Emma zum Anlass genommen, gestern unheimliche Mengen Bier und Schnaps zu trinken. Man sollte ja nicht raus heute wenn man nicht unbedingt müsse, sagten uns die Meteoristen. Lebensgefahr und Katastrophen. Bin dann doch noch rausgegangen. Als Leichentuch im Bett zu liegen ist nur schön wenn jemand da ist an dem man sich – verwickeln kann. Und ohne Sex weiss ich mit den schnell vorbeiziehenden Wolken und dem ganzen Klappern der Gerüste auch nichts anzufangen wenn ich die Haltung verliere. Und der Rythmik wegen merkwürdige und kommalose Nebensätze mache.

Hey. Alles gut hier. Sollte ich nach den besorgten Mails wirklich mal posten. Wirklich alles gut. Glaube ich jedenfalls.
Neulich saß ich zwei Stunden in einem Meeting über die neue Mailapplikation, als Hauptansprechpartner für die technische Fraktion. Zwei Stunden genickt und mit interessiertem Blick auf die Tafel geschaut, doch stattdessen drei Charaktere für das Drehbuch geknetet und geformt: den theatralischen Führertypen, den introvertierten Grummeltypen und den destruktiven Charakter der immer kurz davor ist, heilig zu werden. Gegen Ende des Meetings fragte man mich ob ich aus technischer Sicht Einwände hätte. Ich wachte auf, hatte vergessen was das Thema war, hatte vergessen was meine Anwesenheit dort zu bedeuten hatte, hob schließlich den Zeigefinger und sagte: Ja.
Man fragte mich warum und ich sagte deshalb und deshalb. Man nickte und sagte, gute Punkte seien das.
Also ja, alles gut hier. Besonders der dritte Charakter ist gut gelungen.

Nur bin ich mir nicht sicher wie ich das mit der Karmaverteilung erledigen soll. Aber das hat ja nichts mit dem Buch zu tun.

[in quiete]

Wie wenig Platz wir brauchten. Als ich nachts von einem schlaftrunkenen Toilettengang zurück ans Bett kam und ich diesen winzigen Fleck sah auf dem ich vorhin gelegen haben musste. Dieser winzige Fleck zwischen ihr und dem Bettrand, während hinter ihr sich die weiten Flächen liebloser Bettödnis ausdehnten. Dieser winzige Fleck zwischen ihr und Bettrand auf den ich mich wieder drängte.

[wie lange es her ist]

Die eigenen Texte werden ganz haarig wenn sie altern. An der Oberfläche so überschüssig, wie Haare eben, an denen man dann zwirbeln will, bis alles rot wird und weh tut. Oder schlimmer noch, eigene Texte werde strähnig, der Talg bleibt an den Fingern kleben wenn man drüberfährt. Geht gar nicht.
Ich habe aber das Gefühl, dass mir das Publikum gestern all meine Streichungen verziehen hat. Das muss man auch können. Das Verzeihen mein ich, und nicht das Streichen.

(dabei habe ich nichtmal etwas gegen Haare)

milonga de mis amores

Am Sonntag meine ersten Tangoschritte getanzt. Etwa acht Jahre hat es bis zu diesem Tag gebraucht.
Zwischen dem dritten und dem vierten Schritt der ganz gewöhnlichen formacion de base, wie man beim Richtungswechsel nicht nur die Richtung, sondern auch die Achse gleich mit verläßt und plötzlich Hüfte an Hüfte nebeneinander steht. Selten hatte ich das Gefühl, auf solch dezente Weise etwas vollkommen unanständiges getan zu haben.

Ich habe lange Jahre den tanzenden Tangopaaren zugesehen, und mich in unzählige Paare verliebt, während ich am Wein nippend mit einem schweren Brustkorb an der Anmut der mir dargebotenen Liebe vertrocknete, wobei ich bei meinen Gefährten immer schon an der Beschreibung der Ästhetik scheiterte, die ich versuchte zu erklären, womöglich nur mir selbst.

Und dann diese erstaunliche Sinnlichkeit beim Führen. Die Lehrerin sagte ich solle führen. Ich hatte das noch nie gemacht, sie wusste natürlich nicht, dass ich direkt vom Pogo zum Tango geraten bin. Mit meinen Händen in der Mitte des Rückens der Frau, muss ich sie festhalten, weit oben, noch oberhalb des Herzens, weil die Frau ab dem Herz bis hinunter zu den Zehen atmen muss. Wie man den nicht atmenden Teil der Frau festhält, sanft drückt und dreht, wortlos mit den eigenen Bewegungen die Richtung andeutet, indem man sie umschließt, sie einbettet, und dann merkt, dass es viel besser klappt, wenn man mit den Oberkörpern, also mit den nicht atmenden Teilen, einfach verschmilzt.
Wie eins und wie nahe man sich sein muss um zu wissen wohin es geht.
Ich habe das Führen bisher lediglich erahnt. Noch beherrsche ich ausschließlich den Baumstamm-Part. Nicht umfallen.
Ich falle nicht um. Der Rest kommt vielleicht.

(Und erstaunlich sind die Geschlechterrollen, wie sie manchmal funktionieren)