Vorhin habe ich K am Flughafen Tegel abgeholt. Ich war zu früh da. Ich dachte, ein wenig Zeit mitzunehmen sei gut, ich warte immer gerne an Bahnhöfen und Flughäfen. Zeitungsläden durchstöbern, auf die Uhr schauen, auf Anzeigentafeln schauen, das ist sehr sinnlich. Heute bin ich dann durch das Oktogon gelaufen. Im Kreis, mehrmals. Alle Terminals im Kreis. Ich habe über Tegel gelesen, dass er weit über seine Kapazitäten hinausgewachsen ist, Tegel platzt sozusagen, er muss noch zwei Jahre durchhalten, bis der neue Flughafen Schönefeld fertig ist, er hält aber noch, und so lief ich durch das Oktogon im Kreis, an Polizisten vorbei, an den Wartenden vorbei, an den Brötchenverkäufern vorbei und dachte die ganze Zeit: Tegel ist am Platzen, irre das, alles irre, Tegel hat seine Kapazitäten überschritten.
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Ich schaue neuerdings immer die Tagesschau. Wegen dieser sortierten Häppchen Weltgeschehen, die dem Terminus Chronik die nötige Zeitlosigkeit geben. Perfekt inszeniert, perfekt glatt, der perfekte Tonfall, perfekt im Hintergrund, nur das Sujet nach vorne, mit niemandem anecken, die pure Sachlichkeit, aber niemals hölzern, immer leicht freundlich. Die Tagesschau ist der perfekt inszenierte Mainstream. Ich könnte das stundenlang sehen.
# Nicht so perfekt, aber eigenartig lieblich ist hingegen die Abendschau im RBB. Ich freue mich jeden Abend auf die Abendschau. Zu allem Überfluß habe ich jetzt die Abendschau mit einem Herzchen versehen. Das ging beim Programmieren meines neuen Fernsehers, als ich versuchte Kanäle zu verschieben und ich deswegen mit Prioritäten und Favoriten arbeitete. Seitdem hat der RBB ein Herzchen oben rechts. Was uns das jetzt sagen soll, weiss ich auch nicht
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Das positive an "Black Swan" ist vielleicht, dass so viele Menschen sich genötigt sehen, etwas zu dem Film zu sagen. Das andere Positive ist vielleicht, dass alle Meinungen total anders sind. Das Negative an dem Film ist nur, dass er total öde ist.
[werner bräunig]
Zweitausendundelf fing zwar nicht ganz so gut an, aber vor wenigen Tagen kam eine Nachricht der besseren Art. Nächsten Monat werden wir nämlich Wettlesen. Ich gehöre zu den sechs Finalisten um den Werner Bräunig Literaturpreis in Leipzig. Dotiert mit einem Verlagsvertrag beim Aufbau Verlag und einem Vorschuß von 5000Euro.
Das habe ich jetzt schön unaufgeregt und lassiv hingeschrieben, finde ich.
Am 12.2. um 19Uhr, im Horns Erben, Leipzig.
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Mittlerweile gibt es ein neues Sortierungssystem in meinem großkotzigen Bücherregal. Während ich früher nach selbstgeschriebenen Büchern und nicht selbstgeschriebenen sortierte, so ordne ich sie neulich auch nach: Büchern von Leuten die ich kenne. Das ist eine beachtlich schnell wachsende Kategorie. Am schönsten sind diese Bücher mit persönlicher Widmung. Ah, das erinnert mich an etwas: Mek, lass Dir von Lisa und Bov noch die Bücher signieren.
[Ephedra vulgaris]
Wick MediNait auch. Ich schlafe seit Nächten damit. Da ist Ephedrin drin. Damit dopen sich die Sportler, bevor man sie erwischt. Das sollte vielleicht beunruhigen, wenn man es genauer betrachtet. Ich aber schlafe damit, schlafe tief, schlafe tief und fest, tief wie am Meeresboden, tief wie die Tiefsee, unten am Grund, hebe kleine Steinchen hoch und Muscheln, piekse Krebsgetier und schnarche Luftblasen so groß wie Kettenperlen.
