[17.5.]

Liebes Tagebuchblog, ich habe Dich die letzten drei Tage vollkommen vernachlässigt, was möglicherweise daher kommt, dass meine Mutter zu Besuch ist und ich daher vordergründig Sohn bin und erst Hintergründig Tagebuchbloggist.
Also: was geschehen ist:
-Donnerstag aufgeräumt
-den Staub weggemacht
-Freitag ist K nach Schönefeld gefahren Mutter abzuholen. Bei gleichzeitigem Kennelernen. Was sehr spannend war. Aber gut funktioniert hat.
-Mutter empfangen und dann bis tief in die Nacht die ganzen Neuigkeiten erfahren
-Keine Nachrichten von Bekannten die sich das Leben genommen haben. Irgendwie beunruhigend das.
-Gestern waren wir shoppen. Dabei hatte ich völlig vergessen wie gut es sich mit Mutter shoppen lässt. Ich habe jetzt eine neue Hose, drei neue Hemden und einen großen Mixer. Und eine Sodaclub Sprudelmaschine. Damit ich nicht mehr die schweren Mineralwasserflaschen von Kaisers nach hause schleppen muss.
-Mutter auf einen Prosecco in der Sonne überredet. Danach waren ihre Knie ein bisschen weich. Aber das war schon Okee.
-Abends zum Vietnamesen in der Auguststrasse. Sie mochte das Scheunenviertel ganz gerne. Ist auch ganz nett da.
-Heute Trabantfahren.

[13.5.]

Den Abend mit Aufräumen und Putzen verbracht. Am Freitag kommt Mutter. Heute Abend werde ich wieder aufräumen und putzen.. Mutter sieht jedes Staubkorn und kann daraus meinen Lebensinhalt ablesen.

(Blog lesen wäre natürlich einfacher, aber daraus kann sie nichts interpretieren)

[12.5.]

Gestern habe ich mich erfolgreich vor dem Tagebuchbloggen gedrückt. Das war irgendwie witzig, so achtziger.
Am Abend habe ich mich an den einen Text gesetzt um daran zu schleifen. Stattdessen geriet ich ganz übel in einen Schreibfluß, und es gibt ja immer diese zwei Zustände beim Schreiben: der Zustand des Schreibflusses, das ist der Zustand in dem alles fließt und rauskommt, aus den Ärmeln aus den Ohren, als würde man wringen. Und der andere Zustand ist der Nüchterne, der Zustand in dem man die Ecken asymetrisch anordnet, in eine Reihe reiht oder schlichtweg rund schleift. Die Dinge schön macht.
Gestern wollte ich schleifen aber dann floss wieder mal alles über, sogar aus dem Hermdkragen kam es gestern, dann habe ich ein Bier aufgemacht und ein zweites, habe mich mit den Figuren unheimlich amüsiert, habe sie durch die Stadt laufen lassen, habe sie weinen machen und lachen, habe sie in Handlungen verwickelt die sie später bereuen werden und in Handlungen die alles ausrollen werden.
Und in die Frau mit den schiefen Zähnen, in die habe ich mich dann ein bisschen verliebt.

[10.5.]

Gestern die Hälfte des Tages furchtbar neidisch gewesen. Auf meinen Nachbarn, den Fotografen oben links.
Es fing ganz harmlos an: Er kam zu mir auf einen Tee. Wir wollten die neuen Erkenntnisse zu den Balkons besprechen, tranken dabei Tee und aßen seinen mitgebrachten Kuchen. Dann erklärte ich ihm von der Schwierigkeit Balkons an seiner Haushälfte anzubringen. Der Architekt hatte mir das alles erklärt.
So gingen wir hoch in seine Wohnung und sahen uns die Situation von Innen an. Und ab dem Moment war ich den Rest des Tages neidisch. Ich will es nicht im Detail beschreiben, das steht geschrieben immer so sperrig da.
Aber das war so: Seine Wohnung ist etwa gleich groß, er hat sie allerdings so umgebaut, dass sie zweimal größer wirkt, zweimal heller und zweimal schöner. Zudem hat er einen zweimal so guten Geschmack (er ist Fotograph, also ein Ästhet) und hat einfach alles zweimal besser als ich.
Dann sind K und ich noch ein bisschen die Bernauer hoch zum Mauerpark spaziert, weiter zur Schönhauser Allee und dann in die Kastanienalle hinein. Dort haben wir uns vor das Cafe mit dem Monatsnamen (oder wars Wochennamen?) gesetzt, einen Prosecco bestellt und über den Umbau geredet. Welche Wände man einreißen müsste, wohin man das Badezimmer verlegen müsste, wohin die Küche. Immer mit dem frustrierenden Wissen im Kopf kein Geld dafür zu haben. Auf diesen Frust hin habe ich noch ein paar Prosecchini gekippt. Und noch ein paar.

