[Sonntag, 23.5.2021, Pfingstsonntag]

Gestern wollte ich mal die Reichweite von Instagram probieren und postete ein Foto von meinem Pieks mit Link auf den Blogpost mit dem Pieks. Aber dann stellte ich fest: man kann bei Instagram keine Links posten. Das liess mich einigermaßen fassunglos zurück.
Man-kann-auf-Insta-keine-Links-posten. 😐
Ich benutze Instagram ja nur so mäßig, ich finde es in der Handhabe ziemlich undynamisch, man kann keine Bilder in andere Apps teilen, man kann keine Stories liken, man bekommt keine Likes von Dritten zu sehen, es ist nur diese Starre Anzeige von Bildern. Es wundert mich, weil es ja ständig Updates für die App gibt, die Haptik von Insta aber immer noch so ist, als befände sie sich seit Jahren in einer Beta-Version. Die Updates enthalten also wohl nur Filter für Fotos und Trackingmechanismen die mehr über unserer Vorlieben in Erfahrung bringen sollen.

Meine Vorlieben. Wenn sie bei Insta meine Vorlieben kennen, bekommen sie Angst.

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Und sonst habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Yoga gemacht. Meine Frau meinte schon lange, ich solle das mal probieren, auch auf die Gefahr hin, dass ich eine Obsession dafür entwickle, aber Yoga passt für mich nicht in mein ästhtetisches Lebenkonzept. Zwar finde ich es gut, wenn Menschen sich auf positive Art mit ihren Körpern beschäftigen und Inneres Gleichgewicht suchen, das kann alles nur gut sein, aber das ist für mich alles zu sehr Grünwählerinnenästhetik, auch wenn ich selbst eher Grünwählerin bin, aber diese Ästhetik, die sich aus Woodstock und Birkenstock speist, finde ich ziemlich unansehnlich. Dazu zähle ich Yogamatten. Und wie man sich auf Yogamatten bewegt.

Ich habe dann doch Yoga gemacht. Einfach, weil ich neugierig war. Ich fand es so halb. Glücklicherweise. Ich will mir gar nicht vorstellen, was los wäre, wenn es mir gefallen hätte.

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Und sonst war es ein sehr ruhiger Tag. Wir waren im westlichen Teil des Volksparks im Friedrichshain, dort beim See und dem Cafe Schönbrunn. Wir saßen auf einer Bank und redeten über die Dinge. Es war viel los, aber nicht überfüllt in dem Sinne, dass es der Pandemie unangemessen wäre. Es spielten Bands. Eine zaghafte Sonne schien uns ins Gesicht.

[Samstag, 22.5.2021]

Wir waren wieder auf dem Friedhof spazieren. Das klingt jetzt sehr nach Reaktivierung eines Goth-Kults aus unserer Jugend. Aber das ist natürlich nicht so. Es ist einfach ein sehr angenehm ruhiger und verwilderter Ort. Es ist schön, sich da aufzuhalten. Ein bisschen wie ein Wald. Das Nächste an einem Wald.

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Es ist das letzte Spiel der Saison. Das letzte Spiel einer grauenhaften Saison. Eine Saison, in der bei Hertha allerdings einige Weichen gestellt wurden, die Lust auf die Zukunft machen. Wenn wir dann im Herbst wieder ins Stadion können, wird das ein Fest.

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Wir verbringen eine lange Zeit auf dem Balkon, reden über viele Dinge. Es ist noch ein bisschen zu kühl, um im Hemd draussen zu sitzen. Aber mit einer dünnen, übergeworfenen Decke, geht es.

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Kurz vor dem Schlafengehen unterhalten wir uns über den ESC. Heute ist das Finale. Ich habe den ESC ein paar Mal geschaut, fand das ganz nett, ein bisschen zu lange vielleicht und ein bisschen viel Belanglosigkeit, aber trotzdem ganz nett.
Seit ich den ESC aber einmal in Begleitung mit mehreren Menschen schaute, hat mich das Lästern der Leute total runtergezogen. Dieses Rudellästern über Outfits, über Geschmack. Dieser ganze Habitus, es erstaunt mich nicht, dass der ESC auch auf Twitter so gut funktioniert, ablästern, ausgrenzen, abfeiern der eigenen Blase.

