[3.5.]

Auch Madame Modeste bloggt übrigens Tagebuch.

Heute viel vorgehabt: zwei LOST-Folgen schauen, Basilikumsamen wässern, bisschen mit Imre Kertesz im Bett liegen, K’s Fahrrad straßentauglich schrauben, dann einweihen und ihr beim Hervorholen der Sommergarderobe zur Seite stehen.
Letzteres spielte zeitlich die Dominante und verdrängte alles was ich an Plänen für den Sonntag hatte. Was aber durchaus amüsant war. Ich hatte Mitspracherecht beim Sortieren (Ausmisten) und mir mit ziemlicher Mühe Vetorecht auf die kurzen Kleider erkämpft. Keines davon ist im Container gelandet. Ich habe da so ein Auge.

Und dann diesen lauwarmen windigen Regen verpasst.

[2.5.]

Gestern dann das Komponentenfrühstück erlegt. Was zum Auswählen und Sortieren ziemlich kompliziert war, aber inhaltlich sehr gut geschmeckt hat (Käse und Wurst und Brot, mit Kaffe und Osaft, uhm). Morgens, draußen in der Sonne in der Brunnenstraße. Den Verkehrslärm im Ohr. Dabei die TAZ gelesen und von Judith Hermanns neuem Buch erfahren.

Nachher den viel zu lange aufgeschobenen Drink mit Lisa im Weltempfänger am Arkonaplatz getrunken. Prosecco mit Aperol. Man muss in Berlin noch lernen die Getränke liebevoller zu servieren. Prosecco mit Aperol leuchtet die Nachmittagssonne ganz anders aus wenn man es mit Eis und einer Zitronen- oder Orangenscheibe serviert. Im Sektglas und mit garnix ist Prosecco mit Aperol ziemlich tot.
Aber bei der charmanten Begleitung in der ich mich befand war mir das ziemlich egal. Es wiegt sich alles auf. Ich wollte das nur erwähnen, weil es gestern im Volkspark Friedrichshain auch schon so war: Lieblos. Der Prosecco mit Aperol. Und man weiss ja nie in welcher Gesellschaft man sich befindet.

Nachher nach hause gefahren an dem Text weiterzuarbeiten, habe allerdings nur Musik gehört.
Später waren wir dann im Kreuzberger Wrangelkiez essen. Bei Da Gino. Der letzte Abend mit B.
Mein Tagebuchblog deprimiert mich gerade fürchterbarlichst. Essen trinken essen trinken. Sitzen. Ich habe natürlich nichts von den guten Gesprächen berichtet.
Nach dem Abendessen waren B und K müde. Die Sonne, der Wein, das Essen, die langen Wege die sie gelaufen sind. Ich wollte noch zu M’s Umtrunk gehen, wusste aber um meine eigene Verfassung und entschied mich dagegen. Was eine gute Wahl gewesen ist.

[1.5.]

Zier. Gestern beim Feiern und vorgstern beim Nachdenken und die ganze letzte Woche beim Fahrradfahren, dachte ich daran diese Tagebuchblogsache noch ein bisschen zu verlängern, einen weiteren Monat, weil es noch nicht ganz zu dem geworden ist was ich dachte, dass es werden würde können (würde Würde werden mürbe).
Es fehlt noch der letzte Pling, oder vielleicht fehlt gar nichts, sondern ist es schlicht anders geworden als ich es erdachte hatte (werdewürdekönnen), auch wenn ich nie wusste was es werden würdete, doch hatte ich immer diesen Ton im Kopf den ich festhalten wollte.
Pling.

K und ich wollten heute mit B frühstücken: Kein Brunchbuffet sondern Komponentenfrühstück. Das ist wieder altmodisch ist wieder modern ist wieder altmodisch.
Aber dann. Nicht wegen der Frage der Mode sondern wegen des vielen Kaffees zuhause, sind wir stattdessen ins Due Forni am Senefelder Platz gegangen und haben riesige Pizzen verschlungen und dazu Alsterwasser getrunken. Und danach in den Volkspark Friedrichshain uns am Fuße des großen Bunkerberges, unweit der Bühne mit den Rockbands in die Sonne gelegt und den leichten Alsterwasserkopf ausgeschlafen. Ich wurde wieder wach weil ich etwas auf meinem Hintern spürte (ich schlief auf dem Bauch) und als ich im Reflex die Arschbacken zusammenkniff ging es weg. Von dieser Erfahrung wurde ich wach. Danach beim Nachdenken darüber, wusste ich, dass es ein Spatz gewesen sein musste. Das war irgendwie ulkig. Oder vielleicht eher: nett.

Rest des Tages: Irgendwann war es dann elf Uhr abends.

[30.4.]