Und jetzt habe ich eigentlich gar keine Lust tagebuchzubloggen weil mich das vom mentalen Umbauen abhält.

[9.5.]

Gestern in Charlottenburg gewesen Balkone besichtigen. Balkone mit Streben, mit Stäben, mit eleganten Sichtschutzplatten, mit Betonboden, mit Alumminiumboden, mit […]

Abends mit C im Theater gewesen. Eine Inszenierung von Schimmelpfennig bei den Theatertagen. Hier un jetzt.
Eine lange Hochzeitstafel. Als das Publikum den Saal betritt sitzt die Hochzeitsgesellschaft schon zu Tisch auf der Bühne, kaut auf Putenkeulen herum, trinkt Wein und schaut dem platznehmenden Publikum zu.
Danach geht es fast drei Stunden um Liebe und Verrat.
Und die Bühne wird ein Saustall. Blut, Federn, Wasser, Scherben. Das hat mir gefallen (ich bin leicht zu kriegen). Den Rest habe ich allerdings nicht verstanden.
Dramaturgisch war es ein Abgesang. Das sieht man öfter in ähnlichen Formen. Dann gab es so eine gewisse Rythmik die mir gefiel, eine Konstante in Referenzen, Rückspielungen auf vorher erwähnte Dinge die immer leicht variierte (ein Baby das ständig als Projektionsfläche ihrer gehemmten Mutter herhalten muss, der altherrenwitz mit 4 Däninnen, etc.).
Dann waren noch ein paar Schauspieler die eine tolle Bühnenpräsenz hatten (Corinna Harfouch!), aber dann. Dann war es das schon.

Aber der Saal war toll. Eine alte Industriehalle, improvisiert, vermutlich von der BVG oder vom technischen Museum, am Gleisdreieck in Kreuzberg. Man sah und hörte die Ubahn links, oberhalb des Saales vorbeidonnern. Die Zuschauerränge waren eine aus (ganz normaler brauner) Erde geformte Tribüne, als säße man in einem erdenen Amphitheater. Man bekam dicke Polster um draufzusitzen.
Ich muss wieder öfter ins Theater öfter wieder muss ich.

[8.5.]

[…]

Den Neuen aus dem Dachgeschoß kennengelernt. Der, der gerade Wände einreißt. Ein gutgelaunter bärenartiger Typ, sehr nett und freundlich. In einem Monat sei er fertig, sagt er, und dann gäbe es eine richtig fette Party bei ihm, da müssen alle aus dem Haus zu ihm kommen. Ich freue mich natürlich. Und sehe auch schon die türkische Familie sich über den Bierkasten hermachen und den hammerschwingenden Alki von unten die Stimmung erhellen. Die Frage was aus den Bewohnern der drei Ferienwohnungen werden soll, stellte ich mir erst später.
Und jetzt wollte ich gerade auf Ferienwohnungen eingehen und sowas sagen wie: Ferienwohnungen, so eine Pest.
Aber das ist auch die Pest.
Alles sagen sie: ist doch OK, hat man Ruhe, weil die Leute keine Ansprüche erheben, die kommen und gehen. Aber vielleicht ist es gerade das: Ich will, dass Leute Ansprüche erheben. („Ich Blockwart? Ich Blockwart? Bin ich eben Blockwart.“)

Der Architekt nimmt mich als Auftraggeber natürlich nicht ernst als ich ihm mit Lederjacke und mit schmutzigen Haaren (aber mit Krawatte!) die Hand entgegenstrecke: Wito, mein Name ist Wito, ja genau, ich bin das. Wir sind verabredet.
Wir starren etwa eine Stunde lang gegen die Hinterhoffassade und sinnieren über Statik, Standards, Fundamente, Dachkanten, Schwellen, Kunststoff- oder Holzfenster und strikte Bauvorschriften.

[…]

Als der Architekt verschwindet hält ein Taxi. K steigt aus, noch in voller Kongressmontur. Ich will nicht, dass sie das auszieht. Und lade sie auf einen Prosecco in der Kneipe gegenüber ein.

[7.5.]