Aber die Anziehungskraft der Auszählung zum Schluss. Dem kann man sich schwer entziehen. Es ist immer auch ein Kontest der Völkerpopularität. Deutschland und UK, aber lustigerweise auch Frankreich, rangieren hier meist auf den untersten Plätzen. Wir sind schon bettgehfertig, rufen dann aber doch Mal den Livestream der ARD auf, um zu schauen ob etwas passiert ist. Die Auszählung beginnt gleich. Wir hängen noch anderthalb Stunden am Display.

[Freitag, 21.5.2021]

Heute also Impftermin. Ich schlief schlecht vor Aufregung. Ich hatte Hetzträume, dass ich den Termin verpassen würde. Die Dame am Telefon hatte mehrmals betont, wie wichtig es beim ersten Termin sei, diesen wahrzunehmen und pünktlich zu sein.

Ich stand dann anderthalb Stunden zu früh in Friedenau vor der Praxis. Hätte ich nicht den Bahnhof verpasst und deswegen eine Station zurückfahren müssen, dann wäre ich sogar 15 Minuten früher da gewesen.

Friedenau ist sehr schön. Ich kann nachvollziehen, warum hier die großbürgerlichen Nachkriegsliteraten wohnen wollten und nachdem sie hier lebten, nur noch großkünstlerischen Schund fabrizierten. Künstlerischer Status, alles atmet hier künstlerischen Status aus.

Hier kriege ich meinen Shot. Das Ausziehen und das wieder Anziehen dauert länger als der Pieks.

Vor der Impfung muss ich mich entscheiden, ob ich nach der Impfung sofort gehen, oder noch 15 Minuten in der Praxis verweilen will, falls eine allergische Reaktion auftritt. Wenn ich direkt gehen will, dann muss ich einen Zettel unterschreiben, dass ich das freiwillig mache und mir der Risiken bewusst bin. Ich sage natürlich, dass ich keine Angst habe, frage dennoch, was denn geschehen kann. Die Ärztin erklärt mir, was bei einem allergischen Schock passiert.
Nach der Impfung setze ich mich dann für 15 Minuten in den Warteraum. Ich hasse mich, wenn hypochondrische Züge zeige. Im Wartezimmer sitzen viele Menschen, ich versuche es so aussehen zu lassen, als würde ich auf einen weiteren Termin warten und schaue betont gelangweilt auf mein Telefon.

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Nach dem Impftermin fahre ich in die Firma für einen Termin, aber danach fahre ich nach Hause und verbringen den Rest des Tages im Homeoffice.
Ich habe mir vor etwa einem Jahr in den Kopf gesetzt, eine Karte der Arktis für den Hintergrund in meinem Arbeitszimmer anzufertigen. Für Videomeetings, wenn ich zuhause sitze. Das stellte ich mir toll vor, eine überdimensionierte Karte der Arktis. Einige Monate später liess ich sie produzieren, aber das Ergebnis war eher enttäuschend aufgrund der blassen Farben, vor allem aber die Dimension. Die Karte lies sich nur auf 90cm vergrößern und sieht jetzt ein bisschen piepelig aus, wie man auf dem Foto unschwer erkennen kann.

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Aber ich habe ja noch den Eisbären.

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Am Abend ruft mich die größere der beiden Schwestern an. Wir haben eine sehr innige Verbindung, aber wir hören uns seit einigen Jahren so gut wie nie. Sie ist beruflich sehr eingespannt und hat auch sonst ein sehr durchgetaktetes Leben. Heute sehe ich ihre Nummer auf dem Dispay. Ich nehme sofort ab. Sie sagt mir: sie hat ungefähr drei Mal pro Jahr Zeit für sich selbst und jedes Mal wenn das der Fall ist, dann denkt sie, sie muss jetzt endlich ihren Bruder anrufen. Heute ist so ein Tag. Und in der Tat. Wir telefonieren zwei oder drei Mal pro Jahr.

