Am Abend, als meine Frau nach Hause kam, gingen wir wiedermal auf einen Aperitiv zu diesem italienischen Backladen in der Proskauer. Vor ein paar Wochen dachte ich, das sei der letzte Abend mit Aperitiv draussen auf der Strasse, aber das ist Quatsch, wenn es kühl ist, sitzt man draussen genau so gut. Heute servierten sie zudem Glühwein und Pasta Fagioli. Pasta Fagioli das ist Kindheit für mich. Wären wir nachher nicht zum Martinigans-Essen verabredet gewesen, hätte ich mir gerne eine Pasta ai Fagioli bestellt.
Es kam auch ein Menschenauflauf die Strasse hoch. Der Menschenzug wurde von einem Polizeiwagen angeführt. „Demo“ dachten wir natürlich, in der Gegend der Proskauer gibt es ja ständig Demos, wegen der Rigaer oder Mieten oder neuerdings sind es die Leute der „letzten Generation“, die sich die Hände an der Strasse festkleben. Heute Vormittag gab es auch wieder 30 Leute, die sich am Frankfurter Tor ans Asphalt klebten.
Heute abend aber waren es lauter Kinder mit Laternen. Ahja, wir essen ja Martinigans, also muss heute Martinstag sein. Auf den Zusammenhang hätte ich auch ohne Laternen kommen können.
Ich hatte mein Telefon zuhause vergessen, ich fühlte mich ohne Telefon total nackig, ich kannte keine Uhrzeit, konnte nicht malebenschnell etwas fotografieren oder checken welche Mannschaften heute spielen, oder im Martinigans-chat schreiben, dass wir einen Aperitiv trinken. Ich bat meine Frau während des Aperitivs mit mir zu reden und nicht ihr Telefon zu benutzen. Das funktionierte nur so mittel. Dafür übernahm sie aber Aufgaben von mir, indem sie für mich in den Martinigans-chat schrieb und Sachen auf Google nachschlug. Auch machte sie Fotos von mir und dem Tier.
Eigentlich habe ich ja wieder mit der Abnahme von Gewicht begonnen. Die zwanzig Kilo, die ich letztes Jahr verlor, trage ich alle wieder auf meinen Hüften. Das ist furchtbar deprimierend. Ich denke zu wissen, warum ich wieder zugenommen habe, also zumindest was der Trigger war, der die lange Verfressenheitsphase wieder einleitete, aber das beobachte ich das nächste mal, falls ich es wieder schaffe, so viel Gewicht zu verlieren.
Heute also Martinigans. Fetter Vogel mit fetter Sauce. Es ist bereits eine Tradition, dass wir am Martingstag mit den Sven und Frau, sowie Frau Modeste mit Mann und Sohn, ins Alt-Wien gehen und Martinsgans essen. Früher war auch immer Frau Wortschnittchen dabei, bis sie nach Chile verzog.
Eine Sache fürs Protokoll, damit ich es nächstes Jahr nachschlagen und die richtige Entscheidung treffen kann:
- Jedes Jahr, wenn du Gans bestellst, beneidest du diejenigen, die keine Gans bestellen, weil die Teller der anderen immer wesentlich schmackhafter aussehen
- Dieses Jahr bestelltest du etwas anderes und du beneidetest trotzdem die Teller der Gansesserinnen, weil jene Teller schmackhafter aussahen
- Du bestelltest den Hirschbraten mit Knödel. Mach das nächstes Jahr nicht mehr. Schmeckt dir nicht.
- Lass dich nicht vom Schnitzel verführen, es wird auf dem Teller nicht schmackhafter aussehen als Gans oder Hirschbraten. Ausserdem isst du ja sonst immer das Schnitzel, wenn du im Alt-Wien bist.
- Nimm was anderes