[Sa, 11.10.2025 – Abweisung, Brillenglas]

Mein neuer Chor probt bereits seit Mitte September. Aus logistischen Gründen bat mich die Chorleiterin, erst Ende September einzusteigen. Sie würde mir noch das genaue Datum mitteilen, sie müsse das gesondert planen. Die Mitteilung kam erstmal nicht, es gingen zwei Proben vorüber, ich machte mir schon Gedanken, dann stand die Grönlandreise an, also fuhr ich für 8 Tage weg und es vergingen zwei weitere Mittwoche, an denen ich hätte proben können. Vor zwei Tagen erreichte mich dann aber die Nachricht, es hatte wohl ein Missverstädnis gegeben, also sollte ich heute beim langen Probesamstag einsteigen. Die anderen waren mit dem Programm schon etwas fortgeschritten. Wir singen ein anspruchsvolles Requiem von Maurice Duruflé. Ich wurde dabei ein bisschen ins kalte Wasser geworfen, aber das finde ich nicht schlimm, ich kann schon irgendwie schwimmen, solange man weiß, dass ich noch etwas Zeit brauche. In der Pause holte mich die Chorleiterin allerdings zur Seite und hielt einen langen, ausschweifenden Monolog, aus dem ich nach einiger Zeit substrahierte, dass es besser sei, wenn ich in an diesem Projekt nicht teilnähme. Sie meinte es wirklich nett und betonte, dass es keine Kritik an meinem Gesang sei, aber das Stück sei zu komplex, um es in so kurzer Zeit aufzuholen, vor allem für jemanden wie mich, der nun schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesungen hat. Ich sei ja der einzige Tenor, sie würde dieses Stück daher lieber ganz ohne Tenor einstudieren anstatt mich jetzt da durchquälen zu lassen und beim Konzert dafür Profis dazuholen, die das in ihrem Repertoire führen. Ich könnte im Dezember anfangen, wenn wir an Bach oder Mendelssohn arbeiten würden, das sei für mich der bessere Einstieg.

Aus rationaler Sicht kann ich damit wirklich gut leben. Zumal ich mir einbilde, dass es lediglich an meinem späten Einstieg lag und ich sonst gut mit den anderen hätte mithalten können. Der Moment aber, in dem es mir dämmerte, dass diese Frau vor mir mich gerade abweist und versucht, mir das in schonenden Worten mitzuteilen. Das traf mich total. Möglicherweise, weil ich im Anschluss angestrengt eine nicht-enttäuschte Miene aufsetzen musste. Offenbar kann ich bei einer persönlichen Absage die Schutzmechanismen nicht richtig hochfahren. Das fiel mir schon einmal vor etwa 10 Jahren auf, als ich mich in einem Bewerbungsprozess befand. In der zweiten oder dritten Runde vereinbarte der Personaler, der meine Bewerbung begleitete, einen Termin mit mir, zu dem ich ins Büro fuhr, um mir dann eine sehr freundliche Absage einzuhandeln. Die Absage war sehr freundlich, sehr wertschätzend, aber eben eine Absage. Damals war ich danach auch sehr down.

Wenn ich Absagen per E-Mail erhalte, treffen sie mich wiederum nie. Das wird bei mir an den Emotionsportalen vorbeigelotst und wandert sofort in den Systemschrank.

Heute traf mich das sehr. Ich kann es mir dann schon runterrationalisieren, es dauert nur ein bisschen, aber nach einer Weile habe ich alles rational eingeordnet und es geht mir wieder gut.

Folgerichtig bat ich meine Frau, mir eine SMS zu schreiben, wenn sie sich von mir trennen will. Das muss sie mir wirklich nicht ins Gesicht sagen. Kann ich ohnehin nichts machen.

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Heute kam auch meine neue Lesebrille. Ich hatte sie in Reykjavík in einem Buchladen gesehen. Sie ist ein bisschen exzentrisch und ich befinde mich jetzt im Alter der exzentrischen alten Damen. Ich finde, ich sollte jetzt auch eine exzentrische Brille tragen. Bevor ich sie kaufte, achtete ich auf das Preisschild und entschied mich sofort dagegen, 70€ für eine Lesebrille auszugeben. Weil ich sah, dass es sich bei der Brillenmarke um eine niederländische Firma handelte, konsultierte ich deren Webseite und fand schließlich heraus, dass diese Brille in Kontinentaleuropa lediglich 29€ kostet. Das sind die isländischen Preise. Deswegen entschied ich mich für die kontinentaleuropäische Variante. Das Brillenglas ist allerdings unfassbar sauber. Deswegen trage ich sie nun nicht gerne. Aus Angst, dass sie so schmutzig wird wie alle meine anderen Lesebrillen. Dabei wurde mir schon oft gesagt, ich solle meine Brillen mal mit richtigem Brillenputzmittel reinigen. Wenn ich nur mein T-Shirt zum Reinigen verwende, verreibe ich eigentlich nur den Schmutz auf den Gläsern. Aber ich weiß nicht. Also, ich kann mit den milchigen Gläsern ja auch gut sehen. Nur im direkten Vergleich mit der neuen Brille weiß ich, was für ein Seh-Erlebnis mir wirklich entgeht.

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Was ist sonst noch passiert? Diane Keaton ist gestorben und der Nobelpreis für Frieden wurde an eine venezolanische Frau vergeben, die den Preis umgehend Trump widmete. Ich habe versucht, Maria Corina Machado einzuordnen, aber es will mir noch nicht recht gelingen. Fürsprecherinnen beschäftigen sich nicht mit ihrer politischen Gesinnung, Kritikerinnen dämonisieren sie jedoch gerade deswegen. Zugegebenermaßen hab ich mich aber auch nicht allzu lange darin vertieft, aber das Phänomen ist interessant.

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