[Donnerstag, 20.5.2021]

Ich hatte ursprünglich über Doctolib einen Impftermin für Ende Juni ergattert. Dabei hatte ich vermutlich schlichtweg Glück. Ich checkte drei oder vier Mal pro Tag auf dem Portal nach freien Terminen. Ich war aber nie erfolgreich und war auch nie besonders hoffnungsvoll. Aber drei oder vier Mal pro Tag die Seite aufrufen, das kann ja nicht schaden.
Einmal, kurz vor Mitternacht, als ich gerade schlafen gehen wollte, klickte ich zum Abschluss des Tages nochmal auf jene Seite und auf einmal gab es mehrere freie Termine im Impfzentrum Tegel. Das war eine so ungewohnte Ansicht, dass ich zuerst dachte, die Seite hätte einen Bug.

Ende Juni würde der Termin sein, vor ein paar Wochen klang das noch nach „ewig hin“, aber es ist immerhin ein Termin am Horizont. Darüber war ich sehr erfreut.

Gestern saß ich dann in einem Call mit einem externen Dienstleister. Fünf Menschen vor mir auf dem Bildschirm, mit denen ich eine Dienstleistung aushandelte.
Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass ich seit einigen Wochen bei einem Arzt auf der Impfliste stehe. Man sagte mir, das könne noch Wochen oder Monate dauern, es kann sich aber auch ganz plötzlich ein Termin auftun, da müsste ich dann sehr flexibel und schnell sein.

Seitdem habe ich das Telefon im Blick. Und nehme jeden Anruf entgegen. Vor allem wenn eine mir unbekannte Nummer auf dem Display aufscheint. Normalerweise ist mein Telefon lautlos, Anrufe verpasse ich so gut wie immer.
Seit ich ein Impfkandidat bin, habe ich das Telefon entstummt, eine auffällige Klingelmelodie eiungestellt und es steht angelehnt und aufrecht neben meinem Monitor.
Als ich also mit den fünf Herren eine Dienstleistung aushandelte, leuchtete mein Telefon auf, es begann zu vibrieren und die ersten Takte einer elektronischen Version von Bachs Fuge in D Moll sprang in den Lautsprechern an. Auf dem Display prangte eine Berliner Festnetznummer. Ich sagte den Dienstleistern I-need-to-take-this-call, mutete mich und nahm den Anruf an. Es war eine Praxis, die mir kurzfristig einen Termin anbot. Ich sah, wie die fünf Dienstleister mich am Monitor etwas ungläubig anstarrten.
Ich schrieb mir alles schnell auf einen Zettel, dabei war ich offenbar so aufgeregt, dass ich mir einige Angaben falsch notierte. zB den Tag. Das verstand ich aber erst im Nachhinein, als ich merkte, dass der Wochentag nicht mit dem Datum übereinstimmte. Ich konnte es glücklicherweise klären. Am Freitag also. 11:30 Uhr.

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Am Abend traf ich Frau Modeste am Hackeschen Markt für einen Spaziergang. Wir machten eine weite Runde durch das Scheunenviertel. Vor dem Neptunbrunnen am roten Rathaus setzen wir uns auf eine Bank. Es ist erstaunlich, wie lange hier überall Baustelle war. Sicherlich zehn Jahre lang. Jetzt wo die Schotten weg sind, ist wieder diese Weite da. Wie sehr man sich an die Baustelle gewöhnt hatte. Ich bin schon einmal mit der neuen Ubahn gefahren. Eigentlich müsste man an den einzelnen Stationen aussteigen, die Tageszeitungen haben immer wieder Fotos der Innenarchitektur gezeigt, das sah schon gut aus. Auch wenn ich mich mehr über neue und effiziente Ubahnlinien freuen würde als über einzelne super designte. Da bin ich ganz deutsch geworden. Ich werde mir die Bahnhöfe sicherlich ansehen, wenn die Pandemie vorbei ist.

