Am Abend war ich auf einer Lesung von Klaus Ungerer eingeladen. Mein Tshirt hatte seltsame Flecken, also beschloss ich auf dem Weg zur Lesung in die Mall am Leipziger Platz zu gehen und mir ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln zu kaufen. Zum einen könnte es am Abend kühl werden aber ich suchte auch schon seit Tagen ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln, war aber stets erfolglos geblieben. Warum ich mir gerade jetzt erhoffte, unter Zeitdruck ein passendes Hemd zu finden, erschloss sich mir nicht, aber dennoch tat ich es einfach und so stand ich zehn Minuten nach Betreten des Geschäftes, wieder am Fahrrad mit einem neuen Hemd am Oberkörper.
Es hätte noch schneller gehen können, aber ich verlor ein bisschen Zeit, weil die Verkaufsdame mir ein Hemd gab, das mir zu groß erschien, als ich es anprobierte kam es mir immer noch zu groß vor, also ging ich zurück zu der Dame und fragte sie, ob es das Hemd nicht eine Nummer kleiner gäbe. Sie schüttelte den Kopf und sagte, das sei genau die richtige Größe und machte eine Geste an ihrem Bauch, die signalisieren sollte, dass es zu Spannungen kommen könnte, ich sagte, ich würde dennoch lieber eine kleinere Nummer probieren, doch sie schüttelte den Kopf und ging einfach. Einfach so.
Da ich nicht wusste, wo sie das Hemd hervorgezogen hatte, wollte ich keine Zeit verlieren und ich kaufte es einfach. Im Laufe des Abend fiel mir dann auf: es passt hervorragend und ist gar nicht zu groß.
Klaus und Andreas Baum haben einen kleinen Verlag gegründet. Die Lesung war so etwas wie die Vorschau unter Freunden in einem Hinterhof der Rheinsberger Strasse. Zwanzig Gäste waren geladen. Die beiden Verlagsgründer lasen aus ihren Novellen vor.
Ich war schon etwas früher da, Klaus stellte mich Andreas vor. Ich kannte Andreas Baum aus Klaus‘ Erzählungen, dass er in 2016 einen Hausbesetzerroman veröffentlicht hatte. Das Buch klang ungemein lesenswert und ich setzte es auf meine Liste. Ich sagte zu ihm, dass mir sein Buch empfohlen wurde und ich es demnächst lesen würde, dabei erwähnte ich, das persönliche Interesse am Thema, da ich in den Neunzigern auch Häuser besetzte, allerdings in den Niederlanden.
Andreas lehrte in 2004 in Afghanistan Journalismus und die Novelle die er vorstellte, war eine Geschichte über die Erfahrungen aus jener Zeit. Aktueller geht es natürlich kaum. In 2004 hatte man gerade halbwegs erfolgreich die Taliban in die Berge zurückgedrängt und es keimte so etwas wie Hoffnung auf ein besseres Leben auf. Das Buch erscheint vermutlich im September und ich kann es sehr empfehlen.
Klaus Novelle ist eine Geschichte über das Fehlen. So heisst die Novelle auch. Das Fehlen. Eine poetische Erzählung über Abwesenheit, ich ahne, dass es viel um Verlust gehen wird, ich kann mich aber auch täuschen. Im Publikum herrscht lustigerweise die Meinung, dass es eine Liebesgeschichte sei, was Klaus vehement verneint. Auch bei mir hing eine Geschichte der Liebe über allem, aber gut, ich kenne jetzt ja nur die vorgelesene Passage. Aber ist Liebe nicht immer auch die Angst davor, sie zu verlieren? Die Schwere in der Liebe ist vielleicht das Fehlen. Aber deswegen muss es natürlich noch längst keine Liebesgeschichte sein.
Es wurde sehr kühl. Ich saß an diesem schönen und unterhaltsamen Abend noch lange in kurzen Hosen und kurzen Ärmeln. Es ist Mitte August. Die Gäste trugen bereits mehrere Kleiderlagen. Auch ich zog mir eine Jacke über.
Als ich mich verabschiedete, sagte Andreas zu mir, ich solle warten, er hätte etwas für mich. Er drehte sich um und zog ein Exemplar seines Hausbesetzerromans aus seiner Tasche. „Wir waren die neue Zeit„.
In dem Buch, in dem Thomas Bernhard ueber die Preise schreibt, die er so verliehen bekommt, unerwarteterweise eins der unterhaltsamsten und menschlichsten Bernhard Buecher ueberhaupt, schreibt er so, wie er nach ewigem ausschliesslichem pulli (rot, glaube ich) und cordhose (braun, glaube ich) tragen, als ihm der oesterreichische staatspreis verliehen wird, beschliesst, jetzt muesste mal ein gescheiter anzug her, und in den edlen herrenaussstatter am graben geht, wo er sonst immer nur socken gekauft hat (sir toby, glaube ich), und sich nach eigenem ermessen einen „perfekt“ sitzenden anzug auswaehlt. Bei der preisverleihung befindet er aber, dass der anzug aber eigentlich gar nicht perfekt sitzt, vielmehr ueberall drueckt und viel zu eng ist. nach dem staatsakt zurueck zu sir toby, der anzug wird umgetauscht, zu einem wiederum perfekten, jetzt groesseren. irgend jemand kauft dann den anzug, dem der staatspreis verliehen worden ist, ohne das zu ahnen.
ende.
wirklich ein super buch, insbesondere der teil, wo bernhard sein bauernhaus kauft. ich kann das alles nachvollziehen, und taete das ebenso.
das exakte instantane einschaetzen von groessen ist die superpower der hob verkaeufer alter schule, sie koennen die leute so richtig beleidigen, wenn sie das nicht akzeptieren.
Haha, lustige Geschichte. Das Buch habe ich nicht gelesen. Dazu fiel mir noch diese Anekdote ein: http://mequito.org/stories/2356
Dieser mysteriöse Verkäufer in einem chicagoer Bekleidungsgeschäft. Superaugen mit Lasertechnik.
ja, das ist so: eine verkaeuferin in einem kleinstadtgeschaeft, in dem meine grossmutter und grosstante jahrzehntelang ihre garderoben gekauft hatten, hat mir das so erklaert: die maenner kennen ihre groessen nicht und wenn sie zwei hosen anprobiert haben, und die zweite passt auch nicht, dann gehen sie wieder. hosen also wirklich kritisch fuer das wirtschaftliche ueberleben.
keine ahnung ob auch 2 jahrzehnte spaeter die maenner ihre groessen nicht kennen, oder diese verkaeufer doch eher aussterben mangels nachfrage.