[28.6.]

Gestern früh sind wir um zehn Uhr mit den Federbetten ins Wohnzimmer umgezogen und haben 3Sat eingeschaltet, um mit Kaffee und dem Wettlesen in Klagenfurt im Ohr, ein bisschen weiterzudösen. Gregor Sander zum Frühstück war angenehm, diese warme Stimme, der Ton der Erzählung. Um 14 Uhr war alles vorbei und anschließend machten wir ein bisschen dies und ein bisschen das. K wollte das ganze Wochenende keine Pläne haben, weil ihre letzten Wochenenden alle so verplant gewesen sind. Ich hatte nichts gegen Planlosigkeit. Wir sind dann die Brunnenstraße in den Wedding hochspaziert und haben über die Sachen geredet die uns gerade über den Weg liefen.
Später mit dem Gedanken gespielt, vielleicht noch nach Schöneberg, zum CSD zu gehen. Doch war das zu aufwändig, denn, wenn Plan das erste ist das man nicht haben will, dann kommt Aufwand direkt danach.

Mein Basilikum hat Läuse. Ich habe meinen Basilikum ein paarmal zu oft lieblos behandelt (Trockenheit, keine Lieder vorgesungen), was ihm etwas von seiner Lebenskraft genommen hat. Läuse riechen es wenn Pflanzen mal ein bisschen down sind, und ich weiß nicht woher sie kommen, möglicherweise haben sie überall schlafende Eier verstreut, die mit Anlässen schlüpfen wie Winterschläfer nach dem Winterschlaf. Jedenfalls riechen Läuse das und nun sind sie über meinen Basilikum hergefallen. Der Schreck war groß, der Ärger auch. Und vor allem das Schuldgefühl. Zumal es meine neuen Babies betraf. Die, die ich als Samen, sozusagen mit der Milchflasche großgezogen habe. Läuse.
Ich habe jedes einzelne der hundert Blätter händisch abgestreift und damit die Läuse zerquetscht. Ich habe sie noch laufen sehen, es herrschte große Aufregung im Pestopflanzenhain.
Danach habe ich ihm Waiting For The Sun von den Doors vorgesummt.
Meine Finger stanken nach Läusepisse. Und in meinem Nacken und meinem Rücken, und in meinem Haar, an meinen Armen, zwischen meinen Beinen – überall juckte es auf einmal.
Jetzt wieder während ich das so niedertippe.

[27.6.]

Mit dem zweiten Kaffee in der Hand ging ich zu meinem Chef, ein paar Sachen zu besprechen. Wie der kritische Bug zu bewerten sei und wie das Wetter am Wochenende werde, und dass wir das Kickermatch nächste Woche unbedingt gewinnen müssen, da der Pokal in unserer Abteilung zu bleiben hat. Ich fragte ihn, warum er keine Tore mehr schieße, ob ich mir Sorgen mache müsse, vielleicht bräuchte er eine Pause, wer weiß, ihm Sommer bei dieser stickigen Luft in dem Raum mit dem Kickertisch, vielleicht sei das einfach nicht sein Ding, man rieche ja schon den Schweiß in der Luft, das sei alles so FightClub-mäßig und er sagte, er wisse nicht ob er ein sportlerisches Tief habe, aber er würde ja immer noch diese fetten Schüsse von ganz hinten machen und ich sagte, Michael Jackson sei gestorben, woraufhin sich die eine Kollegin umdrehte und sagte, das sei so tragisch und ich sagte, ja nicht toll das und Chef sagte, Jacko wäre unsere Jugend gewesen, er hätte uns alle ziemlich geprägt oder mindestens begleitet und ich fragte in die Runde warum wir alle so blöd in indirekter Rede reden würden, worauf die beiden mit den Schultern zuckten und wie aus einem Mund sagten: “Wees ick nüscht”. Ich wusste auch nicht, weshalb wir erstmal schwiegen, doch dann kam KK aus der Entwicklung und sie sagte: Mek ich brauche Dich nicht mehr, ich habe alles klären können. Das freute mich und ich sagte: das ist super, hast Du übrigens gehört, Michael Jackson ist gestorben, und sie sagte: Ja, ich habe es vorhin von jemandem gehört, nicht schön das. Ich nickte. Mein Chef schaute. Und die andere Kollegin schaute auch.

