[Do, 17.4.2025 – bist du nüchtern, Ringbahn, Spatzen, Temperaturen]

Am Abend war ich bei einer Freundin auf ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Sie ist sechzig geworden. Ihre Wohnung liegt am anderen Ende der Stadt in Wilmersdorf. So fuhr ich mit der Ringbahn und hatte eine Geschenktüte dabei, auf der geschrieben stand „Happy Birthday“. Alle in der Bahn schauten auf diese Tasche. Auch Leute, die dazukamen. Sie schauten zuerst auf die Tasche, dann schauten sie mich an, dann wieder auf die Tasche und wieder auf mich. Undsoweiter. Alles Sherlocks. Ja, ich fahre auf eine Geburtstagsparty.

Es war eine warme Sommernacht bei 24 Grad. Wir sassen die meiste Zeit auf dem Balkon. Für den Rückweg nahm ich mir einen dieser Tretroller, damit ich schneller zum S-Bahnhof komme. Der Tretroller wollte von mir aber wissen: „Bist du nüchtern?“ Ich log den Roller an, indem ich das in der App bejahte. Die App forderte mich aber zu einem Spielchen auf. Sie zeigte den Kopf eines Mannes und verlangte von mir, auf den Bildschirm zu tippen, sobald ein Helm erscheint. Ich scheiterte beim ersten Versuch. Auch beim zweiten Versuch sowie beim dritten.

Deswegen ging ich zu dem E-Bike nebenan. Das spielte keine Spielchen mit mir.

Nachts in der Ringbahn mit Musik in den Ohren. Müde und irgendwie glücklich. Das ist total der Flow dieser Stadt.

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Mit den Vögeln geht es um etwa 5:20 Uhr los. Das ist die Zeit, in der ich neuerdings wegen des Kraches wach werde. Es ist gar nicht die Nachtigall, die mich weckt, sondern ein ganzer Schwarm einer krachmachenden Vogelsorte. Vermutlich Spatzen. Dabei geht die Sonne erst um 6:02 auf, es ist noch Dämmerung, sie wachen also schon vor der Sonne auf. Nach einer Stunde hört der Lärm schliesslich auf, aber da kann ich bereits nicht mehr schlafen. Ich muss dafür eine Lösung finden, ich kann nicht bis zum Winter nur halbe Nächte lang schlafen. Das Problem des frühen Aufwachens in der hellen Jahreszeit habe ich eigentlich schon lange. Nur hasse ich es, mit Verdunkelungsrollos zu schlafen, das ist noch schlimmer, als Kleidung im Bett zu tragen.

Übrigens pflege ich in meiner Wetter-App eine ganze Liste an Orten, von denen ich das ganze Jahr über die Wetterbedingungen kennen will. Das sind: Longyearbyen in der Arktis. Dann ein kleiner Ort östlich von Göteborg, wo unser Waldhäuschen steht. Dann Corvara, das Dolomitendorf, in dem ich aufgewachsen bin. Bozen, wo ich geboren bin. Meran, wo der Grossteil der Familie jetzt wohnt. Rovaniemi, weil mich Lapland nicht ganz loslässt. Und Rom als eine mir sehr bekannte Referenz am Mittelmeer. Dann gibt es noch Städte, an denen ich es mir theoretisch vorstellen könnte zu leben. Das sind Tromsö, Seattle, London, Amsterdam, Oslo.

Schon seit ein paar Tagen oder gar Wochen sieht diese Liste zusammengefasst etwa so aus:

Longyearbyen: -14
Berlin: 25
Rovaniemi: 15
Bozen: 13
Rom: 15

Verkehrte Welt.

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[Di, 15.4.2025 – Lotusblüten, Vagabond]

Die Vögel zwitschern schon um 5 Uhr von den Dächern. Ab 5 Uhr bin ich deswegen auch wach. Ich hasse die Natur.

Am Abend war ich eigentlich mit Exkolleginnen auf ein paar Bierchen verabredet, allerdings wurde das Treffen aus verschiedenen Gründen im letzten Moment abgesagt. Nun sass ich da in meinem Leben fest, die Bier-Rezeptoren aktiviert und empfangsbereit, aber ohne Input. Mein Freund von der Hundewiese hatte bereits andere Pläne und einfach so Freunde anschreiben, mit dem Hinweis, dass meine Verabredung ausgefallen sei und man nun nach einem Ersatz suche, ist wirklich kein guter Stil. Auch wissend, wie gerne man sich oft auf einen spontanen Drink einlässt, wenn bloss jemand fragen würde. Genau so gut gibt man Freunden aber auch das Gefühl, sie zur zweiten Wahl herabzusetzen. Vor allem, wenn man sich schon eine Weile nicht mehr gemeldet hat.

