[Di, 14.3.2023 – immernochusedom]

Es ist unfassbar, wie sehr mir diese Kurzreise nach Usedom gut getan hat. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, oder vielleicht ist die Zeit beruflich einfach gut, oder vielleicht war ich einfach zu lange nicht mehr aus Berlin raus gewesen, aber ich fühle mich dermassen erholt, dass ich das Bedürfnis habe, dies ständig allen mitzuteilen. Vielleicht weil ich es sonst nicht glaube.

Rückblickend liest sich mein Eintrag über Koserow etwas negativ. Im Text schoss ich mich sehr auf die Lieblosigkeit der Menschen ein. Das spielte während des Aufenthalts nur eine unwesentliche Rolle.

Deswegen noch eine Notiz ohne negativer Konnotaion: in unserer Ferienwohnung gab es genau zehn Fernbedienungen. Ich habe sie gezählt. Mich hat das fasziniert.

4x Badezimmer
2x Wohnzimmer
3x Schlafzimmer
1x Küche

Im Badezimmer hatten die verschiedenen Fernbedienungen vor allem die Aufgabe, das LED-Farblicht in den verschiedenen Teilen des Badezimmers zu steuern: Duschbereich, Spiegelbereich, Sauna aber auch die Audioanlage. Im Wohnzimmer Fernseher und DVD-Spieler, im Schlafzimmer 2x die Höhenverstellbarkeit der Betten und natürlich den Fernseher. Und in der Küche, hm, warum es in der Küche eine Fernbedienung gab, habe ich jetzt vergessen.
Das musste jedenfalls ins Protokoll. Ich bin gespannt, wie ich in zehn Jahren auf sowas zurückblicken werde.

Im Bett der Ferienwohnung schauten wir auch Fernsehen. Zuhause haben wir zwar einen modernen Fernseher, aber lineares Fernsehen können wir damit (glaune ich) nicht schauen. Wir zappten durch die Kanäle und blieben beim Sender „Sat1 Gold“ hängen. Der Sender heisst wirklich so. Es lief „Hart aber Herzlich“, die Serie aus dem Anfang der Achtzigerjahre. Die Frisuren, die Kleidung, die Figuren, die Dialoge. Wir schauten dem ziemlich gebannt zu. Es ist unfassbar, wie unseriös das heute alles wirkt.

Es ist Dienstag und ich schreibe immer noch über Usedom.

Dafür etwas von heute:

Das ist das Rührendste, das es heute im Internet zu sehen gibt.

Dieser Kloss im Hals. Nach dem Ende des Filmchens war mein ganzer Hals verkrampft, ich bekam ihn kaum gelockert.

[Mo, 13.3.2023 – Kino leicht verdaulich]

Vom heutigen Montag habe ich nicht viel zu berichten. Ich ging ins Büro, hatte längere Meetings weil wir morgen ein grösseres Update durchführen, es wurde etwas später und dann ging ich wieder nach Hause. Am Abend wollten wir den Oscargewinner »Everything Everywhere All at Once« schauen. Es war dann aber eben zu spät um noch die nötige Aufmerksamkeit aufzubringen, die wir dem frischgekürten Gewinnerfilm hätten geben wollen. Weil wir aber schon Vorfreude auf Sofasitzen hatten, schauten wir etwas anderes, leichter verdauliches, also wählten wir einen sehr unterhaltsamen Film mit Nicolas Cage in dem er einen Schauspieler namens Nick Cage spielt. Mit Pedro Pascal, den Schauspieler aus „The last of us“, der gerade wegen seiner Daddyhaftigkeit im Internet verehrt wird.

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Was ich noch aus Usedom nachreichen wollte: ein Foto zur Erinnerung. Diese Anblicke der Morgensonne im Urlaub. Das kenne ich erst seit ich die Hündin habe.

