[Do, 31.8.2023 – lange Hose, Paddel]

Heute trug ich zum ersten Mal wieder lange Hosen. Ich fühlte mich seit langer Zeit einmal wieder smart angezogen. Mit kurzen Hosen sieht man nie smart aus. Mit kurzen Hosen sehe ich immer aus, wie eine Mischung aus Angus Young und einem Türsteher. Heute trug ich eine lange, schwarze Hose, ein schwarzes Tshirt mit V-Ausschnit und ein schwarzes Stoff-Jackett. Mit meinen leuchtend weissen Sneakers. Dazu meine schwarze Hündin. Ich sah aus, als käme ich aus einem Lifestyle Katalog gestiegen.

Am Abend kam mein Schwager aus Schweden an. Er hatte meinen vergessenen Paddel dabei. Jetzt kann ich also theoretisch wieder mit meinem Kayak fahren. Zumindest einmal sollte ich es im September schon noch schaffen.

[Mi, 30.8.2023 – Kölschs, Scammer continued]

Von den vielen Kölschs schlief ich miserabel. Meine Uhr zeichnete 3h und 3 Minuten auf. Unter 3 Stunden beschwert sie sich über mangelnde Schlafdaten und wertet es somit gar nicht als Schlaf. Oder zumindest ist es so wenig, dass sie keine schicke Grafik daraus basteln kann.

Lustigerweise ging es vielen Kolleginnen gleich. Vielleicht war da etwas im Kölsch. Alkohol zum beispiel.

Ich führte die Konversation mit Andrea Brennekam noch ein bisschen weiter. Ich zeigte mich sehr interessiert für diese Bitcoin Sache und dann kam sie mit all den Tipps. Ich sollte eine App downloaden und dann würde sie mir einen Code schicken undsoweiter. Jetzt werde ich sie ghosten.
Ich finde das Konzept dennoch nicht sehr überzeugend. Verwenden die wirklich so viel Zeit damit, eine Vertrauensbasis mit wildfremden Menschen aufzubauen, nur damit ein Tausendstel oder Hunderttausendstel zuschlägt und dann 1000€ in ein Fonds steckt? Das skaliert doch nicht gut. Andrea/Wolfgang bemühte sich auch nicht sehr um meine Gefühle. Aber wahrscheinlich haben sie einen guten Riecher für Leute, die zuschnappen. Ich tat ja immer etwas distanziert.

Dafür chatte ich jetzt mit Mia, eine junge Asiatin. Aber die will immer zu Whatsapp. Dort würde sie meine Telefonnummer sehen, darauf habe ich natürlich keine Lust oder zu Facebook, dort würde sie viel mehr über mich erfahren. Ich äussere mich aber immer als Zuckerberg-Hasser.

[Di, 29.8.2023 – Frikadellen, Scam]

Den ganzen Tag über technische Probleme mit unserer Platform gehabt. Das sind so Tage. Da will man gar keine Sätze beenden. Am Abend ging ich mit dem Team ins Gaffelhaus, ein paar Kölsch trinken. Ich ass Frikadellen dazu, ich dachte das sei ein Snack, es war allerdings eine riesige Mahlzeit mit Röstkartoffeln. Als ich sie bekam, hat es mich natürlich trotzdem nicht gestört.

Ach, neulich machte mich ein Freund auf die Funktion „Leute in deiner Nähe“ beim Telegram Messenger aufmerksam. Ich bin ja bekennender Telegram Nutzer. Ja, ich kenne die Kritik und teile sie in Teilen auch, aber Telegram ist schlicht die beste und modernste Messenger App. Ausserdem wird sie in meinem Familienkreis viel verwendet, vor allem seit viele Menschen nicht mehr Whatsapp verwenden wollen. Viele sind zu Signal gewechselt, ich auch, aber Signal fühlt sich irgendwie immer hölzern an.

Bei der Funktion „Leute in deiner Nähe“ kann man jedenfalls, nunja, Leute in der Nähe sehen. Richtige Menschen natürlich aber auch Profile, die ganz offensichtlich nichts gutes im Schilde führen. Meist junge Frauen mit betont zur Schau gestellten Brüsten, oder Männer mit muskulösem Oberkörper. Ich beschloss, mich selbst auch auffindbar zu machen und sehen, was passiert. Bereits in den ersten Stunden wurde ich von einem halben Dutzend Menschen kontaktiert. Eigentlich immer Frauen, die meist „Hi“ schreiben und eine Nahaufnahme ihrer Genitalien mitschicken. Ich antwortete immer mit, „wow nice“ und dann wurde ich um ein Foto von mir gebeten, woraufhin ich auf mein Profilbild verwies. Einmal gab es einen Mann, der mir Oralsex geben wollte, ich tat ihn anfangs auch als fake ab, aber ich glaube, der war echt. Jetzt hat er mich geblockt.