Ich sagte meiner Frau, dass meine Bier-Rezeptoren sich geöffnet haben wie Lotusblüten auf Bestäubung warten. Sie verstand mein Problem sofort und so gingen wir mit der Hündin auf eine spontane Gassirunde runter zum Brewdog am Frankfurter Tor. Sie trank traditionell ein grosses Hazy Jane, ich bin neuerdings jedoch dem neuen „Wingman“ zugeneigt, ein leichtes Session Pale Ale. Wir redeten zuerst – wie meistens – über den neu aufkeimenden Faschismus, dann fiel uns aber ein schöner Abend von vor vielen Jahren ein, als wir mit Freunden abends in der Vagabond Brauerei im Wedding sassen. Das war sicherlich zehn oder mehr Jahre her. Wir hatten die Preussische Spirituosenmanufaktur besichtigt und waren aus diesem Grund bereits etwas angeheitert, deswegen kehrten wir in diese kleine Bar in der Antwerpener Strasse ein, die Vagabond Brauerei. Dort brauten sie im Hinterzimmer Bier, das sie vorne im Bar-Raum ausschenkten. Sie gehörten zu den Pionieren dieser neuen Handwerksbier-Bewegung in Berlin. Zwar waren sie nicht die ersten, aber mit ihren gut ausbalancierten und geschmackvollen Bieren hatten sich durchaus einen Namen gemacht. Danach verschwanden sie ein bisschen aus der Wahrnehmung, weil sich andere Brauereien wie BRLO oder Berliner Berg professioneller aufstellten und grössere Mengen produzierten. Ich wusste aber, dass sie ein paar Strassen weiter gezogen sind und ihre Biere mittlerweile auch in Flaschen abfüllen und vertreiben. Meine Frau meinte, da müssen wir unbedingt wieder einmal hin. So ist das. Da müssen wir unbedingt mal wieder hin.

Ich erwähnte, dass ich übrigens noch Autorenfoto brauchte. Nächste Woche werden zehn Seiten aus der Novelle in einer Wochenzeitung abgedruckt. Ich bat sie mir morgen bei einer Auswahl zu helfen. Stattdessen zückte sie das Telefon und schoss dort am Tisch Fotos von mir. Jetzt habe ich Autorenfotos.

Wir wollten wirklich nur ein Bier trinken. Meine Frau musste noch etwas arbeiten und wir wollten noch eine Kleinigkeit kochen. Also besänftigte ich meine Lotusblüten, verschloss sie sanft und wir gingen wir zurück nach Hause. Auf dem Weg machte ich einen Sprung zu diesem Mini-Edeka, in den ich sonst nie gehe, um schnell ein Joghurt fürs Frühstück zu kaufen. Als ich am Bierkühlschrank vorbeikam, sah ich jedoch eine unbekannte Biermarke darin stehen. Das Etikett sagte „Vagabond Brauerei“. Sie hatten ein Helles, ein Pils, ein Pale Ale und ein IPA im Sortiment.

Das war zu viel magic.

Deswegen kaufte ich ein Pale Ale und ein IPA. Auch meine Frau war sehr erfreut. Zuhause am Herd öffneten sich wieder die Lotusblüten und wir zauberten uns fantastische grüne Bohnen in Tomatensauce.

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[Mo, 14.4.2025 – Nachtigall wieder, Bizeps, Ebook]

Seit ein paar Wochen lebt wieder eine verliebte Nachtigall in unserem Innenhof. Wie jedes Jahr. Bis vor wenigen Tagen schlief ich noch bei geschlossenem Fenster, also störte sie mich nicht weiter. Jetzt grummelt aber die Hündin. Ich werde nicht mehr von der Nachtigall geweckt, sondern von der Hündin, die sich beschwert.

Ich weiss nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber meine Hündin wäre gerne beim Ordnungsamt. Sie mag es nicht, wenn Menschen alberne Hüte tragen, sie mag keine lauten Rollkoffer, auch keine Skateboards und wenn andere Hunde zu aufgeregt sind. Offenbar mag sie auch keine verliebten Nachtigallen. Zumindest nicht um 3 Uhr morgens. Da ist schliesslich noch Ruhezeit.

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Mein zweiter Tag im Fitnessstudio. Als ich heute das Studio betrat, tat ich das mit einem Blick, als wäre ich ein alter Hase. Ich lief langsam, breitbeinig und zielstrebig zu den Umkleidekabinen, zog mich um und setzte mich an die Maschine 01, dann 05, dann 07 undsoweiter. Als hätte ich das hundertmal getan. Die Frauen in den Po-betonten Hosen hätte ich fast schon mit einer leicht erhobenen Handgeste begrüsst, wie wir LKW-Fahrer das immer machen. Zum Glück konnte der kleine Bub von der Alm in mir das gerade noch verhindern.