Wir reden über Deutschland. Ich bin in letzter Zeit so deutschlandmüde geworden. Als ich in dieses Land zog, brach gerade das letzte Schröder/Fischer Jahr an und ich hatte damals das Gefühl in ein progressives Land zu ziehen. Ja, man kann auch jene Regierung kritisieren, aber das ist mit allen Regierungen so und mir geht es auch weniger um Details, oder um falsche Entscheidungen, sondern um den allgemeinen Kurs des Schiffes. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass Deutschland bei allen progressiven Themen immer das letzte Land ist, sei es bei der Lust auf neue Technologien, beim Umdenken in Richtung klimafreundlicher Politik, beim Verkehr, beim Vorangehen mit einer europäischen Idee, bei sozialprogressiven Themen wie die Ehe für alle, usw. für mich fühlt es sich an, wie ein sechzehnjähriger Cocon, in der man zwar versucht hat, irgendwie im Zeitgeist nicht ganz den Faden zu verlieren, aber eigentlich ging es immer nur darum, einen Status Quo zu verwalten. Ich weiss nicht, wie es weitergehen wird. Sicherlich würde ich mich über eine Kanzlerin Baerbock freuen, ich weiss aber nicht, ob man in diesem Land kurzfristig wirklich progressiv sein kann. Vor allem, weil die Grünen im Kern ja auch eine Partei mit einem konservativen Geist geworden sind. Und eine Koalition mit Laschet, ohgott, will ich mir gar nicht vorstellen.

[Mittwoch, 19.5.2021]

Morgens war ich dann beim TÜV. Ich hatte eine der Karten gefunden, die EC Karte, die ich nie verwende, von der ich ausserdem die PIN nicht mehr wusste. Ich hatte ein paar mögliche Zahlenkombinationen im Kopf, die ich zu probieren gedachte. Zur Sicherheit lieh mir meine Frau ihre Karte.
Beim Zahlen trug ich zwei Mal eine falsche PIN ein, ich ahnte es, dass ich meinem Gedächtnis bei alten PINnummern nicht vertrauen sollte. Dann zog ich die Karte meiner Frau, mit alles funktionierte.

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Am Abend war ich auf der Trauerfeier von Rémi im Friedhof Baumschulenweg. Rémi war Mitglied in meinem Fanclub und er war der Initiator der 1892-Liter Wasser Aktion letzten Sommer, bei der wir während der Hitzewelle Wasserflaschen an Obdachlose in Berlin verteilten. Ich hatte in diesem Zuge viel mit ihm zu tun, er war ein richtiger Menschenfreund, der einem immer mit einer unverstellten Herzlichkeit begegnete. Ich kannte ihn nur noch ohne Haare. Mit seiner Art wirkte er aber immer so, als wäre das bald vorbei, da müsse er jetzt eben durch. Dabei kannte er schon die Prognosen.

Etwa ein Dutzend Freunde trafen sich vor dem Friedhof. Wir hatten nur einen Pin auf Googlemaps, der uns das Grab anzeigte. Wir folgten dem Pin, suchten eine längere Zeit, verliefen uns, es wurde etwas hoffnungslos, weil wir irgendwann in Grüppchen verteilt, ziemlich planlos über den Friedhof irrten. Dass es ein anonymes Grab war, machte es nicht besser, aber am Grab sollte eine kleine Herthafahne wehen, immerhin ein auffälliger Hinweis. Jemand berichtete von einem Foto, an dem eine etwas abgebrochene Bordsteinkante abgelichtet war, aber Bordsteinkanten gab es auf so einem Friedhof viele. Wir mussten irgendwann sehr lachen. Über den Gedanken, wie er über uns lachen würde, hätte er gesehen, wie wir auf der Suche nach seinem Grab, orientierungslos über den Friedhof irrten.
Nach einer Weile schickte uns jemand das besagte Foto. Aufgrund eines Steinkreises im Hintergrund des Bildes und der Optik der Umgebung, befand sich das Grab auf einem eher offenen Feld. Schliesslich fanden wir es, ganz irgendwo anders, als da wo der Pin markiert war.

Die ganze Gruppe stand eine Weile schweigend vor dem Grab. Einige Leute richteten die Schleifchen des Kranzes und die blauweisse Fahne, die der Wind etwas in Mitleidenschaft gezogen hatte.
Nach einer Weile fing jemand an von einer Auswärtsfahrt mit Rémi zu RB Leipzig zu erzählen. Jemand anders erzählte unterhaltsame Anekdoten über seine lustige Verschrulltheit, wenn er auf Rechtschreibfehler hinwies. Wohlgemerkt als Franzose. Eine erzählte davon, wie er sich für sie und ihre Familie bei deren Wohnungsbrand eingesetzt hatte, wie er Unterstützung in Bewegung setzte. Oder seine Freude im politischen Diskurs, wie unermüdlich er war, auch mit Gegnern, über Politik zu streiten, wie er den europäischen Gedanken hochhielt, auch als Leitfaden in seinem Twitterprofil.

