Es ist immer ein Moment von sehr viel Glück, wenn ich Freitagabend den Zündschlüssel im Auto umdrehe und mich auf den Weg nach Berlin mache.
Ich nahm also doch das Auto. Nachdem ich den ganzen Tag googelte und Kolleginnen danach fragte, wie sicher es sei, bei Minusgraden mit Sommerreifen über die Autobahn zu schlendern, erhielt ich dermaßen viele unterschiedliche Antworten, dass ich mich dazu entschied, selbst zu fahren. Jenen Menschen, die optimistisch waren und meinten, dass ich mir deswegen nicht so einen Kopf machen und einfach fahren sollte, sprach ich Dank aus, das sei nämlich der Optimismus, den ich in diesem Moment brauchte. Ich fügte auch hinzu, dass sie keine Schuld auf sich laden sollten, falls ich auf der Autobahn verunglücke.
Unterwegs fuhr ich dann konsequent 120 km/h, niemals schneller. Auch nicht, wenn ich überholt wurde und hinter mir ein aufblinkender Schnellfahrer drängte. Ich nahm mir die Zeit und überholte in meinem Tempo. Ist mir doch wurscht, es gibt kein Recht auf schnelles Fahren. Erst recht nicht, andere Leute dazu zu drängen. Als ich mich nach dem Überholvorgang wieder einreihte, gab ich den Dränglern stets eine Lichthupe hinterher. Es sind immer SUVs mit Kennzeichen HH oder Autos aus Polen. Bei den Polen lichthupte ich aber nicht. Das machte ich nur bei den Hamburger SUVs.
Dabei hörte ich Murakamis 1Q84. Jetzt weiß ich auch, warum das Buch so dick ist. Die Geschichte geht unfassbar langsam voran. Szenen, Dialoge und Gedanken werden ausgiebig beschrieben und ständig wird alles von allen Seiten betrachtet und wiederholt. Ich ertappe mich dabei, dass ich gedanklich manchmal abschweife. Wenn ich mich nach einigen Minuten wieder fange, ist der Text immer noch im gleichen Bild hängengeblieben. Das stört aber nicht. Wie bei Murakami üblich liegt man sanft in einem weichen Kissen und die Dinge geschehen irgendwie von selbst.
Das ist perfekt, wenn man mit 120 km/h überholt.
Zu Hause empfingen mich meine Frau und meine Hündin. Es gab kaltes Bier. Im Auto war es kalt gewesen, ich hatte nicht auf die Temperatur geachtet. Jetzt fror ich. Meine Frau gab mir eine Mütze und ihren Isländerpulli mit dieser speziellen Islandschafwolle, die auch etwas Regen abhält. So wurde mir wieder warm.