Heute achtete ich auf die Gewichte, ich erhöhte sie an fast allen Geräten und passte sie entsprechend in meiner App an. Interessante Erkenntnis: Während ich bei allen Geräten das Gewicht verdoppelte oder sogar verdreifachte, musste ich die Gewichte bei der Trizeps- und der Bizeps-Maschine hingegen nach unten korrigieren. Jetzt weiss ich nicht, ob ich einfach schwache Oberarme habe (ich habe starke Oberarme!) oder ob die Maschinen seltsam eingestellt sind. Ich glaube natürlich, dass es letzteres ist, ich fürchte aber ersteres.

Ich finde das komisch, weil ich Schulter- und Brust-Maschinen wesentlich schwerer einstellen musste. Und das gehört irgendwie ja zu Bizeps und Trizeps dazu.

Nun.

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Amazon hat jetzt das Ebook von „Springweg brennt“ freigegeben und es ist jetzt für 3,99 zu kaufen. Der Preisunterschied zum gedruckten Buch ist krass. Ich bewege mich mit der Novelle dabei schon im höherpreisigen Segment.

In 90 Tagen wird das Ebook dann auch in der offenen Ebook-Welt als .EPUB verfügbar sein.

[So, 14.4.2025 – Muckis, Entwicklungsbedürftigkeit]

Natürlich ging ich am Freitag nicht ins Fitness Studio. Besonders die äusseren Muskeln an den Schultern fühlten sich an, als wären sie gerissen. Und an der Hinterseite der Oberschenkel habe ich Schmerzen, die nicht in meinem Wortschatz vorkommen. Meine Freundinnen von der Hundewiese rieten mir davon ab, unter diesen Umständen weiterzutrainieren, man würde die Muskeln nur beschädigen. Auch eine Suche im Netz bestätigte diese Theorie. Da ich gerade sehr motiviert bin, enttäuschte mich das.

Dabei würde ich mich trotz des Übergewichts als durchaus muskulös und auch fit bezeichnen. Es ist viel an Muskelmasse da. Vor allem an den Beinen, ich bewege mich viel und schnell. Meinen Beinen habe ich womöglich in meiner Kindheit durch das Skifahren und Fussballspielen die richtige Kondition verpasst. Ich habe also Muskelmasse und auch Kraft, aber es fehlt der Stahl darin. Beton ohne Stahl ist schliesslich auch kein Stahlbeton.

Das Wochenende über lasse ich meine Muckis daher ruhen und am Montag greife ich wieder an.

Sonst beschäftigte ich mich anderthalb Tage lang mit dem Ebook, siehe Eintrag von gestern dazu. Zudem habe ich in meinen Notizen „Perfekte Temperatur, 22 Grad und bewölkt“ stehen. Ich glaube, das ist wirklich mein universeller happy Zustand. 22 Grad und bewölkt.

Man sieht es. Gerade etwas inhaltsleer.

Auch steht „Lesung Weinverkostung“ in meinen Notizen. Es bahnt sich vermutlich eine Lesereihe in Steglitz und Zehlendorf für September an, bei der ich mitwirken werde, aber ich muss noch sehen, wie sich das entwickelt, bevor ich darüber schreibe. Entwicklungsbedürftig war auch Herthas Heimspiel gegen Darmstadt. Wobei ich „entwicklungsbedürftig“ nur schreibe, weil es eine billige Überleitung ist. Das Spiel, das meine Mannschaft aufzog, war durchaus annehmbar, weil der Aufstieg aber nur noch mathematisch möglich ist, fehlt es mir gerade auch an Leidenschaft. Deswegen priorisierte ich an diesem Wochenende andere Dinge und schaute das Spiel nur im Fernseher. Dafür schafften meine Frau und ich einen ganzen Berg an Vorarbeiten für unsere Schwedenreise Mitte Mai. Wir werden dort eine neue Toilette bauen und die Küche neu streichen, dafür brauchten wir Werkzeug und Bauteile, die wir mit dem Auto transportieren werden. Zudem kauften wir Unmengen an Bilderrahmen, um die Wände neu zu behängen. Solche Erledigungen kann man eigentlich nur an einem Samstag effizient tätigen.

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Scheren:

[Ebook Novelle]

Den Freitag und den halben Samstag verbrachte ich mit der Veröffentlichung des Ebooks. Die Edition Schelf veröffentlicht ja nur gedruckte Bücher, das Ebook mache ich deswegen wieder unter eigener Flagge. Aus der Geschichte nur ein Ebook zu machen, war ja ohnehin die ursprüngliche Idee. Auch wenn ich sehr glücklich darüber bin, dass wir diesen Schritt mit dem gedruckten Buch gegangen sind, will ich dennoch weiterhin das Ebook veröffentlichen. Zum einen, weil Ebooks eher meinem Leseverhalten entsprechen, aber auch, weil ich diesen Vertriebsweg einmal verstehen und durchspielen will.

