[Dienstag, 19.10.2021 – bars]

Heute früh taten wir etwas sehr ungewöhnliches. Nachdem ich meine Frau weckte, setzten wir uns auf den Balkon und tranken dort unseren Kaffee. Das haben wir noch nie gemacht. Und das war sehr schön.

Wir reden über Bars. Wie anders man in Italien in Bars geht. Als ich ein sechzehnjähriger Lehrling war, traf ich mich mit meinen Kolleginnen morgens immer in der Bar. Dort rauchten wir zwei oder drei Zigaretten und tranken einen Espresso oder Macchiato und gingen danach in die Arbeit. Das war jeden Tag so. In Bozen gibt es an jeder Ecke Bars, in denen man morgens einen Espresso trinkt und Freundinnen trifft. Das machen Studentinnen so, Schülerinnen, Arbeiterinnen, Sekretärinnen, alte Leute, junge Leute. Man geht morgens schon in die Bar und trinkt einen Espresso. Die kosteten auch nicht viel, 800 Lire vielleicht, das sind heute 40 cent. Natürlich ist das heute etwas teurer, aber dennoch: man trinkt einfach kurze Kaffees und redet währenddessen mit Menschen. Manchmal fügt man dem Espresso einen Grappa hinzu, manchmal trinkt man statt dem Espresso einen Weisswein, aber man geht eben ständig in Bars und trifft Leute. Ohne Schnösel, ohne Attitüde, ohne aufgesetztem Bar Feeling,sondern einfach in schlichten Bars, meistens mit vielen Spiegeln, etwas geschmacklosen Tischen und Stühlen, ein langer Tresen, Chipstütenregal, eine laute Kaffeemaschine, die ständig mahlt und rödelt, in Ausmaßen einer mittelgroßen Kirchenorgel.

Ich weiss nicht, warum das in anderen Ländern nicht so funktioniert. Bars in Deutschland sind ja immer schnöselig und aufgesetzt, dieses schnelle mal irgendwo reingehen und einen Macchiato trinken oder ein beiläufiges Glas Weisswein mit jemandem trinken und dann wieder gehen, das gibt es hier nicht so. Auch anderswo nicht. In Spanien vielleicht, aber anders. Macht mich ganz fertig, wenn ich drüber nachdenke.

Das Dorf meines Vaters hat vielleicht 2000 Einwohner, das Dorf hat sieben Bars. Gehste in Deutschland in ein Dorf dieser Größe, da gibt es ein Gasthaus mit Küche. Wenn man Glück hat gibt es in jedem dritten Dorf eine Kneipe. Die dann noch ab Mittag aufmacht.

Macht mich fertig.

Danach redeten wir über Julian Reichelt. Was die Leute zu vergessen scheinen: Döpfner ist immer noch da.

[Montag, 19.10.2021 – Arkonaplatz]

Die Nackenschmerzen mit in den Montag genommen.

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Später am Nachmittag führte ich ein längeres Telefonat mit einem Mitglied des Fanclubs. Es ging um die Vorbereitung von einigen Aktivitäten im nächsten Sommer. Wir haben unterschiedliche Ansichten dazu. Mehr zum Inhalt des Thema schreibe ich vielleicht wenn es so weit ist bzw. im nächsten Sommer. Mal sehen.

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Es hätte eigentlich ein längerer Abend in der Firma werden sollen, aber der Termin wurde kurzzeitig abgeblasen. Gleichzeitig postete ein Freund in der Fanclubgruppe, dass Unioner den Arkonaplatz vollgestickert hatten und rief dazu auf, sich in den nächsten Tagen mal zu organisieren.

Ich saß da mit dem gecancelten Termin, hatte daher ein Stündchen frei und schrieb: also ich könnte in 20 Minuten am Arkonaplatz sein.
Und so trafen sich eine Stunde später etwa fünf erwachsene Leute am Arkonaplatz um die Wiege von Hertha BSC zu säubern.

[Sonntag, 17.10.2021 – Nackenweh, Kartoffel, Beweisfoto]

Ein Tag mit sehr schlimmem Nackenweh. Am Nachmittag googelte ich nach Videos von Nackenübungen. Genauer gesagt gibt es eine Übung, den Atlas zu trainieren, die Übung kannte ich, aber ich merke sie mir nie, muss ich immer googlen.
Bin mir nicht sicher, ob es geholfen hat. Vielleicht ein bisschen. Zumindest fühlt sich der Nackenschmerz jetzt anders an.

Die gute Laune zum gestrigen Sieg hielt auch noch den Sonntag lang. Ich weiss nicht, wie Bayernfans mit diesen ganzen Siegen umgehen. Immer mit guter Laune durch die Wochenenden gehen. Irre.

