Wenn ich eine Frau wäre, dann wäre ich eine charmante, gutaussehende, intelligente, humorvolle, verständnisvolle und geschmackvolle Frau. Ich würde kurze Röcke tragen, weil ich selbstverständlich schöne Beine hätte, die ich jeden Tag in andere Strümpfe kleiden würde, wahlweise rot und schwarz und grün und Netz und an Tagen der besonders guten Laune mit barocken Verzierungen an den Knöcheln. Ich hätte den Schlampenblick einer nimmersatten Nymphomanin und gleichzeitig den liebevollen Blick einer Gottesmutter, weil ich im Bett ein Luder wäre und in der Küche eine wunderbare Mutter und Hausfrau. Ich wäre natürlich unsterblich in den grossartigen Mequito verliebt, schriebe ihm täglich ein Liebesbekenntnis, würde mich mehrmals pro Tag an ihn heranschleichen, mein französischstes aller französischen Gesichter aufsetzen, die Oberlippe zu einem Schmollmund geformt, das Kinn gesenkt, die Augen weit offen und ihn fragen: “Liebster Mequiteaux, darf ich Dir einen blasen?”. Er würde mich liebevoll anlächeln und sagen “Schon wieder?” und ich würde ihm antworten “Ja bitte, ich habe das Bedürfnis Dir nahe sein”. Ich würde seine kleinen Makel als charmante Eigenheiten belächeln und seine grossen Makel – die würde er einfach nicht haben. Er doch nicht. Und ich würde es ihm verzeihen, wenn er auf meinen Hintern starrt während ich dürftig bekleidet durch die Wohnung stakse, mein Hintern, mein Hintern, wäre ich eine Frau, dann wäre ich von oben bis unten Hintern. Hintern mit Beinen und Armen und ein Gesicht so zuckersüss wie kaltgeschleuderter Imkerhonig. Mit Schlampenblick.
Ohje, wenn ich ne Frau wäre…
Dann würde ich auf meinem Fahrrad wie eine Dame durch den Wind fahren, dezent und hochgeschlossen. Mein knappes Röckchen würde alle Männeraugen auf mich schielen lassen. Mein weisses Fahrrad, das mir mein Liebster geschenkt hat, und weiss gestrichen, weil er wollte, ich reite es wie ein weisses Pferd, ach mein Liebster. Und wenn das Fahrrad kaputt, dann verspräche er mir, es sofort zu reparieren, ich würde ihn lieben, auch noch, wenn er es vergässe, drei Tage, vier Tage, fünf Tage, meine Liebe würde nicht verschwinden, aber ich muss zugeben, ich würde ein wenig von dem Chlormittel in die Pasta verrühren, ein bisschen nur, er soll ja nicht merken, wie Scheisse ich das von ihm finde, er solle nur ein bisschen leiden, ich leide ja auch, ein bisschen. Und die Socken, ich mag ja wirklich alles von meinem Liebsten, auch seine herumliegenden Socken, diese jedoch weniger, gebe ich zu. Wenn er einmal nicht hingucken würde, dann träte ich mit den blitzenden Spitzen meiner zwölfzentimeter-Absätze auf den übelriechenden Sockenhaufen herum, nochmal und nochmal, bis ich den Stoff unter meinen scharfen, stählernen Stöckeln reissen spürte. Er würde sich wundern, seine Socken hätten früher immer länger gehalten, ob vielleicht eine unheilvolle Mottenplage über uns hernieder käme, ob ich nicht mal nachschauen könne. Ich würde ihm sagen, jedes Loch in meinen Kleidern brächte mich näher zu ihm, ich trüge jedes Loch für ihn mit Liebe. Darauf würde er empört die Stimme erheben: “Löcher gut, aber doch nicht in meinen Socken!”, und er würde mich anlächeln und mir sagen, ich solle ihm seine Socken doch nähen, das habe seine Grossmutter schliesslich auch immer getan, ich könne das bestimmt gut, mit meinem Talent, wo ich mir sogar Korsagen selbst nähe, und ich würde strahlend lächeln, und erwidern: “ich liebe Dich”, und würde nachts aus dem Bett steigen um auf das Grab seiner Grossmutter zu spucken und die Blumen zu zertreten. Der linke Absatz meiner neuen Schuhe, meiner neuen roten Schuhe, die mit den Schleifen an der Seite, würde dabei brechen, und ich würde fluchen, ich würde die Welt verdammen, meinen Liebsten, seine Grossmutter, und die verdammte ganze Welt. Und ich würde in die Gartenlaube gehen, mir eine Axt holen und ins Schlafzimmer zu meinem Allerliebsten stampfen – und weit ausholen.
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