[Mittwoch 5.5.2021]

Als ich heute wach wurde und auf mein Telefon schaute, quollen verschiedene Gruppenchats in verschiedenen Messengern bereits über. Ich lag noch im Bett und verstand, dass der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann jemandem eine WhatsApp geschickt hatte, in der er Dennis Aogo einen „Quotenschwarzen“ nannte. Diese Nachricht hatte er aber nicht dem erhofften Empfänger geschickt, sondern an Dennis Aogo. Dieser wiederum postete diese Nachricht auf Insta. Und damit löste sich die Welle.

Nun ist es so, dass Jens Lehmann ein [strafrechtlich beleidigendes Schimpfwort] ist, gleichzeitig aber auch als Vertreter eines Investors im Aufsichtsrat der Profiabteilung von Hertha BSC sitzt. Und damit wird er seit längerer Zeit mit Hertha in Verbindung gebracht Neben ein [strafrechtlich beleidigendes Schimpfwort] zu sein, machte er in der Vergangenheit mehrmals mit dummen homophoben Kommentaren und dumpfen Grippe/Corona Vergleichen auf sich aufmerksam.

Die ersten Stunden nach meinem Aufstehen, drehten sich darum, wie man den Mann los wird. In den Chats meines Fanclubs quillte es über, wie wir uns am besten organisieren. Briefe, einen offenen Brief von mehreren Organisationen, Barrikaden errichten.

Aber dann: noch am Vormittag trennte sich der Investor von ihm.

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Heute hatte ich auf dem Hinweg zum Büro sehr viel Gegenwind, aber auf wem Rückweg – das war wieder super.

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Am Abend telefoniere ich mit meiner kleineren Schwester. Sie holt gerade das Abitur nach und sie hat Fragen zur Wirtschaft. Jetzt wo ich das so schreibe, kommt es mir komisch vor, dass ich als Ratgeber zu Wirtschaftsfragen herangezogen werde. Wir führen eine sehr interessante Konversation über Staatssysteme, in der ich wir beide während des Gespräches erstaunliche Erkenntnisse gewinnen. Die Fragestellung war, welche Herausforderung die Sozialsysteme in der Vergangenheit hatten und welche sie in Zukunft haben werden, in Anbetracht des Wirtschaftswachstums. Wir reden über die Konkurrenzstellung von Staatensystemen.

Wesentlich besser sind wir aber darin über unsere Aufschieberitis zu reden. Da erlangen wir allerdings keine neuen Erkenntnisse. Richtige Methoden dagegen haben wir beide nicht gefunden, aber in meinem privaten sowie beruflichen Alltag hat es meistens keine tragischen Auswirkungen mehr, da ich im Laufe der Zeit gelernt habe, meine Schwächen, öhm, auszulagern. Aber Schwächen auslagern funktioniert natürlich nicht, wenn du vor einer Abiturprüfung stehst.

[Dienstag, 4.5.2021]

Es war ein sehr einspannender Tag auf der Arbeit. Als ich nach Hause fahren wollte, brach ein Regen über die Stadt herein. Das ist in letzter Zeit oft so, dass es genau zur Feierabendzeit regnet.
Bisher hat sich Berlin eher dadurch ausgezeichnet, dass es selten regnet. Meist regnet es nachts. Tagsüber verhältnismäßig selten. Ich kann mich erinnern, dass ich in den Niederlanden oder auch in Hamburg das Fahrrad oft habe stehen lassen, weil es regnete. Das passiert mir in Berlin so gut wie nie.
Seit einigen Monaten versammeln sich die Regenwolken aber immer zum Feierabend. Das klingt jetzt apokalyptisch bedeutungsschwer, als würde ich etwas suggerieren wollen. Das ist eine Methode, sich wichtig zu machen.

Der Regen fiel nahezu waagrecht. Also wartete ich zuerst ein bisschen. Dann merkte ich aber, dass der Regen waagrecht in östliche Richtung wehte, ich würde also Sturmwind im Rücken haben. Sturmwind im Rücken ist die beste Sache der Welt. Also fuhr ich los.