Ja, und jetzt weiß ich auch nicht mehr.

Heute hatte ich kein einziges Meeting. Was aber nicht heißt, dass man dann Arbeit vom Tisch schafft, wenn man nämlich dauernd am Platz sitzt, wird man auch dauernd von den Kollegen unterbrochen die immer schonmal fragen wollten, sich aber nie zu fragen wagten. Denen habe ich dann ein Beat it vorgesungen.
Wir haben Großraumbüro. Später fragte jemand lautstark: Wollte der Jackson sich eigentlich nicht einfrieren lassen? Und ich dachte: Herrje, wenn das heute so weiter geht, dann kann ich wirklich nur noch über Michael Jackson tagebuchbloggen, weil sonst nichts anderes passiert, aber dann unterbach jemand meinen Gedanken, der sagte: nein, der wollte doch in Sauerstoffzelten wohnen, und dann rief jemand dazwischen: aber jetzt ist er ja tot und daraufhin sagte jemand anders: dann kommt er eben als Zombie in Thriller2.0 zurück und irgendwie fanden das alle zum lachen.
Ja und jetzt. Passt alles nicht so zum Bachmannpreis.

[26.6.]

Zu lange im Büro gesessen um noch guter Dinge zu sein. Trotzdem noch abgewägt zur OPAK-Release-Party ins NBI zu gehen, weil das ja der eigentliche Plan war, und Plänen folge ich manchmal bäuchlings blickdichts blindlinks. BlindLINKS? Weitlinks Trassenkiez. [Himmel]

Doch dann die Pläne links liegen lassen und den Laptop an den Fernseher angeschlossen um mit K die Bachmannpreisfilme anzuschauen. Ich wollte erst Christiane Neudecker sehen, wegen des roten Rockes den sie scheinbar trug, doch sahen wir, aus Gründen die ich jetzt nicht mehr nachvollziehen kann, zuerst Karsten Krampitz und danach Philipp Weiss.
Danach war ich so müde, dass ich sagte: ich gehe jetzt tagebuchbloggen und danach falle ich tot ins Bett.
Jetzt sitze ich hier und falle bestimmt gleich tot ins Bett.

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Von Klagenfurt berichten:
Moni
Die Sopranisse
Andrea Diener

[25.6.]

Ich war am Vorabend doch betrunkener gewesen als ich in Erinnerung hatte, oder: betrunkener als ich gedacht hatte. Das merke ich meist erst am nächsten Tag wenn ich im Büro sitze und die Zeit nicht vorangehen will. Irgendwann bekomme ich schlechte Laune und seitliche Kopfschmerzen (Kopfschmerzen an der Seite) und dann fange ich an so deprimierende Musik zu hören mit der ich eine Symbiose eingehe und dann kippt die Laune von schlecht nach schwer, und die Laune bleibt nicht Laune sondern heisst dann tiefes schwarzes Loch, ich werde also zum schweren tiefen schwarzen Loch und dann weiß ich es wieder: so ein Kater der subtilen Sorte.

