[Di, 25.11.2025 – in der Bademeisterbar]

Jetzt habe ich drei Tage lang nichts geschrieben. Nachdem ich gestern noch zu jemandem sagte, wie wichtig dieses Blog für meine tägliche Routine ist und der tägliche Versuch, dem Geschehenen eine Stimme zu geben. Stilmittel finden, Sound finden. Heute, am Tag nach der Lesung fühlte ich mich ungewöhnlich verkatert. Dabei hatte ich gar nicht so viel getrunken. Drei Biere vielleicht oder waren es vier? Nach der Lesung unterhielt ich mich länger mit einem Mann, der jede Woche eine Literaturveranstaltung besucht. Er tut dies zusammen mit einem Freund. Unterjährig klappt das relativ gut, aber zwischen Mitte Dezember bis etwa mitte Januar ist das aufgrund der stark zurückgefahrenen Veranstaltungsaktivitäten ein sehr schweres Unterfangen. Auch Ende August gibt es seltsamerweise ein Loch.

Hm.

Wir waren fast die letzten Besucher der Lesung, die das Lokal am Ende des Abends verließen. Unbewusst hatte ich mich auf einen langen Abend eingestellt, und so war ich doch ziemlich überrascht, dass viele Menschen unmittelbar nach den Vorträgen sich wieder auf den Heimweg machten, aber natürlich, es war ja ein Montag, die meisten Menschen müssen am nächsten Tag wieder früh aus dem Bett. Nur ich hatte mir zwei Tage freigenommen, weil ich zurzeit aus Hamburg anreise.

Peinlich ist mir übrigens mein gestriger Diss. Zumindest ist es bisher noch nicht geklärt, ob das wirklich ein Diss war. Offenbar habe ich auf der Bühne Berlin runtergemacht. Es gab mehrere Menschen, die mich später darauf ansprachen. Ich bin jedoch im Glauben, dass sich mein Diss auf die Hausbesetzerszene bezog. Der Moderator Klaus stellte mir die Frage, in welchen Städten ich das Hausbesetzen am wenigsten mochte und da antwortete ich: ganz deutlich Berlin.
Jetzt muss herausfinden, ob er Berlin als Stadt meinte, oder Berlin als Szene. Ich gehe davon aus, er meinte die Szene, das Publikum schien das aber anders aufgefasst zu haben. Vielleicht haben die Menschen im Saal aber nur unaufmerksam zugehört. Das Publikum war sonst super. Es lachte bei den morbiden Stellen richtig laut. Ich brauchte nur Leichenwasser oder verbrennenden Menschen aufzuzählen und der ganze Saal lachte auf. Das ist mir noch nicht passiert.

Mein Vortrag ging gut. Ich stolperte ein wenig am Anfang, aber nach zwei oder drei Minuten floss der Text. Im Vergleich zur letzten Lesung ließ ich diesmal mehrere längere Passagen weg, damit sich der Text schneller in die Geschichte einfindet. Auch funktionieren manche Absätze nicht so gut, wenn man sie einem Publikum vorliest, mein Vorleseexemplar sieht deswegen mittlerweile wie ein Schmierbuch aus. Durchgestrichene Absätze, Kreuze, Totenköpfe und viele gewellte Linien.

Zuvor wurden Isa und ich von den beiden Veranstaltern Daniel und Klaus für ihren Podcast interviewt. Das Gespräch wird in den nächsten Tagen irgendwann veröffentlicht, ich werde es verlinken, wenn es so weit ist. Überhaupt waren Daniel und Klaus ganz wunderbare Gastgeber, die sich richtig viel Mühe gaben, uns wohlfühlen zu machen. Außerdem posteten sie bereits seit Tagen schön gemachte Storys auf Insta mit Fotos und Zitaten von uns. Es würde mich freuen, wenn die Veranstaltungsreihe ein Erfolg wird.

Weil ich aus Friedrichshain anreiste, fuhr ich mit dem Fahrrad an der Kindl-Brauerei vorbei, anstatt über die Greifswalder. Ich möchte unbedingt erwähnen, wie gut es dort nach siedendem Malz riecht.

