[Freitag, 26.6.2021 – Kinder, Spielen, The Joker]

Ich habe ja eher wenig Kontakt zu Kindern und bin deswegen immer etwas überrascht, wie anders mich Kinder im Vergleich zu Erwachsenen behandeln. Mit Kinder funktionieren angelernte Mechanismen wie Attitüde oder Ironie überhaupt nicht, stattdessen fordern sie einen sofort auf einem Aufmerksamkeitsniveau heraus. Ist man echt oder ist man unecht? Ist das Interesse echt oder unecht? Mimt man das Kind in sich oder ist man echt? Kinder scheinen ziemlich schnell die Erwachsenen-Schichten von einem herausfiltern zu können und dich auf deren Niveau herunterziehen, das mit dem Niveau meine ich nicht herablassend, sonder damit will ich erklären, dass ich mich auf einen Kern reduziert fühle, ist die Energie da, ja|nein, gibt es die Verbindung ja|nein.
Komischerweise connecte ich mit den meisten Kindern ziemlich schnell, das müsste ich vielleicht auch mal psychologisch hinterfragen, vermutlich bin ich einfach sehr kindisch und ich liebe total die einfachen Vergnügungen (wenn niemand zusieht).
Kinder nennen das Spielen. Am Donnerstag sagte eines der Kinder zu einer der Frauen am Arkonaplatz: du kannst gut spielen.
Dabei hat die Frau vermutlich einfach diesen Kern gezeigt.
Spielen. Als wäre es ein Spiel. Es fühlt sich wie Interaktion an, wahrscheinlich ist es einfach Kinderleben. Kinder nennen es Spiel. Muss ich mal drüber nachdenken.

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Heute dann „The Joker“ geschaut. Ich habe den Film lange verschmäht, weil ich es als toxisch empfand, dass man jetzt im Mainstream einen Mann abfeiern soll, der von Menschen ausgestoßen wird, dann Frauen stalkt und später zum Massenmörder wird.
Das Verständnis für die Wandlung zum Joker ist dann doch erstaunlich gut, nachvollziehbar, sehr emotional und doch bleibt diese Distanz vorhanden, die ihm einen Heldensockel verwehrt.

[Donnerstag, 24.6.2021- Arkonaplatz Stickertreffen, Rutschwettrennen]

Heute trafen wir uns mit dem Fanclub am Arkonaplatz für die Übergabe der neuen Fanclubsticker. Weil Kinder dabei waren, versammelten wir uns an einer Bank auf den Kinderspielplatz. Für jedes Mitglied gab es zweihundert bis dreihundert Sticker unterschiedlicher Motive. Es war ein nettes Beisammensitzen und -stehen.

Moritz hatte seine Gitarre und einen Verstärker mitgebracht, darauf spielte er eine Akustikversion der Stadionhymne „Nur nach Hause“, die Anwesenden sangen mit. Das Publikum auf dem Kinderspielplatz war etwas überrascht von dieser musikalischen Spontaneinlage. Nach dem Lied gab es von einer abseits sitzenden Mädchengruppe Zugabe-Rufe.

Ich war als Jugendlicher immer etwas eifersüchtig, wenn Mädchen immer männliche Gitarrenspieler anhimmelten. Das ist so ein Ding. Mädchen, die männliche Gitarrenspieler anhimmeln. Ich konnte nie Gitarre spielen. Nur den Anfang von „Angie“. Aber damit die Mädchen küssen wollten, musste man schon das ganze Lied können. Und noch ein paar Lieder mehr. Ich beließ es also beim Neid und blieb ungeküsst. Moritz hat übrigens einen Spotify Account und macht Lieder. Siehe Link.

Dann habe ich mit Kindern gespielt. Ich hatte bei den Kindern vorher etwas großmäulig behauptet, ich würde sehr kindisch sein, wenn ich auf dem Spielplatz bin.
Ich habe dann beim Rutschwettrennen verloren. Die Disziplin ging so:

  • Zur großen Holzburg rennen
  • Treppen besteigen
  • über die Hängebrücke rennen
  • Runterrutschen

Das Mädchen kannte aber die kürzeste Routen und gewann natürlich immer. Ausserdem konnte ich nicht gut rutschen. Mit meinen (neuerdings) kurzen Hosen, quietschte ich mit Haut auf Blech in Schneckentempo über diese Metallwanne hinunter.