Während der Fahrt lichtete sich der Himmel. Eine Stunde später war Instagram voll mit Regenbogenfotos.

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Später am Abend regnet es wieder. Ich mache das Fenster auf. Jetzt fängt wieder die Zeit des Jahres an, in der man den Regen im Hof beim Plätschern zuhört.

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Am Abend schreibe ich einen längeren, offiziellen Text für die Mitglieder des Fanclubs. Offiziell klingende Texte, sind immer seltsam zu schreiben. Ich rutsche ständig in einen Tonfall ab, der klingt, als stünde ich mit geradem Rücken und mit gehobener Brust vor einer Menschenmenge, würde in mein Posthorn blasen und die Mitteilung der versammelten Menge auf dem Dorfplatz verkünden.
Ich lasse es mittlerweile einfach geschehen, ich verfasse solche Texte mit einem Posthorn unterm Arm. Es geht nicht anders. Danach verbringe ich aber immer viel Zeit damit, einen Hüftschwung in den Text zu kriegen.

[Montag, 3.5.2021]

Der dritte Mai ist unser Hochzeitstag. Wir sind jetzt seit acht Jahren verheiratet. Ich finde das gut. Meine Frau auch. Wir feiern das eigentlich nie, wir feiern eher andere Tage, aber es ist trotzdem immer schön zu sagen: hey, heute ist unser Hochzeitstag.
Das fühlt sich jedes Mal sehr erwachsen an.

Eigentlich wollte ich ein paar Blumen mitbringen. Ich habe noch nie Blumen für unseren Hochzeitstag gekauft. Manchmal sind die schönsten Geschenke, jene Geschenke, die nicht erwartet werden. Aber ich geriet heute in unerwartete Eile, sodass ich es vergass.

Ich geriet in Eile, weil um 18:00 das Spiel gegen Mainz angesetzt war und das Meeting in dem ich saß, so schräcklich überzogen wurde und als ich mich aus dem Meeting ausloggte, musste mich ein Kollege noch unbedingt sprechen, während die Zeiger auf der Uhr tickten.

Ich kam dann um 18:01 zuhause an. Meine Frau hatte schon den Fernseher in der Küche vorbereitet und stand bereit, mit mir zusammen, meinen Fernsehsessel vom Wohnzimmer in die Küche zu tragen Das ist ein Ritual bei jedem Spieltag. Ein notwendiges Ritual weil des Sessel zu sperrig ist, um ihn alleine zu tragen.
So viel Liebe, damit ich das Spiel schauen kann. Und dann fielen mir die vergessenen Blumen ein.

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Das erste Spiel nach der Quarantäne. Meine Mannschaft wirkte nicht so strukturiert, sie war aber in Kampflaune. Würden wir gewinnen, dann würden wir auf dem Relegationsplatz stehen und nicht mehr auf dem direkten Abstiegsplatz. Am Ende wurde es ein 1:1, immerhin ein sehr spannendes 1:1 und man merkte, dass die Mannschaft lebt. Ich bin für die paar verbleibenden Spiele noch optimistisch, dass wir uns aus der Abstiegszone befreien können. Am Donnerstag geht es weiter, gegen Freiburg.

[Sonntag, 2.5.2021]

Heute den Text von Saskia im Blog der Axel Kruse Jugend live gebracht.

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Ich habe immer noch irgendwie Kater vom Freitagabend. Nicht mehr vordergründig natürlich, aber einen hintergründigen, jammernden Kater, der mich ins Sofa hineinzieht.

