße schicken. Aber Vatertag ist einer dieser Tage, an die ich mich nicht gut selbstständig erinnern kann. Das ist einer dieser Tage, bei denen ich mit dem Flow mitschwimme und wenn es dann überall im Internet steht, fasse ich mir an den Kopf: oh es ist Vatertag, nicht vergessen, Vater anzurufen.

Das Problem mit dem deutschen Vatertag ist aber schon seit vielen Jahren jenes, dass der italienische Vatertag dann bereits stattgefunden hat und wenn ich anrufe, ich mir natürlich anhören muss, dass ich den Vatertag vergessen habe. Mittlerweile rufe ich deswegen am deutschen Vatertag nicht mehr an. Ich lerne.

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Während ich Sport betreibe, befinde ich mich oft in einem mentalen Zustand, in dem ich Zeit habe, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Wenn ich zuhause die immergleichen Fitnessvideos nachahme, scanne ich oft die Bücherwand ab, und da ich mich eher an jener Seite des Regales befinde, in der die Bücher meiner Frau eingeschoben sind, stoße ich immer wieder auf mir unbekannte Titel, die mich während des Sporttreibens wesentlich mehr interessieren als das Sporttreiben. Ich drifte dann gedanklich etwas ab und freue mich auf das Ende des Sports, damit ich gleich das entsprechende Buch aus dem Schrank ziehen kann.

Wenn die Sportübungen dann vorbei sind, bin ich aber mit den Gedanken wieder woanders. Das ist fast jedes mal so.

Diesmal hat mich aber ein Buchtitel, den ich schon öfter erspäht hatte, länger beschäftigt, bis über die Sportübung hinaus. Following the wrong god home. Von Catherine Lim. Dieser Titel. Das Following the god. Das Following home. Das Following the wrong god. Und das wrong.
Dieses innere Bild. Schwerer Regen. Die Demut über falsch getroffene Entscheidungen, die fehlende Kraft, davon loszulassen. Eine moralische Instanz. So stellte ich mir das vor, während ich crunches machte.

Meine Frau hatte das Buch vor etwa dreissig Jahren gelesen, sie wusste nicht mehr viel darüber zu berichten. Meist kein gutes Zeichen.
Als die Übungen vorbei waren, blieb ich liegen, robbte zum Schrank und zog das Buch hervor. Eine Liebesgeschichte im Singapur der Achtziger Jahre. Das Buch wird im Internet eher als langweilig bezeichnet.

[Mittwoch, 12.5.2021]

Heute hatte ich viele Dinge nachzuholen, die in den letzten beiden Tagen liegengeblieben sind.

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Huch, morgen ist ja Feiertag.

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Am Abend kam ich wieder zu spät zum Spiel. Es ist das Nachholspiel gegen Schalke. Es waren bereits fünf Minuten gespielt. Das erste, was ich sah, als der Fernseher ein Bild anzeigte, war die gegnerische Mannschaft, die sich freudig feiernd in den Armen lag. Das ist kein schönes Bild im Abstiegskampf und machte ziemlich sofort ziemlich schlechte Laune.
Unserer Mannschaft fehlten 8 wichtige Spieler. Für die nächste Partie am Samstag werden drei weitere fehlen.

Aber es zahlte sich aus, bis zum Ende zu schauen. Ich verlasse niemals ein Spiel vorzeitig, da ich gutgläubig genug bin, dass ich auch noch an zwei oder drei Toren in der allerletzten Minute glaube. Heute galt es nur aus einem 1:1 ein 2:1 zu machen. Und genau das machte unser zwanzigjähriger Nachwuchsstürmer Jessic Ngankam. Er fing den Pass ab, legte sich den Ball zurecht wie ein Champion, blieb auf engem Raum nervenstark und fand diese eine Lücke in die der Ball passte.
Mit solchen technisch feinen Toren rechne ich gar nicht mehr, da sie in unserer Mannschaft schlichtweg nie passieren.

Am Samstag müssen wir eigentlich nur ein Remis erzielen, wenn Bielefeld oder Bremen auch ein Remis erzielen, dann haben wir den Klassenerhalt geschafft.

Mit diesem Gefühl lege ich mich ins Bett und schlafe friedlich ein.

[Dienstag, 11.5.2021]

Heute ging es mir etwas besser. Es waren am Vortag ein halbes Dutzend ganz unterschiedliche, emotional sehr stressige Sachen innerhalb weniger Stunden passiert. Ich bin etwas beeindruckt, wie hart das an mein Nervenkostüm ging.

Es ist vermutlich ein Vorgeschmack dessen, was bei einem Burnout passiert. Wenn unterschiedliche, stressige Sachen gleichzeitig über einen längeren Zeitraum auf jemandem einwirken. Ich bin eigentlich sehr stressresistent, besser ausgedrückt würde ich sagen, ich empfinde so gut wie nie Stress, ganz selten nur, und wenn es passiert, dann weiss ich es immer ganz gut so zu handhaben, dass es mir nichts antut.