Bei ihm kam dann das große Drama. Irgendwo müsste es auch noch diese Banner geben, das mal im Stadion hing, als er gerade im Krankenhaus lag. KÄMPFEN FRANZMANN.
Es folgten viele Geschichten über diesen liebevollen, lebensfrohen Franzmann, während wir da so standen, im Halbkreis, und auf dieses anonyme Grab schauten.

[Dienstag, 18.5.2021]

Seit Corona brauche ich kaum noch meine Kredit- bzw Bankkarten. Das meiste bestelle ich online und viele Läden unterstützen mittlerweile Googlepay. Meine Kreditkarte habe ich seit mehr als einem Monat nicht mehr gesehen. Nun habe ich einen TÜV Termin für Mittwoch angesetzt. Und wenn es ein Gewerbe gibt, wo ich bevorzugt auf Bargeld, aber mindestens auf eine Karte angewiesen bin, dann ist es das Hinterhofautoreparaturgewerbe in Berlin. Am liebsten immer Bargeld. Es gab schon solche Firmen, die keine Kartenzahlungen anboten. Bei Beträgen, die eigentlich immer dreistellig sind.

Jetzt finde ich natürlich meine Karten nicht. Hölle.

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Nach der Arbeit mit Klaus verabredet gewesen. Wir trafen uns im Volkspark Friedrichshain und setzten uns auf eine Bank im Grünen, machten ein paar Schritte, setzten uns wieder hin. Undsoweiter. Die längste Zeit verbrachten wir bei den Beachvolleyfeldern. Menschen beim Sport zusehen. Auch so ein Ding. Es gibt beim Beachen diese Leute, die es wichtig finden, immer drei Bälle im eigenen Feld zu spielen bevor der Ball wieder über das Netz gebracht wird. Ich hasste solche Leute immer. Bis ich einmal mit jemandem in einer Mannschaft spielte, der das nie machte, sondern bei jeder Gelegenheit den Ball ins andere Feld schlug. Das nervte mich. Dann sagte ich zu ihm, komm lass uns mal immer drei Zuspiele machen bevor wir den Ball übers Netz befördern.

Seitdem hasse ich solche Leute nicht mehr.

Wir redeten über Lebensentwürfe. Über Biografien von Menschen, unsere eigene, waswärewenn-Szenarien. Ein sehr schönes Thema. Wir reden natürlich über Hertha, über die Hoffnungen vor jeder Saison. Über dieses seltsame Ausgeliefertsein. Sein anderer Lieblingsverein, der VfB Lübeck ist gerade gestern in die Regionalliga abgestiegen. Abstiege sind grausam. Abstiege in die Regionalliga sind noch grausamer.

Es ist am Abend noch ein bisschen kühl und wenn man draussen sitzt, lässt die Körperwärme schnell nach. Vor allem für mich, Winterboy, der ja immer glaubt, dass man ab März nur noch Tshirts tragen darf. Wenn es uns zu kalt wird, drehen wir ein paar Runden. Die Heizung anschalten. Funktioniert prima.

[Montag, 17.5.2021]

Von The Cold Song gibt es übrigens einige gute Coverversionen. U.a. von Laibach und von Sting, wobei mir die von Sting nicht unbedingt gefällt, er macht das auf eine Sting-art, die ich nicht so gelungen finde, dennoch bin ich erstaunt, dass er sich an die Interpretation dieses Liedes gesetzt hat. Es treffen zwei musikalische Seelen aufeinander, die für mich so gar nicht zueinander passen. Aber gerade deswegen muss man so etwas unbedingt probieren. Hat halt nicht so gut geklappt, wie ich finde.
Ich werde jetzt nicht alle Coverversionen des Cold Song hier im Blog einbetten, ich will es mit Medien und Bilder nicht gleich übertreiben. Die Kernkompetenz dieses Blogs ist immer noch schwarzer Text auf weissem Hintergrund.