[Fr/Sa/So, 10-12.3.2023 – Koserow, Usedom]

Am Freitagnachmittag fuhren wir nach Usedom, genauer nach Koserow. Koserow kannte ich bisher nur auf der Karte, wir faren sonst immer nach Zinnowitz und mittlerweile sind wir ja solche Leute geworden, die immer zu den selben Orten fahren. Eine Freundin meiner Frau besitzt in Koserow eine Ferienwohnung, ein guter Grund, etwas an den eigenen Gewohnheiten zu ändern.
Ich freute mich schon die ganze Woche auf den Kurzurlaub, zum einen, weil ich immer gerne an der Küste bin und zweitens, weil ich mich für die Hündin mitfreute, die von der ganzen Unternehmung natürlich noch nichts wusste. Sie war noch nie an einem Strand, sie war auch noch nie am Meer. Sie kennt das Meer nur von den Fähren nach Dänemark oder nach Schweden.

In Meckpomm schneite es, je näher wir an die Küste kamen, desto stärker. Eine halbe Stunde vor Wolgast las meine Frau, dass die Brücke in Wolgast drei Mal pro Tag für Schiffe geöffnet werde. Ich kenne die Brücke, es ist eine richtige Seebrücke mit überdimensioniert wirkenden Stahlbalken. Es wirkt überdimensioniert, weil dort sonst alles klein ist, man fährt zuerst auf diese schöne Altstadt von Wolgast zu, biegt dann rechts ab, entlang der mittelalterlichen Stadtmauer, um ein paar alte Fachwerkhäuser herum bis hinunter zum Fluss, der kein wirklicher Fluss ist, es wirkt nur wie ein Fluss, weil das Meer bzw der Peenestrom an jener Stelle schmal ist, und dann steht auf einmal eine massive Seebrücke vor dir.
Ich mag diese drei Minuten Strecke immer sehr.
Laut Navi würden wir ziemlich genau zur Öffnung der Brücke in Wolgast landen. Da wir noch vor Sonnenuntergang auf der Insel sein wollten, drückte ich auf das Gas und so beobachteten wir, wie die Ankunftszeit auf dem Navi Minute für Minute weniger wurde. Wir waren aufgeregt.

Abends gingen wir in ein Restaurant namens Bernsteinhexe. Essen, Lokal und Ambiente ist, sagen wir, eher mittelmässig. Ich bin wirklich kein Snob, aber es wirkte alles etwas lieblos. Und das Essen war auffällig salzarm. Was bei deftiger Küche nicht ganz passen will.

Nachts auf dem Rückweg durch das Dorf bis in die Wohnung, über ganz Koserow hört man die Brandung.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf und ging mit der Hündin in Richtung Wasser. Koserow hat keinen direkten Zugang zum Wasser wie beispielsweise Zinnowitz, Koserow liegt seitlich hinter einen Berg hineingebaut, erst ausserhalb des Dorfes, am westlichen Rand, gibt es den Zugang zum Strand mit einem Pier. Auf der Ostseite des Dorfes, an dem wir wohnten, befindet man sich auf einem 50m hohen Berg. Die Hündin und ich spazierten hinaus auf den Berg liessen uns von der Morgensonne anstrahlen, während wir auf das Meer hinausschauten.
Das sind solche Momente, an denen es sich lohnt, einen Hund zu haben. Ohne Hund sässe ich um diese Uhrzeit am zweiten Kaffee und würde mich zugrundefaulenzen.

Wir fuhren dann noch zum örtlichen Netto, nicht dem roten Netto, sondern den Netto mit dem Hund. Brot kaufen, Käse kaufen. Das Supermarktpersonal ist schlecht gelaunt und unfreundlich, ich weiss nicht, warum das im Osten meistens so ist, ausser wenn das Personal polnisch ist, die sind immer freundlich. Ich versuche meistens darüber hinwegzusehen, am Abend davor im Restaurant zB, da kann ich es ignorieren, aber manchmal deprimiert es mich, zB an einem Samstagmorgen, nachdem ich gerade einen schönen Sonnenaufgang gesehen habe.
Nächstes Mal fahren wir für alle Besorgungen nach Zinnowitz, dort arbeiten Menschen aus Polen.