Und sonst so.

Was ist sonst noch passiert? Ich hatte meiner Frau wieder untersagt, zur Lesung zu kommen. Mich macht das nur nervös. Sie zeigt meistens Verständnis dafür. Diesmal weniger. Dafür las ich ihr an fast allen Abenden aus Ferdinand von Schirachs Verbrechen vor, weil ich sie unbedingt an dieser traurigen Geschichte mit den beiden Geschwistern teilhaben lassen wollte. Eigentlich haben wir ja TC Boyle als Vorleseprojekt, aber im Bett funktioniert das nicht. Wenn ich ihr im Bett etwas vorlese, dann schläft sie nach einer halben Seite ein. Das bedeutet wenig Gutes für meine Vorlesequalitäten. Sie findet im Allgemeinen, dass ich zu monoton vorlese. Aber wenn es ihr beim Einschlafen hilft, beschwert sie sich nicht. Auf der Fahrt nach Hamburg hörte ich Murakami weiter. In der Firmenwohnung habe ich allerdings nur Knausgård liegen, die anderen Bücher hatte ich in Berlin vergessen. Ich kann aber nicht Knausgård lesen, während ich an dem großen Text schreibe, das beeinflusst total meinen Sound. Ich werde es daher mit Eva Baltasar versuchen, einer katalanischen Autorin, die im dem Literaturpodcast Schwarzblau Berlin besprochen wurde. Ich verfalle ständig den Buchempfehlungen von Maria-Christina Piwowarski aus dem genannten Podcast. AUs der letzten Sendung notierte ich mir den Namen Eva Baltasar, ich kann mich nicht mehr an die Details der Besprechung erinnern, das Adjektiv „intensiv“ blieb aber an mir hängen und so kaufte ich mir das Ebook, damit ich wenigstens etwas auf dem Telefon lesen kann.

[Sa, 22.11.2025 – Hrvat, Velodrom]

Wegen der Lesung am Montag fahre ich erst am Dienstagabend wieder nach Hamburg. Ein langes Wochenende zu Hause.

Bisher hatte ich mir wenige Gedanken zur Kleidung bei meinem Auftritt gemacht. Ich ging davon aus, dass ich ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und schwarze Schuhe trage. Allerdings stellte ich heute, beim Screenen des Insta-Accounts der Lesebühne fest, dass die dort vorlesenden Männer immer schwarze Hemden trugen. Früher trugen vorlesende Männer immer Cord-Sakkos, mittlerweile sind es offenbar schwarze Hemden. Ich werde jedenfalls eine Krawatte tragen. Mein Hausbesetzertext braucht definitiv eine Krawatte.

Heute war ich mit meiner Hundefreundin S verabredet. Wir drehten eine lange Runde zum Velodrom und redeten über die Einsamkeit. Oder über die Angst vor der Einsamkeit. Ich komme immer wieder zu derselben Erkenntnis zurück, dass man Freundschaften ganz pragmatisch erarbeiten muss und sie nicht eine universelle Fügung der Liebe sind. Einfordern. Nicht als gegeben hinnehmen, sondern einfordern. Ich bin nach wie vor nicht gut darin. Eine Freundin, zu der ich gerne mehr Kontakt hätte, habe ich wieder lange nicht kontaktiert. Dabei wäre es so einfach. „Hey, lass uns nen Kaffee trinken“. Man muss ja nicht immer etwas unternehmen.

[Fr, 21.11.2025 – Autobahn, Home]

Es ist immer ein Moment von sehr viel Glück, wenn ich Freitagabend den Zündschlüssel im Auto umdrehe und mich auf den Weg nach Berlin mache.

Ich nahm also doch das Auto. Nachdem ich den ganzen Tag googelte und Kolleginnen danach fragte, wie sicher es sei, bei Minusgraden mit Sommerreifen über die Autobahn zu schlendern, erhielt ich dermaßen viele unterschiedliche Antworten, dass ich mich dazu entschied, selbst zu fahren. Jenen Menschen, die optimistisch waren und meinten, dass ich mir deswegen nicht so einen Kopf machen und einfach fahren sollte, sprach ich Dank aus, das sei nämlich der Optimismus, den ich in diesem Moment brauchte. Ich fügte auch hinzu, dass sie keine Schuld auf sich laden sollten, falls ich auf der Autobahn verunglücke.