Am Abend koche ich alle Gemüsereste der Woche zusammen. Ich stoße dabei auf ein interessantes Phänomen. Die Idee war, Kartoffel und anderes Gemüse zu vierteln und in den Backofen zu legen. Normalerweise ist das Gemüse dann in 25 Minuten fertig. Diesmal gab ich das Gemüse in eine Tonform und mischte die übriggebliebene Tomatensauce von der Pasta des Vortages dazu. Von der Sauce gab es nicht besonders viel, es bedeckte nur etwa einen halben Zentimeter des Bodens und natürlich überzog es auch das Gemüse. Aber diesmal brauchten die Kartoffeln 2 Stunden. Und wenn ich ganz ehrlich bin, fand ich die Kartoffeln nach zwei Stunden immer noch nicht ganz durch. Es hat vermutlich mit der Feuchtigkeit zu tun. Verstanden habe ich es aber noch nicht.

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Übrigens, bezugnehmend auf den Eintrag von vorgestern, hier das Beweisfoto, dass im Dezember 2010 Eisschollen in der Nordsee trieben:

[Samstag, 16.10.2021 – Auswärtssieg, Ladung Split]

Die zwei Tage mit wenig Schlaf und viel Alkohol setzen mir einigermaßen zu. Es wird ein langsamer Tag. Aber das wusste ich vorher schon. Ich bewege mich lange zwischen Bett und Schreibtisch. Hin und her und hin und her.

Bis zum Spiel (15:30 Uhr) will ich angezogen und bereit sein für den Tag. Hertha spielt in Frankfurt.
Es ist ein richtig gutes Spiel. Das erste gute Spiel der Saison. Die Pässe funktionieren, die Angriffe werden zu Ende gespielt, die Bälle werden abgefangen, es wird schon im Mittelfeld verteidigt.

Beim 2:0 klingelt es an der Tür. Ich lasse mich niemals während eine Spiels stören. Alles kann immer warten. Es sei denn, es klingelt an der Tür. Das mit der Tür ist vermutlich ein Reflex, Türklingeln klingt für mich wie eine Alarmsituation. Das heisst: jemand braucht dringend etwas, jemand will mich warnen, oder es gibt Geschenke. Ich stehe also auf und beantworte die Tür. Die Nachbarin steht unten, sie fragt mich, ob ich ihr und ihrem Ehemann mit dem Anhänger helfen kann. Sie haben eine Ladung mit 800kg Split, die in den Hof geschoben werden muss. Ich werde panisch und sage, ich könne jetzt unmöglich, es laufe gerade Fussball und wir stünden 2:0 vorne. Ob sie denn nicht bei jemand anderem klingeln könne. Ich sage sorry und nochmal sorry und lege auf. Doch schon zurück in der Küche weiss ich, dass ich die Welt jetzt nicht einfach so stehen lassen kann, wie ich sie gerade stehen lassen habe. Dabei geht es mir nicht einmal so sehr darum, dass ich jemandem helfen will, es geht mir vor allem darum, dass ich mich nicht mehr dem Spiel hingeben kann, mit dem Wissen, dass ich die Nachbarn gerade hängen lasse. Wenn sich dadurch der Spass nicht mehr heraufbeschwören lässt, dann kann ich genau so gut schnell runtergehen.

Meine Frau lacht nur. Sie hat mich laut abwägen gehört, wusste aber, dass ich hinuntergehen würde. Weil ich mich immer aufspringe, wenn es darum geht, nachbarschaftliche Dinge zu erledigen. Sie nennt es Pflichtbewusstsein. Ich bin mir da nicht so sicher.

Das Spiel endet jedenfalls 2:1. Und ich freue mich auf ein Wochenende ohne schlechte Laune.

[Donnerstag und Freitag, 14./15.10.2021 – Trinken im Südwesten und alte Freunde]

Donnerstagabend war ich mit Fanclubfreundinnen im „Fränkys“ in Friedenau. Die erste der Kneipen, die während Corona von der Aktion Herthakneipe unterstützt wurden. Aktion Herthakneipe war eine Initiative, in der u.a. mein Fanclub involviert war, mit der an Wochenenden oder an Spieltagen online Zoom-Meetings abgehalten wurden, em eine Herthakneipe zu simulieren. Für jedes Bier, das die Anwesenden tranken, bezahlte man das Äquivalent des Preises in der Kneipe auf ein Paypal Konto ein. Die Tageseinnahmen wurden dann jeweils ausgewählten Herthakneipe überwiesen. Fränkys war der erste.

Die Initiative war sehr erfolgreich und brachte vor allem Herthafans außerhalb Berlins zusammen.