Neben den technischen Schwierigkeiten, den Text in ein Ebook umzuwandeln, musste ich mich auch einmal gründlich einlesen, für welche Plattformen der Veröffentlichung ich mich entscheide. Ganz einfach ist das nämlich nicht. Ursprünglich wollte ich Amazon ausschliessen. Privat kaufe ich so gut wie nichts mehr über diese Plattform. Seit Bezos sich nun auch noch bei den Tech-Autoritaristen eingereiht hat, hänge ich widerwillig noch an Prime Video. Dafür gibt es leider keine ernsthaften Alternativen. Wie überhaupt im ganzen Streamingsegment.

Dennoch habe ich nicht lange damit gerungen, mich für Amazon als zeitlich exklusive Veröffentlichungsplatform zu entscheiden und habe meine Novelle jetzt beim KDP-Select Programm von Amazon hochgeladen. Und schon merke ich mein Bedürfnis, mich dafür zu rechtfertigen.

Erstens würde ich sagen wollen: Amazon kriegt direkt keinen Cent von mir. Puh. Gut. Aber natürlich füttere ich mit meiner bescheidenen Geschichte den riesigen Pool an Ebooks bei Amazon und damit auch das Konsumverhalten der Amazon-Kunden, die mit dem Konsum Geld an diese Firma zahlen und sich mit Exklusivabos auch an den Konzern bindet.

Mit dem Ebook strebe ich natürlich keine hohen Verkaufszahlen an, ich weiss die Novelle durchaus einzuschätzen, ich werde mit dieser Geschichte nie einen Cent verdienen. Bis die Kosten ausgeglichen sind, müsste ich zehn Mal mehr davon verkaufen.

Mich interessiert jedoch der Mechanismus einer Ebook Veröffentlichung. Mich interessiert das Produkt Amazon und Amazon-KDP sowie dessen Marktmacht. Das liegt wahrscheinlich an meinem beruflichen Hintergrund. Was macht Amazon besser als die vielen Buchhändler im Rest der Welt? Wie lädt man Ebooks hoch? Welche Formate werden unterstützt? Was bedeutet die 90 Tage Bindung? Wie kommt ein Titel in die Flatrate für Vielleserinnen? Usw. Und der schnellste Quickwin: Wie sieht das Dashboard aus? Ich las, dass man bei Amazon die Abverkäufe in Echtzeit sehen kann. Mit Grafiken und Statistiken. Das ist für Marketing oder Selbstmarketing natürlich unerlässlich. Weil man verstehen will, welche Werbemassnahmen funktionieren und welche nicht. Brachte eine Rezension in einer Zeitung Verkäufe? Wie sieht es mit Social Media aus?

Bei Epubli, dem Anbieter meines Herzens, gibt es unter Verkäufe/Einnahmen nur die Zahl der Verkäufe und die entsprechenden Einnahmen. Kein Datum, kein Land, keine Statistiken, keine Grafiken. Ausserdem kommen diese Zahlen sehr verspätet an. Mit Verspätung meine ich Wochen und Monate. Das ist für die Steuererklärung in Ordnung, aber nicht für Selfpublisher, die auf ihr Selbstmarketing angewiesen sind. Nun ist das für mich mit meinen wenigen Verkäufen finanziell nicht weiter relevant, ausser um meine Neugierde zu befriedigen. Weil ich Epubli aber sehr sympathisch finde und ich sie als Berliner Firma erfolgreich sehen möchte, schrieb ich ihnen heute eine Mail mit der Frage, ob ein solches Dashboard in Entwicklung oder wenigstens in Planung ist.

Ich glaube, es ist eine gute Zeit, technisch in die Offensive zu gehen. Europäische Tech-Firmen sprechen bereits vom Trump-Effekt, weil sich viele europäische Organisationen, Behörden und auch Personen von amerikanischen Plattformen abwenden. Aber dafür müssen die europäischen Plattformen auch auf ein höheres Niveau gehoben werden.

Was ich damit sagen will: Ich bin mit dem Boykott nicht konsequent. Aber hey, wir müssen in Europa grundsätzlich etwas ändern. Zumindest mittelfristig gedacht.

Jetzt dauert es noch einmal 72 Stunden, bis man das Ebook auf Amazon kaufen kann. Die Prüferinnen und Bots des Konzerns werden inzwischen das Netz durchforsten, ob ich mich an die 90 Tage Exklusivität halte und das Ebook nicht doch irgendwo im Internet zum Kauf anbiete. Sie werden sicherlich auf diesen Text stossen. Hey. Nice to see you.

