[Fr, 7.11.2025 – Marquéz, Wells, Mond]

Die zweitbeste Sache an Hamburg ist ja, dass hier keine ollen FC-Köpenick-Sticker kleben. Mit St.Pauli oder dem HSV kann ich gut leben.

Auf dem Hinweg letzten Sonntag wollte ich eigentlich das Hörbuch „100 Jahre Einsamkeit“ von Gabriel García Márquez hören. Seit der letzten Schwedenreise habe ich nämlich das Hörbuchhören auf langen Autofahrten für mich entdeckt. Nach einer Stunde überforderten mich allerdings die vielen verschiedenen Figuren. Ich konnte all die Buendías, Arcadios und Amarantas nicht mehr auseinanderhalten. Die Restkonzentration, die ich für das Steuern eines Wagens brauche, belegt offenbar dieselben Gehirnareale wie literarische Figuren, wenn sie über meinen Gehörkanal eindringen. So meine Interpretation. Also stoppte ich das Tonband und hörte stattdessen einen Militärpodcast. Ich werde es wohl doch als Buch lesen müssen. Der Schinken steht schon seit ein paar Jahren in meinem Regal, aber ich zog immer andere Lektüre vor.

Die ganze Woche in Hamburg habe ich kaum gelesen. Ich habe auch kaum geschrieben. Nicht mal eine Seite pro Tag. Abends war ich immer müde. Mental müde. Vor dem Einschlafen las ich Murakamis „Kafka am Strand“. Nach einer Woche bin ich auf Seite 25 angelangt und ich habe keine Ahnung, was ich da gelesen habe.

Heute auf der Rückreise hörte ich H. G. Wells‘ „Zeitmaschine“. Klassiker der Science-Fiction. Ich dachte: Weniger Figuren. Das klappte tatsächlich.

Ich störe mich etwas am Duktus des Erzählers, wie er die zukünftige Gesellschaft (im Jahr 802.701 n. Chr.!) beschreibt und sie mit der heutigen Gesellschaft (London 1891) vergleicht. Wie er ständig über die „Verweiblichung“ der Gesellschaft redet, könnte er genauso gut Reden für Friedrich Merz schreiben. Das Unangenehme daran ist möglicherweise jedoch der Epoche zuzuschreiben, in der der Text entstanden ist. Wells hatte ungewöhnliche politische Ideen zur Zukunft der Menschheit, die auf den ersten Blick durchaus interessant klingen, aber er hing kurzzeitig auch sozialdarwinistischen Ideen nach. Ich habe mich noch nicht näher damit beschäftigt.

Gestern war Vollmond. Heute auf der Reise zurück nach Berlin begleitete mich der Mond die ganze Strecke lang. Er hing tief am nördlichen Himmel. Die Nacht war wolkenfrei. Er begleitete mich die ganzen drei Stunden lang. Immer links neben mir. Oft schaute ich hinüber zu ihm. In den meisten Sprachen hat der Mond einen weiblichen Artikel. Nicht auf Deutsch. Komisch eigentlich. Im Mondlicht wehen eigentlich ja immer die Kleider der enigmatischen Frauen. La Luna erscheint mir da wesentlich sinnvoller. Heute war er aber ein bisschen wie ein Beschützer. Ein nächtlicher Begleiter. Während wir durch die dunkle norddeutsche Tiefebene fuhren.

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5 Tage.

Ein Kommentar

  1. Deine Überforderung anhand der vielen ungewohnten Namen kann ich so sehr nachvollziehen. Mich macht es sogar aggressiv, wenn mich komplizierte, schwer zu merkende Namen von zu vielen Protagonisten aus dem Lesefluss werfen und ich breche dann auch schon mal ab. Mir zu anstrengend, kommt wir vor wie Vokabeln lernen müssen. Ich versuchte mich mal, freundschaftsbedingt, durch einen Fantasy-Roman zu quälen, dessen Besetzung nicht nur komplett vom Autor selbst erfundene Namen trug, sondern auch noch auf einem erfundenen Kontinent mit erfundenen Ortsnamen spielte. Sogar eine gemalte, erfundene Landkarte gab es. Nun sind Phantasy-Romane ohnehin nicht meine Welt, ich finde unsere irdische Realität schon bunt und abenteurlich genug, aber diese Kombination gab mir den Rest. Ich quälte mich nicht weiter. Außerdem bin ich der Meinung, dass man sich von beweihräucherten Eckpfeilern der sogenannten Weltliteratur nicht derart einschüchtern lassen muss, dass man sich lustlos durcharbeitet, nur um einen Haken drunter setzen zu können.

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