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Über die Chausseestraße gen Norden geradelt und dort den engen Stellen getrotzt. Ich fahre gerne durch die Chauseestraße, gleich wie ich gerne durch die Friedrichstraße fahre. Die Enge, das Abmessen, diese gewisse städtische Düsterkeit im Schatten der großen Straßen. Wie wir Verkehrer uns als zähe Masse durch die abgedunkelte urbane Kulisse fließen lassen.
Diesmal hatte ich aber keinen Bock auf diesen poetischen Scheiß und nahm den Füßgängerweg (Teer und Schwefel), was es nicht unbedingt besser machte, die Chausseestraße hat nämlicht nicht nur viel Verkehr auf dem Asphalt sondern auch auf dem Fußgängerweg, und bald stieß ich vor dem Hotel Soundso auf eine Menschentraube die das Hotel zu verlassen schien und damit den Fußgängerweg blockierte. Eine Menschentraube japanischer Touristen, Menschen aus Japan, die mir gerade so ungewöhnlich vertraut vorkommen, wegen dieser Murakami-Phase die ich momentan wieder habe, drei Bücher von ihm in einem Rutsch durchgelesen und jetzt gerade beim Vierten, ich lebe gedanklich schon fast in Japan, denke mich an diese, mir mystisch vorkommenden Orte wie Sapporo, hin, und die nächtlichen Fahrten durch Tokyo, die Gespräche mit den Menschen, sie sind mir so deutlich vor Augen und diese ganze japanische Welt, wie bekannt sie auch wirken mag, ja sehr europäisch sogar, aber immer liegt eine gewisse Firnis über den Figuren, über den Landschaften, unantastbar, die man nur mit den Augen betrachten darf, was sie dann für alle, die nicht ungläubige Thomase sind, zu einer Art Überwesen stilidingsen. Und so stieß ich in der Chauseestraße auf die Menschentraube japanischer Touristen und ich war auf einmal in Tokyo, auf dem Fahrrad, und ich wusste mich nicht mehr zu verhalten. Was waren die Regeln, waren sie an Fahrradfahrern gewöhnt, würden sie den Weg freimachen? Von Fahrrädern liest man in den Murakamibüchern ja nie.
Ich bin dann abgestiegen.

[24.6.]

Beim Sektempfang im Neuköllner Schillerkiez gewesen. In des Verlegers der Herzen neuen Wohnung. Pjaer las nämlich in einer Pianobar dort ums Eck, was gleichzeitig der Ankündigung seines Buches diente. Wir werden uns freuen. Es waren wieder viele (Ex-)Blogger da, die ich jetzt nicht alle aufzählen werde. Aus Angst man fänge an mir aus dem Weg zu gehen wenn man mich trifft. Landet man ja nur in seinem Tagebuch wenn man den Wito trifft.
Albern, die letzten drei Sätze, aber irgendwie muss ich die Sache ja rund kriegen.

Ich hatte beim Empfang ein wenig zu nahe am Sekttisch gestanden und mir vermutlich ein paarmal zu oft nachgeschenkt und so zahlte es sich nicht mehr aus nach der Pause weiter an der Veranstaltung teilzunehmen, deshalb spazierte ich mit V die Sonnenallee hoch in Richtung Hermannplatz, dort kaufte ich mir einen Schawarma und ein Stück weiter eine Flasche Bier und wir hatten beide keine Lust Fahrrad zu fahren, so schoben wir die Drahtdingens einfach neben uns her und redeten über Vieles und über emotional praktische Handlungen, schlenderten den Kottbusser Damm weiter, in die Ritterstraße hinein und sechzehn Stunden später standen wir plötzlich am Alexanderplatz und wir fragten uns beide: Wow, sind wir jetzt das ganze Stück gelaufen, einmal durch halb Berlin und wir sagten beide: Wow, ja wir sind das ganze Stück gelaufen, einmal durch halb Berlin.
Am Alex trennten sich unsere Wege und wir stiegen beide auf das Fahrrad. Ich radelte gefährlich unstet, selbst mein Autopilot war nicht ganz bei Sinnen.

[23.6.]

Wieder vernünftiges Internet. Letzte Woche brach mir das Netz die ganze Zeit weg, bis am Freitag die Lämpchen auf dem Modem erloschen, ich also unfreiwillig aus dem Netz schied und die Dinge nicht mehr erledigen konnte (Mails lesen, Blogs lesen) die ich noch zu erledigen hatte. Ich stieg entfremdet in das Auto gen Süden.
Zudem konnte ich mich nicht gebührend aus dem Internetz in Richtung Österreich verabschieden. Diese Geste war mir als Tagebuchblögger wichtig, sowas wie: Wenn ich im Tauerntunnel ersticke, dann will ich euch eines sagen: Ich liebe euch, habe ich immer schon getan.
Als das Internet weg war habe ich zum Telefon gegriffen und Alice angerufen, die mir heute ein neues Modem zukommen hat lassen. Jetzt ist alles wieder gut.

