[Dienstag, 15.6.2021]

Heute hatte ich einen Termin bei meiner Tätowiererin. Der Termin war um vierzehn Uhr, aber die eigentlichen Arbeiten begannen erst um 18 Uhr. Wir hatten planerische Probleme. Der Drucker funktionierte nicht, wir versuchten lange ihn zum Laufen zu bekommen, bis wir aufgaben, dann stellte sich heraus, dass das Motiv spiegelverkehrt war, weil ich meinen Oberarm vorab im Spiegel abfotografiert hatte und sie daher das Motiv falsch erstellt hatte, dann war das Motiv zu klein und so mussten wir zwei Mal in den Copyshop, vor dem jeweils eine lange Schlange wartender Menschen stand. Mit vier Stunden Verspätung konnten wir dann endlich beginnen.

Ich mag diese Tätowiererin sehr. Sie kommt aus Florenz und wohnt seit etwa zehn Jahren in Berlin. Seit einigen Jahren pendelt sie zwischen beiden Städten. Letzten Januar flog sie nach Florenz und als dann Corona in Italien ausbrach und das ganze Land in die Knie zwang, sass sie da fest.
Ich gehe hauptsächlich zu ihr, weil sie sehr ruhig ist, und der Austausch mit ihr sehr ungekünstelt, ohne Attitüde ist, und dass sie sich Zeit nimmt und ein bisschen langsam ist.

Nach diesem langen Termin mit vielen stressigen Momenten, bedankte sie sich bei mir, dass ich als Kunde so ruhig geblieben bin. Ich war etwas erstaunt und sagte, dass ich immer zu ihr ginge, weil sie immer so ruhig ist. Haha. Fanden wir beide lustig.

Als ich nach Hause kam, musste ich ein paar Telefongespräche absolvieren, danach fragte mich meine Frau, ob ich mit ihr Fussball schauen würde. Meine Frau fragte das. Sie weiss, wie sehr ich das Nationalschiessen verabscheue, sie meinte das aber nicht aus Witz, sondern fragte allen ernstes, ob wir das Spiel zusammen schauen könnten.

Ich sagte zuerst nein, aber der Gedanke liess mir nicht mehr los. Irgendwann kurz vor der Halbzeitpause schalteten wir dann ein. Deutschland gegen Frankreich. Klischeehafter geht kaum. Deutschland lag wegen eines Eigentores von Mats Hummels einsnull zurück. Wir sahen einige unfassbar schnelle Angriffe des französischen Teams.

[Montag, 14.6.2021]

Ich trage heute zum dritten Mal in meinem Leben eine kurze Hose im Büro. Ich habe eine kurze Hose gefunden, die nicht so sehr nach Sommerurlaub aussieht, ich bin da äußerst wählerisch. Langsam gewöhne ich mich daran.
Vermutlich werde ich morgen wieder eine kurze Hose tragen. Übermorgen soll es über dreissig Grad warm werden. Übermorgen also sicherlich.
Ich habe heute zwei weitere kurze Hosen online bestellt. Und kurze Socken. Lange Socken mit kurzen Hosen sind schwierig.

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Am Abend treffe ich meine Fussballfreundinnen.

Wir sitzen lange im Tiergarten im Gras. Eine der Freundinnen hat Fruitysecco mitgebracht. Ich esse ja ab 14Uhr immer noch nichts. Dazu gehört auch Alkohol. Bei Fruitysecco denke ich: zum Glück. Es ist aber ein lustiges Mitbringsel. Die Ameisen mögen ihn und bevölkern die Flasche von innen.

[Sonntag, 13.6.2021]

Oh. Das Fussballnationalschiessen hat wieder begonnen. Ich dachte, das sei viel später.

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Wenn ich den heutigen Tag rekapituliere, dann fällt mir nicht ein, was ich aufschreiben sollte. Nun, ich habe ein bisschen Bauchsport gemacht, ich habe ja Angst, dass das Bauchgewebe etwas zu sehr hängen wird, wenn ich noch mehr abnehme. Dann habe ich 500g Haferreis gemacht und teilweise eingefroren, damit ich unter der Woche immer ein bisschen davon mit ins Büro nehmen kann. Aber sonst habe ich wirklich nur aufgeräumt und gechillt.