[Do, 10.4.2025 – Ganzkörper, Jobmarkt, Job auf dem Land]

Gestern Ganzkörpertraining, heute Ganzkörpermuskelkater. Hätte ich natürlich wissen können. Sogar die Bückbewegung, wenn ich den Kot der Hündin hebe, schmerzt unendlich. Morgen wollte ich eigentlich wieder trainieren. Der Muskelkater ist am zweiten Tag aber immer schlimmer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich morgen Gewichte bewege.

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Aus dem Job, über den ich neulich schrieb, ist nichts geworden. In der finalen Runde hat man sich gegen mich und meinen letzten konkurrierenden Kandidaten entschieden. Die Stelle wird nur anderweitig besetzt.

Der Jobmarkt gibt momentan erstaunlich wenig her. Der Headhunter, mit dem ich heute telefonierte, sagte, der deutsche Jobmarkt sei durch den Antritt des neuen Präsidenten im weissen Haus um die Hälfte eingebrochen. Vor allem Führungspositionen, für die ich infrage käme, gäbe es derzeit schlichtweg nicht. Ich kenne den Mann schon seit fünfzehn Jahren, wir telefonieren regelmässig, wir reden immer über den Arbeitsmarkt. Meistens brauche ich Personal, manchmal brauche ich einen Job. Er zieht Vergleiche zu den verschiedenen Krisen der letzten Jahrzehnte, aber keine sei so schlimm gewesen. Hätte ich das geahnt, wäre ich wohl mindestens noch ein weiteres Jahr in dem Job geblieben und hätte mir jetzt erst die Auszeit genommen.

Heute telefonierte ich auch mit dem Recruiter einer Stelle, auf die ich mich beworben hatte. Nächste Woche habe ich dann einen Termin vor Ort. Vor Ort Termine hatte ich in diesem Jahr gerade mal drei. Kommt mir völlig aus der Zeit gefallen vor. Ich präferiere aber solche Termine, da kann ich mir ein besseres Bild über die Firma machen und ich glaube, ich wirke in echt besser als vor einer Webcam. Frau Fragmente sagte neulich, ich sollte mir einen Leuchtring kaufen, wie Instamodels sie nutzen. Das klang lustig. Aber es ist sicherlich eine gute Idee. Das Sonnenlicht kommt bei mir nämlich seitlich von hinten, dadurch sehe ich immer etwas düster aus. Bevor ich mir einen Ring kaufe, versuche ich aber erst meine Schreibtischlampe zu pimpen. Deswegen kaufte ich mir gestern eine smarte Glühbirne, die kann man sehr hell einstellen und auch den Farbton nach Belieben ändern. Ich werde ein gleissendes Weiss einrichten und es mir direkt ins Gesicht scheinen lassen.

Dennoch habe ich gerade einige vielversprechende Bewerbungen am Laufen. Mittlerweile bewerbe ich mich auch auf Jobs ausserhalb Berlins, vor allem in Hamburg und Frankfurt, aber auch in München bzw. im jeweiligen Umland. Am interessantesten finde ich eine Stelle in Nordostbayern, bei einem mittelständischen Unternehmen in dieser strukturschwachen Region zur Grenze mit Tschechien. Ich habe wirklich Lust auf so etwas. Ich würde mir eine kleine Wohnung auf dem Land nehmen, vielleicht nehme ich die Hündin mit, vielleicht auch nicht. Abends habe ich wenig Ablenkung, ich werde viel spazieren gehen und das Schreibpensum hoch halten. Das stelle ich mir gerade romantisch vor. Drei oder vier Tage werde ich vor Ort sein und fürs Wochenende fahre ich wieder nach Berlin. Dort sehe ich meine Frau, gehe zu Hertha und treffe Freunde. Ich sitze ohnehin viel am Computer, ja auch abends, ob ich das in Friedrichshain mache oder auf dem leeren Land ist eigentlich egal. Sage ich jetzt mal so. Und ich komme schliesslich vom Dorf, mich schreckt das Leben dort nicht, zudem bin ich jetzt in einem Alter, in dem ich wieder neue Sachen ausprobieren kann, ich habe noch nie so lange irgendwo gelebt wie in Berlin. Hinzu kommt eine gewisse Berlinmüdigkeit, die ich neulich schon anriss. Andererseits ist Berlin gerade die einzige Metropole, die mir lebenswert erscheint. Abgesehen von kleineren, von mir geliebten Städten wie Göteborg, Stockholm, Oslo oder Helsinki. Vielleicht auch Glasgow. Denn ganz aufs Land zu ziehen, sorgt schon wieder für Unbehagen. Wie sehr ich die Wochen in unserem schwedischen Waldhäuschen auch liebe, das funktioniert vor allem in der Wechselwirkung mit Berlin. Glaube ich.

Und sonst habe ich noch den Suchauftrag für IT Jobs in Longyearbyen auf Spitzbergen am Laufen. Aber da kommt nie etwas rein. Ab nächste Woche geht dort übrigens schon die Sonne nicht mehr unter. Es hat aber auch Minus 19 Grad.

