[…hallo]

Hallo, hörst Du mich, ja, moment, sagwas, ich höre Dich auch, moment, so, besser.
Dieses Urmisstrauen in Skype, das sich auch nach dem hundertsten Male nicht einstellen will. Ich werde jetzt beim Abnehmen immer in mein Handy rufen: Hallo, hörst Du mich, ja, moment, sagwas, ich höre Dich auch, moment, so, besser.

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Meine Exex-Freundin, aus holländischen Zeiten, mit der ich seit etwa einem Jahr wieder regen Kontakt pflege, hat jetzt Skype, was die Gespräche ungemein entspannt. Sie hat vor einem halben Jahr ihr zweites Kind zur Welt gebracht, sie sagte von Anfang an, dass mit dem Kleinen etwas nicht in Ordnung sei, er halte sich so unnatürlich schief, als sei er verformt, aber die Ärzte wiegelten ab, das sei nichts, sie könne beruhigt sein, ein Haltungsfehler vielleicht, das pendle sich mit der Zeit wieder ein.
Ihr Mann, ein Rastafari, blieb auch cool. Wird schon nichts sein.
Unterdessen geht alles weiter wie es bisher ging, sie erzieht die beiden Kinder in einem kleinen mittelalterlichen Städtchen in der niederländischen Provinz, er, Rastamusiker lebt vorwiegend in Amsterdam, macht Musik, raucht Joints, folgt den guten Vibes und geht manchmal aufs Land um nach seiner Familie zu sehen. Geld hat er keines, er ist verkannter Musiker, das bringt kein Geld, sie finanziert ihn, weil sie an ihn glaubt, und weil sie ihn liebt, auch wenn er sich dann wochenlang nicht blicken lässt, auch nichts von sich hören lässt, verschollen mit dem Typen der ihn einmal zu einem Drogenschmuggel aus Curacao überreden wollte. Ab und zu kommt er dann, lässt sich als Vater feiern, ist so gütig und begattet seine Frau und alles ist gut.
Als sie ihn einmal vor etlichen Jahren unter Druck gesetzt hat, er solle sich mehr um die Kleine kümmern, er solle seine Verantwortung als Vater wahrnehmen, zog er sich zurück und meldete sich drei Wochen später, er müsse die Beziehung beenden, er brauche seinen Freiraum, aber sie seien verheiratet, sie müsse ihm weiterhin die Miete für seine Wohnung bezahlen. Irgendwann beruhigen sich die Gemüter, es verweichen sich die Forderungen, sie kommen sich wieder nahe, sie nimmt ihn zurück.
Inzwischen verschlechterte sich ein altes gesundheitliches Übel meiner Exex. Die Wirbelsäule. Mittlerweile ist sogar die Halspartie betroffen. Streckenweise kann sie nur noch mit Schmerzmitteln leben. Sie muss ihre Arbeit einschränken, sie restauriert als Selbstständige antike Möbel, das kostet körperliche Kraft. Ihr Einkommen schrumpft, das Einkommen für die Tochter, das Einkommen für den Mann.
Dann das zweite Kind. Der Junge mit der komischen Haltung.
Irgendwann kommt dann doch eine Diagnose: KISS Syndrom. Nichts supertragisches, aber doch so stark ausgepärgt, dass der Kleine therapiert werden muss, möglicherweise über viele Jahre hinweg.
Dem hält die Beziehung nicht stand, es überfordert den Mann. Er kehrt zurück nach Amsterdam. Das ist jetzt zwei Monate her.

[Alles wertend natürlich]

[20.7.]