[Samstag, 12.6.2021 – Kühe, Raben, Kloster Chorin]

Wir haben heute den Ausflug in die Uckermark nachgeholt. Mit Frau Modeste, ihrem Mann und dem kleinen Sohn. Wir fuhren zuerst nach Brodowin. Ich wusste gar nicht so genau, was uns da erwarten würde, aber ich bin immer für Ausflüge zu haben, ich brauche gar kein besonderes Programm, ein wenig Kulissenwechsel, mich bewegen.

In Brodowin trafen wir uns bei diesem offenbar bekannten Ökohof und assen zu Mittag. Ich bestellte einen Pulled-Reh Burger, meine Frau ass Thymian-Rinderbockwurst. Der Ökohof ist ein Bauernhof mit angeschlossenem Laden, einer Küche und man darf da zwischen den Ställen herumlaufen.
Ich war ja Kuhhirte und hatte bis zu meinem 12. Lebensjahr sicherlich mehr Kühe kennengelernt als Menschen. Aber ab 13 hörte das auf. Nicht, dass ich ab dem 13. Lebenjahr keine Kühe mehr mochte, aber in meinem Freundeskreis hütete einfach niemand mehr Kühe, deswegen hing man nicht mehr bei den Kühen ab, sondern am Parkplatz bei der Feuerwehr.
Solange jemand Kühe hütete, traf man sich immer am Dorfrand, wo die Kumpels auf die Kühe aufpassten und man folgte alle paar Stunden der Herde, bzw brachte sie bei den Strassenübergängen von einer Wiese zu der nächsten.
Ab 13 wurde es ehrlicherweise ein bisschen uncool, bei den Kühen abzuhängen, vor allem, wenn im Sommer die schönen Mädchen aus Deutschland oder Italien kamen, da wollten wir nicht wie Bauernburschen wirken, sondern so cool sein wie Michael J Fox oder Michael Jackson.

Mir wurde erst vor zwei Jahren in Irland wieder bewusst, was das eigentlich für große und schwere Tiere sind. Wir liefen damals über eine Weide an der Westküste und es kamen zwei Kühe auf uns zu. Große, schwere Tiere mit langen Hörnern und einem finsteren Blick. Ich verstand zum ersten Mal, dass die mich einfach tottrampeln könnten. Dabei waren sie einfach nur neugierig auf uns, sie konnten ja nicht wissen, was lange Hörner bei Menschen für Assozationen hervorrufen. Kühe sind ja Totalphlegmatinnen, springen nie, rennen nie und streiten sich nie. Vermutlich hingen wir als Kinder deshalb so gerne bei den Kühen ab. Wir waren ein bisschen wie die, wir wurden gerne in Ruhe gelassen, wollten nie rennen, nie springen, nur ein bisschen mit Händen in den Hosentaschen herumhängen, uns alberne Dinge erzählen und Kaugummi kauen. Dieses ständige Kauen der Kühe. Diese Leckmich Attitüde.

Es ist ein lustiger Zufall, dass ich am Dienstag einen Tattootermin habe und das Motiv ist, genau, eine Kuh.

Wir haben dann auch zwei Raben gesehen. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich richtige Raben gesehen habe. Ich meine nicht Krähen, sondern richtige Kolkraben, die großen Schwarzen. Ich komme aus einem kleinen Alpendorf namens Corvara, was so viel wie „Ort der Raben“ bedeutet. Corv ist rätoromanisch für Rabe, also wie Corvus auf lateinisch. Ich kann mich aber nicht erinnern, ob es in meiner Kindheit Raben gab. Verschiedene, vor allem kleinere, Krähenarten schon, aber Vögel interessierten mich damals nun wirklich nicht.