Mit ein paar von denen unterhalte ich mich seit ein paar Tagen. Ich will einfach verstehen, was die da machen, wie das Businessmodell funktioniert. Zuerst war ein Mann, der Wolfgang hiess, der sich dann im gleichen Chat ein paar Tage später in Mary umbenannte und jetzt Andrea Brennekam heisst. Andrea ist eine Witwe Anfang 50 aus Boston, letztes Jahr ist ihr Mann gestorben, er hatte irgendwas mit den Nieren. Sie ist etwas traurig und auch einsam. Sie schickt mir ein Foto und ich antworte „You are so beautiful“. Ich rede ihr gut zu, dass sie sich bei ihrem Aussehen nicht fürchten muss, einsam zu bleiben, sie wird irgendwann einen Mann finden und glücklich werden. Sie sagt thank you. Nächstes Jahr wird sie ihr kleines Business starten, nachdem ihr eine Bitcoin Firma zu ein bisschen Eigenkapital verholfen hat. Sie schickt mir Fotos mit ihrem neuen Wagen, den sie sich jetzt auch leisten konnte. Auf den Fotos ist es tatsächlich immer die gleiche Frau. Auf dem Foto mit dem Auto posiert sie vor einem Auto mit Berliner Kennzeichen. Für eine Witwe aus Boston, die nach eigener Aussage noch nie in Europe war, ist ein Berliner Kennzeichen ein ungewöhnlicher Zufall. Ich beschliesse, es nicht anzusprechen, ich will sie ja nicht entlarven. Finde das für professionelle Scammer dennoch sehr schlampig. Ich google ihren Namen. Sie hat mehrere Facebook Accounts, gibt sich als Berliner Mädl aus und preist ein Bitcoin Investment an. Sie hatte auch viele andere Accounts, mal wohnt sie in Dallas, mal in Düsseldorf. Sie hat auch Insta, ich scrolle durch ihre Bilder und finde ein Bild wie sie mit Hertha Schal im Olympiastadion steht. Das ist natürlich ein lustiger Zufall. Würde ich sie kennen, würde ich sie warnen, dass mit ihren Fotos Scam betrieben wird, aber möglicherweise weiss sie es bereits und kann nichts dagegen tun. Ich vermute, dass auch der Insta Account fake ist, die Bilder sind noch nicht so alt.

Eigentlich langweilt es mich und ich habe kein richtiges Konzept wie ich vorgehe, aber ich halte die Gespräche nebenher am Laufen. Vielleicht gibt es irgendeine Erkenntnis.

[Mo, 28.8.2023 – arbeit an der Poesie]

Über den heutigen Tag gibt es nicht viel zu erzählen. Am Abend arbeitete ich alle Korrekturen aus 2020 in den Hausbesetzertext ein. Jetzt muss ich ans Gerüst des Textes und an die Poesie.

Arbeit an der Poesie. In Stein gemeisselt.

Die beiden Stechapfelsträuche sind immer noch da. Ich hatte tatsächlich erwartet, dass sich das Grünflächenamt schneller darum kümmert. Vielleicht sollte ich sie einfach einsammeln und verkaufen. Die gesamte Pflanze ist halluzinogen, von den Wurzeln bis zu den Blattspitzen, ich könnte sie einfach kleinhacken und in kleinen Säckchen verkaufen. Es scheint nicht illegal zu sein, wenn ich es richtig verstehe. Allerdings bezweifle ich, dass es einen Markt dafür gibt. Menschen, die Stechapfel einnehmen, sind wahrscheinlich sehr dedizierte Leute, die haben sicherlich ihre Bezugsquellen. Ausserdem möchte ich mit Leuten, die Stechapfel konsumieren, nichts zu tun haben. Zum einen kenne ich solche Leute, die ständig auf Selbstfindung sind, die fand ich ganz pauschal immer anstrengend und uninteressant und zweitens muss jemand die Stechapfel zu sich nimmt, an mehreren Stellen mentale Lecks geschlagen haben.