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Später zuhause verlor ich meine Stimme. Das kling, als hätte ich einen wilden Abend gehabt.

[Mittwoch, 23.6.2021 – Nationalschiessen, KP Boateng]

Meine Frau wollte heute Fussball schauen. Das Gedöns mit der UEFA und den Regenbogenfarben weckt offenbar das Interesse von fussballfernen Schichten. Vielleicht war das ja einfach ein kluger Schachzug des Marketingteams der UEFA.
Und so geschah es dann doch noch, dass ich mir ein Spiel ansah in dem Nationen um die Überlegenheit über eine andere Nationen streiten.

Ein paar Freundinnen haben Tickets für das Testspiel von Hertha gegen Babelsberg besorgt. Es ist erst am 10. Juli. Aber darauf freue ich mich. Dann beginnt der richtige Fussball wieder.

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Heute wurde die Rückkehr von Kevin Prince Boateng zu Hertha verkündet. Sportlich kann ich das nicht so gut einschätzen, habe da eher meine Zweifel, allerdings kann ich ihn mir gut vorstellen als den Joker, der in der 80. Minute reingeworfen wird, wenn die Mannschaft den Mut verloren hat, wenn man unbedingt noch dieses eine Tor braucht, die Köpfe aber alle gelähmt sind.

Die Story ist jedenfalls gut. Der Weddinger Junge, der Hertha am Anfang seiner Karriere in Richtung Tottenham verliess, dann über lange Wanderjahre in Italien, England, Frankfurt und sogar für vier Spiele bei Barcelona, vierzehn Jahre später, am Ende seiner Karriere zu seinem Heimatverein zurückkommt. Er sagt schon seit Jahren öffentlich, dass er zu Hertha und nach Berlin zurückkommen will.
Gestern dann, zeigt er sein neues Tattoo. Mitten auf der Brust zwischen all den anderen alten Tätowierungen: eine kleine Herthafahne. Genau mitten auf der Brust. Da gibt es tatsächlich diese Aussparung in der die Fahne passt. Als hätte er all die Jahre die Stelle freigehalten. Das ist fast schon Kitsch.

https://twitter.com/HerthaBSC/status/1407728573805387778

[Dienstag, 22.6.2021 – Netzsocken, Regenbogenstadion, Sticker]

Heute zog ich zum ersten Mal die kurzen Socken an. Als ich sie im Netz bestellt hatte, überzeugte mich die Beschreibung, dass sie die Füße gut durchlüften würden. Als ich die Socken heute überzog, merkte ich, dass sie aus einer Art Netz sind, also nicht deckend, wie übliche Textilien, sondern mit einer fetischmäßigen, groberen Netzstruktur.
Glücklicherweise habe ich in meiner Firma viel mit Sex zu tun, weshalb es natürlich keine Kleiderordnung gibt, es aber auch nicht so etwas wie Anstößigkeit beim Aussehen gibt. Finds dennoch lustig. Die ganze Unfreiwilligkeit. Vom Design, über die Produktion bis zu mir, der mit seinen Fetishsocken an seinem Schreibtisch sitzt.
Aber was weiss ich schon, was sich die Designerin dabei gedacht hat.

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Die Medienberichterstattung rundum meiner Wahrnehmungsblase dreht sich vornehmlich um die Stadionbeleuchtung für das morgige Spiel Deutschland gegen Ungarn. Ungarn hat ja diese homofeindlichen (anti LGBTQ+) Gesetze erlassen und in der Allianzarena in München sollten deswegen in Regenbogenfarben erleuchtet werden. Der Antrag für diese Beleuchtung wurde aber von der UEFA abgelehnt.