[Mi, 9.4.2025 – Fitness]

Zwei sehr lange und liebe Mails zur Novelle erhalten, die mir ein paar Erkenntnisse über den Text gaben, derer ich mir vorher nicht bewusst war.

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Heute dann ins Fitnessstudio gegangen. Ich hatte den Einführungstermin mit einem freundlichen, muskulösen Mann in etwa meinem Alter. Sein Akzent war persisch. Das erkenne ich daran, wie die letzte Silbe oft sanft ausgehaucht wird. Also fragte ich ihn, ob er aus dem Iran käme. Er sagte: Nein, ich komme aus der Türkei. So viel dazu, wie gut ich Persisch immer gut an der letzten Silbe höre.
Wir sassen in einer ungemütlichen Sitzecke des Studios und er hielt ein Tablet vor sich, mit dem er mir einen Trainingsplan erstellen würde. Er wollte von mir wissen, wie viel Erfahrung ich schon mit Fitness hätte. Ich sagte ihm, dass ich noch nie in einem Studio gewesen bin. Das stimmte nicht ganz. Ich arbeitete in 2012 drei Monate lang in einem Projekt für McFit, wo ich für den IT-Rollout der neuen Studios in Spanien und Italien verantwortlich war. Trainiert hatte ich allerdings nie.

„Noch nie in einem Studio?“ Fragte er, um sich zu vergewissern. Dabei lächelte er seltsam. Das Lächeln wirkte einerseits mitleidig, andererseits schien es sich zu freuen, dass er mich gerade entjungfert. Er fragte mich nach meinen Zielen. Ich sagte: Ich will schön und stark sein. Weil er mit der Antwort nicht viel anzufangen wusste, sagte ich: Muskelaufbau. Das gefiel ihm. Ich erklärte, dass ich gerade viel Gewicht verliere und ich das mit Muskeln kompensieren möchte. Gewicht zu verlieren fand er spannend, es stieg sofort in das Thema Ernährung ein. Über Proteine und Kohlenhydrate und Uhrzeiten. Es war offensichtlich sein Lieblingsthema. Ich liess ihn reden. Andererseits weiss ich auch, dass man Menschen, die Ernährungs- oder Gesundheitstipps geben, nie zu viel Raum geben sollte. Nach einer Minute fiel ich ihm etwas unsanft ins Wort und wechselte das Thema.

Der Trainingsplan sah vor, dass ich mich an bestimmten Geräten in bestimmten Zeiteinheiten, bestimmte Gewichte bewegen musste. Da ich einmal den gesamten Körper trainieren wollte, waren das Rücken-, Bauch-, Bein-, Schulter- usw -Maschinen. Am beeindruckendsten fand ich den Namen Trizepsmaschine. Meine nächste Industrial-Band wird Trizepsmaschine heissen. Hätten wir das geklärt.

Ich war erstaunt darüber, wie wenig ich mich ein Alien fühlte. Die Atmosphäre war freundlich, die anwesenden Menschen stammten aus allen Altersklassen und sassen in allen Körperformen. Als ich etwas orientierungslos zwischen den Maschinen herumirrte, um Maschine nr 13 zu finden, kam ein junger Mann zu mir und fragte mich, ob er mir helfen könne. Der war dort nicht angestellt, sondern einer der Trainierenden.

Komischerweise verbringt man in einem Fitnessstudio viel Zeit mit Nichtstun. Ich stellte mir ein Fitnessstudio immer unglaublich anstrengend vor. Dass man schwitzt und keucht. In Wirklichkeit macht man aber ständig Pausen. Zehnmal den Bizeps bewegen und dann anderthalbe Minute pausieren. Dann wieder zehnmal den Bizeps und wieder anderthalb Minuten Pause. Dann Maschine suchen, dann wieder mal Griffe reinigen, Maschine einstellen. Tatsächlich machte ich mehr Pause als Sport. Aber die meisten dort sind schon sehr fit und deren Körperpartien sind definiert. Das wird sicherlich funktionieren.

Frauen tragen oft auffallend enge Sporthosen mit dicken Nähten, die die Pobacken verstärken und etwas hervorquillen lassen. Das sieht sehr pornös aus, trotzdem super, aber ey, ich kann doch nicht ständig Frauen auf den Hintern schauen. Zum einen will ich das nicht und zweitens bin ich nicht die Zielgruppe. Deswegen konzentrierte ich mich auf meinen eigenen Arsch, der wird irgendwann auch so aussehen, dann kann ich mich selber im Spiegel anstarren.

[Di, 8.4.2025 – Weisse Akzente, Weisse Lotus]

Wenn man in Kreuzberg über die Holperpisten radelt, könnte man meinen, der Stadtteil würde von einer Autolobby regiert.