Für mich sind das immer Handhabe-Mechanismen. Für jede Art von emotionalen Stress gibt es einen Handhabe-Mechanismus. Wenn aber zu viele unterschiedliche dieser Situationen auftreten, dann kann man nicht genügend unterschiedliche Handhabe-Mechanismen aus der Hosentasche ziehen und es landet alles geradewegs und ungefiltert im Brustkorb.

Aber ich habe Eisbärensocken geschenkt bekommen. Ich finde es schön, dass Menschen an mich denken, wenn sie Eisbären sehen.

Apropos Eisbären. Da ich hier in unregelmäßigen Abständen die Webcam von Longyearbyen verlinke, finde ich, ist heute wieder ein guter Tag, sie zu verlinken. Und nachts scheint dort wieder die Sonne.

https://longyearbyen.kystnor.no/

Wir sprachen heute auch über unsere Reise dorthin. Norwegen hat das arktische Archipel während der Pandemie ja ziemlich vom Rest der Welt abgekoppelt, aber ab dem Herbst dürfte es wieder etwas zugänglicher werden. Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, welche die beste Jahreszeit für Spitzbergen sei. Am Speziellsten ist vielleicht die sogenannte blaue Jahreszeit im Frühjahr, jene Zeit, in der die Sonne immer knapp über oder knapp unter dem Horizont entschlangstreift. Oder auch die sogenannte goldene Jahreszeit, wo mit der Sonne das Gleiche passiert, aber dann noch ohne Schnee, weshalb die Farbtöne ins Orange, Braune, oder weil es besser klingt: ins Goldene getaucht sind. Am Uninteressantesten ist vermutlich der Sommer. Weil da 3 Monate lang einfach Tag ist. Allerdings kann ich es mir gut als Sommerresidenz vorstellen, wenn Berlin wieder zum Glutofen wird.
Wir planen grob Ende April / Anfang Mai. Da liegt noch viel Schnee, aber die Sonne scheint bereits 24 Stunden am Tag.

Zur Vorgeschichte:
Die Sache mit der Arktis
Die Sache mit der Arktis (fortgesetzt)
Die Sache mit der Arktis (Episode 3)

[Sonntag, 9.5.2021]

Heute war also Fensterputztag. Unsere Wohnung hat 7 Fenster, mit jeweils Oberlichtern und zur Strassenseite hin haben wir 3, das sind es Doppelkastenfenster, die also an vier Seiten geputzt werden. Ausserdem gibt es die zwei schmalen Erkerfenster, die natürlich auch mitgeputzt werden wollten. Und es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Fenster auf und den Frühsommer hereinlassen.

Man kann jetzt hinausschauen. Und leider auch hereinschauen.

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Irgendwann dazwischendrin telefoniere ich mit meiner Mutter zum Muttertag. Sie hat heute so viele Themen, dass sie sofort in einen Monolog ausbricht. Als sie mit dem Monolog fertig ist, quatschen wir noch ein bisschen über dies und das. Am Ende fällt mir der Grund des Anrufes wieder ein und ich wünsche ihr einen guten Muttertag. Sie bedankt sich.

Morgen hat sie Geburtstag, wir werden dann ja eh wieder telefonieren.

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Nach dem Fensterputzen haben wir die Auberginenlasagna gemacht. Währenddessen stellte meine Frau ihr Telefon auf den Küchenblock und spielte live die Rede zur Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz ab. Er sagte natürlich gute Dinge. Andererseits deprimierte er mich. Die SPD steht in den Wahlprognosen bei 14%, Scholz ist sehr sehr weit von einer Kanzlerschaft entfernt, es klang wie eine präsidiale Rede des Aufbruchs, dass das Land in die Zukunft gebracht werden muss, wie eine Rede an das Volk. Bei manchen Sätzen dachte ich mir regelrecht euphorisch: wow, ja, das wollen wir. Und dann fällt mir immer wieder ein, dass es nur eine Rede für die Mitglieder ist, für die Mitglieder einer Partei die bei 14% steht.

Als die Lasagna essbereit war, begann das Spiel gegen Bielefeld, wir assen also nicht zusammen, oder am Tisch, sondern getrennt, sie im Wohnzimmer und ich in der Küche vor dem Fernseher. Die Lasagna schmeckte so gut wie erwartet.
Warum schreibe ich das auf? Ich habe das Gefühl, ich müsse nach meinem gestrigen Eintrag die Auberginenlasagna gebührend ehren.

[Samstag, 8.5.2021]

Wir beschlossen, nicht morgen, sondern heute spazieren zu gehen, weil morgen das Quecksilber bekanntlich auf fast 30 Grad hochschnellen und ganz Berlin sich an der Spree ausbreiten wird.
So war es dann auch. Unten am Fluss war es bei 13 Grad erstaunlich leer für einen Samstag. Alle sparen sich den Spaziergang auf, für diesen frühen Hochsommer, der sich angekündigt hat. Wir hingegen werden am Sonntag die Fenster putzen. Ich schiebe unser Fensterputzen seit Wochen, ich glaube, ich hatte auch schon darüber geschrieben. Der Grund, warum ich seit Wochen schiebe, ist die Temperatur. Meine Frau schlägt jedes Wochenende den Fensterputz vor, aber ich verweise immer auf die Kälte. Ich würde gerne dieses sommerliche Gefühl haben, wenn wir das erste Mal seit sechs Jahren die Fenster putzen. Alle Fenster aufreissen, den Frühsommer in die Wohnung lassen und dabei die Scheiben putzen.