Ausserdem bin ich zu faul, mich drum zu kümmern. Das ist wohl der wahre Grund.

Todo: ich muss auch mal meine Mutter anrufen und fragen, wie das damals mit dem Internat war. Warum ich da hinwollte und wie viel das kostete.

[So, 27.8.2023 – Stechapfel, Kunst aufhängen]

Beim Morgenspaziergang stand ich mit einigen Hundehalterinnen im Park herum, als ich auf einmal mehrere nicht ganz unbekannte Sträucher mit stacheligen, grossen Beeren sah. Ich zückte das Telefon und scante einen dieser Sträucher in Google Lens ein, woraufhin mir der Verdacht bestätigt wurde: es handelte sich um Stechapfel.
In mir läuteten gleich sämtliche Glocken.

Es gibt zwei Dinge, vor denen ich in meinen jungen Betäubungsmitteljahren immer grossen Abstand hielt, das waren Heroin und Stechapfel. Heroin aus den offensichtlichen Gründen und Stechapfel- nunja, die Gründe sind auch bei Stechapfel eher offensichtlich. Die Horrorgeschichten über schlechte Stechapfeltrips – und Stechapfeltrips waren in den Schilderungen der Leute ausnahmslos sehr heftige Horrorfilme – , konnte ich mir nur allzu gut ausmalen. Aus Angst vor Horrortrips hörte ich irgendwann mit allen halluzinogenen Substanzen auf, sogar mit den eher gutmütigen Pilzen, weil jeder Trip immer unterschwellig den Horror mit im Gepäck trug, man fühlte immer, dass er da ist, aber man tat glücklicherweise die richtigen Dinge und war von den richtigen Menschen umgeben, sodass er ganz unten im nebligen Bewusstsein schlummerte, aber eigentlich nur auf einen Fehltritt wartete. Ein falsch abgebogener Gedanke, ein falscher Mensch vor dir, der den Horror in dir wachrütteln würde.

Bei allen Menschen, die ich kenne, weckte der Stechapfel dieses schlummernde Monster. Die Erinnerungen daran wurden nie heldenhaft vorgetragen, es war immer von Entsetzen geprägt. Zwei Bekannte verschwanden nach einer Sommerparty für mehrere Tage in den südtiroler Wäldern und tauchten unterkühlt sowie verletzt, viele Kilometer voneinander getrennt, wieder auf. Die beiden erzählten nur davon, dass sie andauernd flüchteten. Einem anderen Bekannten zog sich das Monster über mehrere Jahre nicht mehr zurück. Mittlerweile hat er die Psychosen medikamentös einigermassen im Griff.

Ich googelte „Hund Stechapfel“. Es ist auch für Hunde hochgiftig. Dreissig Meter daneben befand sich ein Kinderspielplatz. Als ich zuhause war, schrieb ich sicherheitshalber eine Mail an das Grünflächenamt Pankow mit einem Foto der Lage im Park.

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Ich kam heute nicht dazu, am Text weiterzuarbeiten, stattdessen rahmten wir Ausstellungsplakate und Kunstdrucke ein. Das wollten wir schon lange machen. Bilder von Schiele, Jeanne Mammen, Wangechi Mutu, aber auch Basquiat. Und ein Print eines Buckelwales, der durch einen nebligen Wald schwebt. Der Buckelwal ist digital Art und vielleicht etwas zu fantasymässig, aber ich mag dieses Motiv, das sind die Bilder, mit denen ich mich nachts in die Träume hinab begebe.

[Sa, 26.8.2023 – Korrekturen, Heimspiel]

Jetzt habe ich doch online einen Schreibtischstuhl gefunden der mir gefällt und gleichzeitig bequem aussieht. Auch wenn ich ihn nicht probieren kann, vertraue ich einfach mal der bequemen Optik. Alles ist besser als mein jetziger Stuhl, auf dem ich nun schon fünf oder sechs Jahre sitze. Die Lieferzeit ist mit zwei Wochen angegeben. Die Arbeit an dem Hausbesetzertext werde ich also erstmal auf dem alten, harten Stuhl verrichten.