Als meine Frau wach wurde, unternahmen wir einen langen Spaziergang am Strand. Die Hündin flippte am Strand völlig aus. Ich verstand nicht, was genau sie derart in Aufregung versetzte, es war aber lustig anzusehen. Sie rannte weite Kreise um uns herum und wirbelte Sand auf. Ausserdem fürchtet sie sich vor dem Wasser, das angespült wird.

Dieser Wald mit Buchen. Der ganze Küstenabschnitt zwischen Koserow und Loddin ist ein Buchenwald. Das ist so schön. Wusste ich nicht. Am Pier in Koserow sind wir platt und lassen uns in einem Cafe nieder. Der (polnische) Kellner legt italienischen Schlager auf. Bell‘ amor‘ solo. Es trällert. Es ist gleichzeitig lustig, deprimierend und egal. Wir ziehen lustig vor.

Nach 2km zurück in die Wohnung sind wir dann noch kaputter. Es gibt direkt in der Wohnung eine Sauna. Es ist der Moment, an dem man eine Sauna nehmen sollte, oder? Wir gönnten uns eine Sauna, danach konnte man uns auf Brotscheiben schmieren.

Am Abend gingen wir wieder ins Dorf, diesmal zum Käptn Brass, wir wollten Fisch essen, das Restaurant ist für seine Fischspeisen bekannt. Auch dieses Lokal atmet eine unfassbare Lieblosigkeit aus. Zwar ist es opulent eingerichet und man merkt, dass das Lokal mal etwas besonderes sein wollte, aber die Stimmung des Personals färbt dermassen auf alles ab, dass sogar das Essen nicht mehr wirklich schmeckt, es ist nicht so, dass wir unfreundlich behandelt wurden, aber lieblos, freudlos, antriebslos, leer.

Dafür ist die Landschaft wirklich sehr schön. Als wir zurück in die Wohnung gehen, nehmen wir den Waldweg, er ist nämlich mit Strassenlaternen ausgeleuchtet, damit hatten wir nicht gerechnet, sonst hätten wir den längeren Umweg durch das Dorf nehmen müssen. Je länger man nachts im Wald läuft, desto gruseliger wird es aber auch, zumindest, wenn man über den Wald nachdenkt und zu viel nach links und nach rechts schaut. Nach einem Kilometer endet die Beleuchtung. Vor uns der weitere Pfad, den wir gehen müssten, er führt geradeaus in ein dunkles Loch. Rechts führt ein spärlich beleuchteter Weg zurück zum Dorf. Wir beschlossen den Lichtern zu folgen.

Am Sonntag spazierten wir wieder zum Strand. Wir nahmen auch eine Picknickdecke mit und setzten uns eine Weile hin.
Am Nachmittag fuhren wir wieder zurück nach Berlin.

[Do, 9.3.2023 – Schnee, Regen, Reise in die Arktis]

Fürs Protokoll. Es schneit immer noch. Auch morgen wird es schneien und auch übermorgen. Wobei sich Regen und Schnee abwechseln oder der Regen kommt weiss daher, der Schnee hingegen regenerisch, zumindest wenn er auf dem Pflaster aufschlägt.

In Longyearbyen bricht gerade die kalte Jahreszeit an. Lustigerweise ist der Winter auf Spitzbergen nie besonders kalt, die Temperatur tänzelt im einstelligen Minusbereich herum, manchmal sogar bei wenigen Plusgraden. Erst ab Mitte Februar schrumpft das Quecksilber auf die Masseinheit von Minus Zwanzig oder weniger. Mit den ersten Sonnenstrahlen kommen Kälte und Schneestürme.