In Villach habe ich Käsekrainer gegessen. Bratwurst mit kleinen integrierten Käsekammern. Gebraten schmilzt der Käse ins Wurstfleisch. Es hat einen Grund warum man sie die Eitrige nennt. Schmeckt übrigens köstlich. Und schafft ein statisch stabiles Fundament für Marillenschnaps.

Heute endlich den neuen Duschkopf montiert, die neue Duschstange angeschraubt und Milchglas gekauft gegen die Nachbarn die mir direkt in die Kloschüssel starren.

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[…] Meine neuen Freunde aus der neuen Nachbarschaft hat diese Fernliebe sicher irritiert […]” Wunderbar.

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Radiowellen im Tunnel

[22.6.]

Zurück vom Speedurlaub in Kärnten. C ist dreißig geworden und hat in ihre Heimat geladen um Bergfest zu feiern, dreißig ist ja schon so eine Art Berg, weil die Frauen dann das Mädchenhafte hinter sich lassen und endlich zur Frau werden. So habe ich ihr das erklärt. Und dass wir Männer uns Frauen ab dreißig als Geheimtip zuwünschen.

Österreich war ein bisschen verregnet, aber die meiste Zeit saß ich ohnehin im Auto. Am Freitag zehn Stunden fahrt gen süden, dann schlafen, dann Kaffee in Villach, dann Schnaps und Bier und Wein, dann schlafen und Sonntag wieder in zehn Stunden Auto zurück. Und plötzlich ist Montag.

So war das. Sehr schön. Und notiert habe ich nichts.

[17.6.]

Gestern wäre ich mit ein paar Bloggern verabredet gewesen. Oder eher Ex-Bloggern, wenn ich mir die Liste so ansehe, wobei sich ohnehin die Frage stellt ob man diese Bezeichnung überhaupt noch anwenden darf. Blogger. Das klingt so nach Achtziger. Verstaubt, überholt und mit peinlichen Frisuren. Dann besser Ex-Blogger, das hat wenigstens etwas Veteranenhaftes, ähnlich wie: Ex-SPD-Wähler.
Doch plagte mich den ganzen Tag über mein schiefgeplanter Haushalt. Laut Planung liege ich zwei Wochen im Rückstand. Zu vieles das noch aufgeräumt werden will, dann die Wäsche, das Geschirr und letztendlich die Koffer die neu gepackt werden wollen. Es hatte mir schon wenig Freude gemacht, aus Usedom in diese unpäßlich sortierte Wohnung zurückzukehren. Und morgen fahre ich für ein paar Tage nach Kärtnen, ich habe beschlossen mich das ganze Wochenende über, auf eine aufgeräumte Wohnung freuen zu wollen.
Absagen war natürlich schwierig, liebes Tagebuchblog. Ich konnte ja nicht sagen: hey ihr, ich werde heute nicht kommen weil ich aufräumen muss.
Das wäre unhöflich gewesen, respektlos, zudem eine öffentlich dargelegte falsche Prioritätensetzung. Vor allem aber wäre es uncool und Coolness habe ich so wenig, dass ich es mir nicht leisten kann, noch etwas davon abzugeben. Also bat ich, mich zu entschuldigen, mit dem Grund, ich würde es nicht mehr schaffen.
Nicht mehr schaffen. Das hat etwas atemloses.
Ich nehme an man hat mir geglaubt. Ohne gelogen zu haben.