Das Lied hat es mir echt angetan. Seit Sonntag ist es in meinem Ohr. Hier eine deutschsprachige Version. Ich bin ja überhaupt kein Purist und erst recht kein Traditionalist. Ich bin begeistert darüber, wie die deutsche Sprache zu diesem Lied passt. Und wie das repetitive „e“ (das sich anhört wie ein penetrantes „i“) ab Minute 01:24 der Kälte in diesem Lied eine Unbedingtheit mitgibt.

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Heute war ich aussergewöhnlich früh im Büro und ich war der Letzte, der es wieder verliess.

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An meinem Auto ist eine Verwarnung der Polizei angebracht, dass mein TÜV seit Februar abgelaufen ist. Ich ahnte es schon seit Längerem, dass die Frist bald ablaufen würde, aber ich vergesse seit einem Jahr auf die Plakette zu schauen. Ich saß das letzte Mal im Januar in meinem Auto. TÜVs, Reifenwechsel, Autoversicherung, Inspektionen und all diese Dinge kosten mich mehr als ich für Benzin ausgebe.
Es ist wirklich eine Verschwendung. Zumal im Coronajahr auch die langen, schönen Autoreisen ausgefallen sind. Ausgenommen die Reise nach Schweden im letzten Sommer.

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An dieser Stelle stand ursprünglich ein Textstück, in dem ich über Homeoffice schrieb und warum ich allen Menschen, die sich für hundert Prozent Homeoffice einsetzen, dringend davon abraten möchte. Während des Schreibens merkte ich aber, dass der Text den Rahmen sprengt und ich mehr Raum dafür brauche. Und auch ein paar Tage mehr.

[Sonntag, 16.5.2021]

Heute nicht viel gemacht. Ein bisschen gelesen, aber ich habe derzeit auf nichts Lust. Es liegen noch viele ungelesene Bücher herum, aber es hat sicherlich einen Grund, warum ich diese noch nicht gelesen habe. Deswegen wieder zu Roberto Bolaño gegriffen. Erstaunlicherweise habe ich den Überblick verloren, was ich von Bolaño gelesen habe und was nicht. Es liegen Bücher von ihm herum, in den Regalen und im Reader, vor allem die Bände mit kurzen Geschichten haben es mir angetan, ich weiss nie genau in welchem Buch, bei welchem Text ich gelandet bin, ich finde mich aber immer wieder schnell zurecht. Diese Beiläufigkeit, mit der seine Geschichten in die Tiefe gehen, auch in die Abgründe, mit der Banalität von Biografien der Menschen, seine Texte fühlen sich oft wie Biografien an, beiläufig und etwas plaudernd erzählt unter einem schattenspendenden Baum im Vorgarten eines mexikanischen Landhäuschens.

Das tausendseitige Buch 2666 habe ich nicht zu Ende gelesen. Im dritten Teil von 2666 hatte ich irgendwo aufgehört, auch aus Angst davor, mich dem monströsen, vierten Teil hinzugeben, in dem über 400 Seiten hinweg Frauenmorde geschildert werden. Ich denke, das muss ich mir nicht geben. Auch wenn ich glaube, dass Bolaño das kunstfertig und nicht sensationslüstern aufgeschrieben hat, denke ich trotzdem, dass ich mir das nicht geben muss, vor allem nicht über 400 Seiten hinweg. Ich mag auch keine Krimis und Thriller mehr, in denen Frauenmörder zum Thema gemacht sind. Außer Gillian Andersson ermittelt wieder in High Heels durch Belfast, dann mache ich eine Ausnahme.

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The Song of cold. Gestern als wir so herumalberten, fiel mir der Song of Cold wieder ein. Jene eindrückliche Performance von Klaus Nomi als eine Art kristallenes Geschöpf aus dem Eis. Von the Song of Cold kenne ich nur diesen Auftritt von Klaus Nomi, den ich als Kind oder Teenie mehrmals im Fernsehen gesehen hatte. Für mich war das damals Achtzigerjahre Art-Pop / New Wave. Heute fand ich heraus, dass das Lied von Henry Purcell ist. Hochbarock. Vermutlich hat die Ästhetik dieses Auftritts alles überstrahlt.
Klaus Nomi war in dem Video bereits mit dem damals noch nahezu unbekannten Virus HIV infiziert und starb ein Jahr später völlig unbehandelt.