Eigentlich wollte ich heute ins Stadion zum Spiel gegen Fürth, aber keine meiner engeren Freundinnen würde heute im Stadion sein. Familiäre Gründe, Urlaubsgründe, andere Gründe, einer ist kurzfristig Krank geworden und eine Freundin hatte unter der Woche einen Unfall auf der Ubahntreppe, wobei sie sich mehrere Bänder riss. Nur Sabine würde im Stadion sein, aber Sabine steht nicht in der Kurve, sondern sitzt oben in Block 2.1 das macht mir dann auch keinen Spass. Und die anderen arbeiten mittlerweile bei Hertha und sind während des Spiels also nicht verfügbar oder sie arbeiten als Freiwillige bei der Antidiskriminierungsinitiative mit. Es wären noch andere Leute da gewesen, aber ohne meine engere Peergroup hatte ich heute schlichtweg keine Lust. Dafür arbeitete ich an dem langen Text.

Das Spiel schaute ich zuhause auf dem Fernseher. Hertha trat mit einem völlig anderen Gesicht auf, als in den letzten drei Ligaspielen. Nach den vergangenen drei Niederlagen schossen wir heute den Gegner mit 5:0 aus dem Stadion. So einen Auftritt habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Eigentlich sind das die besten Momente im Stadion. Konnte ich ja nicht wissen, dass meine Mannschaft heute so auftreten würde.
Eine Stunde später spazierte ich mit der Hündin auf der Frankfurter Allee. An Spieltagen trage ich oft Herthatrikot. Aus Aberglaube. Und weil sich das so gehört. Als Kind in meinem katholischen Bergdorf trug ich sonntags ja auch immer die besondere Sonntagskleidung. Aber ich trage das Trikot auch um Unionern im Kiez auf die Nerven zu gehen. Ich habe ja sonst keine Hobbys.

Auf der Frankfuter Allee kamen die ersten Rückkehrer aus dem Olympiastadion in Herthatrikots zurück und stiegen aus der Ubahn aus. Ich wurde mehrmals freudig von Fremden begrüsst.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit dem Text und arbeitete alte Korrekturen aus 2020 ein. Ausserdem versah ich den Text mit mehreren Dutzend Kommentaren und Vorschlägen zur Änderung bzw des Ausbaus. An den Ausbau setze ich mich aber erst morgen, ich fürchte das wird mehrere Wochen dauern.

[Fr, 25.8.2023 – Hausbesetzergeschichte, Bürostuhl]

Heute schrieb ich wieder an der Hausbesetzergeschichte weiter. Durch die Erinnerungen an meinen Job als Torwächter stiess ich auf einige Fotos jenes Hauses und ich stecke wieder in den Erinnerungen drin, es ist ein guter Moment den Text fertigzustellen. Diese Geschichte erschien irgendwann 2005 oder 2006 in diesem Blog als dahingerotzter Vierteiler. Es ist die Erzählung über ein altes Haus am Springweg in der Utrechter Altstadt, das wir in den Neunzigerjahren drei Mal besetzten. Im Zuge dieser Besetzungen geschahen einige bemerkenswerte Dinge und bereits während des damaligen Dahinrotzens merkte ich, dass diese Geschichte einen etwas grösseren Rahmen braucht und so gab ich dem Text ein paar Jahre später mehr Raum. Es gab so viel zu erzählen. Zwischen 2013 und 2018 abeitete ich in mehrere Abschnitten an dem Text. Im ersten Coronawinter beendete ich eine erste Rohfassung, die ich zwei Freundinnen zum Gegenlesen gab. Diese Fassung beträgt mittlerweile 97 Buchseiten, sie ist also längst kein Blogtext mehr, auch keine Kurzgeschichte, sie ist zu einer Novelle herangewachsen. Das Dumme an diesem Text ist nur, dass in ihm immer noch diese Dahingerotzheit durchscheint und ich weiss nicht so recht, wie ich das rausbekomme.

Ich beschloss heute, dem Text einen weiteren Schliff zu geben, dabei merke ich aber, dass die Geschichte immer noch nicht auserzählt ist, es sind immer neue Details, die mir zu damals einfallen. Eine Freundin staunte neulich über den Torwächtertext, dass ich mich noch an so viele Details erinnere, sie erinnere sich kaum noch an etwas aus ihren frühen Zwanzigern. Darüber staune ich wiederum. Ich kann mich an fast alles erinnern. Und je mehr Erinnerungen ich hervorrufe, beispielsweise beim Schreiben, desto mehr Erinnerungen werden mit hochgezogen, als wären die Verknüpfungen zu anderen abgespeicherten Dateien in meiner internen Storage Hölle immer noch aktiv. Es ist wie eine Erinnerungskiste zu öffnen, weil man ein ganz bestimmtes Foto sucht und dann findet man noch all diese anderen Fotos und Briefe.