Der April zuende. Gestern waren die Banken im Scheunenviertel zugenagelt. Verstärkte Polizeigruppen an vielen Ecken und Hofeingängen von Mitte hoch bis zum Mauerpark. Der Mauerpark mit Flutlicht ausgeleuchtet.
Ich mag diese ahnende Stimmung ja sehr. Auch wenn mir die Randalkinder mit ihren vorgeschobenen Argumenten für ein Stück Stadtkriegsromantik unheimlich auf die Nerven gehen.
Ich weiß leider wie sie sich fühlen. Und wie unbeirrbar man sich im Recht sieht.

B aus Wien ist zu Besuch. Wir waren essen und danach haben wir noch die feiernden Mengen im Mauerpark verstärkt. Das Flutlicht war cool, irgendwie eigenartig bedrohlich in der Nacht. Es ließ allerdings keine Hexenstimmung aufkommen, zudem merkte man wie jung die Leute sind. Das Bier haben wir dann bald ausgetrunken gehabt.

[30.4.]

Liebes Tagebuchblog. Heute war Zoff im Haus. Ich hörte beim Besprühen meiner Basilikumsamen laute Stimmen:
-eine aufgeregte Frauenstimme
-zwei sich verteidigende Männerstimmen
-eine lallende Männerstimme
Es gab ein Problem. Die verteidigenden Männerstimmen waren Bauarbeiter die im Dachgeschoß eine Wohnung renovierten und laufend Schutt nach draußen beförderten, wodurch die Haustüre offen stand. Die aufgeregte Frauenstimme gehörte Frau H. Und Frau H hat zwei Probleme. Das größere der beiden ist die offene Haustür. Denn: die offene Haustür animiert „wildfremde Vandalen“ dazu unseren Hausflur zu besudeln und die Postfächer zu schänden. Doch die Baurarbeiter sprachen kein Deutsch, verstanden zwar Frau H’s Anliegen, wollten aber bloß Schutt nach außen befördern und dabei nicht gestört werden.
Die lallende Stimme im Treppenhaus war Herr H. Und damit wären wir bei Frau H’s zweitem Problem.
Ich suchte nach Kräften Müll, um einen Grund zum Hinuntergehen zu sammeln. Ich merkte, dass da jemand beruhigen muss. Als ich soweit war hatte sich schon eine Stimme der Aufregung hinzugefügt: Herr Hb aus dem dritten Stock. Ein erfolgreicher Fotograf mit dem ich seit einer Woche unerwartet herzlichen Kontakt pflege.
Unten angekommen ist alles wieder entspannt. Die Bauarbeiter tragen Schutt nach außen und Frau H äußert Herrn Hb ihren Unmut. Ich schließe mich dem Gespräch an und spreche einige schlichtenden Worte. Nur Herr H brüllt von oben Unverständlichkeiten die Frau H mit einem ICHKOMMJAGLEICH quittiert. Herr H schlägt mit der Tür. Frau H erzählt weiter. Von früher. Herr H brüllt wieder von oben, er würde bis drei zählen, dann müsse sie kommen, sie brüllt: JAJAJA. Und redet weiter mit uns. Irgendwann steht ein älterer Herr sehr ungleichgewichtig am oberen Ende der Treppe mit einem langen Hammer in der Hand und brüllt: KOMMSUJEEETZT.
Sie sagt: JAJAJA.
Keine Pointe sowas. Aber irgendwie Marmelade.

Später habe ich dann Frau Casino auf einen Wein getroffen. Was zu einem sehr warmen Abend wurde, und aus dem Wein wurde ein Zweiter. Und schließlich wurde es spät.

[28.4.]

Der gestrige Eintrag geht so natürlich überhaupt nicht. War doch der Plan dem Geschehenen Relevanz zu geben, und wenn schon keine Liebe dafür da ist, dann sollte man doch mindestens versuchen dem Geschehen auf lieblose Weise Relevanz zu geben, schon nur um zu sehen wie das dann aussieht, weil Dinge die man liebt auf ein Podest zu stellen ohnehin ein Einfaches ist, das man zur Genüge kennt.

Heute also getan:
-zum Frühstück nicht sonderlich viel Hunger gehabt.
-Bei einem Balkonbauer einen Kostenvoranschlag eingeholt. Als ich diesen Satz so dachte habe ich ihn nochmal langsam nachsagen müssen: Bei einem Balkonbauer einen Kostenvoranschlag eingeholt. Um den Satz langsam auf der Zunge schmelzen zu lassen. Auch wenn zergehen schöner ist, aber zergehen habe ich als Kind schon nie verstanden, man kann sich Füße zergehen, aber Wörter auf der Zunge gehen nicht. Gingen jedenfalls nicht. Heute sehe ich das schon anders. Aber mittlerweile geht ja so vieles das ich nichtmal kommen habe sehen. Wie auch immer: Bei einem Balkonbauer einen Kostenvoranschlag eingeholt. Und das ist wirklich schnafte. Das ist sowas wie Kinderkriegen und sich dabei unheimlich erwachsen vorkommen.
-Danach habe ich mich in den Weinbergspark setzen wollen um ein paar Sachen zu tippen, da ich gerade merke wie sehr ich mich bei Tageslicht besser auf eine Sache konzentrieren kann, weniger ablenken lasse vom Browser im Hintergrund, und überhaupt: viel mehr Energie die da reingeht. Und Energie ist klasse. Das wusste ich nicht.
Wenn die Sonne untergeht, dann geht das Licht aus und es wird immer alles düster in mir.
-Das hat aber nicht funktioniert. Statt Weinbergspark hatte ich Verpflichtungen die sich in die Länge zogen.