So stelle ich mir den morgigen Sonntag vor.
Aber heute ist Samstag, heute nutzen wir das noch leere Berlin.

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Als wir von dem langen Spreespaziergang zurückkommen, wollen wir kochen. Wir hatten an Auberginenlasagna gedacht. Ohne Haferkörner. Die Haferkörner haben wir online bestellt und sie sind immer noch nicht angekommen. Also Auberginenlasagna.

Seit Auberginen im internationalen Emojiregister Karriere gemacht haben, denke ich beim Anfassen von Auberginen unweigerlich an Sex. Früher waren Auberginen Bittergemüse jetzt ist es Sexgemüse. So schnell kann es gehen.

Den Auberginen, die ich gekauft habe, hat man eine Deutschlandfahne aufgeklebt. German Premium Fetish Content.

Als ich so die beiden Auberginen auf den Küchenblock lege, denke ich mir: es dauert ewig, bis das fertig ist. Meine Frau sitzt auf der anderen Seite des Blockes und sucht nach dem geeigneten Sound fürs Kochen.
Ich sage zu ihr: es dauert ewig bis das fertig ist. Ich habe Hunger.

Eine halbe Sekunde später haben wir uns auf den Pizzalieferdienst geeinigt.

[Freitag, 7.5.2021]

Am Abend shoppe ich auf Zalando herum. Meine Kleider werden mir zu weit. Ich habe so viel abgenommen, dass mir die Hosen untenrum fast bis in die Knie hängen und sie mit Gürteln zu bändigen, sieht bei so viel Leerraum nicht sonderlich gut aus.

Während des Onlinehoppens merke ich: mir fehlt das Offlineshoppen. Ich hänge wirklich gerne in Malls rum und schaue mir Sachen an, fasse den Stoff an, teste sie auf die richtige Form. Wenn ich Kleidung online bestelle, schicke ich immer 99% der Einkäufe wieder zurück. Weil sie nicht dem entsprechen, was ich mir von den Fotos erhofft hatte. Vor allem die Passgenauigkeit kann man online nicht einschätzen.

Ich kaufe ja immer enge Sachen. Ja, ich habe Übergewicht, sogar mehr als nur Übergewicht, aber gerade deswegen. Tshirts müssen bei mir eng sitzen, an Bauch, an der Brust, alles eng und Hosen auch, am Arsch und an den Oberschenkeln. Ich habe keine Lust, meine Körperform zu verstecken. Wenn jemand dick nicht mag, dann mag diese Person einfach nicht dick, und wird mich auch nicht in überweitem Kartoffelsack-Look mögen. Dann zeige ich es lieber, dann muss ich es nämlich nicht so verstecken, und das entspannt mich, ich habe keine Lust, mich zu verstecken oder irgendwas zu verstecken. Und wenn jemand genau das an mir mag, dann ist es eben genau richtig. Und es ist überraschend, wie viele Leute das eben doch mögen.

Das Gleiche gilt übrigens bei Frauen. Ich schrieb vor Jahren schon über die feiernden Frauen in Glasgow, wie sie Samstagabend in ihren engen Stretchkleidern blendend gelaunt die Strassen bevölkern. Dünn und dick, vollkommen egal. Spontanverliebtheit für alle diese Frauen.

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Heute kein Spieltag. Ich könnte mich daran gewöhnen, dass Hertha alle drei Tage spielt. Ich werde dann ganz schnell unersättlich und finde spiellose Tage ziemlich dumpf.
Vielleicht liegt es aber daran, dass ich in Aufholjagd-Modus bin. Dieses nachträgliche Punktehamstern fühlt sich an wie Vorräte für den Winterschlaf einzusammeln.

Donnerstag, 6.5.2021]

Die Kaltmamsell hat meinen Eintrag über den Hochzeitstag, den Blumen und den Fernsehsessel verlinkt. Wenn die Kaltmamsell etwas verlinkt, dann sehen meine Blogstatistiken so aus:

Heute ist wieder Spieltag. Hertha gegen Freiburg. Meine Frau wird wieder den Fernseher vorbereitet haben. Und sie wird mir helfen, den Sessel in die Küche zu tragen.

Diesmal verlasse ich die Firma früh genug, damit ich auch die Blumen nachholen kann.
Sie freut sich sehr, sie hat aber nicht den Blogeintrag gelesen und kennt daher nicht die Geschichte dahinter. Deswegen lese ich sie ihr vor.

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Das Spiel ist großartig. Am Ende gewinnen wir 3:0. Alle Chats quillen vor Siegesschaum über.

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Sandro Wagner, mit Spitzbärtchen und überdimensioniertem Musketiermoustache, outet sich live im Fernsehen als Südtirolliebhaber. Ich erhalte Nachrichten deswegen.