Es ist ein erwarteter, dennoch gesellschaftlich verheerender Move, der der ungarischen Regierung und homofeindlichen Menschen letztendlich sagt: eure Einstellung ist die Norm, sie ist unpolitisch, wenn man etwas dagegen tut, dann ist es politisch.

Guter Thread dazu von Christian Christensen

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Den Tag über bis in den Abend immer wieder mit den neuen Fanclubstickern beschäftigt gewesen. Wir haben etwa 12000 Sticker drucken lassen und werden uns am Donnerstag treffen um die Sticker unter die Mitglieder des Fanclubs zu verteilen. Ich kümmere mich ja gerne um solche Sachen, ich bin ja chronisch unterfordert. Ich hatte dennoch die Komplexität unterschätzt. Wie schwierig es ist, einen fairen Schlüssel zu finden, wie Stickermengen zu verteilen sind, da es Leute gibt, die ja nur ein paar Sticker für ihre Laptopklappen oder fürs Auto wollen und auf der anderen Seite Teenager, die ihren ganzen Kiez vollkleben. Und noch viele Szenarien dazwischen. Und die Menge. 12000 sind ganz schön viel. Ich hatte nur 1000 bei mir herumliegen. Aber ich habe schon die Fotos der Gesamtmenge gesehen. Das kann man gar nicht mehr richtig auf dem Fahrrad transportieren.

[Montag 21.6.2021 – Sommersonnenwende]

Nach der Arbeit sitzen wir auf einer Wiese. Es ist schon spät. Die Sonne ist bereits hinter den Bäumen. Ich weiss nie welche die kürzeste Nacht ist. Ist es die Nacht vor der Sonnenwende oder die Nacht danach? Man redet ja immer nur vom Tag. Nächstes Jahr werde ich zur Sommersonnenwende wohl in Skandinavien sein. Und zur Wintersonnenwende vermutlich in Tromsö.
Longyearbyen ist erst im April nächsten Jahres dran. Aber die Sonnenwenden sind in Longyearbyen ohnehin nicht so spannend wie in diesen Grenzgegenden um den Polarkreis.

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Ich habe so etwas wie eine Erkältung. Es misst 32 Grad und ich bin erkältet. Ich fühle mich erdrückt und erschlagen und ich schwitze mehr als sonst. Nach einem Aspirin und ein wenig Nasenspray geht es allerdings besser.

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Ab morgen werden die Tage kürzer. Bald kommt der Winter (hrhr).
Ich scherze nur. Ich freue mich sehr auf die kommenden Tage bei einer perfekten Temperatur von 24 Graden.

[Sonntag, 20.6.2021 – Saugroboter]

Ich wurde um halb sechs wieder von der Nachtigall geweckt. Danach konnte ich nicht weiterschlafen.

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Wir hatten heute geplant, die Wohnung aufzuräumen. Gründlich. Das haben wir dann auch gemacht.

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Danach den ganzen Abend mit der Auswahl eines Saugroboters verbracht. Wir haben einen 5 Jahre alten Roboter. Er ist Teil des Haushaltes, trägt einen Namen und ist männlich.
Aber er zeigt Nachlässigkeiten. Er hat an Sensibilität verloren. Schiebt mittelschwerde Möbelstücke vor sich her anstatt sie zu umfahren, bleibt plötzlich und grundlos stehen. Manchmal bleibt er tagelang stehen.
Ich spare es mir mal, diesen Text als Metapher aufzubauen, aber dennoch sei gesagt: es fühlt sich an, als hätten wir einen kleinen Rebellen im Haus.