Der ältere Herr beschwerte sich, ich solle vom Fahrrad steigen wenn ich auf dem Fußgängerweg führe. Womit er natürlich recht hat. Schön ist das nicht, es schafft Unordnung im Verkehr, es steigert das Unfallrisiko und es ist Rowdytum wenn einige dort verkehren wo sie nichts zu verkehren haben.
Doch gibt es ja immer diese gefühlte Unordnung.
Und so stand er da, Obergeneral Blockwart mit seiner uneinsichtigen Polizeimentalität womit er sichselber und gefühlt seine ganze Generation mit in den Diskredit reißt.
Deshalb erhob ich meinen rechten Arm zum militärischen Gruß und sagte: Machich. Später.
Was total blöd von mir war. Ich wollte ihn ja nicht demütigen, sondern ihm bloß mitteilen wie kleingeistig seine Empörung ist, wie seine ganze Mentalität, sein ganzes Verhalten ganze Generationen geprägt und schon eigene Bezeichnungen hervorgebracht hat. Wer will schon als Blockwart typisiert werden, doch möglicherweise nimmt er die Bezeichnung an ohne sie anzunehmen. Blockwart? Blockwart? Bin ich eben Blockwart. Ist er für sich selber aber trotzdem nicht.
Ich habe ja immer diesen Bildungsauftrag wenn ich unterwegs bin. Ich wollte ihm einfach sagen, hey allet jut, sei einfach ein bisschen cool, ich fahr ja schon absichtlich langsam und bedächtig weil ich zwischen euch fahre und ich ja auf Dich und die Ommis aufpassen will, wär ja alles nicht schön wenn ich euch zu Tode erschrecken oder über den Haufen fahren würde.
Stattdessen habe ich ihn nur beleidigt. Ich glaube das ist nicht gut. Für ihn bin ich der Rohling. Rohling? Rohling? Bin ich eben Rohling.

Max Goldt hat heute angefangen zu twittern: Boing.
Dies natürlich weil ich gestern geschrieben habe, er solle tagebuchbloggen. Er dachte sich daraufhin: ich kann jetzt nicht einfach so anfangen tagebuchzubloggen, dann weiß ja jeder, dass ich das vom Mek hab. Dann gehe ich eben twittern.

Zuhause K badend vorgefunden. Die Krankheit aus dem Leib baden. Dann habe ich ihr Agota Kristof vorgelesen und währenddessen die linke Hand ins warme Wasser gehalten. Ich las aus dem dritten Teil der Trilogie über den Schmerz und den Tod. Jetzt tuhe ich noch ein bisschen pensieren weil noch die Sonne scheint und das ja so beflügelt. Und danach lese ich weiter vor.

[6.5.]

Der leichte Gaumenschmerz von gestern, den ich aus Gründen der Irrelevanz nicht tagebuchgebloggt habe ist heute zu einem ausgereiften Abszess herangewachsen weshalb er jetzt relevant genug ist ihn zu bloggen. Hätte ich ihm gestern die nötige Aufmerksamkeit gegeben, wäre der leichte Gaumenschmerz möglicherweise ein leichter Gaumenschmerz geblieben. Der eitle Sonnenschein.
Meine linke Kopfhälfte tat weh und mein linkes Auge tränte. Somit habe ich meinen Gang ins Büro heute sein lassen und mich krank gemeldet. Bevor ich den obligatorischen Rundgang zu Arzt und Zahnarzt gelaufen bin, habe ich mir eine Nadel in den Gaumen gestochen, was ziemlich weh tat, und danach merkwürdig schmeckte, aber der akute Abszessschmerz, der war dann weg.
Die Zahnärztin will sich das demnächst aber trotzdem mal ansehen.

Karten für Max Goldt am Abend gehabt. Eine Lesung. K wurde krank, so bin ich mit Lisa ins Berliner Ensemble gegangen. Max Goldt war sehr unterhaltsam. Und auch lustig. Neben den üblichen Dingen die man über ihn sagt und kennt, fand ich beim Zuhören ja vor allem dieses unerwartete Zurückkommen auf den Ausgangspunkt, nachdem er sich in den Gedanken so formidabel hochgesponnen hat, dramaturgisch so wunderbar in Szene gesetzt. Das wirkt beim Lesen ja nicht so. Lisa hat viel gelacht. Und ich auch. Und mir beim Tippen dieser Zeilen gedacht wie sehr viel besser er das doch machen würde, dieses Tagebuchbloggen, und ja, genau: er wäre so der Supertagebuchblogger. Wenn er das bloß wüsste.

[4.5.]

Den ganzen Tag gerotzt ohne krank zu sein. Und Meerwasserspray in die Nase gesprüht. Den Witz mit der Schweinegrippe ein paarmal zu oft gehört. Niemand findet ihn mehr witzig, aber niemand kann sich dabei zurückhalten. Grunz.
Etwas gegessen hab ich auch. Gefrühstückt und zu Mittag gegessen. Und Abendmahl.
Im Büro Sachen erledigt.
Hehe.