Die Rabenpopulationen wurden in Mitteleuropa ja ziemlich ausgerottet, da man sie im Mittelalter und in den darauffolgenden Jahrhunderten als Überbringer von schlechten Zeiten sah und aufgrund ihrer Größe und weil sie schlichtweg alles fressen, also auch Wirbeltiere, hatte man auch einfach Angst davor. Es ereilte sie das gleiche Schicksal wir Wölfe und Bären.
Ich las kürzlich darüber, dass sich in Brandenburg wieder einzelne Kolonien gebildet haben. Da standen wir also. In Brodowin. Über uns auf dem Dach eines Heusilos, zwei Exemplare dieses symbolträchtigen Vogeltiers, vielleicht die ersten Boten einer großen Rückkehr. Und wie sie da so saßen, finster, mit diesem langen Schnabel und dieses laute, tiefere kraaa, das eher einem rollendem grrrrrroooo ähnelt. Als ich so an die gegenwärtigen politischen Wetterverhältnisse dachte und die beiden Verkünder von schlechten Zeiten auf dem Dach zu uns herunterrufen sah, wundert es mich eigentlich nicht, dass Leute sie töteten.

Nachher fuhren wir zum Kloster Chorin. Ich wollte immer schon einmal zum Kloster Chorin. Auch wenn ich nicht wusste, was mich da erwartete, so waren doch alle Menschen, die einmal dort waren, begeistert von dem Ort.

Es regnete die ganze Zeit, auch schon in Brodowin. Es war ein schöner Sommerregen. Man konnte noch gut herumlaufen, als der Regen ein bisschen stärker wurde, stand man einfach irgendwo unter. Bevor wir zum Kloster gingen, setzten wir uns in die Klosterschenke, draussen im Garten unter ein Zeltdach. Wir aßen Grütze und Pfannkuchen. Die Frauen tranken gespritzten Aperol, wir führerscheinhaltenden Männer nicht.

Das Kloster ist eine Ruine und ein Museum. Also mit Eintritt und einem Museumsshop. Das sollte man wissen. Ich wusste das nicht, ich wusste ja nur, dass alle immer begeistert waren. Da ich als Kind zwei Jahre in eine Klosterschule gegangen bin, kenne ich Mönche und Nonnen aus erster Hand und es ist mir nicht besonders fremd, es hätte also genau so gut ein richtiges Kloster mit richtigen Bewohnerinnen sein können, ich ging da völlig unvorbereitet hin. Das klingt erst mal so, als wäre ich enttäuscht gewesen, aber das ist keineswegs so, ich hatte mir einfach keine Gedanken darüber gemacht, was Kloster Chorin hätte sein können, ausser, dass Leute immer begeistert waren. Ich war dann auch begeistert.

Es ist eine Museumsruine. Sie hat viele Gedanken bei mir ausgelöst. Zum einen fand ich vor allem den organisatorischen und wirtschaftlichen Teil der Anlage unglaublich spannend, also die Aufteilung von religiösen und der Andacht zugedachten Trakten und jenen Teilen, in denen sich das Brauhaus und die Küche befanden. Auch der Fakt, dass der ganze Komplex lediglich zwei warme Räume hatte, ist eigentlich schwer vorzustellen, immerhin zu einer Zeit, in der es etwas kälter als heute war.
Am meisten beeindruckt hat mich dann doch ein Film. Dieser wurde in einem der Räume gezeigt in denen die Mönche sich mehrmals täglich zum Beten trafen. Es war ein animierter Film über den Tagesablauf der Mönche. Ein sehr strukturierter und ritualisierter Alltag unter Männern. Demut, Gottesgefälligkeit, Unterwerfung an strikten Regeln, Machtausübung. Irgendwie sexualisiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass man damals, wenn man einem Lebensstil oder sexuellen Praktiken zugeneigt war, die man heute dem BDSM zuschreibt, und wenn man das gleiche Geschlecht vorzog, man hinter Klostermauern ein erträglicheres Leben vorfand als draussen in einer Welt, in der man bestimmte Rollenbilder aufrecht zu erhalten hatte. Diese Erkenntnis ist vermutlich nicht neu. Sie hat sich beim Ansehen dieses Filmes bei mir nur so offensichtlich ausgebreitet.

Besonders angetan war ich von der Fusswaschung. Mönche waschten sich am Abend gegenseitig die Füße. Aus sakralen Gründen, weil Jesus das auch tat. Sie taten das Gegenseitig, ungeachtet der sozialen Hierarchie. Das gegenseitige Waschen der Füße. Wie schön.