Wir redeten schon länger darüber, einen neuen Roboter anzuschaffen, gestern machte ich also ernst. Es ist gar nicht so leicht, sich für einen Saugroboter zu entscheiden. Bei Technik soll man auch nicht unbedingt sparen. Wenn man bei Technik spart, merkt man irgendwann immer irgendwelche Nachteile, die man sehr bereut.
Ich hätte ausserdem gerne einen Roboter mit Wischfunktion, aber einen, der nur wischt, wenn man ihm das auch sagt. Hightec mit App wäre auch geil. Und einer, der nicht ständig steckenbleibt. Und männlich sollte er auch sein. Auch wenn wir damit schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Und es ist immer gut, Bewertungen zu lesen. Vor allem die negativen Bewertungen. Steht dort, die Verpackung sei schlecht oder die Ladestation wirke nicht sehr wertig, dann sind das Kriterien, die mir sehr egal sind. Aber manchmal liest man da Details, die einem wichtig sein können. Details von denen man vorher gar nicht wusste, dass es sie geben könnte.
Ich suchte nach „kleiner Rebelle im Haus“. Das kannten wir, aber wollten wir auf keinen Fall wieder.
Es wurde Bettgehzeit. Wir haben ein paar Optionen und den Kopf voll Informationen. Mehr aber auch nicht.

[Samstag, 19.6.2021 – Hitze, Pomade]

Wir sind ganz gut darin, die Wohnung kühl zu halten. Nachts öffnen wir die Fenster und sobald es 22 Grad überschreitet, schliessen wir sie. Wir blieben heute im Haus. Nicht sehr bekleidet. Und wir fuhren unsere Körperfunktionen runter. Wir schauten diese neue Netflix-Serie aus Island. Es ist etwas verstörend, Menschen in Wollpullovern zu sehen, aber bald kühlt es uns selbst innerlich ab.
Die Serie ist ganz ok, die Landschaften sind natürlich toll, die Geschichte ist aber etwas schleppend und man denkt sich ständig: redet doch miteinander, dann würdet ihr das ganz schnell geklärt haben. Andererseits gäbe es dann vermutlich keine 8 Folgen, sondern nur 2.

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Das Wetterthermometer erreicht heute 36 Grad. Ich messe meine Körpertemperatur: 36,7. Wir gehen mehrmals unter die Dusche.

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Der erwartete Kater fällt sehr sanft aus. Ich hatte ein wenig Angst davor, ich wusste nicht, wie mein Körper auf diese lange Abstinenz reagieren würde. Die Angst war unbegründet.

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Meine neue Pomade kam. Reuzel heavy hold. Reuzel hat ja diese schönen Dosen mit dem Schwein als Logo. Die Marke ist sehr beliebt und ich kannte die grüne „Medium Hold“, aber die war mir zu Medium und sie hält bei meinen schweren Haaren nur wenn sie sehr kurz sind. Deswegen kaufte ich die pinkfarbene „Heavy Hold“.
Beim Öffnen der Dose kam mir ein sehr penetranter Kaugummi-Duft entgegen. Die Pomade riecht nach Erdbeeren und Kirsche, wie die klebrig süßen Hubbabubba-Kaugummis, mit denen wir uns in den Achtzigern den Mund vollstopften.

Den Geruch hatte ich nicht erwartet und das enttäuschte mich ziemlich, da ich diesen Geruch nicht mit Pomaden in Verbindung brachte und es mich sehr stören würde, mit diesem Geruch auf meinem Kopf herumzulaufen.
Deswegen schaute ich auf Bewertungsportalen nach, ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine Pomade mit sehr guten Bewertungen so riechen würde. Die Bewertungen waren aber überaus positiv und alle schienen von diesem tollen Kaugummiduft begeistert zu sein.

Also ich bin mit dem Konzept der unterschiedlichen Geschmäcker durchaus vertraut. Aber.

[Freitag, 18.6.2021 – Wienerschnitzel]

Hitzewelle also.

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Am 15. März des vorigen Jahres waren wir mit Freunden zum Schnitzelessen verabredet gewesen. Fünf Tage vorher, am 10. März, begannen wir uns Gedanken zu machen. Die Lage um das Virus veränderte sich schließlich zwei Mal pro Tag. Am 13. März begannen wir dann alle zu kneifen und wir schlugen vor, den Schnitzeltermin erstmal um ein paar Wochen zu verschieben.