Unterwegs fuhr ich dann konsequent 120 km/h, niemals schneller. Auch nicht, wenn ich überholt wurde und hinter mir ein aufblinkender Schnellfahrer drängte. Ich nahm mir die Zeit und überholte in meinem Tempo. Ist mir doch wurscht, es gibt kein Recht auf schnelles Fahren. Erst recht nicht, andere Leute dazu zu drängen. Als ich mich nach dem Überholvorgang wieder einreihte, gab ich den Dränglern stets eine Lichthupe hinterher. Es sind immer SUVs mit Kennzeichen HH oder Autos aus Polen. Bei den Polen lichthupte ich aber nicht. Das machte ich nur bei den Hamburger SUVs.

Dabei hörte ich Murakamis 1Q84. Jetzt weiß ich auch, warum das Buch so dick ist. Die Geschichte geht unfassbar langsam voran. Szenen, Dialoge und Gedanken werden ausgiebig beschrieben und ständig wird alles von allen Seiten betrachtet und wiederholt. Ich ertappe mich dabei, dass ich gedanklich manchmal abschweife. Wenn ich mich nach einigen Minuten wieder fange, ist der Text immer noch im gleichen Bild hängengeblieben. Das stört aber nicht. Wie bei Murakami üblich liegt man sanft in einem weichen Kissen und die Dinge geschehen irgendwie von selbst.

Das ist perfekt, wenn man mit 120 km/h überholt.

Zu Hause empfingen mich meine Frau und meine Hündin. Es gab kaltes Bier. Im Auto war es kalt gewesen, ich hatte nicht auf die Temperatur geachtet. Jetzt fror ich. Meine Frau gab mir eine Mütze und ihren Isländerpulli mit dieser speziellen Islandschafwolle, die auch etwas Regen abhält. So wurde mir wieder warm.

[Do, 20.11.2025 – Nass, Eis, Zaire]

Weil ich gestern, während des Schreibens des Blogeintrages merkte, dass nicht meine Wohnumstände mich vom Schreiben an dem großen Text abhielten, sondern jene bestimmte Textstelle mich blockierte, zwang ich mich heute einfach dazu, die besagte Passage auszuformulieren. Innerlich weiß ich jetzt auch genau, warum ich da nicht weiterkam, die Stelle tat ein wenig weh, ich wollte aber fast zwei Monate lang nicht hinsehen. Erstaunlicher Selbstbetrug. Jetzt bin ich einfach mit der Tastatur durch den Text gefahren, eiskalt und ohne Emotion, und habe die Stelle hinter mich gebracht. Tagespensum heute immerhin 3 Seiten.

Morgen fahre ich zurück nach Berlin. Es hat jetzt Minusgrade und mein Auto ist noch mit Sommerreifen ausgestattet. Den Termin zum Reifenwechsel habe ich erst am Nikolaustag. Ich werde morgen die Wetterbedingungen genau checken müssen. Neben Minusgraden soll es morgen ab dem frühen Abend auch etwas nass werden, und wenn es wirklich dazu kommt, muss ich eventuell auf die Bahn umsatteln. Wegen der Baustelle dauert die Bahnfahrt aber Ewigkeiten. Deswegen nehme ich zurzeit lieber das Auto. Sollte die Strecke für meine Reifen zu ungünstig sein, fahre ich vielleicht trotzdem mit dem Auto, aber einfach mit achtzig km/h. Ich habe ein gutes Hörbuch mit einer Gesamtdauer von 16 Stunden. Mir wird sicherlich nicht langweilig. Bei 16 Stunden Hörvergnügen kann ich sogar mit 50 oder 30 über die Autobahn schleichen, falls das Wetter wirklich widrig wird. Sollte das Hörbuch nicht reichen, habe ich auch noch Martin Suter oder eben „Heart of Darkness“. Apropos Kongo. Als ich neulich wieder über Heart of Darkness schrieb, fiel mir Freddy ein, der Ehemann einer Freundin in den Niederlanden. Freddy kam aus dem damals so genannten Zaire und sprach fließend Niederländisch. Zwar mit einem weichen Akzent, der dem Brabants oder dem Flämisch ähnelte, aber syntaktisch sprach er einwandfrei.