Gestern mit der S-Bahn nach Köpenick gefahren, jetzt wo man noch vergleichsweise unbehelligt mit der S-Bahn fahren kann, ab heute steht ja so vieles still, und dann dachte ich mir, Mensch Meko, jetzt tu mal nicht so bedeutungsschwer über die S-Bahn sinnieren, am Ende gehst Du das noch bloggen, Du fährst nach Köpenick um C zu besuchen, einen anderen Grund hat das nicht, und so kam ich nach Köpenick, C wartete am Bahnhof und wir spazierten zu seiner Wohnung, redeten über seine gescheiterte Ehe und über Stolz und den Dingen die man sich deswegen verwehrt, er kochte die leckerste Pasta mit Tomatensugo östlich des Teltows und öffnete einen spanischen Wein und so saßen wir an seinem Küchenfenster, schauten runter auf eine Hauptstraße, kauten köstliche Nudeln, und hatten um die Mittagszeit schon ziemlich einen im Tee. Aber warum ich das jetzt aufschreibe, ich wollte ja nicht mehr wirklich tagebuchbloggen, ist, um die S-Bahn zu erwähnen, dass ich am letzten Tag vor dem großen Ausfall, S-Bahn gefahren bin, bis ganz nach Köpenick, und es ist jetzt furchtbar peinlich dies zu erwähnen, aber was ist wenn man dieses Blögchen in tausend Jahren unter einem Felsen wiederfinden wird und nichts vom Ausfall der Stadtbahn wiederfinden werden, wo ihnen ja schon die Einweihung des Kinderspielplatzes hier um die Ecke entgangen ist.

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Ein Bericht aus 1882, von einer der ersten Fahrten mit der sogenannten Stadtbahn auf der Berliner Ost-West-Achse (die übrigens später überall den Namen S-Bahn prägen wird).

[…]

Die Morgenpost fragt in ihrer sogenannten Online Debatte ihre Leser: Was sagen Sie zum Chaos bei der Berliner S-Bahn? Geben sie Ihren Kommentar ab
Sie hätten auch Kotztüten verteilen können.
Und nein, das verlinke ich jetzt nicht. Der Mob ist immer so gruselig.

(Ab Montag bricht bei der S-Bahn die Ost-West-Achse weg. Für die nicht-Berliner unter uns: seit zwei Monaten wackelt bei der S-Bahn so ziemlich alles und ab Montag wird alles was zuvor wackelte, einfach umfallen. Und wie schwer das Gewicht einer Ost-West-Achse wiegt, sagt ja schon der Name.)

[16.7.]

Ich verbringe in diesen Tagen die Nächte und lange Abende merkwürdig angespannt im Büro oder arbeitsmäßig verknüpft am Rechner, wegen dieser Ausnahmesituation die wir gerade fahren. Fahren fahren fahren. Das habe ich absichtlich so geschrieben, weil ich gerade in einer Raumkapsel sitze und die Sterne an mir vorbeiziehen sehe, die Nahen schnell und die Entfernten langsam und unterm Hintern dieses leise aber immer wahrnehmbare Brummen der Fahrt.

[…]

Während Birgit Minichmayr in Alle anderen über die Leinwand bretterte, fiel mir auf wie unglaublich fortgeschritten das Ganze auf einmal geworden ist, schon fast eine zivilisatorische Leistung, um es in überschwänglicher Rhetorik zu formulieren, wie man mit einem ungewöhnlichen Gesicht, oder besser noch: wie man mit der ungewöhnlichen Erscheinung der Minichmayr plötzlich einen Typ Frau in Szene setzen kann der nicht mit Schönheit punktet, nicht mit der Gazellenhaftigkeit einer Fee, auch nicht mit dem üblichen Typus einer starken Frau, und auch nicht allen anderen Attributen die den Frauen auf Leinwänden so angeschrieben werden, dabei hat sie zwar einen unheimlich tollen Hintern, der in Alle anderen geradezu zelebriert zu werden scheint, aber allem voran ist es diese, diese, diese, ja was ist es nun eigentlich.

Möglicherweise ist es neben ihrer energiegeladenen Präsenz, gerade alles was sie eben nicht hat, was man aber die ganze Zeit über erahnt, eine Art Brüchigkeit.

[12.7.]