Das hat mich den ganzen Tag beschäftigt.

https://www.youtube.com/watch?v=Uf6ViwumljY

[Samstag, 15.5.2021]

Es ist Samstag, der 15. Mai. Ich habe den Whatsapp Datenschutzbestimmungen immer noch nicht zugestimmt und kann es immer noch uneingeschränkt nutzen. Wenn eine Firma wie Facebook eine Sache nicht will, dann ist das schrumpfende Nutzerzahlen. Ich will sehen wie das vollzogen wird. Heute wurde bekannt gemacht, dass sich das Ultimatum um mehrere Wochen verschieben wird. Ich schaue einfach untätig zu. Ich sitze mitten drin und schaue einfach zu. Einer Firma beim Zögern zuschauen, wie sie nicht über ihre eigenen Geschäftsprinzipien springt. Das ist pure Schönheit.

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In letzter Zeit spazierten wir ein paarmal durch den St.Petri Friedhof an der Friedensstrasse. Meist eher zügig und auf den breiten Wegen, als kleiner Umweg um zur Landsberger Allee zu gelangen. Heute sind wir von den großen Pfaden abgekommen und wurden von der Schönheit der verwilderten Teile des Friedhofs überrascht. Wir schlenderten sehr langsam durch fast vollständig zugewucherte Bereiche. Riesige, marmorne Familiengräber, aus denen Bäume wachsen.
Ich bin im Friedhofswesen nicht so bewandert und weiss daher nicht, warum solche riesigen Gräber noch stehen. Abgesehen vom historischen Wert natürlich, aber Kirchengemeinden und ihre Friedhöfe sind am Ende keine karitativen Einrichtungen und wenn das Nutzungsrecht abläuft, werde Gräber schließlich auch entfernt. Ich frage mich daher, ob diese Familien vor 100 jahren einfach einen großen Batzen Geld in die Hand genommen und sich ein langes Nutzungsrecht erkauft haben. Die meisten Toten in diesen Gräbern sind zwischen den beiden Weltkriegen verstorben. In seltenen Fällen wurde noch jemand in den Fünfzigern nachbestattet.

Ich denke mal, dass Familien hier etwas Bleibendes haben wollten. Für die Nachfolgenden Generationen, in Erinnerung bleiben, vielleicht auch ein Ort in dem ihre noch unbekannten Nachfahren einen letzten Ruheort finden würden, zurück nach Hause. Seit den Zwanzigern wollte sich da niemand mehr begraben lassen. Seit Jahrzehnten interessiert das Grab niemanden mehr. Jetzt wachsen die Bäume. Aber das Grab ist noch da. Die Inschriften, die Namen, das Sterbedatum, die Symbole. Diese Familien müssen einst vermögend gewesen sein. Womöglich haben sich die Nachfahren abgekehrt.

Ich wünschte, ich hätte einen Friedhofswächter fragen können.

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Auf Friedhöfen auch immer dieses Gefühl der Versöhnung mit dem Sterben. Der Tod wird immer nur in den Einzelschicksalen übermächtig und finster. Auf Friedhöfen sieht man die einzelnen Schicksale immer in einem breiteren Zusammenhang. Dieses Gefühl, dass wir alle einfach sterben werden, ist sehr beruhigend und hat eine gewisse Leichtigkeit.

Aber dann das Grab des Vierzigjährigen. Auf dem Grab befindet sich Spielzeug. Unter seinem Namen steht eingraviert: Du warst mein Superheld.

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Um halb vier ist das Spiel gegen Köln. Uns reicht ein Unentschieden um die Klasse zu halten, wenn Bremen oder Bielefeld auch ein Unentschieden spielen. Und genau so passiert es.
Nach dem Spiel bin ich sehr erleichtert. Eine harte Saison geht zu Ende. Die zweite harte Saison in Folge. Ich kann mich jetzt langsam an die vielen dramatischen Einzelgeschichten dieser Saison erfreuen. Die Niederlagen, die Pleitenserien, die Entlassung der Geschäftsführung, des Trainers, die Quarantäne. Die Saison war nicht ganz so dramatisch wie die vorige Saison mit Klinsmann und Facebook live, aber ich will hier jetzt keine Ansprüche stellen.