[in]
Zu Silvester sind wir dann nicht mehr in die Blaue Maus gegangen, die Klöpse und das Bier haben uns aufgehalten und als wir anfingen, über später nachzudenken, war es schon elf. Um zehn vor zwölf sind wir dann auf die Südspitze hinaus und haben die Leuchttürme auf den Halligen mit Feuerwerksschiffen verwechselt. Auf den Inseln ist Feuerwerk nämlich verboten, man befürchtet zu recht Dünenbrände, oder brennende Reetdächer. Wir gingen deshalb davon aus, es stünden Schiffe vor der Küste von Amrum, Schiffe, die Raketen in den Himmel schießen, ich weiß nicht mehr, wer uns das eingeredet hat, oder wie wir darauf kamen, total blöde Idee eigentlich, Himmel, Schiffe vor der Insel, die Feuerwerk in den Himmel schießen. Es sind dann aber nur Leuchttürme gewesen, keine Feuerwerkschiffe.
Um Mitternacht schließlich: Stille.
Wir waren die einzigen vier auf der Südspitze. Vor uns die gefrorene Nordsee, hinter uns das gefrorene Wattenmeer. Wir wussten uns nicht so recht auf Mitternacht zu einigen. Üblicherweise gehen ja die Raketen hoch, deshalb mussten nun die Telefone herhalten, aber die verdammten Smartphones haben ja keine Sekundenanzeige, R fing daher an im iStore nach Sekunden-Apps zu suchen, oder Countdown-Apps oder Silvester-Apps. Bis mein Telefon auf 00:00 sprang. Allerdings nur bei K und mir, die anderen beiden waren ja bei der Telekom und da war es noch 23:59, die Pest ist das. Irgendwo in Süddorf ging dann eine illegale Rakete hoch und so fielen wir einander in die Arme, glückliches 2011 und so.
Statt in die Blaue Maus sind wir schließlich in die Keksdose gegangen und haben den Leuten ein gutes 2011 gewünscht. Dann Friesengeist getrunken und Gin Tonic und Sambuca und Bier, und dabei die Pet Shop Boys auf dem Fernseher verfolgt. Irre, das.
[out]
Mit K und zwei Freunden auf Amrum. Gestern waren wir vom Festland abgeschnitten. Das Wattenmeer vereist, in der Nordsee trieben große Eisschollen, die Fähre konnte nicht mehr anlegen. Wir liefen den Kniepsand hoch bis nach Nebel, durch die verschneiten Dünen zurück ins Dorf, wärmten uns an heißem Punsch.
Heute sind wir an der Wattseite gelaufen, haben die gestrandeten Eisschollen angeschaut und ziemlich gestaunt. Nachher gehen wir noch schwimmen, nein, nicht in die See, in den Pool natürlich, danach machen wir uns Königsberger Klöpse, trinken Bier, und gehen zum Tanzen in die Blaue Maus.
2011 wird ein super Jahr. Macht es gut.
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Wir haben Zombiefilme geguckt. Zombiefilm am Vierundzwanzigsten und Zombiefilm am Fünfundzwanzigsten. Der erste Zombiefilm heißt „Rammbock“. Michi kommt nach Berlin, um seine Freundin Gabi zurückzugewinnen. Er merkt zu spät, dass sich in Berlin in kürzester Zeit ein Virus verbreitet hat, das Menschen zu tollwütigen Beißern macht. Berlins Straßen sind leer und bedrohlich.
Der zweite Film heißt „28 days later“. Ein junger Mann entwacht nach einem Fahrradunfall aus dem Koma und findet sich in einem leeren und bedrohlichen London wieder.
Jedes mal sind wir nach dem Film hinaus ins weihnachtlich verlassene Berlin gegangen. Jedes mal war Berlin leer und bedrohlich.
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# In der u8 sitzt ein junger Mann Mitte dreißig und liest ein Buch auf seinem eReader. Ich habe das noch nie live gesehen und fühle mich entsprechend in die Wirklichkeit geholt. Am Bahnhof Weinmeisterstraße steigt eine junge Frau hinzu, sie hält einen eReader locker in der Hand, und setzt sich dem jungen Mann gegenüber. Sie bemerken einander nicht sofort, schließlich ist es aber soweit. Sie sehen sich an, und lächeln mit einer wissenden Geste.
Ich lese Kafka auf meinem Handy. Ich fühle mich ausgeschlossen. Aber vielleicht bin ich auch nur neidisch auf das Lächeln, das er bekommen hat.
# Ich habe meinen alten Fernseher verschenkt. Über eine Kleinanzeige im Netz. Es haben sich dutzende Menschen gemeldet. Es gab Menschen, die boten mir daraufhin ihren Fernseher an, es gab solche, die fragte, wie viele Fernseher ich im Angebot hätte, es gab solche, die schrieben mir in fürchterlich fehlerhaftem Deutsch, es gab solche, die meinten, preislich würden wir uns sicherlich einig werden, usw.
Ich habe ihn dem ersten geschenkt, der sich gemeldet hat.