Ein bisschen sprachlos gewesen in den letzten beiden Wochen, was nicht am Stoff lag, da ja so vieles passiert ist, sondern wegen der Pflicht, aus der ich mich wieder genommen habe, und wenn ich mich nicht in die Pflicht nehme, hier im Blog von den Dingen zu erzählen, dann picke ich wieder in den Geschehnissen herum, zerwühle, sortiere, knete und schiebe es beiseite. Anstatt Gebete vorzutragen. Die Irrelevanz. Schon witzig wie anders das früher war, das Gefühl, man wolle es der Welt mal erzählen.

Jedenfalls war gestern ein guter Tag. Und heute ist P aus Wien zu Besuch und wir gehen jetzt auf den Flohmarkt in den Mauerpark und nachher ins Due Forni an den Senefelder Platz, so leicht wie die Sonntage manchmal sind.

[maria]

Maria wartete auf dem Bürgersteig in der Rosenthaler Straße und ich kam von einem der Spreestrände am Ostbahnhof, von der Firmenfeier, und hatte den Umweg durch das Klosterviertel genommen weil ein Taxifahrer neulich diesen Umweg gefahren war, als ich aus Kreuzberg nach hause musste und während jener Fahrt kam ich drauf, dass das gar kein Umweg ist, sondern schlicht die schönere Route, und so torkelte ich auf dem Fahrrad durch diese eigenartige historische Kulisse: Stralauer Straße, Spandauer Straße, merkwürdiges Stück Stadt, so vollkommen aus dem Zusammenhang geholt, und wenn ich nachts betrunken durch diese Stadt fahre, dann werde ich ja immer ungemein ehrfürchtig, so mit dramatischer Musik im Kopf und den Bildern der historischen Momente (meist Bombennächte oder der kalte Krieg in einer plakativen Größe die mir immer die Sicht nimmt) vor Augen, so auch gestern, ich feierlich betrunken auf der Spandauer Straße, geblendet und kopflos, da packte ich mich hin, ich weiß nicht mehr warum, das Gleichgewicht vermutlich, und donnerte mit lautem Krach in die Gosse, dass mir heute noch die Knochen schmerzen, doch raffte ich mich gleich auf, die Schmerzen würde ich erst nach dem Ausschlafen spüren und die Stadt war um diese Uhrzeit so leer, niemand würde mir zu Hilfe eilen wenn ich noch lange im Graben liege und wimmere, dann zwei Ecken weiter, in der Rosenthaler Straße, stand Maria auf dem Bürgersteig und rief mir zu: „hey du schicker Typ im schicken weißen Anzug, wie wäre es mit uns beiden?“ Worauf ich ein wenig die Haltung verlor, auf meinen Anzug hinunterschaute und mir dachte: „Scheiße Du trägst ja diesen weißen Anzug“ und spontan fiel mir in diesem Zusammenhang der Sturz ein und dann sah ich auch schon meine ganze rechte Körperhälfte, oder Anzugshälfte eben, eingeschwärzt. Ich hatte angehalten und dachte über meinen Anzug nach, Maria stand neben mir, fragte, ob ich nicht noch wolle. Ich lachte und antwortete: nein es tut mir leid, ich bin vergeben, das schickt sich nicht, und sie sagte, das sei egal, die Frau zuhause würde ja nichts davon erfahren und griff mir dabei mit der Hand in den Schoß, und ich sagte, ach laß das sein bitte, das bringt nichts, und sie sagte, dochdoch, sie sei um diese Uhrzeit auch nicht mehr so teuer. Sie knetete an meinen Dingern und ich fragte: wie heißt Du? Und sie sagte: Maria. Und ich sagte: Maria, Du bist schön, aber ich will jetzt gehen. Sie sagte: ach bitte. Und ich sagte: Nein, tut mir leid. Und sie: ach bitte. Und ich: Nein sorry. Und sie: ach bitte.
Ich verabschiedete mich mit einem freundlichen Gruß. Zehn Meter weiter hallte ihr Flehen nach und ein tiefes Schuldgefühl erfasste mich. Ich drehte um und sagte: sorry Maria, ich wollte Dich nicht abweisen, tut mir leid. Und sie sagte, das ist gut, ich koste nur noch achtzig heute. Und ich sagte: nein, so meinte ich das nicht. Und sie sagte: was meinst Du dann? Und ich sagte: ich weiß es nicht.
Wir standen ein bisschen da. Und sie sagte: komische Nacht heute. Und ich sagte: ja, vermutlich.