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Dafür bin ich am Nachmittag in der Küche sehr aktiv gewesen. Weil wir noch viel Gemüse aufzubrauchen hatte, habe ich verschiedene Gemüsegerichte zubereitet. Alles gleichzeitig. Das hat schon nur aus logistischer Sicht Spass gemacht. Auf die Gefahr hin, dass dieses Blog zu einem Kochblog mutiert:

  • Kartoffelsalat mit Frühlingszwiebeln
  • Fein geschnittener Weisskohlsalat
  • Paprikas im Ofen
  • Porree mit Öl in einer Pfanne gebraten
  • Endiviensalat mit Zwiebeln und Tomaten
  • Omelett mit Kürbiskernmehl und Hafermilch

Das Kürbiskernmehl kam auch aus dieser Fehllieferung von Bringmeister. Ausser das Mehl beim Brotbacken zuzugeben, habe ich bisher nicht viel Verwendung für finden können. Beim Omelett dachte ich, man nimmt sicherlich Mehl um das Ei zu binden, damit das Omelett kuchiger wird. Als ich das so mixte, wollte ich noch Pfannkuchen machen, aber als ich dann sah, dass Kürbiskernmehl sich nicht so verhielt wie Mehl, wurde es eben ein Omelett mit Kürbiskernmehl. Es schmeckte eigentlich ganz OK. Wie ein Omelett mit geriebenen Kürbiskernen halt. Man hätte sie auch weglassen können.

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Morgen geht es wieder mit Fussball weiter. Hertha ist aus der Quarantäne heraus und hat jetzt ein sogenanntes Hammerprogramm vor dem Bug. Wir müssen 3 Spiele nachholen und haben deshalb 5 Spiele in 12 Tagen zu absolvieren. Wir stehen bereits auf einem direkten Abstiegsplatz. Nur wenige Leute in meinem Umfeld sind optimistisch. Aber es sind die mir Wichtigsten, die Optimistisch sind. So schaut es sich am besten in den finsteren Abstiegsschlund hinein. Wenn man nämlich keine Angst hat.

[Samstag, 1.5.2021]

Ich wache auf und fühle mich verkatert. Es waren lediglich zwei Flaschen Bier. Das ist irre.
Außerdem stelle ich mich auf die Waage, wie ich das jeden Tag morgens vor dem Frühstück mache und sehe, dass ich 2,7 Kilo mehr wiege als gestern zur gleichen Zeit. Ich weiss, dass das nur Wasser ist bzw keine wirkliche Körpersubstanz, aber dennoch erstaunlich, wenn ich es mir verbildliche, dass mein Körper 3 fast volle Literflaschen Wasser im Gewebe versteckt.

Eigentlich wollte ich, wie jeden Morgen, den Blogeintrag zu Ende schreiben, einlesen und dann veröffentlichen. Aber ich wache erst um 8 Uhr auf und um 9 bin ich mit Madame Modeste zum Morgenspaziergang durch den Prenzlauer Berg verabredet. Eigentlich wollten wir zum Markt an den Arnswalder Platz gehen und uns eine Kaffee holen, aber weil erster Mai ist, gibt es keinen Markt.

Den ganzen Tag lang lang kreist ein Hubschrauber über Berlin. Wie mittlerweile fast jeden Freitag und jeden Samstag. Immer bei den Demos, von Querdenkern, gestern sicherlich wegen des ersten Mai. Gefühlt ist Freitag und Samstag ja meistens die halbe Stadt wegen Demos verstopft.
Komisch auch: früher haben Demos bei mir meist positive Gefühle ausgelöst. Zum einen war ich selbst oft Teilnehmerin und zweitens ging es eigentlich immer um die gute Sache. Mittlerweile haben sich ja seltsame Personengruppen das Medium Demonstration einverleibt. Wenn ich eine Demo von Weitem sehe, bin ich mittlerweile immer erstmal skeptisch, suche tendenziell eher den Abstand und versuche an Fahnen oder Bannern die Gesinnung zu erkennen.

Für mich ist aber auch der erste Mai bedeutungsloser geworden. Zum einen kann ich nichts mehr mit linker, revolutionärer Haltung anfangen aber noch weniger mit linker Tradition oder mit linker Folklore.

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Ich koche Spargel.