Das mit Freddy war eine komische Geschichte. Die beste Freundin meiner damaligen Freundin war schon über dreißig Jahre alt und hatte noch nie in ihrem Leben einen Freund gehabt. Sie gehörte einer dieser strengen apostolischen Freikirchen an, von denen es in den Niederlanden so viele gibt. Von außen sah diese Freundin ganz normal aus, wie eine moderne Niederländerin, aber die Gemeinde war ihr Ankerpunkt. Meine damalige streng atheistische Freundin war dennoch ihre beste Freundin aus Kindertagen und die Kirche hatte nie einen Keil zwischen die beiden bekommen. In ihrer Gemeinde begegnete diese beste Freundin eines Tages vier jungen Männern aus Zaire, die angaben, in Zaire dieser spezifischen apostolischen Kirche anzugehören. Einen von den vieren lächelte sie sich an, er hieß Freddy, sie wurde nach kurzer Zeit schwanger und ein paar Monate später standen sie glücklich lächelnd vor dem Traualtar. Das war notwendig, denn ohne Heirat wäre er abgeschoben worden. Wenige Tage nach der Hochzeit verschwand er für mehrere Tage mit seinen Kumpels. Als er zurückkam, sagte er, dass er dicke Frauen ziemlich eklig fände und sie abnehmen solle. Sie tat zuerst, wie er wünschte, schaffte es aber nicht, Gewicht zu verlieren. Dennoch blieb sie natürlich mit ihm zusammen, weil er sonst nach Zaire hätte ausreisen müssen und ihr Sohn ohne Vater aufwachsen würde.

Bald danach wurde Zaire in Kongo umbenannt. Und jetzt, wo ich Heart of Darkness gelesen habe, oder es zumindest versuchte, ziehe ich auf einmal die Parallele zwischen seinem einwandfreien Niederländisch und dem Kongo, der zur Zeit von Heart of Darkness ja eine belgische Kolonie war, und damit Niederländisch auch eine der Amtssprachen war. Ich weiß nicht, warum ich diese Verbindung nie legte.

Die Geschichte mit Freddy ging nicht gut aus, ich weiß aber nur, dass er nicht mehr eine Rolle im Leben dieser Freundin spielt. Wie das aber genau ausging, weiß ich nicht. Ich würde jetzt gerne meine Ex-Freundin fragen, sie und ihre beste Freundin reden aber seit Jahren nicht mehr miteinander. Sie weiß nicht genau, warum. Sie vermutet, es habe etwas mit der Kirche zu tun. Der Abbruch der Freundschaft ging von ihrer Freundin aus. Die Freundin hat sie zuerst einfach geghostet und das Ghosten ging so lange, dass jetzt auch die Freundschaft einfach mal vorbei ist.

So ist das manchmal.

[Mi, 19.11.2025 – Im Text hängengeblieben, auch keine Bücher, auch keine Wasserflasche]

Weder am großen Text weitergeschrieben, noch das Hörbuch eingelesen, noch ein Buch gelesen. Dafür saß ich fast den ganzen Abend lang vor dem großen Text am Schreibtisch, hatte aber das Telefon in der Hand und scrollte durch lustige Reels auf Instagram. Pest. Eigentlich dachte ich ja, dass ich hier in Hamburg viel Zeit mit dem Text verbringen werde. Tagsüber arbeiten, abends schreiben. Bei einem angedachten Tagespensum von vier Normseiten. In den 13 Tagen, die ich mittlerweile hier lebe, habe ich genau zwei Seiten verfasst. Ich bin mir nicht sicher, ob es an meiner geistigen Verfassung liegt, weil mir tagsüber viel geistige Betätigung abverlangt wird, oder ob ich einfach in der Geschichte stecken geblieben bin. Wenn ich mir die Statistik ansehe, dann erkenne ich, dass ich bereits seit der Grönlandreise Ende September kaum noch daran geschrieben habe. Nach der Rückkehr verschob ich die Textarbeit auf meinen Aufenthalt in Hamburg und hier gab ich der Lohnarbeit die Schuld. Aber in Wirklichkeit ist es wohl die Geschichte, wie ich jetzt zwei Monate später feststellen muss.