[Freitag, 11.6.2021 – Lost]

Langer Tag im Büro.

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Heute kam die letzte Folge von Kate Winslets Mare of Easttown. Wir hatten die ganze Woche darauf gewartet und würden nun endlich erfahren, wer das Mädchen getötet hat. Es war, wie wir ahnten, ziemlich unerwartet.
Gute Geschichte, gute Figuren. Und ich habe Kate Winslet ganz neu für mich entdeckt, ich muss mal schauen, was die sonst noch so gemacht hat, in den letzten Jahren.

Nach dem Ende saßen wir noch lange auf dem Sofa und unterhielten uns über die Geschichte. Später unterhielten wir uns über die Entwicklung der Erzählformen und kamen dann unweigerlich zu LOST aus 2004, die ein neues Zeitalter der Serien eingeleitet hatte, diese lange, seriell erzählte Mysterie-Serie in Kino Optik. The Wire und Six Feet Under hatten die ersten Bohlen ausgelegt, und mit LOST zog das erste mal ein riesiges Epos ins Fernsehen ein. Wir besclossen die Pilotfolge noch einmal Probe zu sehen und alle Gefühle, und die ganze Aufgeregtheit, die damals hochkam, war wieder da.

Wir wurden dermaßen reingesogen, dass wir die vier ersten Folgen noch einmal schauten.

Ja, LOST wurde ab der vierten Staffel vergurkt. Und ab der zweiten Staffel merkte man schon, dass bei der Fülle an Fässern, die da geöffnet werden, es sehr schwierig wird so eine Geschichte je wieder schlüssig zu Ende zu bekommen. Hat dann auch nicht geklappt.

Die Macherinnen von LOST habe mich Jahre später dann mit The Leftovers versöhnt. Alles, was sie mit LOST vergurkt haben, haben sie bei The Leftovers richtig gemacht.
Als wir heute LOST ausschalteten, beschlossen wir, die ersten beiden Folgen von Leftover noch einmal zu schauen. Aber ein andermal natürlich.

[Donnerstag, 10.6.2021 – Spazieren in Berlin. Und im Tiergarten]

Zur Mittagspause traf ich Klaus Gierl auf einen längeren Spaziergang im Tiergarten. Da er bei historischen Themen sehr bewandert ist und sich mit der Geschichte Herthas und der Geschichte Berlins auseinandersetzt, brachte ich ihm ein Buch von Franz Hessel mit. „Spazieren in Berlin“. Ich hatte das Buch bei meiner Ankunft in Berlin vor 14 Jahren, geschenkt bekommen. Es beschreibt das Stadtleben in 1929, was einerseits eine sehr spannende und viel besungene Zeit in der Stadt war, ausserdem auch jene Zeit, in der Hertha gerade zur besten Fussballmannschaft Deutschlands aufzusteigen begann.

Als ich das Buch gelesen hatte, spielte Hertha noch keine Rolle in meinem Leben, ich kann mich daher nicht erinnern, ob es darin vorkam.
Was ich an dem Buch mochte, ist dieses Zeitzeugnis Berlins. Keine Fiktion, keine Geschichte. Einfach nur ein Mann, der durch Berlin flaniert und Sachen beschreibt, Leute, Bauten, Bauarbeiten und hat dabei auch ein gutes Verständnis für Zusammenhänge, politische Entscheidungen, die zu gewissen städtebaulichen Änderungen führten etc.

Wenn ich eine Zeitreise machen würde und im Berlin von 1929 landen würde, dann wären es ziemlich genau diese Dinge, die Franz Hessel eingefangen hat, die mich interessieren würden. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde man mir eine Videokamera durch ein Zeitloch reichen und er würde für mich als Menschen aus der Zukunft das damalige Berlin zeigen.

Klaus und ich irren durch den Park. Die Sprenkleranlagen sind mächtig, sie strahlen große Wassermassen ins Grün. Manchmal muss man auf den Wegen warten, bis der Wasserstrahl sich gedreht hat. Manche Menschen werden nass.
Wir reden über die linke Szene. Über deren Uniformität, über konservative Haltungen. Es ist ein Thema, das uns beide sehr beschäftigt.

