Gestern spät am Abend schrieb mir meine Mutter, dass es meiner Tante Rosl nicht besonders gut geht und sie vielleicht nicht mehr lange lebt.
Heute früh starb sie dann.
Rosl ist einer der Tanten, die ich in meiner Ahnengalerie beschrieben habe. Eigentlich hatte ich keine wirkliche Beziehung zu ihr. Ich besuchte sie manchmal noch im Altersheim, aber sie wusste schon seit einigen Jahren nicht mehr, wer ich bin. Seit zwei Jahren erkannte sie auch meine Mutter nicht mehr. Meine Mutter war die letzte, die sie noch hatte.
Eigentlich sollte mich ihr Tod nicht besonders berühren, sie war alt und vegetierte schon seit Jahren, für sie war es vermutlich eher eine Erleichterung, mindestens aber egal. Was mich aber dennoch den ganzen Tag schon deprimiert, ist der Gedanke daran, dass ein Leben zu Ende gegangen ist, das eigentlich ein Scheissleben gewesen ist. Sicherlich hat sie auch wenig daraus gemacht, sie hätte es ändern können, andererseits hatte sie aber auch nicht die Instrumente, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und vielleicht hat sie es auch nicht gewollt. Oder nicht gewusst.
Deprimiert mich trotzdem.
Und es erinnert mich daran, leben zu müssen. Ich lebe gerne und ich versuche mit den mit zur Verfügung stehenden Instrumenten gerne zu leben und letztendlich geht es wohl darum gerne zu leben, oder? Das schliesst natürlich Schwierigkeiten und Löcher mit ein, aber ich möchte am Ende dieses meines Lebens ungerne ein Gefühl haben, nicht gerne gelebt zu haben. Mit zunehmendem Alter merke ich, dass mir das stets wichtiger wird, die Dinge gerne zu machen. Das kann auch ein Problem sein, ich liebe Probleme. Aber es gibt Dinge, die ich nicht gerne mache. Manchmal muss ich solche Dinge machen, aber ich versuche sie zu vermeiden.
Das Klingt jetzt alles wie eine Kalenderphilosophie, aber es beschäftigt mich heute. Gerne leben.
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Nach der Arbeit traf ich mich mit meiner Fussballfreundin Sabine im Brlo. Ich weiss, ich habe schon oft geschrieben, dass ich das Brlo nicht mag, aber es ist unfassbar einfach, sich dort zu treffen.
Wir blieben draussen, es war zwar kühl, aber noch nicht kalt, wir setzten uns an einen dieser Stehtische, neben uns ging eine Wintersonne unter und verschwand in Schöneberg.
Wir redeten über das Älterwerden. Im weiteren Sinne auch darüber, gerne zu leben.