Wir haben die Reise nach Longyearbyen in den Herbst verschoben, weil wir das Problem mit dem Hund nicht gelöst bekommen. Allerdings hat sich gerade heute eine mögliche Lösung aufgetan, weil sich eine aus der Hundegruppe im Park in einem Nebensatz dazu äusserte, dass ich meine Hündin gerne auch ein paar Tage bei ihr abgeben könne. Mal sehen, ob das eine realistische Option ist. Ich würde lieber früher in die Arktis fliegen, zwar nennt man September/Oktober die goldene oder die orangene Jahreszeit, weil die bereits tiefstehende Sonne den Himmel rot färbt und die braune Tundra reflektiert, im Oktober beginnt es aber schon wieder dunkel zu werden, wenn wir am 3. Oktober dort ankommen und eine Woche später wieder fahren, wird sich der Tag um ganze zwei Stunden verkürzt haben. Im Oktober geht es sehr schnell. Am vorletzten Oktobertag beginnt schon die Polarnacht. Mal sehen. Andererseits will ich auch für die Polarnacht in die Arktis. Diesmal würde ich allerdings gerne andere Dinge tun. Wandern, mit Booten fahren, Wale und Walrosse sehen, auch Expeditionen auf Motorschlitten fahren. Und natürlich Bier trinken und essen, bis in die Nacht, in der die Mitternachtssonne ihre Kreise am Himmel zieht.

[Mi, 8.3.2023 – feministischer Kampftag, Samstag ohne Sonntag, Sonnenaufgang in der Arktis]

Feministischer Kampftag. Ich mag die Bezeichnung. Auch wenn wir heute alles andere taten als kämpfen. So ein loser Feiertag an einem Mittwoch fühlt sich an wie ein Samstag, der ohne den Sonntag daherkommt. Ein Samstag an dem man den ganzen Tag denkt, dass morgen wieder Montag ist.

Am frühen Morgen, nach wieder einer schlecht geschlafenen Nacht, machten die Hündin und ich einen langen Spaziergang. Auch spielte sie mit einem riesigen Sennenhund. Das sah komisch aus. Am Vormittag versuchte ich noch etwas zu schlafen, aber das ging nicht. Kurz nach Mittag kamen die Nachbarn, die mit dem Tier spazierengingen. Das machen die jetzt öfter und es geht sehr gut.

Wir räumten und putzten die Wohnung. Nebenher schauten wir eine weitere Folge von Hilary Swank in „Alaska Daily“. Ich hasse das, wenn die Folgen nur wöchentlich veröffentlicht werden. Später fingen wir eine überraschend unterhaltsame Serie mit dem Namen „Shrinking“ an. Sie erzählt die Geschichte eines Psychotherapeuten, dessen Frau gestorben ist und seitdem sein Leben nicht mehr richtig in den Griff zu bekommen scheint. Die Geschichte handelt von Tod, Gewalt und Einsamkeit und versucht sich dabei an Optimismus. Das gefällt mir im Ergebnis sehr gut.

Heute ging in Longyearbyen zum ersten Mal wieder die Sonne auf. Im Dorf findet ein Sonnenfest statt. Es ist aber zu bewölkt um die Sonne zu sehen.

[Di, 7.3.2023 – Spaziergang, Freundin aus Litauen]

Wie geplant, liefen das Tier und ich die Strecke zur Werkstatt heute in die umgekehrte Richtung. Und wieder habe ich eine Abkürzung gefunden, die mich ungemein begeistert hat, allerdings ist das hier zu umständlich und uninteressant zu erklären.

Weil ich schon mit dem Auto unterwegs war, fuhr ich mit dem Auto in die Firma. Üblicherweise stresst es mich sehr, das Auto durch den Berufsvekehr zu führen, deswegen ziehe ich andere Verkehrsmittel vor. So war es auch heute wieder. Es entsteht immer ein unterschwelliger Stress. Dieses Anfahren, Bremsen, wieder anfahren, rote Ampel, Spurwechsel ohnein, da ist jemand, dann die Drängler undsoweiter. Und das alles passiert im Sitzen, während ich mich nicht abreagieren kann. Auf dem Fahrrad passieren immer ähnliche Dinge, aber dort reagiere ich ab. Das ist vermutlich der Unterschied, abgesehen davon, dass man mit dem Rad nie im Stau steht.