Aber diesmal möchte ich den Text beenden. Ich werden ihn das letzte Mal schleifen, dann gebe ich ihn in ein professionelles Lektorat. Danach schlaue ich mich über Online Publishing auf und veröffentliche den Text als Ebook.

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Mein Schreibtischstuhl ist hart. Ich kann nicht so lange darauf sitzen, und trotzdem sitze ich fast den ganzen Tag darauf, zumindest wenn ich zuhause sitze, es ist ein alberner Masochismus, mich auf diesem Stuhl zu quälen. Aber ich finde keinen halbwegs stylischen Bürostuhl. Je bequemer ein Bürostühl ist, desto unästhetischer. Immer. Am geilsten sitzen sich Chefsessel, aber die sehen sehr albern aus.

[Do, 24.8.2023 – im Helmholtzkiez]

Am Abend traf ich mich mit Frau Casino. Das zweite Treffen mit Hündin in ihrer Wohnung, damit sich das Tier an die Wohnung gewöhnt. Frau Casino wird Anfang Oktober ja meine Hündin für eine Woche bei sich aufnehmen, wenn wir in die Arktis reisen. Es wird das erste mal für sie sein, dass sie mehrere Tage ohne meine Frau und mich verbringen wird. Aber wir sind zuversichtlich, dass das gut läuft. Frau Casino ist erfahren mit Hunden und die Hündin mag sie. Mehr braucht es eigentlich nicht. Am ersten Abend wird sie sich vielleicht etwas verlassen fühlen, aber das ist bei ihr sicherlich schnell vorbei.

Zur Übung verlasse ich für eine halbe Stunde die Wohnung, während die beiden in der Wohnung bleiben. Ich drehe eine Runde im Helmholtzkiez und höre einen Podcast von zwei Frauen, die über Pornos reden. In dieser Folge reden sie über Camboys. Am Helmholtzplatz gibt es ein „Rosa Canina“, das ist diese bekannte Eisladenmarke, wenn ich es recht verstehe, ich beschliesse ein Eis zu essen, ich bestelle die Geschmacksrichtungen Stracciatella und Mozartkugel in der Waffel. Mozartkugel schmeckt etwas irritierend. In den Kugeln passt das Marzipan ja sehr gut, aber im Eis ist es etwas komisch. Ich esse es trotzdem gerne. Ausserdem gibt es ein Eis mit dem Namen „Darjeeling mit Bergamotte“, ich frage mich, ob das nicht einfach Earl Grey ist, also Schwarzer Tee mit Bergamotte, aber vielleicht ist Darjeeling ja auch ein ganz besonderer schwarzer Tee, der ihn von den anderen abhebt, ich kenne „Darjeeling Ltd“ nur als Film, bin sonst ja eher der Kaffeetrinker, aber meine Schwiegerfamilie trinkt Earl Grey, da habe ich zum ersten Mal erfahren, dass da schwarzer Tee mit Bergamotte versetzt wird, das fand ich wirklich spannend und es schmeckt ausgezeichnet, wenn ich jetzt irgendwo mal Tee bestelle, dann bestelle ich Earl Grey und fühle mich wie ein Mann, der weiss was er trinken will. Aber in der Regel bestelle ich letztendlich doch immer Kaffee, Kaffee mit Hafermilch, da schauen mich die Kaffeeaffixxxionados immer etwas verachtend an, deswegen gehe ich auch nie in diese elitären Kaffeeschuppen, dafür suche ich immer die Läden für Bieraffixxxionados auf, weil da kenne ich mich aus, ich würde aber nie jemanden für ihren Biergeschmack verachten, auch nicht, wenn sie Hafermilch dazugeben würde. Hm, komisch gegendert.

Früher war ich immer im Helmholtzkiez. Früher war das sozusagen Mein Berlin. Es ist hier wesentlich mehr los, als im Kiez in dem ich wohne. Die Menschen sind auch eher in meinem Alter. In meinem jetzigen Kiez sind die Menschen meist jünger, Mitte bis Ende dreissig. Zumindest kommt mir das im Strassenbild so vor. Im Helmholtzkiez sind die Menschen eher in meinem Alter. Frau Casino und ich wollen demnächst was trinken gehen, ich werde vorschlagen, dass wir das in ihrem Kiez machen.