[futter]

Wie Susanne auch schon angemerkt hat, will Bloglines nicht mehr so richtig. Die vielen toten Feeds die nicht mehr aktualisiert werden. Ich erschrecke immer wieder, wenn ich über andere Blogs auf quicklebendige Blogs stoße die ich tot wähnte weil sie in meinem Feedreader nicht mehr aktualisiert werden.
Ich war schon so weit gegangen einige Blogs anzuschreiben, dass ihr Feed nicht mehr ginge, aber jetzt weiß ich es besser.
Ich habe mir jetzt mal dieses Netvibes angesehen aber Netvibes und ich, wir werden nicht richtig warm. Nicht so sehr die vielen Farben, sondern die Navigation ist es, die mir nicht zusagt. Ich hatte früher Sage lokal im Firefox und danach Bloglines um überall im Netz den gleichen Status der Feeds zu haben. Ich weiß jetzt nicht ob das altbacken ist, aber: ich vermisse bei Netvibes das Menü an der linken Seite. Links klicken, rechts Inhalt, das ist so einfach wie Butterbrot. Das mag ich.
Gibt es empfehlenswerte Feedservices die das so machen?

[03.07]

Ahh, der Sommer hat aufgehört zu zögern und jetzt faltet er ungeniert seine ganze Vulgarität über die Stadt aus, schwer, plump, drückend. Als müsse er noch lernen wie man sich verfeinert. Kommt noch. Deshalb sollten wir diese Nächte nutzen und sie draußen verbringen wo die warme Sommernachtsluft gerade obszön an allen Ecken angelehnt steht und mit dem Zeigefinder lockt.
Gestern saßen Modeste und ich in der Schwedter Straße bei Pappa e Ciccia, dieser Name der sich sinngemäß vielleicht mit Pampe und Hüftspeck übersetzen lässt, dabei weiß ich jetzt nicht wieso ich die Übersetzung erwähnen muss, ah doch ich weiß es, weil mir der Name gut gefiel, obwohl ich von witzigen Namen meistens Hautflecken kriege, aber Pappa e Ciccia würde der durchschnittliche Toskanaurluaber mit dem Wörterbuch vermutlich in Brei und Speck übersetzen, oder wenn es dezenter sein soll: Brei und Fett. Aber jede Sprache hat jedenfalls seine Umgangstöne.
So saßen Modeste und ich im Pampe und Hüftspeck und aßen wirklich vortreffliche Pasta, neben Menschen die im Brei und Speck saßen und wirklich vortreffliche Pasta aßen. Das war amüsant, mehr hat der Name aber nicht herzugeben.
Ich habe gerade den lakonischen Part inne, wie es aber wirklich war, erzählt euch die Madame.

Da ich gerade wieder am Tagebuchbloggen bin –man verzeihe mir bitte die letzten Tage, ich war anderswie berschäftigt– sollte ich vielleicht erwähnen, dass das händische Töten der Blattläuse auf meinem Basilikum, nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat. Auch nicht in der Konsequenz in der ich kleine grüne Mistviecher zerquetschte und nebenher der Planze Gutes tat, wie singen und summen und grüne Gedanken von mir geben. Vermutlich sind die Blätter und der Boden schon völlig kontaminiert, mit Eiern, die unablässig für Läusenachschub sorgen. Ich habe nämlich gegoogelt, ich weiß wie das mit den Läusen funktioniert.
K hat dann Desinfektionsmittel in die Pflanze gesprüht, seitdem bewegt sich da nichts mehr.