Dafür war ich heute bei Lidl. Ich wollte nur eine Flasche Sprudelwasser kaufen. Zurück kam ich mit Hafermilch und einem Tütensalat. Nachdem ich den Salat gegessen hatte und etwas trinken wollte, fiel mir auf, dass ich das Wasser vergessen hatte. Das passiert mir aber öfter. Es ist also nicht schlimm.

Zudem habe ich nichts Gescheites zu lesen dabei. Auf dem Nachttisch liegen Ferdinand von Schirach und Murakamis „Kafka am Strand“. Murakami will ich aber gerade nicht lesen, weil ich freitags und sonntags das Hörbuch von seinem 1Q84-Roman höre. Mir kommt vor, dass sich das nicht verträgt. Beide Bücher sind sehr umfangreich und sie haben diesen Murakami-Vibe. Ich fürchte, dass sich die Figuren und Geschichten zu einem Brei vermischen. Bei Ferdinand von Schirach habe ich hingegen andere Hemmungen. Als ich das Buch „Verbrechen“ in Berlin begann, las ich die Geschichte von dem Einbruch bei diesem japanischen Diplomaten, bei dem schließlich eine mafiöse Organisation die Einbrecher ausfindig machte und brutalst folterte. Mit dicken Holzpflöcken in die Nase usw. Üblicherweise schockt mich in Film und Buch kaum etwas. Aber diese Geschichte hat mich nachhaltig verstört. Das lag möglicherweise daran, dass sie zum einen wahr ist und in Berlin spielt, aber auch daran, wie amateurhaft sich die Einbrecherbande anstellte und in welches Grauen die Beteiligten unwissentlich hineinliefen.

Daher traue ich mich nicht ganz, dieses Buch in die Hand zu nehmen. Man muss wissen, dass sich meine Firmenwohnung in einem düsteren Gewerbegebiet im Norden Hamburgs befindet. Der Zugang verläuft über einen unbeleuchteten Schotterweg hinter einem Parkplatz. Das Gebäude ist eine Fabrikhalle. In der Wohnung befand sich früher vermutlich die Verwaltung. Ich bin hier nachts weit und breit der einzige Mensch. Geschichten über Verbrecherbanden will ich da eher nicht lesen.

Mittwochs wird die Wohnung immer gereinigt. Als ich heute nach Hause kam, hatte mir die Reinigungskraft neue, verpackte Badezimmerlatschen hingestellt. Adrett neben meinen Hanteln, fast so, als wäre es eine Botschaft. Ich konnte aber nichts daraus herauslesen:

[Di, 18.11.2025 – Apokalypse Now, Conditioner]

Heute das nächste Sechstel der Novelle als Hörbuch eingelesen. Dabei fiel mir ein, dass ich „Herz der Finsternis“ als Hörbuch vorlesen könnte. Nur für mich. Mit Mikro und Fokus. Das würde mir vermutlich helfen, mich auf den Text zu konzentrieren. Ich habe das Projekt „Heart of Darkness“ nämlich noch nicht aufgegeben, weil ich fürchte, es ist meine Schuld, dass mir der Text nicht zusagt. So bin ich. Zuerst suche ich die Schuld bei den anderen, nur um dann das Gefühl zu kriegen, selbst Schuld zu haben. Am Wochenende war ich kurz davor, die Verfilmung des Textes zu schauen, also „Apocalypse Now“, das allerdings nach Vietnam in die Sechzigerjahre verpflanzt wurde und nicht in der belgischen Kolonie Kongo spielt. Sie hatte aber keine Lust auf verrückte Soldaten mit Maschinengewehren. Sie hat das Buch bereits in jungen Jahren gelesen, aber kaum noch Erinnerungen daran. Eine Idee wäre, dass ich es ihr vorlese, aber wir haben ja noch T. C. Boyle als Vorleseprojekt. Da ich jetzt unter der Woche in Hamburg wohne, kommen wir mit dem Vorlesen nicht so schnell voran.