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Erst spät kam ich zurück nach Friedrichshain, als ich merkte, dass meine Fahrradlichter nicht mehr funktionieren. Immerhin war ich heute trotzdem nicht ganz unübersehbar, schliesslich trug ich zum Schwarz zwei weisse Akzente. Einmal die dünne, aber auffällige weisse Naht am unteren Rand meiner neuen Jacke. Und zweitens die weissen Sohlen der schwarzen Schuhe. Frisch geschrubbt sogar, sie leuchten.
Und sonst hätte ein Unfall vielleicht nicht ganz so weh getan, weil ich glücklicherweise etwas angetrunken war.

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Der dritten Staffel von White Lotus kann ich nicht so viel abgewinnen. Die Figuren interessieren mich nicht besonders, nicht einmal Carrie Coon, der ich sonst stundenlang zusehen könnte, oder auch Parker Posey nicht. Immerhin mochte ich Aimee Lou Wood, deren Rolle allerdings sehr ihrem Charakter aus Sex Education ähnelt. Bei ihr weiss ich allerdings nicht, ob ich sie nicht einfach nur mag, weil sie in Interviews so bodenständig und lustig ist. Der Charakter in der Serie ist nun auch nicht interessant. Wobei diese leicht naive, gut gelaunte Melancholie durchaus eine Figur über längere Strecken trägt.

Aber die Filmmusik ist wieder super. Das ist vielleicht das Beste an der dritten Staffel. Siehe unten.

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Neue Stimmen zu Springweg brennt:

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[Mo, 7.4.2025 – Sportkleidung, Fitnessstudio]

Weil ich jetzt weiss, dass ihr im Bett alle Kleidung trägt, liege ich nun nachts wach und denke daran, dass ihr im Bett alle Kleidung trägt.

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Weil ich mich heute im Fitnessstudio anmelden wollte, ging ich in die Eastside-Mall zu Intersport, um passende Kleidung anzuschaffen. Auf der FitX Webseite stand nämlich, dass man Sportkleidung und Sportschuhe benötigt. Ich besitze Sneakers und Hosen, die als Jogginghosen durchgehen. Bei meiner Morgenrunde auf der Hundewiese klärte man mich jedoch auf, dass man da schon eigene Kleidung trägt. Strassenschuhe sind in der Regel nicht erlaubt und in gewöhnlicher Baumwollkleidung geräte man schnell ins Schwitzen. Also ging ich zu Intersport. Als ich mir aber ein Überblick über das Angebot machen wollte, merkte ich schnell, dass ich keine Ahnung von den verschiedenen Kategorien habe. Neben „Outdoor“ und „Fussball“ wusste ich mich immerhin in „Sport“, „Laufen“ und „Training“ einzusortieren. Wo da genau die Unterschiede liegen, konnte ich aber nicht erkennen. Und wie es in diesen Läden immer ist, gibt es dort nie Internet. Zumindest nicht mehr, seit ich bei einem Billiganbieter bin. Also ging ich zur erstbesten Verkäuferin und sagte: Ich melde mich heute im Fitnessstudio an und brauche ein Oberteil, eine Hose und Schuhe.

Sie wusste genau, was ich brauche, deswegen brachte sie mich zu den entsprechenden Ständen, sie zeigte mir zuerst das Adidas-Sortiment, aber weil Adidas ja Union Köpenick ist, schüttelte ich den Kopf und ging zu Nike. Dort fand ich ein ziemlich cooles, schwarzes Retro-shirt, das es aber nur in XL gab. Ich bin ja eher der „L“ Typ und bald vielleicht nur noch „M“. Sie sagte, sie könne in der Filiale Köpenick anrufen, ob sie es dort noch in „L“ vorrätig haben. Schon wieder Köpenick? Nee, lass mal, ich fahre bestimmt nicht freiwillig nach Köpenick. Also nahm ich es in „XL“.

Auf die Gefahr hin, mich wie ein Boomer zu äussern, will ich dennoch sagen, dass ich diesen Trend der hinten wulstig ausgestülpten Sohlen bei Sneakern nicht verstehe. Siehe Foto. Das Modell, das ich kaufte, ist dabei noch dezent, es gibt aber wirklich Varianten mit vulgären Ausformungen. Wenn ich solche Schuhe trage, habe ich das Gefühl, unter Hornhautverwachsungen an der Ferse zu leiden. Ich checks nicht. Da kann mir niemand erzählen, dass es die Ferse entlastet. Der Druckpunkt der Ferse ist ganz woanders.