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Am Abend habe ich mich für ein online Kneipenquiz angemeldet. Ich liebe Quizze und ich liebe Kneipen. Das Quiz ist mit Hertha Thematik, aber es gibt auch allgemeinere Fragen. Es ist sehr lustig, ich merke aber auch wieder, dass ich unter der Woche an zu vielen Zoomkonferenzen teilnehme und wie sehr ich es mittlerweile hasse auf einen Bildschirm zu schauen, auf dem ich viele Menschen sehe und wo ich mich per unmute zu Wort melden muss.

Dennoch hat es Spass gemacht. Mit fast 5 Stunden war es etwas zu lang. Aber auch mal gut zu sehen, wie sich die Firma Zoom mit den Breakoutrooms und ähnlichen Features der Pandemie angepasst hat.

Am Ende wird mein Team 11. von 18. Gepflegtes Mittelfeld, wie es bei Hertha eben sein muss. Immerhin nicht die Plätze 16 bis 18. Vielleicht ist das ein Omen.

[Freitag, 30.4.2021]

Es ist Cheat Day. Und es ist Walpurgisnacht. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich seit 6 Wochen keinen Alkohol mehr getrunken. Ich könnte jetzt im Blog danach suchen, aber so wichtig ist das auch nicht.

Wir machen uns eine vegetarische Lasagna und trinken Bier. Und hören dabei Anita Lane und Nick Cave. Wir haben uns nur kurz überlegt, ob wir die vegetarische Lasagna mit Haferkönern bzw. -Flocken zubereiten, oder nur mit Gemüse. Ich habe ja ziemliche Eile darin, mit Haferkörnern in meiner Küche zu experimentieren, aber man muss an dieser Stelle wissen, dass meine Frau keine bösen Überraschungen mag. Das klingt so, als würde ich wiederum böse Überraschungen mögen, das ist natürlich nicht so, damit will ich nur sagen, dass meine Frau böse Überraschungen viel weniger mag, als die Summe aller Leute in Berlin, in Deutschland, in ganz Europa. Wer hier länger mitliest, kennt die Geschichte mit dem Eis. Wer von uns beiden experimentiert und wer immer das Gleiche nimmt (und dabei glücklich ist).
Wenn schon Cheat Day, dann muss es auch genau jene Speise sein, die man sich erwarten kann, wenn man von vegetarischer Lasagna spricht.

Meine Frau sagt häufig zwei Sätze zu mir, wenn wir gemeinsam in der Küche stehen:
1) nicht so viel
2) vorsichtig

Das Vertrauen wird nicht größer, wenn ich nach sechs Wochen wieder einmal zwei Biere trinke und beim Kochen den Ship Song singe.

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Nach zwei Bieren werde ich ziemlich müde. Es ist erstaunlich, wie schnell man eine Trinktoleranz abbaut.

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Ich schreibe diesen Tagebucheintrag nur noch aus der Erinnerung heraus. Die zwei Biere haben mich sehr ermüdet und schläfrig gemacht. Wir schauten noch Schitt’s Creak, danach setzte ich mich an die Tastatur und wollte die Notizen ausformulieren, dann merkte ich, dass ich keine Notizen vom Tag hatte. Und als ich da die längste Zeit vor drei oder vier Sätzen saß, merkte ich, dass ich mich jetzt besser einfach schlafen lege und mich morgen früh um den Eintrag kümmere.

[Donnerstag, 29.4.2021]

Einer der Mitarbeiter ist heute das erste Mal mit dem Fahrrad in den Regen geraten. Er kommt aus den USA und es ist sein erstes Fahrrad in Berlin. Er will jetzt den Arbeitsweg mit dem Fahrrad bewältigen, aber es ist ein Rennrad und es hat kein Schutzblech. Seine Jacke und seine Hose sind mit Schlammflecken übersät.
Ich erzähle ihm von meiner Fahrradwerkstatt, in der mir empfohlen wurde, Schutzbleche durch eine Plastikflasche zu ersetzen. Das war natürlich nur für Notfälle gedacht. Ihm gefällt die Idee. Er holt sein Fahrrad hoch in die Büroküche und wir schneiden gemeinsam zwei Plastikflaschen zu einem Schutzblech zurecht. Er ritzt sich sogar kleine Haken in die Seite, damit er sich das Plastikflaschenschutzblech in den Sattel einklemmen kann.