Auf der Arbeit hatten wir wieder technische Probleme. Ich fürchtete schon, dass wir bis in die Abendstunden hinein an dem Problem arbeiten würden, am Abend war ich nämlich mit einer alten Freundin aus Litauen verabredet, ich sehe sie nur noch alle paar Jahre, ich hätte es sehr schade gefunden, die Verabredung absagen zu müssen. Das Problem liess sich dann aber relativ schnell lösen.

So traf meine Frau und ich um sieben Uhr Gintare. Wir lernten uns Ende der Neunzigerjahre in Utrecht kennen. Sie studierte dort während eines Erasmusjahres und sie kam oft ins PUSCII um ihrem Freund aus Russland Mails zu schreiben. Das PUSCII war eine Internetwerkstatt in einem besetzten Haus, die ich zusammen mit einem Freund gegründet hatte. Das war vergleichbar mit dem, was man damals Internetcafé nannte, mit dem Unterschied, dass wir ausserdem Workshops anboten und den Laden kostenfrei betrieben.
Für sie war einer der wenigen Orte, an denen sie Mails schreiben konnte. Internet gab es sonst gab es nur an der Uni oder in Intercafes, aber im PUSCII waren die Leute entspannter.
Schnell befreundeten wir uns und bald arbeitete sie dann auch im PUSCII und als sie die Niederlande wieder verliess, blieben wir über die ganze Zeit in Kontakt.
2005 fuhr ich mit meiner damaligen Freundin nach Vilnius um sie zu besuchen. Sie hatte gerade einen Sohn geboren und wohnte mit ihrem Freund in einem heruntergekommenen Plattenbau in einer tristen Wohnsiedlung am Stadtrand. Das ist sicherlich keine gute Zeit für sie gewesen. Wir hatten auch noch ein lustig gemeintes aber eher unpassendes Geschenk dabei. Ein Babystrampler mit der Aufschrift „Anstatt Karriere“, das ich extra für sie auf litauisch übersetzen hatte lassen. Kam nur so mässig gut an.
Die Phase dauerte glücklicherweise nur kurz. Es geht ihr sehr gut. Alle paar Jahre treffen wir uns, hauptsächlich, wenn sie beruflich in Berlin ist. Wie heute. Wir redeten den ganzen Abend über die Situation in Osteuropa. Die baltischen Staaten haben ein sehr waches Auge auf die Geschehnisse in Belarus, Russland und der Ukraine. Ich kann das lange Gespräch gar nicht zusammenfassen. Auch nicht eine Essenz daraus ziehen. Es wird schon alles gut gehen, wird es doch, oder? Jedenfalls fühlen wir uns unter dem Schutzschirm der NATO ganz okay.

[Mo, 6.3.2023 – Werkstatt, Schneeregen, Frauentag]

Morgens mit dem Auto in die Werkstatt gefahren. Das Auto muss zum Wochenende fahrbereit sein. Ich nahm die Hündin mit, dann würden wir den Weg von der Werkstatt zurück als grosse Gassistrecke laufen und morgen holen wir das Auto wieder ab, dann laufen wir die Strecke als Gassirunde in umgekehrte Richtung. Ging prima. Ich fand sogar eine Abkürzung von der Storkower Strasse zum Dach des Velodroms. Wenn man von der Storkower aus nödrlicher Richtung kommt, kommt man über den Bahnsteig des S-Bahnhofs Landsberger Allee zu einer Unterführung, die direkt in diese dystopisch futuristische Galerie unter Velodrom und Schwimmhalle führt.

Auf dem weitläufigen Dach des Velodromgeländes begann es zu schneien. Die Hündin und ich sind Schneewandererinnen.