An dem Abend ass ich eine riesige Kohlroulade. Sie war so groß wie mein Unterarm. Glücklicherweise bestand sie aber größtenteils aus Kohl. Ich war in dem Moment so verfressen. Nach der Kohlroulade ass ich noch mindestens ein Viertel des Flammkuchens meiner Tischnachbarin auf, die diesen wegen versehentlich verstreuten Speckwürfeln nicht mehr aufaß. Als der Flammkuchen aufgegessen war, hätte ich am liebsten noch einen ganzen bestellt.

Vom ersten „ich werde bald mal gehen“ bis zum tatsächlichen Aufsperren der Haustür vergingen etwa drei Stunden. Ich schreibe das gerne dem Südwesten Berlins zu. Alles im Südwesten Berlins ist so weit weg von allem. Vor allem von meiner Wohnung. Es wurde allerdings auch noch Mampe eingeschenkt und noch ein kleines Bier und dann noch ein kleines Bierchen.

Am nächsten Morgen war mir schlecht. Richtig schlecht. So schlecht, dass ich nicht den Tagebucheintrag schreiben konnte. Nach vier Stunden Schlaf blieb ich wach, und hing mehrmals mit dem Kopf über der Kloschüssel. Dabei hatte ich gar nicht so viel getrunken. Es muss etwas anderes gewesen sein. Ich nahm kein Frühstück zu mir, es wäre nicht im Magen geblieben, schlafen konnte ich auch nicht mehr, so fuhr ich einfach ins Büro. Das letzte Mal, an dem ich ohne Frühstück oder mindestens einen Kaffee, in den Tag gegangen bin, war ich bestimmt noch ein Teenager.

Gegen 11 Uhr versuchte ich es mit einem Kaffee. Er blieb drin. Danach begann es mir besser zu gehen.

Am Abend waren meine Frau und ich mit einem lange befreundeten Paar verabredet. Sie sind vor einigen Jahren nach Minden gezogen und seitdem sehen wir uns nicht mehr so oft. Während Corona zoomten wir einige Male miteinander und wir schmiedeten Pläne, sie in Ostwestfalen zu besuchen, allerdings wollte es bisher nicht klappen.
Wir trafen uns in der Markthalle unterm Pfefferberg an der Schönhauser Allee. Ich beschrieb den Ort bereits vor einigen Wochen. Ich ass wieder diese umwerfenden Tacos als Vorspeise und danach teilte ich mir mit meiner Frau eine Pizza vom Salami Social Club.

Mit den beiden verbrachten wir vor etwa 10 Jahren das schönste Silvester meines Lebens. Das war auf Amrum. Es war Sturm, es schneite, ganz Norddeutschland war im Schnee versunken, die Fähre nach Amrum, die wir eigentlich nehmen wollten, fiel aufgrund der Wetterbedingungen aus. Aber es fuhr an dem Tag noch eine. Die nahmen wir dann und es sollte die letzte Fähre für die nächsten beiden Tage bleiben.

Danach waren wir 4 Tage auf Amrum eingeschneit. Dicke Eissschollen stapelten sich am Strand auf, wir liefen über diese meterhohen Schollen. Wenn ich das heute jemandem erzähle, dann glaubt das ja niemand. Wie jetzt Eisschollen in der Nordsee sowas gibt es ja gar nicht. Ich werde heute oder morgen die Fotos dazu raussuchen. Das war nämlich wirklich so.

[Mittwoch, 13.10.2021 – lange Hosen, Player of witches and bitches]

Heute also wieder eine lange Hose angezogen. Das gute an langen Hosen ist, es sieht halt besser aus. Ich fühle mich angezogener, weniger wie ein Tourist in Südeuropa.

Und was war sonst so los? Nichts wirklich erwähnenswertes, ausser, dass die Themen auf der Arbeit wieder richtig flutschen. Das ist ein ärgerliches auf und ab. Montag: schlimmer Tag. Dienstag: ein richtig guter Tag. Heute war der Tag wieder richtig gut. Morgen kann wieder alles am Boden liegen. Das kostet so viel Kraft. Es macht aber auch Spass, muss ich zugeben.

Am Abend wollte ich endlich die zweite Staffel von Ted Lasso beginnen. Haben wir dann gemacht. Hannah Waddingham. Woah. Ich bin ja wieder totaler Fan. Muss mal schauen, ob die auf Insta oder Twitter ist (Ja, ist sie. Geadded). Sie nennt sich „Player of Septas, Witches, bitches & loving it“.

[Dienstag, 12.10.2021 – das letzte Mal kurze Hosen, das Dramolett namens Herthabsc]

Okay, heute habe ich im Büro das erste mal ein bisschen gefroren. Fürs Protokoll. Tagsüber. Nicht morgens beim Radfahren, sondern, wenn ich den ganzen Tag etwas untätig herumsitze. Die Vorderseiten meiner Unterschenkel wurden kühl. So kühl, dass ich dachte, eine Omadecke wäre jetzt angenehm.