Nach einer Probefahrt muss er feststellen: klappt nicht.
Man müsste fünf oder sechs solche Flaschen aneinanderstecken und das hält sicherlich nicht.

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Der CEO und ich laufen heute bei unserem wöchentlichen Gespräch durch den Park am Gleisdreieck. Die Sonne scheint, ich trage nur eine leichte Jacke mit T-Shirt. Als ich rein gehe, tippe ich. Ich tippe weiter. Ich bin in eine Datei vertieft, in der ich versuche die großen Tech-Themen auszuformulieren, es sind die Notizen, die ich in den letzten Tagen mit den Teams zusammengetragen habe, ich versuche mir ein Bild zu machen, die Abhängigkeiten zu skizzieren, ich bringe sie in einer Matrix unter um sie vorläufig zu priorisieren. Es ist diese Art von Arbeit in die man sich vertieft, die man nicht flockig nebenher abträgt, wo man Dinge umstellt, wieder umstellt, löscht. Und plötzlich denke ich: es ist schon dunkel. Haben wir nicht gleich Mai? Ist es schon nach acht Uhr? Wie kann das sein, dass schon Nacht ist? War ich so sehr in der Arbeit vertieft, kaum möglich. Ich schaue aus dem Fenster. Alles finster. In dem Moment stürzt Wasser und Hagel vom Himmel.

Nur zehn Minuten lang. Zehn Minuten später scheint wieder die Sonne.

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Weil ich gestern Anita Lane gehört habe, bin ich nicht mehr rausgegangen um den rot-weiss gesprühten Telekomkasten mit blauer Farbe zu säubern. Das habe ich dann heute erledigt. Es ist nicht schön geworden. Aber die Farbe zählt.

Anita Lane war die letzten Jahre übrigens mit einem Journalisten liiert. Das stand in ihrem englischen Wikipedia Artikel. Mit Link zum Wikipedia Eintrag ihres Mannes. Bei ihrem Mann gibt es keine Erwähnung dazu. Auch so ein Ding. Ich habe öfters beobachtet, dass in Wikipediaeinträgen von Frauen so gut wie immer der Partner erwähnt wird, sowie auch die Anzahl der Kinder. Bei Männern: eher nicht.

[Mittwoch, 28.4.2021 – Anita Lane, mit Fussballfreundinnen]

Es trifft mich immer sehr, wenn jemand stirbt, dessen Musik mich über viele Jahre begleitet hat.
Anita Lane ist gestorben. Diese mysteriöse, poetische Schönheit, die sich immer im Schatten der Badseeds und der Neubauten aufzuhalten schien, mit Gudrun Gut, Mick Harvey Lydia Lunch, in diesem Kreuzberg der Achtzigerjahre, wo sie neben anderem auch Stranger than Kindness schrieb.
Als Anfang der Neunziger Dirty Pearl rauskam, war das für mich gleichbedeutend als würde es ein neues Bad Seeds Album geben. Ich glaube, ich war immer ein bisschen verliebt in sie.

Der Spiegel schreibt zu ihrem Tod.

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Nach der Arbeit treffe ich mich mit meinen Fussballfreundinnen im Tiergarten am Potsdamer Platz. Eigentlich dürfen sich zur Zeit ja gar nicht mehr als zwei Haushalte treffen. Das hatten wir erst später herausgefunden. Ich schaue so selten nach den Regeln, ich habe ohnehin immer das Gefühl, mich in der Pandemie besser zu verhalten, als die Regeln es mir vorschreiben. Irgendwie habe ich auch das Gefühl von Menschen umgeben zu sein, die das genau so handhaben.

