[Do, 16.10.2025 – Lesen, Hosen, Schwestern, Slowake]

Gestern las ich in Vorbereitung zur Lesung einen Teil der Novelle meiner Mutter vor. Ich bat sie, sich mir als Publikum zur Verfügung zu stellen, und wies sie ein, dass sie mich unterbrechen möge, wenn ich zu schnell oder zu unverständlich lese. Sie hatte letzten Sommer versucht, das Buch zu lesen. Aufgrund ihrer frühen Demenz scheiterte sie aber daran, weil sie nach zwei Seiten immer vergaß, was auf den Seiten zuvor geschehen war. Zuhören gelang heute jedoch ausgezeichnet. Das ist eine lustige Erkenntnis. Nach zwanzig Minuten war sie verärgert, dass ich aufhörte. Sie wollte wissen, wie es weitergeht. Das war völlig ungewöhnlich, weil sie mittlerweile fast alles vergisst.

Am Nachmittag fand ich dann heraus, dass ich meine saubere Hose in Berlin vergessen hatte. Also ging ich in dieses Geschäft am oberen Ende der Lauben. Dort war ich bereits letzten Winter und ich traf wieder diese alte Frau im Laden. Es fällt mir schwer, ihr Alter zu schätzen. Sie könnte siebzig sein, aber auch achtzig. Sie hat ihre Gesichtshaut auffällig gestrafft und bei den Lippen mit Füllung nachgeholfen. Sie ist immer sehr gut gelaunt und ungemein hilfsbereit. Außerdem schäkert sie ständig, und schäkernde alte Frauen finde ich immer bezaubernd. Nachdem ich mehr als ein Dutzend Hosen anprobiert hatte, entschied ich mich gleich für zwei Paare und war damit für die Lesung am Abend eingekleidet.

Ich wurde von meinem Neffen begleitet, mit dem ich dann weiterzog, weil auch er neue Hosen brauchte. Wir besuchten ein paar Skaterläden mit Baggy-Pants. Auch er wurde fündig.

Die Lesung war dann super. Es waren viele alte Freunde da, sowie meine Familie. Sie fand im neuen Ost-West-Club statt, die jetzt in ein ehemaliges Schießstand-Gebäude aus der KuK-Zeit umgezogen sind. Das Gebäude diente einige Jahrzehnte lang als etwas schäbiges Restaurant, bis es vor zwei Jahren dem Kulturverein „Ost-West“ übergeben wurde, der es jetzt als Kulturzentrum betreibt. Es ist ein beeindruckendes neobarockes Militärgebäude mit einem großen Garten davor.

Nach der Lesung tranken wir Bier.

Ich stellte dann auch fest, dass alle meine Bücher verschwunden waren. Vermutlich hat sie mein Mitleser fälschlicherweise eingepackt, der war aber bereits nach Brixen abgereist. Ich schrieb ihm eine Mail.

Heute schlief ich dann lange. Danach traf ich meine kleine Schwester auf einen Kaffee. Wir hatten ein sehr nettes Gespräch. Unsere Beziehung litt neuerdings etwas. Aber es ist nichts Schlimmes. Danach trafen wir unsere andere Schwester mit ihrem Mann und der Tochter zum Mittagessen in einem Asialaden in der Carduccistraße. Es gab ein All-you-can-eat-Buffet. Früher hätte ich gesagt: I-can-eat-a-lot-Buffet, aber mittlerweile kann ich wirklich nicht mehr so viel essen. Seit ich so viel abgenommen habe, passt schlichtweg nicht mehr so viel hinein. Das finde ich nicht unbedingt schlecht, so ein Buffet fühlt sich allerdings etwas verschwendet für mich an. Aber darum geht es ja nicht.

Später kam noch mein Vater dazu und dann wurde ich müde, also ging ich zu meiner Schwester nach Hause und legte mich auf das Sofa und schlief etwa eine Stunde. Mittlerweile war es schon 5 Uhr geworden und ich traf meinen Freund Haimo auf einen Drink in einer schäbigen, aber charmanten Bar hinterm Bahnhof. Wir hatten viel zu besprechen. Um acht Uhr waren wir mit den anderen beim Slowaken unweit der Passermündung verabredet. Pino, Battl und Peter. Wir tranken noch mehr Bier und aßen Gulasch. Der Slowake ist wirklich nett. Er hat drei Kinder. Eines ist 37 Jahre alt, eines 20 und eines 6. Da kommt man aus der Elternrolle wirklich nie raus.

So ist das.

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