Morgen ziehe ich also wieder lange Hosen an. Das war die Saison der kurzen Hosen. Sie endet mitte Oktober. Jetzt bin ich gespannt, wann sie im nächsten Jahr wieder beginnt.

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Die neue Staffel des Dramoletts namens Herthabsc erreicht ständig neue deprimierende Wendungen. Zuerst beschwert sich der Investor seit Tagen öffentlich in den Medien und schafft eine unmögliche Unruhe in diesen sportlich schlechten Zeiten und heute wurde die Vertragsauflösung des vorsitzenden Geschäftsführers Carsten Schmidt bekanntgegeben. Immerhin aus privaten Gründen und nicht, weil er die Hoffnung bei Hertha aufgegeben hat. Carsten Schmidt war für mich einer der großen Hoffnungsträger im Verein. Auch wenn er wenig direkten Einfluss auf den sportlichen Erfolg hat, so war er doch derjenige, der nach Innen eine ganz andere Tonalität gesetzt hat und Schwerpunkte auf Themen legte, die bisher eher vernachlässigt wurden. Wie bespielsweise der Schulterschluss mit den Fans und Vereinsmitgliedern, die Würdigung der vielen sozialen Aktionen der Fans, etc.

In den letzten Jahren hatten sich Fans und Mitglieder ihren Verein wieder ein Stück weit zurückgeholt, durch Carsten Schmidt bekam das noch einmal eine neue Dynamik. Das tröstete auch einigermaßen über die sportlichen Misserfolge hinweg. Jetzt streiten sich Milliardäre und Millionäre. Das ist so überhaupt nicht Hertha.

[Montag, 11.10.2021 – sieben Grad, unscharfe Welt]

Jetzt kommen wir langsam in den Bereich der Temperaturen, bei denen ich Protokoll führen muss. Ich frage mich, wie lange ich noch mit kurzen Hosen in die Arbeit fahren werde. Ich dachte immer, zehn Grad wäre so etwas wie eine magische Grenze für die Beinfreiheit. Heute früh mass es sieben Grad und es gab ein bisschen Nieselregen, deswegen dachte ich, heute wird der Tag, an dem ich beschliessen werde, dass sieben Grad definitiv zu wenig sind. Es gibt in den Übergangsaisons ja immer diese Tage an denen man zu kühl oder zu warm angezogen ist, wo man sich vornimmt, am nächsten Tag mehr oder weniger anzuziehen.
Aber heute stellte sich heraus: sieben Grad ist immer noch angenehm. Obenrum trage ich bereits eine gefütterte Steppjacke, untenrum eine kurze Hose, die sogar meinen halben Oberschenkel freihält. Ich frage mich langsam, ob ich da unten vielleicht keine Nerven habe.

Sieben Grad also. Fürs Protokoll.

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Mittlerweile laufe ich oft mit Lesebrille durchs Büro, weil ich zu faul bin, mir ständig die Brille abzunehmen. Interessanterweise braucht man Augen für das nähere Sehen wesentlich öfter als für das entfernte Sehen. Man kann sich relativ sicher durch eine unscharfe Welt laufen, aber in der Nähe werden unscharfe Gegenstände ziemlich sinnlos. Das funktioniert natürlich nur in Innenräumen, mit denen man einigermaßen vertraut ist, aber es ist dennoch eine interessante Erkenntnis. Jaja, kurzsichtige Menschen kennen das alles sicherlich. Für mich ist das aber neu.

Man kann gut durch eine unscharfe Welt laufen. Ein Satz wie eine Metapher.

[Sonntag, 10.10.2021 – Goliath]

Immer wenn ich „Goliath“ schaue, bin ich nachher ein bisschen in Billy Bob Thornton verliebt. So richtig wahrgenommen habe ich ihn erst seit Fargo, wo er in der ersten Staffel den Auftragsmörder spielt. Das war 2016. Bald danach kam Goliath. Beide gehören zu den besten Erzählungen, die ich je auf einem Fernseher gesehen habe.

Die ganze vierte Staffel geschaut. Es ist vermutlich die Letzte. Ich werde mir jetzt ein paar ältere Sachen von ihm ansehen. Er ist aber auch wirklich cool gealtert. Als junger Kerl wirkt er wie ein, nunja, junger Kerl. Als älterer, etwas gebrechlicher, magerer Mann hingegen, geht eine unfassbar einnehmende Ruhe von ihm aus. Besser hätte man diesen Anwalt, der sich mit einem übermächtigen Gegner anlegt, nicht darstellen können.