Als ich zurück in die Wohnung gehe, begrüsst mich die Hündin. Es ging wohl alles gut. Bis auf die Begegnung mit der Untermieterin. Die Untermieterin hat dunkle Haut. Die Hündin hatte sie angeknurrt. Das ist mir so peinlich. Sie knurrte neulich auch eine junge Frau mit Kopftuch im Hundepark an. Dass ein Tier rassistisch sein könnte, malt man sich ja nicht aus. Die Frau mit dem Kopftuch fand das aber lustig, möglicherweise passierte das nicht zum ersten Mal. Weil sie hundeerfahren ist bezirzte sie mein Tier mit Leckerlis, seitdem ist meine Hündin voll der Islam-Fan. Ich glaube es lag einfach an der auffälligen Kopfbedeckung und sie war sehr stark geschminkt, mit lang gezogenen Augenlinien und rotem Lidschatten. Die Untermieterin trug heute auch eine Kopfbedeckung und vermutlich hatte mein Tier nicht mit ihrer Anwesenheit gerechnet, sie muss wohl erschrocken sein. Das sind so die Theorien. Sie sieht ja ständig schwarze Menschen auf der Strasse und im Hundepark, an der Hautfarbe kanns ja nicht liegen.

[Mi, 23.8.2023 – nach Protokoll]

Heute trennten wir uns von einem hochrangigen Kollegen. Solche Trennungen laufen immer etwas militärisch ab, nach einem Protokoll, sehr rational, pragmatisch, etwas gefühlskalt.

Eine einzelne Entlassung ist ganz anders als beispielsweise eine gesamte Belegschaft entlassen zu müssen. In einer meiner vorigen Firmen musste ich 120 Leute entlassen. Jede Person einzeln. Das lag an einer falschen Strategie des neuen Investors, wodurch die Firma in eine dramatische Schieflage geriet und wir sie schliessen mussten. Dort war die Situation eindeutig. Niemand aus der Belegschaft hatte sich etwas zu schulden kommen lassen, die Fehler wurden ausschliesslich von einem ungeliebten neuen Eigentümer begangen. Es war immer jemand von aussen, auf den ich den Finger zeigte, mit den Mitarbeiterinnen fand ich daraufhin in der Regel eine einvernehmliche Lösung. Und alle fanden schnell wieder neue Jobs.

Eine Einzeltrennung hingegen ist persönlich. Die Person von der man sich trennt, hat in der Regel zu viele, oder unverzeihliche Fehler begangen. Es ist mir auch schon einmal passiert. Es dauert lange, bis man wieder ein Selbstwertgefühl zurück erlangt.

Als ich ihm heute protokollarisch alle Geräte, Telefon, Schlüssel, Kreditkarten etc einzog, wechselten wir nur wenige Worte. Ich sagte zu ihm, dass ich jetzt nur das Protokoll befolge, ich sei nicht absichtlich so gefühlskalt, ich versuchte aber auch ein paar beruhigende Dinge zu sagen, dass er sich jetzt ein paar Wochen lang sehr, sehr schlecht und auswegslos fühlen wird. Dass es danach aber auch wieder besser wird und sich alles wieder normalisiert. Ich hätte das auch schon einmal durch. Man muss nur gut durch dieses Tief kommen.

Ich weiss aber nicht, ob das in dem Moment wirklich hilft.

[Di, 22.8.2023 – Plüschherz, zweite Folge]

Die Hündin kam heute mit einem rosanen Herzen aus Plüsch ins Büro spaziert. Ich achtete zwei Minuten lang nicht, was sie damit tat. Aber nach zwei Minuten lag das Kissenfutter auf dem Boden verteilt. Niemand in der Firma konnte mir aber wirklich sagen, woher das Plüschherz kam, oder wem es gehörte. Es kam aus dem Nichts.

Sie macht das mit allen ihren Pluschtieren. Die Naht aufschlitzen und das Futter herausfischen. Dabei finde ich es erstaunlich, dass sie wirklich immer die Naht sucht und diese dann trennt. Weil Profis das eben so machen und sich nicht einfach barbarisch durch den Stoff beissen.

Und sonst habe ich gerade beruflich viel zu tun. Heute und morgen auch.

Spät am Abend fand die Aufnahme der zweiten Folge des „Westend Girls“ Herthafrauen-Podcasts statt. Ich schnitt bis etwa halb zwölf, dann ging die Folge online. Es macht Spass.