Ein Jahr und drei Monate später zogen wir dann diesen Termin wieder aus der Chatgruppe hoch. Wir wollten Ende Juni den Termin nachholen und damit sowas wie die letzten 15 Monate ausräuchern. Auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist, aber es fühl sich an, als würden wir der Pandemie bei ihren letzten Zuckungen zu sehen. Was natürlich auch eine Täuschung dieses Sommerlebens sein kann.
Nicht alle wollten schon daran teilnehmen, weil nicht alle geimpft waren, wir werden den Termin also offiziell noch einmal nachholen und damit das Ende der Pandemie einläuten.

Wir gingen ins Alt-Wien in der Hufelandstraße, wo es das beste Wienerschnitzel außerhalb der wiener Stadtgrenzen gibt, und aßen, genau, Wienerschnitzel. Außerdem trank ich seit mehreren Monaten das erste Mal wieder Alkohol. Ich hatte ein wenig Angst vor dem Abend. So viel Essen, Alkohol trinken und die Hitze. Ich bin das alles nicht mehr gewohnt, aber ich schien es gut zu vertragen, dennoch werde ich morgen wohl ein wenig verkatert sein. Kater, ich weiss gar nicht mehr, was das ist.

Gegen Mitternacht liefen wir durch diese schöne Sommernacht durch den Prenzlauer Berg nach Hause.

[Donnerstag, 17.6.2021 – Rigaer, Gleis3eckpark, Hitze]

Zwei Strassen weiter in der Rigaer brannte es gestern und auch heute brannte wieder. Wegen einer geplanten Brandschutzbegehung. Auch wenn ich früher selbst an den brennenden Barrikaden stand, sehe ich mittlerweile nur die Revolutionsfolklore. Nein, es ist nicht cool, Polizistinnen zu verletzen, nein es ist nicht cool, dein Lebensmodell einem ganzen Kiez aufzudrücken, und du kannst dich nicht militärisch gegen eine Staatsmacht hochrüsten. Erst recht nicht, wenn du das sogenannte „Volk“ nicht hinter dir stehen hast. Und militärisch hochrüsten sollte nie das Ziel sein, wenn du eigentlich pazifistische Ziele vefolgst. Tust du es trotzdem ist es Revolutionsfolklore. Und es dient auch nicht der Diskussion über das Wohnungsproblem. Auch wenn es charmant ist für 200€ pro Jahr ein Haus zu bewohnen, dient das halt auch nicht als Modell für das Wohnungsproblem einer ganzen Stadt.
Es verzerrt den politischen Diskurs und es spielt den Rechten in die Hände.

Auch wenn ich es nach wie vor richtig finde, leerstehende Häuser zu besetzen. Aber das ist eine andere Diskussion.

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Am Abend treffe ich mich mit einer früheren Kollegin. Wir setzen uns in den Südostteil des Parks am Gleisdreieck. Diesen älteren und größeren Teil des Parkes kenne ich gar nicht, ich kenne nur den anderen Teil mit der Brauerei.
Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen und haben viele Dinge nachzuholen, aber nach unserem Treffen bin ich von allen möglichen Themen angefixt, u.a. berichtete sie mir von ihrem Urlaub im letzten Sommer, an dem sie ein Hausboot gemietet hatte und darauf mit ihrem Freund eine Woche lang über die Havel geschippert ist. Ein Hausboot, also ein kleines Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und ein Balkon auf einem fahrbaren Unterbau. Die Fotos die sie zeigte, wie sie für die Nacht einfach mitten in irgendeinem See den Anker ausgeworfen hatten und die Sonne am Horizont absank, die Ruhe des Wassers. Boah.

Die Hitze ist im Schatten einigermaßen erträglich. Ich vermute, es hängt auch damit zusammen, dass ich ab 14 Uhr nichts mehr esse und vor allem, weil ich keinen Alkohol trinke. Essen und Alkohol heizen mich ja immer auf. Morgen sind wir zum Essen und zum Trinken verabredet. Auch wenn ich mich schon lange auf diese Verabredung freue, fürchte ich mich jetzt ein wenig. Weil ich ahne, dass die Nacht danach bei diesen Temperaturen qualvoll wird. Andererseits wiege ich jetzt auch so wenig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Und das kennt man ja so, von den Gesprächen an der Kaffeemaschine, dass dicke Menschen die Hitze schlechter vertragen. Das ist bestimmt wahr.