Es war ein langer Tag in der Firma. Zur Zeit laufen die Dinge wieder gut.

Wie jedes Jahr schrieb ich auch heute wieder die Mitarbeiterinnen wegen des Berliner Frauentages am Mittwoch an. Dass es ein Feiertag ist, dass sie nicht ins Büro kommen sollen. Wir haben im letzten Jahr ja viele neue Mitarbeiterinnen aus fernen Ländern eingestellt. Die Frage kam auf, ob man als Mann dann auch frei bekäme. Die Frage war ernst gemeint. In vielen Ländern weiss man mit einem Frauentag nicht viel anzufangen. Ich fand das witzig. Einer wohnt in Brandenburg. Ja, auch für den gelte es. Diese Minderheiten, Menschen aus Brandenburg.

[Sa/So, 4./5.3.2023 – Viel Essen, Kater, Radfahren mit Hund]

Am Samstagabend war ich zum Kochen und Essen eingeladen. Das mit dem Kochen hatte ich missverstanden, das Essen war bereits fertig, ich musste nur noch servieren und sie Sachen aus dem Ofen holen. Selten schlug ich mich so voll. Es gab lang geschmortes Lamm im Ofen. Das Fleisch konnte man mit der Zunge kauen. Ich ass 9 Portionen. Wobei die letzten Portionen zugegebenermassen wesentlich kleiner wurden. Anschliessend gab es Tiramisu. Von der Sorte mit sehr viel Amaretto, genau so wie ich es mag. Ich musste viel davon essen, weil es viel davon gab, irgendwann war es so wenig geworden, dass man es aufessen musste, weil man so wenig ja nicht mehr für den nächsten Tag aufbewahren würde. Im Taxi nach Hause war mein Bauch dermassen vollgestopft, dass er hart geworden war. Ich musste mich zurücklehnen und die Jacke öffnen.

Als ich zuhause ankam, war meine Frau noch bei den Nachbarn auf der anderen Strassenseite. Ein Freund wurde 50 Jahre alt, also traf man sich zum Essen. Da ich bereits verabredet war, nahm ich nicht teil, falls ich nicht zu spät nach Hause käme und ich nicht zu müde war, würde ich aber noch auf einen Drink vorbeihopsen. Ich ging zuerst mit der Hündin raus und drehte ein paar Runden. Meinem Bauch ging es immer noch nicht besser, ich schrieb meine Frau an und fragte, ob ich noch willkommen sei, sie antwortete: sehr gerne, es ist amüsant. Also ging ich noch zu den Nachbarn.

Ich bekam ein Bier und einen Schokokuchen. Das Bier kroch noch in die leeren Hohlräume des Magens, der Kuchen passte aber nur in zeitlich weit auseinanderliegenden Häppchen. Bei der Hälfte musste ich aufgeben.

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Am nächsten Tag hatte ich einen sehr trägen Kater. Kein Kopfschmerz, aber mein Körper war von der Essens- und Flüssigkeitsaufnahme regelrecht überfordert gewesen. So ist zumindest meine Interpretation. Im Lauf des Nachmittages ging es etwas besser. Vor allem die Spaziergänge mit dem Tier brachten meinen Lebenshaushalt wieder auf die Schiene. Es ist hoffentlich einer der Vorteile, eine Hündin zu haben, dass sie meine Lebensgeister zu erwecken vermag.

Nun.

Wir teaserten verschiedende Serien an, aber keine wollte richtig gefallen. Das kann allerdings auch an der Katerstimmung gelegen haben. Später verlor Hertha in Leverkusen 4:1, es war das schlechteste Spiel der Saison.
Am Abend fiel mir ein, dass ich mein Fahrrad noch am Ubahnhof Weberwiese stehen hatte, also nahm ich das zum Anlass, mit dem Tier bis zur Weberwiese zu laufen. Auf dem Rückweg übten wir Fahrradfahren mit Hund. Meine Hundetrainerin hatte uns die Theorie dazu erklärt. Ich war ein bisschen voreilig und fuhr schon auf dem Fahrrad, dabei hielt ich die Hündin neben mir an der Leine. Als wir losfuhren rannte sie zwar mit, sie wollte aber ständig an mir hochspringen, sie dachte, es sei ein Spiel. Es fehlte nicht viel, dass sie mit der Schnauze in die drehenden Speichen geriet, also führten wir die Übung wieder ohne Geschwindigkeit fort. Das wird schon ein bisschen dauern.