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Noch so eine Sache: Duschgel, Shampoo und Conditioner in Hotelbadezimmern. Meine Firmenwohnung ist vollumfänglich eingerichtet wie ein Hotelzimmer. Entsprechend gibt es auch Seifen und Kosmetikware in der Dusche. Ich weiß ja nicht, ob es anderen auch so geht, aber seit ich eine Lesebrille brauche, stehe ich in Hotelzimmern ständig unter der Dusche und kann nicht erkennen, was ich mir da in die Handinnenfläche drücke. Immer sind die Buchstaben dermaßen klein aufgedruckt, dass ich nichts erkennen kann, und die Brille ist unter der Dusche natürlich niemals griffbereit. Immer greife ich zuerst zum Conditioner, der sich auf der Haut ganz merkwürdig anfühlt. Immer.

[Mo, 17.11.2025 – Antarctica, Hörbuch, Hörparty]

Als ich gestern ein bisschen mit Frau Fragmente auf WhatsApp chattete, eröffnete sie mir, dass sie Mitte Dezember in die Antarktis fahren wird. Meine Gefühle flammten sofort zu einem Feuerkegel aus Neid auf. Kann man das so sagen? Zu einem Feuerkegel aufflammen? Das war jedenfalls das Gefühl, das ich hatte. Es war natürlich positiver Neid. Frau Fragmente gönne ich alles. Sie war vor mir auf Spitzbergen, vor mir am 80. Breitengrad (ich war nur am 79.) und nun fährt sie einfach so nach Antarctica. Auch wenn eine Reise zum antarktischen Kontinent für mich eher ein hypothetisches Ziel war und weniger ein konkretes Urlaubsvorhaben für die nächsten paar Jahre, ist das immer ein magischer Ort für mich gewesen. Schon als Kind verbrachte ich viel Zeit über Landkarten dieser eisigen Landmasse. Damals las ich auch von der Entdeckung des Südpols und der Tragödie um die Expedition von Robert Scott. Sicherlich habe ich auch schon einmal erwähnt, dass die Domain dieses Blogs in seinen Anfangstagen in 2003, den Namen antarctica.dhs.org trug. Frau Fragmente fährt da jetzt hin. Ich werde sie bitten, diesmal mehr davon zu berichten, als sie es auf ihrer Arktisreise tat. Das war damals schon etwas dünn. Ich habe keine Ahnung, ob es da überhaupt Internet gibt, ich werde einfach darauf bestehen.

Am Abend unternahm ich einen neuen Anlauf, die Novelle als Hörbuch einzusprechen. Ich weiß jetzt, wie man Markierungen setzt, damit ich die Audiodatei im Nachgang bearbeiten kann. Versprecher und Geräusper herausschneiden. Es soll schon ein wenig professionell klingen. Allerdings ist meine Stimme heute etwas belegt. Ich bin mir noch unschlüssig, ob das gut klingt oder nicht.

In Wirklichkeit übe ich damit für die Lesung am kommenden Montag in der Bademeisterbar. Isabel und ich lesen euch was vor. Kommt alle. Das wird ein toller Abend. Ja, ist ein Montag, ich weiß.

Hier alle Details:

[So, 16.11.2025 – Home, Regen]

Am Freitag trat ich von meinem Posten als Vorstand meines Hertha Fanclubs zurück. Seit der Sommerpause habe ich mir ein wenig Abstand von Hertha und dem Vereinsleben genommen. Mein Fanclub ist sehr aktiv und auch sehr groß. Die Halbherzigkeit, mit der ich seit einem halben Jahr an dem ganzen Biotop teilnehme, gibt mir das Gefühl, einen solchen Fanclub nicht mehr als Vorstand führen zu können.