Es ist schön in der Sonne. Die große Wiese an der westlichen Seite ist von riesigen Nebelkrähen bevölkert, die Fressbares aus den Mülleimern ziehen.

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Als ich nach Hause komme höre ich Anita Lane. Seltsam, dass sie keinen deutschen Wikipedia Eintrag hat.

Jesus almost got me

Four Days (aus: der Krieger und die Kaiserin)

The Worlds’s A Girl

Harley Davidson (Gainsbourg Cover)

I Love You Nor Do I.
Mit Nick Cave. Ich mag diese Version lieber als das französische Original.

Do The Kamasutra
„I turn the lights off and turn the city on“

[Dienstag, 27.4.2021 -Königstag]

Heute ist niederländischer Königstag. Als ich in den Niederlanden wohnte, hiess der Königstag noch Königinnentag. Und Königinnentag war der 30. April. Aber jetzt ist Willem Alexander König und der hat am 27. April Geburtstag.

Ich erwähne das auch um die Besucherinnen dieses Blogs auf Millionenfragen vorzubereiten.

Aber vor allem habe ich heute keine Calls mit meinen Kolleginnen aus Amsterdam. Es entfallen 80% meiner Calls, die Hälfte meiner Kontakte in Slack sind dunkel, Mails die ich an Dienstleister schicke, kommen mit automatischen Nachrichten zurück.

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Heute war ich früher zuhause, nicht wegen des Königstages, sondern weil ich Lebensmittel bestellt und dabei ein ungünstiges Zeitfenster ausgewählt hatte. Natürlich kam die Lieferung nicht am Anfang, sondern ziemlich am Ende des Zeitfensters.
Eigentlich hatte ich viel vor, ich wollte mit meiner Schwester telefonieren, dann wollte ich einen alten Text überarbeiten und sobald es dunkel sein würde, wollte ich noch runter auf die Strasse gehen um mit meinem blauen Squeezer einen Unioner Vandalen unschädlich machen.

Ich habe schon länger nicht mehr über meine Auseinandersetzung mit dem Unioner berichtet. Der hat ja die Telekomkästen in meiner Strasse rot und weiss angesprüht. Und ein FCU drangemalt. Das geht natürlich nicht. Ich habe das FCU über Monate hinweg konsequent mit Hertha-Stickern überklebt. Da der Unioner ein bisschen lahm ist, dauert es immer mehrere Tage, bis er die Sticker entfernte. Wenn sie weg sind, klebe ich aber sofort wieder Herthasticker dran. Ein Kampf, den er verliert, ich bin zu schnell und ich halte meine Strasse sauber. Da ich mich radikalisiert habe, bin ich jetzt im Besitz von größerem Geschütz. Ich habe Profimaterial gekauft, Stifte, die dicke Farbe auftragen. Seitdem, ist das FCU schlichtweg eine blaue Fläche geworden. Und auf der weissen Fläche steht HERTHA bzw auf anderen steht 4:0 oder 3:1. Das ist das Spielergebnis der letzten Siege. Union spielt zwar gerade wesentlich besser und Hertha ist in einem ganz miesen Zustand. Das ändert aber nichts daran, dass meine Strasse sauber bleiben muss.

Vor drei Tagen war der Unioner wieder in der Strasse und hat jetzt alle meine Korrekturen auf den Kästen grossflächig übersprüht. Das kann ich natürlich nicht so stehen lassen.

Aber dann kam der Lieferdienst so spät und wie schauten das sehr amüsante „Schitt’s Creek“ und plötzlich war es Zubettgehzeit.

So ist das manchmal.

[Montag, 26.4.2021]

Also falls sich jemand wundert: über Hertha rede ich gerade nicht. Ich versuche mir gerade eine gute Laune einzureden während um meinem Herthadorf herum die Flammen brodeln. Die Luft riecht brenzlig. Ich sitze auf meinem Stuhl. It’s all fine.