[Fr, 3.3.3023 – Weisswurst und Bier und Veggie und überhaupt]

Seit Corona mehr oder weniger vorbei ist, treffen sich jeden dritten Freitag viele Mitarbeiterinnen in unserer Firma und feiern das Ende des Sprints. Sprints sind in den agilen Firmen die Etappen, in denen etwas geplantes umgesetzt wird. Bei uns dauern Sprints drei Wochen. Viele verkürzen diese Etappen auf eine Woche oder zwei. Wenn der Sprint bei uns zu Ende ist, kocht jemand was und es gibt Getränke. Getränke gibt es zwar immer, aber, nunja. Mit Publikum trinkt es sich besser.

Für heute hatte jemand die Idee bajuwarisch zu feiern. Weisswürste und Weissbier. Für Vegetarierinnen Veggiwurst und Obazda. Wie sich die Veganerinner damit arrangierten, habe ich verpasst. Viele bei uns ernähren sich vegan. Überhaupt begegnet man seit Jahren immer mehr Menschen, die sich vegan ernähren, vor allem junge Menschen unter dreissig. Ich finde das gut. Es macht die Essensplanung zuweilen aber etwas schwierig. Vor allem, wenn die Planung von einem älteren Herren Ende 50 durchgeführt wird. Ein Leben in Fleisch. Alles was danach kam, war neumodisch. Ich finde das lustig. Es erzeugt allerdings viel Unmut. Müssen wir nächstes Mal besser im Blick behalten.

Auch Alkohol. Menschen unter dreissig scheinen weniger Alkohol zu trinken. Zwar kann ich das nicht empirisch belegen, aber schon seit Jahren schon fühle ich mich auf Firmenpartys einer ü35 Alkoholfraktion zugeordnet. Die U30 sieht man oft an Cola (ohne Libre), Limos oder Wasser nippen. Ich finde das gut. Warum nicht. Man muss sich ja nicht immer benebeln. Ausserdem gibt es immer mehr Muslime, Aufrufe wie „Heute gibt es Weisswurst und Bier“ dürften nicht überall Euphorie erzeugen. Obwohl Weisswurst laut Organisator offenbar aus Kalbsfleisch hergestellt wird. Ein Blick ins Netz enthüllt, dass das so pauschal nicht stimmt, aber die Verpackung mit den Inhaltsangaben waren bereits entsorgt. Müssen wir nächstes Mal besser im Blick behalten.

Nunja.

Mein Vater war in seinen jungen Jahren Metzgerlehrling. Er erzählte früher, dass in den Sechzigern, die reichen Boznerinnen ins Dorf geschickt wurden, weil der Herr Doktor ihnen Weisswürste empfahl um die Linie zu halten. Für ihn erschloss sich der Zusammenhang nicht sofort. Warum sollte die Verzehrung von geschreddertem Fett dabei helfen, das eigene Fett loszuwerden? Der Metzgermeister fand das aber gut.

Ich hatte meine Hündin im Büro. Sie liebt es, wenn in der Firma viel los ist. Sie wird städnig gestreichelt und in der Küche fallen ständig Essenssachen auf den Boden. Zwar habe ich den Köchinnen gebeten darauf zu achten, dass sie keine Lebensmittel auf dem Boden liegen lassen, aber für die Hündin riecht es im Umkreis der Herde und der Schneideflächen natürlich wie Himmel. Gegen sechs Uhr gehen wir. Das Tier ist danach platt und schläft den Rest des Abends.