In meiner Facebook- und Twittertimeline wird der Klassenerhalt gefeiert. In der Berichterstattung nach dem Spiel wird oft eine Szene wiederholt, in der Cunha dem Trainer Pal Dardai eine große Schachtel mit Zigarren überreicht. Unser Trainer tritt später per Videocall im Sportstudio auf. Er sitzt grinsend in seinem Garten und zieht an einer Zigarre. Ein ikonisches Bild.

[Freitag, 14.5.2021]

Morgens klingelte ein Paketdienst. Ein Paket für meine Frau. Erdbeeren in Schokolade. Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Erdbeeren in Schokolade. Das fühlt sich falsch an. Aber der Inhalt gibt optisch viel her, es sieht wie eine sehr edle Pralinenschachtel aus, große, erdbeerförmige Pralinen in verschiedenen Schokoladentönen. So sehen Geschenke aus.
Ich darf mich über den Inhalt hermachen und ich stelle mit einigem Erstaunen fest, dass die Mischung funktioniert, also Erdbeeren mit Schokoladenkruste.

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Heute ist der letzte Tag, an dem man Whatsapp benutzen kann, ohne den neuen Datenschutzbestimmungen zugestimmt zu haben. Ich habe lange darüber nachgedacht, Whatsapp von meinem Telefon zu nehmen. Es wäre ein guter Zeitpunkt, weil bereits so viele Leute wegen des Kommunikationsdesasters bezüglich der neuen Datenschutzbestimmungen aufgeschreckt waren. Und es ist eigentlich wirklich an der Zeit, allen Facebook Companies den Rücken zu kehren. Es hat eine Trendwende stattgefunden, dass man sich nicht mehr ständig ausspionieren lassen will.

Dennoch werde ich Whatsapp vorerst nicht löschen. Zum einen habe ich noch keinen Backup der Chats erstellt und habe auch gerade keine Lust mich mit Whatsapp-Backups auseinanderzusetzen und zum anderen verwende ich ja noch weitere Apps von Facebook Companies, also Instagram und Facebook selbst, es wäre daher lediglich Augenwischerei, mich von Whatsapp aus Datenschutzgründen zu verabschieden.
Instagram verwende ich fast ausschließlich um Stories der Einwohner von Longyearbyen zu schauen und Facebook verwende ich noch zum Facebookstalken von Leuten und um automatisierte Videoempfehlungen anzuklicken, die ich dann in total verblödeten Launen schaue, also lustige Tiervideos, lustige Fails, lustige Pranks. Totaler Käse.

Mit Facebook ist in den letzten paar Jahren etwas passiert. Ja, die laufende Erzählung, dass nur noch die alten Leute auf Facebook sind, mag da mitgewirkt haben, aber irgendwo über diesem blauen Browserfenster scheint auch immer die selbstverliebte Fresse von diesem Zuckerberg zu hängen. Sogar meine Mutter will Facebook nicht nutzen, „weil da immer alle mitlesen“. Dass Whatsapp auch mit dringt hängt weiss sie nicht und, dass Google und die sogenannten anderen ja nicht unbedingt besser sind, sei mal dahingestellt. Finde es dennoch schön zu sehen, was mit Facebook passiert ist oder zu passieren scheint.

Ausserdem: wenn ich einen Blogeintrag auf Facebook verlinke, gibt es vielleicht 5 Klicks, höchstens zehn. Wenn ich den gleichen Eintrag auf Twitter verlinke, gibt es etwa zehnmal so viele. Früher war das umgekehrt.
Das mag sicherlich auch ein meiner persönlichen Blase liegen und Twitter ist viel mehr eine Blase von Leuten, als Insta oder Facebook, die gesellschaftlich wesentlich breiter und diverser sind.

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In unserem Fanclubshop gibt es übrigens neue Ware. Vor allem die Pixelfahne finde ich gut. Und natürlich das „Liberté, Egalité, BSC“.

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Heute war ein guter Tag im Büro. Wenn niemand arbeitet und unterbricht, ist das gut fürs Gemüt.