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In der Brunnenstraße mauern die Bewohner der Nummer 183 gerade die Fenster im ersten OG zu. Es soll diese Tage geräumt werden. Diese kalte Aufregung, ich weiß noch so gut um sie und ich bekomme ein warmes Kribbeln in der Brust wenn ich daran denke, wie alles verschwindet, alles zurückgesetzt wird, alles diesem Ziel weichen muss, dem konkreten Ding um das es sich zu kämpfen lohnt.
Das war jetzt ein bisschen zu poetisch formuliert. Es ist vor allem der Geruch von Rauch und Benzin den ich sofort in der Nase hatte.
Senior Hausbesetzer

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Er kippt, dann kippt er wieder nicht, dann vielleicht, dann wieder doch nicht, dann wieder. Berlin Blase. Sehr bewegend und vor allem auch sehr amüsant, doch saß ich jetzt beim Duschen eine zeitlang über die Schlußfolgerung zu zweifeln, wie unfertig sie ist, als wäre sie nicht zu ende gedacht. Oder unstimmig. Vermutlich sogar falsch gedacht.

[16.6.]

Heyho, liebes Tagebuchblog, ich muss mich wieder in Dich hineinfinden, das ist manchmal gar nicht so einfach, vor allem wegen einem Abend wie gestern, der sehr lange und mühselig war, dass man nicht genau weiß wie man das jetzt kneten soll. Wir hatten Hausversammlung und es wurden, bis auf übliche Lappalien, lediglich drei Punkte besprochen, doch das hat sich über 4 Stunden und zwanzig Minuten hinweggezogen. Warum so ein Abend mir die Lust nimmt es Dir mitzuteilen ist der ganze Batzen den ich Dir jetzt auftragen müsste. Ich könnte jetzt natürlich bis ins Detail die einzelnen, durchaus spannenden, Charaktere beschreiben, die Themen einzeln durchlaufen, wie erbittert darum gekämpft wurde (es ging vornehmlich um die Farbe der Fassade), die Demütigungen, die Beleidigungen, die wissenden Blicke, die Verbindungen und wie wir uns letztendlich nur verhedderten. Tu ich aber nicht. Das wäre ein psychologischer Bürokratenthriller. Und ich will ja nicht in ein Genre abgleiten.
Ich wurde jedoch den ganzen Abend über am Leben gehalten weil ich für nachher auf ein paar Drinks verabredet war. Mit Kollegen. Im Abendlicht sinnieren. Das war eine gute Aussicht un dich sagte, ich stieße nach dieser Versammlung dazu, jaja eine Stunde, vielleicht anderthalb. Das hätte mir auch als Spannungsutensil für den Erzählbogen der bürokratischen Versammlung dienen können. Die Erwartung, die der Erzählung das Tempo vortrommelt, das wäre toll gewesen, aber jetzt ist es ja zu spät, müsste ich das da oben alles wieder streichen.
Es wurde jedenfalls dreiundzwanzig Uhr und ich hätte noch nach Kreuzberg müssen. Natürlich war der Abend gelaufen.
Nicht traurig nicht witzig und keine kluge Erkenntnis. Aber eine Erkenntnis ohne Adjektiv vorneweg.

[Notizen, Usedom]

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Regen, Wind, Regen, Regen, Regen, Wind.
Und Kälte.
Also: Regen, Wind, Regen, Regen, Kälte, Regen, Wind, Kälte.
Freitagabend in Zinnowitz.
Ich schrieb meiner Mutter eine SMS. Meine Mutter hat ein eigenartig inniges Band zu Usedom. Dass es nördlich der Alpen Strände gäbe, war ihr früher niemals in den Sinn gekommen. Letztes Jahr schrieb ich ihr ich läge an der Ostsee auf der Insel, auf Usedom. Das fand sie unheimlich toll, diese gewisse mystische Exotik einer Insel im Norden wenn man, wie sie, nur die brennenden Mittelmeerstrände kennt. Sie spricht den Namen Usedom aus als handele es sich um eine nordische Göttin. Zu allem Überfluß hat sie letzten Winter einen netten Südtirolurlauber aus Usedom kennengelernt und jetzt musste ich ihr eine Karte versprechen. Weil das Wetter aber dermassen Pest und Hagel war, beließ ich es erstmal bei einer SMS. Ich schrieb:
Bin auf usedom. Wunderbares wetter, wir liegen auf dem strand und stecken die füsse in den sand. Grüße dich herzlich. Dein sohn.
Sofort wurde mir wärmer.