Es ist sehr warm. Im Schatten geht es, aber sobald man sich bewegt, wärmt sich der Körper schnell auf.

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Ich habe mir an der Tastatur einen Bluterguss am rechten Daumen zugezogen. Wie ich herausgefunden habe, kann man nämlich an meiner mechanischen Tastatur nicht nur die Tastenkappen austauschen, sondern auch die darunterliegenden Schalter. Ich habe ja bereits von den unterschiedlichen Schaltern erzählt, dass braune Schalter aufgrund des taktilen Gefühls gut für Vieltipperinnen sind, rote Schalter überhaupt kein Feedback geben, sondern sich linear betätigen lassen und so weiter. Deswegen besorgte ich mir jetzt vier rote Schalter. Diese Schalter sind offenbar standardisierte Bauteile. Ich liebe offene Standards. Diese vier roten Schalter habe ich heute in meine vier Cursortasten verbaut, damit ich, nunja, geräuschlos linear Cursortasten bedienen kann. Man weiss nie, wofür das mal wichtig ist.

Beim Herausziehen der Schalter habe ich mich jedenfalls verletzt und habe nun einen Bluterguss am Daumen. Das wollte ich sagen.

[Mittwoch, 9.6.2021 – Telekomschränke]

Gestern Abend gab es Internetstörungen im Festnetz, bzw beim DSL. Ab 23Uhr lief dann gar nichts mehr. In diesem Haushalt fällt das Leben flach, wenn das Internet weg ist. Kein Spotify, kein Netflix, kein Arbeiten, nur lokale Texte gehen. Hänge wie am Tropf an diesem Kabelpfropf beim Wohnungseingang.

Mitten in der Nacht wachte ich zwei Mal auf. Beide Male checkte ich, ob mein WLAN Internet hatte. Das erst Mal nicht. Das zweite Mal schon.
Als ich am Morgen aufstand war das Internet wieder da und ich vergass die Störung schnell.

Dann fuhr ich los, die Strasse hinaus und ein Telekom-Auto stand an einem der Kästen an der Strasse geparkt. Der Schrank war offen und davor saß ein Mann, der Dinge mit Kabeln machte. Ich sagte: oh Danke, die Störung ist jetzt behoben, oder?
Er vejeinte das. Er meinte, es sei jetzt provisorisch gelöst, aber in einer Stunde würde es vermutlich ein weiteres Mal ausfallen. Am Abend könnte ich aber mit einer stabilen Verbindung rechnen. Ich sagte das freue mich. Und dann fuhr ich los.

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Später fiel mir auf, dass der Telekom-Herr gar nicht an dem Telekom-Kasten arbeitete, den ich als Telekom-Kasten identifiziert hatte. Ich erzählte ja mehrmals von dieser Farbschlacht, die ich mir mit einem FC Unionfan an den Telekomkästen in meiner Straße liefere. Mittlerweile habe ich seinen FCU-Schriftzug mit vielen kleinen HERTHA HERTHA HERTHA Wörtern übersäht. Soll er das mal überpinseln.
Wenn der Telekom-Herr aber an anderen Kästen werkelt, dann sind das gar keine Telekomschränke, die ich da Union-frei halte.

Muss ich mal checken, was das für Kästen sind. Ich kann hier ja keine Märchen erzählen.

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Am Abend bin ich ein bisschen gaga. Müde und von den vielen Themen auf der Arbeit etwas leergesogen. Ich sitze eine Stunde auf dem Schaukelstuhl in der Küche und schaue in die Leere. Eine Podcastfolge läuft. Von irgendwem über irgendwas.