Meine Frau ist erkältet und es geht ihr nicht gut. Wir konnten daher nicht viel gemeinsam machen. Aber sie schenkt sich immerhin einen Bubblewein, während ich Essen zubereite. Ich bin in diesen wöchentlichen 48 Berlinstunden einfach gerne zu Hause, ich muss auch nichts unternehmen. Wir schauen „Remnick“, diese Serie aus Alaska und danach „bay of Fires“ eine Serie, die in Tasmanien spielt. Wir wundern uns, dass Tasmanien nicht auf unserer gedanklichen Reiseliste stattfindet. Also googeln wir Tasmanien. Die Insel hat wirklich alle Zutaten, um unsere Begeisterung zu entfachen. Meine Frau hat irgendwann in 2027 oder 2028 oder 2029 einen Kongress in Sidney. Da könnte ich ja wieder als First Lady mitfliegen und wir nehmen uns zwei Wochen Urlaub für Tasmanien. Oder vielleicht 4 Wochen. Wenn man schon in Australien ist.

Draußen regnet es das ganze Wochenende lang. Meine Hündin und ich drehen lange Runden. Meine Regenjacke passt mir wieder besser. Ich hatte sie in einer relativ schlanken Phase gekauft und danach lange nicht tragen können. Jetzt sitzt sie wieder gut. Mit meinen schicken Gummischuhen sehe ich aber aus, als wäre ich im Fetischclub verabredet.

Im Regen treffe ich die S mit ihrer Hündin. Wir laufen eine ganze Weile zusammen. Sie überlegt, aus Berlin wegzuziehen. Zu ihren Eltern nach Dresden. Sie ist Berlinmüde und ihre Eltern sind alt. Sie hat noch Lust, etwas Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen. Neulich war sie wieder im Berghain und hat gemerkt, dass Feiern nichts mehr bringt. Sie wird nächstes Jahr 50, sie ist dem Ganzen entwachsen. Und die Stadt ist schmutzig und niemand kümmert sich um nichts mehr. Bei dem Thema kann ich sie wirklich nicht aufmuntern. Ich versuche aber, sie nicht noch weiter runterzuziehen. Sie würde mir fehlen. Ich drehe immer gerne meine Runden mit ihr.

Sonntagabend steige ich ins Auto und fahre zurück nach Hamburg.

[Fr, 14.11.2025 – Raumschiff]

Wieder Hörbuchdilemma. Im Büro lud ich mir eine andere Joseph-Conrad-Version von „Herz der Finsternis“ herunter. Dieser Sprecher liest tatsächlich angenehmer und lebendiger. Aber trotzdem fängt mich der Text nicht ein. Ich weiß nicht, was da mit Joseph Conrad und mir los ist. Schon beim Buch verlor ich ständig nach einigen Sätzen die Aufmerksamkeit. Dann versuchte ich es mit dem Hörbuch Anfang der Woche, da gab ich dem Vorleser die Schuld, jetzt will es aber auch mit einem guten Sprecher nicht funktionieren. Tatsächlich verliere ich immer schon nach wenigen Sätzen die Konzentration. Zuerst schob ich es auf mich und wechselte testweise zu einem Hörbuch von Martin Suter. Dem konnte ich problemlos zuhören. Zurück zu Joseph Conrad, und schon drifteten meine Gedanken ab.

Dabei interessierte mich, was es mit der Finsternis auf sich hat, mit den menschlichen Abgründen, irgendeine emotionale Erkenntnis. Immerhin hat der Text viele Menschen bewegt und erschüttert.

Außerdem will ich „Apocalypse Now“ sehen. Damit fing das eigentlich an.

Frau Fragmente empfahl mir „Project Ave Maria“. Anspruchsvolle Science-Fiction. Das ist genau das Richtige für lange Autofahrten in der Dunkelheit. In meiner App „BookBeat“ war das leider nicht in meinem Standard-Abo enthalten, ich hätte also extra dafür zahlen müssen. Dafür fand ich Murakamis „1Q84“, das ich zwar als Buch besitze, aber weil es so schwer ist, nie gelesen habe. Das Hörbuch dauert über 30 Stunden! [man denke sich hier irgendeinen Ausruf zwischen Entsetzen und staunen]. Bei einer Fahrt, die 3 Stunden dauert und zwei Mal die Woche stattfindet, wovon ich aber nur 2 bis 2,5 Stunden Hörbuch höre, bin ich nach etwa fünfzehn Fahrten damit durch. Dann sind wir schon in 2026.