Mit neuer Sportbekleidung, demonstrativ in einer grossen Tasche von Intersport, ging ich dann zwei Stockwerke hinauf zu FitX und meldete mich an.
„Ja, ich war noch nie in einem Fitnessstudio“ „Ja, ich möchte gerne Beratung.“, „Ja, ich kaufe ein Jahresabo.“
Ich redete viel, ich wollte alles über Fitnessstudios wissen, stellte wahrscheinlich dumme Fragen. Die dürre junge Frau hinter der Theke wusste nicht genau, ob ich lustig war oder mich lustig machte. Oder ob es einfach nur Dadjokes waren. Zur Sicherheit lächelte sie, ohne wirklich zu lächeln. Hätte ich auch getan.

Am Mittwoch habe ich jedenfalls meinen ersten Termin.

[So, 6.4.2025 – Schreibroutinen, Berlin energielos]

Schon seit fünf Tagen nicht mehr am Romanprojekt gearbeitet. Seit der Arbeit an der Novelle lernte ich viel über Schreibroutinen. Wie grössere Texte entstehen, wie ein Tagespensum variiert etc. Dabei stellte ich fest, dass feste Rahmen wie eine feste Wortzahl oder feste Zeiten für mich wirklich unerlässlich sind. Sonst verliere ich den Fokus. Wenn ich mir vornehme, von 10:17 bis 11:17 den Schreibtisch nicht zu verlassen und den Browser nicht zu öffnen, dann entsteht in diesen 60 Minuten tatsächlich Text. Manchmal entstehen in 60 Minuten 5 Buchseiten, manchmal nur eine halbe. Ich nahm mir vor, jeden Tag mindestens 250 Wörter aufzuschreiben, also eine Buchseite. Meistens wird daraus mehr, aber diese eine Buchseite ist ein motivierender Einstieg, weil es ein Häppchen ist. Stephen King schreibt pro Tag etwa 1000 bis 2000 Wörter, also 6 bis 10 Buchseiten, das erklärt natürlich seinen immensen Output. Dabei sagt er, dass diese Seiten bereits dicht und schon ziemlich fertig sind. Bei mir variiert die Qualität eines Textes. Manchmal sind 5 Seiten wie in Stein gemeisselt und manchmal arbeite ich einen Tag lang an einem Absatz, den ich am Ende verwerfe. Nur um Extrembeispiele zu nennen. Ich bin aber auch kein Vielschreiber. Wobei: Der Durchschnitt meiner täglichen Blogeinträge beträgt 800 Wörter, das sind zwei bis drei Buchseiten. Auch immer in unterschiedlicher Qualität. Diese Zeit könnte ich auch für das Romanprojekt reservieren, andererseits ist mir diese Blogroutine als Schreibübung für Stil, Tempo und Perspektivwechsel, Inszenierung usw. sehr wichtig geworden. Nicht alles ist hier von Qualität, zudem werden meine Blogeinträge natürlich nie lektoriert und auch nicht gegengelesen und manche Sachen funktionieren nicht. Dafür weiss ich mittlerweile wesentlich besser, was als Text funktioniert.

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Dafür zieht mich Berlin gerade runter. Berlin hat keine Energie mehr. Schon seit ein paar Jahren nicht mehr. Vielleicht auch ganz Deutschland, aber es wird nicht mehr besser. Schlimm fand ich es immer, wenn ich von den Dienstreisen aus Amsterdam zurückkam, in einer Stadt, in der man merkt, dass sie von ihren Bewohnerinnen geliebt wird, sogar in den Aussenbezirken und in Gewerbegebieten, alle scheinen gerne Amsterdamerin zu sein, es wirkt, als achten die Leute auf ihre Stadt. Dann komme ich zurück nach Berlin: Alles ist wurschtig, träge, die Leute schlecht gelaunt, der Inhalt des Müllsacks, der letzte Woche aufgerissen wurde und einmal die ganze Strasse hinunter verteilt wurde, liegt immer noch da. Es interessiert niemanden. Die unkoordinierten Baustellen, die kaputten Radwege, jetzt brechen auch noch die Brücken ein. Diese Negativität, diese Trägheit, sie kommt von allen Seiten, vom Bürgertum, von meiner linkslastigen Blase, alle werden zunehmend konservativer, sogar mein linksliberales Umfeld in Berlin war nie wirklich liberal, immer eher konservativ, ich nenne es nur aus Gewohnheit so. Ich sage das allen, mit denen ich spreche: Berlin hat keine Energie mehr. Zum einen erwarte ich Zustimmung, aber Zustimmung deprimiert mich dann noch mehr. Früher war Berlin immerhin arm, aber sexy, dann wurde es ansatzweise wohlhabender und blieb sexy, jetzt werden wir wieder ärmer, aber ohne die Sexyness.

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Aber Frau Casino hat mein Buch gelesen. Und das hebt die Laune wieder. Disclaimer: sie ist eine meiner besten Freundinnen. Aber sie würde nicht darüber schreiben, wenn sie es nicht meint.

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