Nächste Woche Montag geht es weiter. Das erste Spiel nach der coronabedingten Zwangsunbterbrechung. Erst dann schaue ich in meinem Cockpit nach, ob es über einen Panikknopf verfügt.

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In einem der Calls dauerte es fünf Minuten, bis alle Teilnehmerinnen answesend waren. Währenddessen begann ich über Hafer reden. Irre spannendes Thema. Ich musste mich sehr bremsen, aber die Leute schien es zu interessieren. Und immer wieder die sich mir so aufdrängende Frage: warum haben unsere Vorfahren nicht Haferreis erfunden? Und die andere Frage: warum ist Hafer nicht Bestandteil der europäischen Küche?

Während wir so über Nahrung reden und auch über vegane Ernährung, reden wir über Sojageschnetzeltes und dass es sich immer falsch anfühlt, Fleisch zu ersetzen, vor allem wenn man es mit Soja ersetzt. Ich erzählte, dass wir einmal Bolognese mit Sojabrocken zubereitet hatten und das ganz OK schmeckte, aber dieses Gefühl, etwas nachzustellen, bleibt. Dann lieber nur mit Gemüse – und während ich das so sagte, kam der Gedanken in mir auf: oder durch Hafer!

Das muss auch funktionieren. Hackfleisch durch ganze Haferkörner zu ersetzen. Der Proteinanteil ist der Gleiche, es hat zwar mehr Kohlenhydrate und ein paar mehr Kalorien, aber das ist ja egal.
Ich schlug das gleich in Google auf, ich wollte wissen, ob ich der erste war, der an sowas dachte, Patzbumm, natürlich nicht. Es gibt sehr viele Rezepte mit Bolognese aus Hafer.
Ich bin immer glücklich, wenn ich entdecke, dass ich nicht der erste bin. Auch wenn es sicherlich mal cool wäre, der erste mit einer Idee zu sein, so überwiegt aber dennoch die Freude darüber, Ideen mit dermaßen viel Hand und Fuss zu haben, dass es auch andere Menschen gibt, die sie hatten. Es fühlt sich immer an, wie der Beginn einer Bewegung.

Ja, ich neige dazu, Obsessionen zu entwickeln.

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Meine Gewichtsabnahme stagniert ziemlich. Ich hänge seit Februar bei ungefähr -15 Kilo fest. Mit Schwankungen zwischen 1 und 2 Kilos. Vielleicht ist das auch normal. Dass der Metabolismus sich versucht an die neuen Umstände zu gewöhnen, oder so. Wenn man über sowas nachdenkt, dann sprudeln die hahnebüchernen Theorien ja direkt aus einem heraus. Bei Nahrung kann man sich alles immer irgendwie esoterisch zusammenreimen. Deswegen gibt es vermutlich so viele Diätratgeber.

Inzwischen versuche ich mich mit Sport zuhause. Bauchmuskeltraining, Rücken, Beine, Oberarme, Youtube ist voll davon.
Die Haut ist einigermaßen strapaziert, von den vielen Jahren Übergewicht. Es geht noch, aber ich merke, dass die Haut nicht mehr so straff ist, wie in den Zeiten, als ich ein muskulöser Jüngling war. Aber wenn ich am Bauch nochmal fünfzehn Kilo abnehmen sollte, dann muss ich vielleicht mal bei Korsettläden vorbeischauen um zu sehen ob es welche gibt, die zu meiner Augenfarbe passen.

Also Sport. Möglicherweise kann ich das ja ein bisschen durch Sport abfangen. Ich habe jetzt zusätzlich mit einer täglichen Plankchallenge begonnen. 1 Minute Plank. Jeden Tag eine andere Variante. Ich kann Plank ganz gut. Ich mache oft 40 Sekunden. Ich hasse es jedes mal. Aber seit ich gelesen habe, dass Plank so etwas wie eine rumdum-super-Übung ist, muss ich es immer wieder tun.

In der Einleitung der Übung wird gesagt: Planks werden durch Übungen nicht leichter.
Ich sehe schon, das wird eine lange Hassbeziehung.