[26.4.]

Den halben Tag mit Warten verbracht. In der Zwischenzeit das Fahrrad repariert, Kräutererde in Blumekisten gestopft und mit einem selbstgebastelten, vermutlich patentierbaren Befestigungsmechanismus an den Fenstersimsen be- festigt. Den EEEPC aufgeladen weil ich mich damit in den Mauerpark setzen wollte ein paar Notizen niederzutippen, dann nur bis zur nächsten Bar gekommen, dort mit K einen Prosecco in der milden Sonne getrunken, über die moderne Oper von letztem Monat und die vielen Veränderungen in der Stadt geredet. Dabei auf viele Parallelen gestoßen, und vor allem den fehlenden Mut festgestellt. In der Architektur, in der Musik, in der Liebe. Die Eleganz der Zurückhaltung als Ausrede. Das Gespräch ging in den zweiten Prosecco über und die Sonne ging unter.

[25.4.]

Heute beim Hinunterlaufen der Brunnenstraße John Lennon getroffen und ich sagte zu ihm, Hey John was machst Du denn hier und er sagte, hey Mek, nichts besonderes, aber das Wetter ist okay, ich dachte schaust mal raus was da so los ist und ich sagte, das ist gut, das Wetter ist auch wirklich klasse, dieses zwanziggrad-Wetter, könnte ja das ganze Jahr lang sein, wenn mich fragst, und er nickte, meinte, England im Westen am Lands end, davon dachte er immer, da müsse der Golfstrom dermaßen intensiv strömen, dass praktisch das ganze Jahr lang Frühling ist, das war aber nicht so, worauf ich ihm sagte, komisch das, verstehen tu ichs nicht, aber Europa so ganz ohne Winter, ich weiss nicht, er schaute nachdenklich in den Himmel und sagte, womöglich hättee ich recht, und ich fuhr fort: denke an Weihnachten und sofort sprang er ein: jesus, nein, warmes Christmas, das ginge ja gar nicht, könnte man ja gleich nach Australien […]

[24.4.]

Mit Anna verabredet gewesen. Anna wohnt in Neuköln. Und da war es wieder: Freitagabend, die U8, und ich. Ich dachte ich träfe sie immer, die Spacken, aber diesmal waren sie nicht da und während ich mir so dachte, mensch, das musst Du tagebuchbloggen, schaute ich auf die Anzeige um mich zu vergewissern ob es auch tatsächlich die U8 war in der ich saß, und dann dachte ich: genau jetzt wo ich denke aufschreiben zu müssen, dass sie nicht mehr kommen, kommen sie bestimmt. Und das muss ich dann wiederum Tagebuchbloggen.
War dann aber nicht so.

Anna und ich spazierten von der Karl-Marx-Straße hinüber zum Flughafen Tempelhof. Tempelhof am Abend. Die letzten rot-orangen Verfärbungen der untergehenden Sonne vor uns am Horizont, die weiten Flächen, Rollbahnen, Funktürme mit Kugeln. Das fand ich ziemlich überwältigend. Und seltsam angetan war ich sprachlos.
Wir waren nicht die einzigen. Verschiedene Menschentrauben hingen dort an ihrem Platz, tranken Bier, schauten übers weite Feld und waren orangerot angeleuchtet. Wir und sie, wir wechselten wissende Blicke. Konspirativ.
Wir spazierten durch den Schillerkiez in Richtung Columbiadamm und redeten von der Liebe, bogen dann links in die Hasenheide ein und gelangten auf den Jahrmarkt Mai land, wo wir die überdimensionierten Kuschelpreise der Schießbuden musterten und dem mechanischen Drakula zuhörten der – geschützt vor alkoholisiertem Testosteron – hinter einem Bausperrzaun an seinem Sarg hantierte.
Das Riesenrad war recht hoch und im Festzelt spielten die 2 Rocking Ladies Hits aus den achtzigern-neunzigern, im Hintergrund, von der Bude hinter uns, der wuchtige Beat einer Technomelodie, weiter weg das Knallen und Krachen der bestuhlten Drehmaschinen und Autoscooter und ich hörte sogar den mechanischen Drakula wieder, auf der Tanzfläche vor den Rockingladies, tanzten zwei blondierte Frauen ein bisschen schüchtern mit ihren Kindern zu einem ABBA-Cover, davor saßen ihre beiden Männer und ein paar Freunde bei Bier und Bratwurst. Diese wunderbar glückliche Traurigkeit machte mich ziemllich dings.

Danach im Graefekiez etwas getrunken und geredet bis es spät wurde.