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Den Preußenhof betreten wir hungrig. Und mit durchnässter Garderobe, mir durchnässtem Haar und durchnässtem Gemüt. Es gibt zwei freie Tische, doch sagt man uns sie seien reserviert. Die typischen Reservetische die man für erwünschte Gäste bereithält. Und dass wir nicht erwünscht sind ließt man dem Geruch ab, den Gästen, und dem Gesicht der Maitren. Trotz unserer guten Kleidung. Man ahnt unsere Gesinnung. Überhaupt, wie die sozialen Klassen verschwunden sind und durch die Gesinnung ersetzt wurden.

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Zum Ortspavillon gegangen weil Musik über die Bäume hinweg ins Dorf getragen wurde. Es spielte das Jugenorchester. Die Musiklehrerin dirigierte. Sie spielten La Bamba und ein Lied von ABBA. Im Publikum saßen Menschen zwischen 60 und 70. Sie klatschten den Rythmus. Was haben die bloß 1968 gemacht?

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LaConga, eine Cocktailbar. Die Szenekneipe in Zinnowitz. K bestellte einen Bushmills und dazu bitte ein Glas Leitungswasser. Die Szenewirtin, offensichtlich stolze Chefin des Hauses, lehnte ab. Sie könne ein Mineralwasser bringen, aber kein Wasser aus der Leitung. Das tun wir nicht. Komische Sache, Wasser zum Whiskey sei wie das Wasser zum Espresso– doch die Szenewirtin lehnte ab. Machen sie nicht. K fragte daher nach ein paar Eiswürfeln in einem eigenen Glas. Die würden schmelzen und sich als Wasser zum Verdünnen eignen. Das war wiederum in Ordnung.
Dann nahm sie meinen Wunsch auf. Auf der Getränkeliste gab es den Ardberg – Still Young, doch bei den ausgestellten (leeren) Flaschen an den Wänden sah ich den Ardbeg – TEN stehen. Ich zeigte auf den Stillyoung in der Karte und fragte ob sie von Ardbeg auch den zehnjährigen hätten, Stillyoung wäre mir heute nämlich ein bisschen zu grün. Und sie sagte: Stillyoung ist der zehnjährige. Ich sagte, neinnein, Stillyoung ist nicht der zehnjährige, Stillyoung ist der achtjährige, der zehnjährige trage den unmissverständlichen Namen: TEN. Und sie entgegnete: der Stillyoung ist der zehnjärhige.
Mir war das unangenehm, ich bin wahrlich kein Snob, es liegt mir nicht mit Namen und Fakten zu protzen, ich weiss nur was mir schmeckt und kenne mich daher ein bisschen aus, doch wollte ich nur wissen ob sie auch den zehnjährigen hätte. Ich zeigte auf eine der ausgestellten Flaschen an der Wand worauf stand: Ardbeg – TEN. Ob sie mir ein Glas aus so einer Flasche einschenken könne. Und sie sagte: Aber das sei doch der Stillyoung, und ich sagte resignierend, nein das ist der zehnjährige, auf dem Stillyoung stünde auch Stillyoung drauf. Und sie sagte, nein, das sei aber bei ihnen der Stillyoung. Ich sagte schongut. Also, fragte sie, Sie wollen einen Stillyoung? und ich dachte mir Baby, Dir geht es wirklich ums rechthaben, bevor ich also einen zehnjährigen als einen Stillyoung trinke, bestelle ich mir lieber einen Jack Daniels, nein, bäh, ich sagte: bitte einen Ardbeg aus der Flasche wo TEN draufsteht. Das reichte glücklicherweise.

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Am Montag auf dem Rückweg von den Ergebnissen der Wahlen im Iran gelesen.

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Ich wollte eigentlich schöne Sachen aufschreiben und jetzt habe ich nur von so bösem Zeug berichtet. War jedenfalls sehr schön wieder.