[Dienstag, 8.6.2021 – Insektenhass]

Das eindrücklichste, das von unserem Besuch am Schmarmetzelsee übriggeblieben ist, sind die vielen Insektenbeulen auf den Beinen und den Oberarmen. Das meiste sieht nach Mückenstichen aus, aber ein ganz fieser Stich oder Biss an Hosenbundhöhe, muss etwas anderes gewesen sein. Die Beule ist breiter, dicker und die Einstichstelle ist rauh. So werden auch Spinnenbisse beschrieben. Ich hasse Natur. Ich hasste Natur eigentlich immer schon. Ich hasse vor allem Insekten und noch mehr hasse ich Insekten, die beissen oder stechen und ich hasse auch Spinnen, und auch Bäume hasse ich und Tümpel sowieso und Moore und hohes Gras und vor allem stille Gewässer. Und Mücken, wenn sie groß sind, aber auch wenn sie klein sind. Groß aber mehr, zumindest, wenn sie größere Stiche stechen aber auch kleine, weil kleine ständig um einen herumschwirren, sodass irgendwann der Körper anfängt zu jucken, überall, ob man gestochen wurde oder nicht, einfach nur, weil sie da sind und einfach die Juckpest auslösen, die andauert, bis man ins Bett geht, und am nächsten Tag hat man die Stiche.
So sehr hasse ich das alles.

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Am Abend treffen sich einige Bewohnerinnen des Hauses im Hof, weil wir über verschiedene Dinge reden wollen. Die ständig ausfallende Heizung und die auswüchsige Situation mit den Fahrrädern im Hof. Unsere Hausverwaltung ist ein bisschen faul und träge, wir müssen dem ganze etwas Nachdruck geben. Für die Fahrräder werden wir mehr Platz schaffen. Kiesel
streuen und Ständer aus dem Baumarkt hinstellen. Zumindest vorübergehend.

Das Treffen dauert länger, es ist schön, sich mal in einer Runde von Nachbarinnen zu treffen, bisschen quatschen, über dies und das. Wir sollten uns ein paar Bierbänke und einen Tisch in den Hinterhof stellen.

[Montag, 7.6.2021 – Shopping, Permafrostböden]

Heute habe ich dem neuen amerikanischen Mitarbeiter von meinem mitgebrachten Haferreis probieren lassen. Und wir redeten ein bisschen über die Kulturpflanze Hafer bzw über die fehlende Präsenz des Hafers in der europäischen Küche. Er begann die gleichen Fragen zu stellen, wie ich sie stellte, er sagte auch die gleichen Dinge darüber und er fing gleich an zu googlen und sich aufzuschlauen.
Es war schön, diese Gedankengänge von aussen zu betrachten. Normalerweise befinden sich diese Gedankengänge ja in mir drin.

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Nach der Arbeit ging ich in die Mall am Leipziger Platz zum Shoppen. Man kann jetzt wieder richtig shoppen und ich brauche unbedingt neue Hosen und neue Hemden, auch neue T-Shirts, schließlich beginnt die T-Shirtsaison.
Ich fand Hosen. Ich bin neuerdings ja ganz verliebt in diese modischen Jogpants. Enganliegend und elastisch, aber dennoch stylish genug, dass man ein Jackett dazu tragen kann und wenn man es mal richtig gut aussehen lassen will, sogar mit einem weissen Hemd und einer schmalen Krawatte.

Ich war zuerst bei Wormland, wo ich eigentlich so gut wie immer etwas finde, aber irgendwas stimmt gerade nicht mit den Stoffen, die Stoffe sind gerade nicht so meins und ich kann es gar nicht so richtig erklären, vielleicht weil die Stoffe so dick waren und beim Gedanken an den aufkommenden Glutofen namens Sommer, kommen mir beim Gedanken an dicken Stoffen, ganz üble Gefühle auf.
Ich wurde aber bei Uniqlo fündig. Ich bin ja sowieso der totale Uniqlo Fan. Ich liebe diese Art, pragmatische und technologisch raffinierte Mode zu machen und die Bekleidung dabei nach Materialien zu sortieren.
Neben zwei Jogpants kaufe ich mir auch eine kurze Hose. Ich muss mich noch an den Gedanken gewöhnen, dass ich kurze Hosen tragen möchte. Letztes Jahr habe ich das erste Paar gekauft, ein paar Mal trug ich sie dann auch, jedoch habe ich mich damit noch nicht wirklich angefreundet. Allerdings sagt man, ich hätte schöne Waden. Vielleicht sollte ich mich einfach mal überwinden, aber ich fühle mich darin immer wie die Deutschen, die zu uns in den Urlaub kamen. Ich kann die Sandalen vor meinem inneren Auge einfach nicht ausblenden, wenn ich eine kurze Hose trage.
Dabei trägt man im Süden doch sicherlich auch kurz, wenn es so warm ist. Ich muss das mal checken. Es ist bei mir sicherlich psychologisch verankert.