In einem Meeting am Vormittag fragte ich meine Kollegin aus Indien, wie ihr der Sommer bisher gefällt. Wir reden oft über die klimatischen Bedingungen in Berlin. Sie lebt zum ersten Mal ausserhalb Indiens und Jahreszeiten findet sie sehr exotisch. Es ist ihr erster Sommer in Berlin. Am Sommer überrascht sie vor allem die langen Abende und dass es bereits ab 4 Uhr morgens hell wird. In Indien geht die Sonne immer zwischen 5 und 6 Uhr unter. Sommer wie Winter.

Sie sagt aber auch, dass sie die Sonne hier als unangenehm empfindet. Sie sagt, die Sonne brenne hier auf der Haut, sie fühlt sich ein bisschen wie ein Hühnchen im Ofen. In Indien sei das nicht der Fall, weil sie dort aufgrund der Luftfeuchtigkeit immer schwitze, und es käme ihr vor, als würde sie das vor der brennenden Sonne schützen. Darüber muss ich mal nachdenken. Ich hatte oft das Gefühl, dass die Menschen sich in Berlin vor allem dann beschweren, wenn die Sommer feucht und drückend werden. Dass eine erfahrene Sonnenhitzekennerin wie sie jetzt so eine mir neue und gegenteilige Beobachtung macht, finde ich spannend. Das muss ich mal beobachten.

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Hölzernes deutsch heute.

[Mittwoch, 16.6.2021]

Am späten Nachmittag Benny getroffen. Wir setzten uns auf eine Wiese am Potsdamer Platz in den Schatten der großen Häuser. Im Schatten ist es die perfekte Temperatur. Ja, ich weiss, ich sage das öfter: die perfekte Temperatur. Ich habe das auch schon mal bei 12 Grad gesagt, auch schon bei 16 und sicherlich ganz oft bei 21. Dass ich das auch bei 25 sage, ist aber neu. Vielleicht kommt es dadurch, dass ich eine kurze Hose trage und ich deswegen ein paar Grad mehr vertrage. Aber man kann ja nicht immer kurze Hosen tragen, oder? Wie sähe die Welt da bloss aus?

Wir sitzen jedenfalls lange auf der Wiese bei einer perfekten Temperatur und reden über die Dinge.

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Interessanter Thread: Julian Zündorf fragt: Welche Romane haben euch emotional am stärksten überfordert.

Der erste Titel, der mir in den Sinn kam, war „Disgrace“ von J.M Coetzee. Meine Frau empfahl es mir damals, als wir noch ein frisch verliebtes Liebespaar waren und ich wollte alles lesen, was diese schöne, unbekannte Frau mir empfahl. Bei Disgrace wusste ich nicht, worauf ich mich einließ, ich wusste nur, dass es in Südafrika angesiedelt war und natürlich die ethnische Thematik behandelte.

Ich meine mich zu erinnern, dass ich schon einmal darüber gebloggt hatte und in der Tat, eine kurze Suche hier spuckt mir einen Eintrag aus 2011 heraus. Ich notierte damals:

„Beim Lesen von Coetzees »Schande« kalt erwischt worden. Die Geschichte kommt leichtfüßig und unscheinbar daher, Gesellschaftsstudie vielleicht, schön zu lesen, große Figuren, Nobelpreisliteratur halt, dann kommt die Szene mit dem Überfall, unangekündigt und beiläufig, man braucht ein bisschen Zeit zu verstehen, dass jetzt etwas anderes passiert, und schon hat man das Grauen hereingelassen und wird von seiner ganzen, beliebigen Brutalität erschlagen. Meine Handinnenflächen gaben kalten Schweiß ab. Den Rest des Tages blieb ich leicht verstört.“

Lass ich mal so stehen.