Auf der Fahrt zurück regnete es. Wir Autofahrerinnen werden alle zu Komplizen. Achten mehr auf die Lichter vor uns, niemand drängelt, wir fahren fast alle nur 120, alle hinterm Steuer in ihren Kokons verpuppt. Mit Podcasts, Musik oder Hörbüchern. Erst kurz vor Berlin wurde es wieder trocken. Wie immer.

Eines der Highlights der Woche ist für mich wirklich die Fahrt zurück nach Berlin. Die Fahrt durch die Dunkelheit, wie in einem Raumschiff. Ich sehe nichts von der Landschaft, ich sehe nur die Lichter, die roten und die weißen, etwas weiter weg mal ein angeleuchteter Staub, vom Nebel vielleicht, dahinter liegt Orion mit Beteigeuze und Sirius, Andromeda und die weiter entfernten Galaxien. Dort, ganz am Ende, warteten schließlich meine Frau und meine Hündin auf mich. Sie werden sich auf mich freuen. Es wird ein kaltes Bier geben und Oliven, wir werden uns in den mit Lichterketten erleuchteten Erkner setzen und uns von den Dingen erzählen.

[Mi, 12.11.2025 – Bewegung, Digitale Souveränität]

Ich zog im Fitnessstudio dann doch nicht das Herthatrikot an. Es roch nicht mehr gut.

Fittix Fühlsbüttel. Ich lief eine halbe Stunde lang zu Fuß an einer dunklen Hauptstraße entlang. Die Hauptstraße ist etwas heller beleuchtet, als die Nebenstraßen, aber es ist immer noch düster. Halbe Stunde hin und halbe Stunde zurück. Eine Stunde beim Fitness. Dann habe ich ganze zwei Stunden Bewegung absolviert. Eigentlich gut für mich, aber der zeitliche Aufwand scheint mir etwas übertrieben. Der Abend ist danach nämlich vorbei. Das muss ich anders lösen. Vor allem, wenn ich irgendwann wieder soziale Kontakte pflege. Andererseits kann ich auf diese Weise endlich mein Podcast-Backlog abbauen.

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Ein Premium Abo von LanguageTool gekauft. Ich nutze es schon seit Längerem für Rechtschreib- und Grammatikkontrolle. Neuerdings tendierte ich allerdings eher zu Quillbot, weil mir die Benutzeroberfläche mehr zusagte. Heute sah ich, dass LanguageTool aus Potsdam kommt, dann bämm, kaufte ich mir ein Abo. Ich bin voll für europäische digitale Souveränität. Mir ist nicht verständlich, warum das in den großen Medien so wenig ein Thema ist. Man sieht neuerdings ja, wie erpressbar wir europäische Staaten sind, wie abhängig wir von den amerikanischen Plattformen geworden sind. Man las vor Monaten darüber, wie wichtig europäische digitale Souveränität geworden ist, aber in der Praxis spüre ich wenig davon.

Vor zwei Tagen kaufte Rumble einen der wenigen deutschen Cloudanbieter. Rumble ist eine Trump-nahe Videoplattform, hinter der Geldgeber wie Thiel und JD Vance stecken. Die Strategie ist ja so offensichtlich. Alle wichtigen Plattformen übernehmen, auf denen sich entweder Inhalte verbreiten lassen oder um Monopole und Abhängigkeiten zu schaffen. Es wundert mich, für wie wenig Entsetzen das im öffentlichen deutschen und europäischen Diskurs sorgt. Die Medien berichten darüber nüchtern, aber es geht in den vielen Koalitionsreibereien unter.

Dass ich jetzt monatlich 4,99€ für Textkorrektur nach Potsdam überweise – tja. Wie beende ich jetzt diesen Satz?

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