Ausserdem kaufte ich auch ein Jäckchen. Ich weiss nicht, wie man diese Jäckchen nennt. Aus Stoff und mit einem Reissverschluss, ohne Kragen. Ich probierte alle Größen, fing wie gewohnt bei L an, das war mir aber zu groß, also nahm ich M. Seit ich so viel Gewicht verloren habe, ist M bei mir vermehrt die neue Maßangabe, aber auch M war mir diesmal zu groß. Ich nahm das S. Es passte wie angegossen.

Größe S

😐

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Am Abend lese ich einen Artikel über eingefrorene Rädertierchen im Permafrostboden der Arktis, die sie in Russland nach 24.000 Jahren wiederbelebt haben. Die Mehrzeller begannen sich nach dem Auftauen auch gleich schon zu Teilen und zu Vermehren.
Zum einen: cool, ich liebe immer einen guten Horrorfilm. Zum anderen: das wird natürlich spaßig, wenn in den nächsten Jahren überall die Permafrostböden auftauen. Aber was solls, ich finde auch apokalyptische Filme immer geil.

Ich schlage in Wikipedia zwei oder drei Seiten auf, um etwas über Klimaphasen zu erfahren. Eine Stunde später haben ich wieder die Kontrolle über meine Browsertabs verloren.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/raedertierchen-im-permafrost-leben-nach-24-000-jahren-im-eis-gefunden-a-929f5be9-3a3b-4d55-9342-3bedb95bfb82?d=1623078022&sara_ecid=soci_upd_wbMbjhOSvViISjc8RPU89NcCvtlFcJ

[Sonntag, 6.6.2021]

Es ist wieder die Zeit angebrochen, an der man tagsüber die Fenster schließt, damit die Wohnung sich nicht aufheizt. Vor zwei Wochen trug ich noch eine gefütterte Jacke. Und überhaupt, was ist mit der Zeit passiert? Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich vor mehreren Wochen von der Wintersonnenwende schrieb. In zwei Wochen haben wir Sommersonnenwende.

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Eigentlich wollten wir heute Fahrradfahren. Haben wir dann nicht gemacht. K musste ein wenig arbeiten und ich habe wieder CD’s gerippt.

Danach holten wir mehrere Videos von Cecilia Blomdahl nach, aber ich muss zugeben, dass ich vielleicht aufhöre, ihre Videos zu gucken. So schön ich es fand, einen Einblick in ihr arktisches Leben zu bekommen, so merke ich doch, dass mir ihr Leben zwischen Fingernägeln und Joggingrouten mit ihrem Hund etwas zu sehr nach Instalife aussieht und wenig poetisches enthält. Oder um es mal mit der Stimme des Enttäuschten auszudrücken: ihre Videos haben mir in der Summe ein bisschen vom Zauber genommen, den die Arktis für mich hatte.

Sicherlich spielt es mit, dass ich verglichen mit früher, so viel über Longyearbyen weiss und das Neue, magische darin etwas verlorengegangen ist. Aber diese Darstellung eines Münchner-Vorort-Instagram Lifestyles in der Arktis, stumpft mich auf Dauer etwas ab. Wobei ich am Leben in Longyearbyen gerade mag, dass es eben nicht unbedingt ein Ort von einsilbigen, bärtigen Outdoormenschen ist, sondern ein sehr lebendiger und internationaler Ort mit Kneipen, Kitas und einem eher normal-westlichen Lebensgefühl. Aber diesen Vorort-Lifestyle mag ich in Deutschland ja auch nicht und er nimmt mir dann eben den Zauber weg.

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Und sonst habe ich wirklich nicht viel interessantes gemacht. Haferreis gekocht und Salat zubereitet.