[So, 14.1.2024 – Lage]

Den Vormittag verbrachten wir wieder einmal damit, die Weltlage zu besprechen. Wir lagen auf dem Bett und meine Frau las mir Mely Kiyaks Kolumne mit dem Titel “Es ist alles gesagt” und “Werden sie uns mit dem Flixbus deportieren?” vor sowie Herta Müllers Essay “Die Freiheit könnte uns gestohlen werden“.

“Ich weiß, dass wir gerade Zeitzeugen sind. Wir erleben die Faschisten an die Regierungsmacht kommen. Maximal zwei Bundestagswahlen, dann haben sie die Kontrolle. Ich habe dazu alles, wirklich alles, geschrieben.”

Vor dem gegenwärtigen politischen Hintergrund sind das deprimierende Texte. Heute zog mich das ganz besonders runter. Ich schreibe hier wenig über das aktuelle politische Geschehen. Das ist, weil mir Texte über aktuelle Politik selten gut gelingen. Aber ich scanne den ganzen Tag über, was da draussen passiert. Mir fehlen gerade die Instrumente, etwas gegen diese einschleichende Faschistisierung zu unternehmen. Der demokratische Diskurs mit Durchschnittsbürgern, die sich irgendwie benachteiligt fühlen und von gekauften und linksradikalen Medien schwafeln und ihr Deutschtum zurückhaben wollen, ist vorbei. Es gibt keinen Diskurs mehr.

Am Nachmittag gingen wir auf einen langen Spaziergang. Zurück zu Hause sah ich in diversen Socialmediabeiträgen Bilder von einer Demo am Brandenburger Tor. Mehrere Freunde von uns waren da. Ich fragte einen Freund, warum ich davon nichts wusste. Gerade diese Demo hätte uns heute etwas von einem Kampfgeist zurückgegeben.

[Sa, 13.1.2024 – Edvard Munch, Pasta alla Wodka]

Endlich schafften wir es zur Munch-Ausstellung in der Berlinischen Galerie.

Sie liess mich aber etwas enttäuscht zurück. Um es in Frau Fragmentes Worten zu sagen: die Bilder sprachen nicht mit mir.
Irgendwann näherte ich mich willkürlichen Gemälden, weil ich fürchtete, die Ausstellung ohne grössere Erkenntnisse wieder zu verlassen.
Während die Gemälde alle mit interessanten Details gefüllt waren, fehlte mir immer etwas in der Gesamtbetrachtung der einzelnen Exponate. Beginnend mit der ersten und zweiten Wirkung, die überhaupt erst ein Interesse erwecken sollten. Es gab nur wenige Bilder, denen ich mich spontan nähern wollte.
Das einzige Bild, das mir wirklich umfänglich gefiel, war “Winternacht”. Ich kannte bisher ein paar andere Winterlandschaften von Munch, die mir allesamt gut gefielen. Mit Ausnahme “Sternenhimmel”, in dem mich die leuchtende Bebauung im Hintergrund stört, weil sie aussieht wie eine Tankstelle. Aber das ist nur persönlicher Bezug. Vielleicht sind seine Landschaftsbilder, die gegenwärtig im Potsdamer Barberini ausgestellt sind, auch mehr etwas für meinen Geschmack.

Andererseits kenne ich ja all die grossartigen Darstellungen wie “Angst” oder “Der Tod im Krankenzimmer” oder auch “Golgatha” und die Madonnenbilder. Aber die waren allesamt nicht ausgestellt. Nur eine Variante der “Madonna”. Allerdings eine grossartige Variante, die Munch mit einem gemalten Rahmen aus Spermien umgab und links unten mit einem etwas deplatziert wirkenden Fötus versah.
Ausserdem war eine Variante des “Kuss” ausgestellt. Den Kuss finde ich gut. Von dem Kuss gibt es ja auch unzählige Varianten. Die ausgestellte Version fand ich zwar eine der schwächer wirkenden, jedoch amüsieren mich an diesem Motiv seine Versuche, diese Verschmelzung zu perfektionieren. Ich konnte keine Zahl dazu finden, wie oft er den Kuss gemalt, gezeichnet oder radiert hat. Wenn ich nach dem Kuss google, finde ich auch nicht jenen Kuss wieder, der in der Berlinischen Galerie ausgestellt ist.
Die Versuche, diese Verschmelzung darzustellen, bei gleichzeitiger Aufgabe der eigenen Existenz. Dieses Versuchen. Dass er offenbar nie ganz damit zufrieden war. Das begeistert mich.

Die ausgestellten Radierungen und Kupferstiche sind aber gut, vor allem die Porträts mit ihrer seltsam wilden Düsterkeit.

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Wir hatten die Hündin bei der Nachbarsfamilie abgegeben. Es ist die Familie, die manchmal mit ihr Gassi geht und die sie auch während unserer Reise nach Finnland für einen Tag zu sich nehmen wird. Es fühlte sich seltsam erwachsen an, ohne Hund unterwegs zu sein und ins Museum zu gehen. So muss sich kinderfrei anfühlen.

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Nachdem wir gestern eine Pasta mit reduziertem Gin zubereiteten, blieben wir davon fasziniert, hochprozentigen Alkohol zu reduzieren und in Saucen zu verarbeiten. Also kochten wir uns heute Penne alla Wodka. Das Ergebnis ist gut geworden, sie hätte allerdings etwas Wodkahaftiger sein können. Nächstes Mal werden wir etwas am Verhältnis der Zutaten schrauben.

[Fr, 12.1.2024 – Teleportiermaschine, Dirty Martini Pasta]

Als ich abends nach Hause kam, hatte ich es eilig. Ich musste gleich wieder los. Allerdings hatte ich die Hündin dabei, weil sie den ganzen Tag mit mir im Büro war. Statt mit der Hündin mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren, bat ich meine Frau, oben auf sie zu warten. Ich würde sie in den Fahrstuhl setzen und hinaufschicken.

Als das Tier im Fahrstuhl stand, sagte ich: bleib.
Und ich ging zurück ins Treppenhaus. Sie blieb. Die Tür verschloss sich. Und oben hörte ich wenig später meine Frau. Also ging ich.

Offenbar rannte die Hündin sofort in die Wohnung und suchte nach mir. Als sie mich nicht fand, winselte sie. Sie wirkte verstört und unruhig. Meine Frau gab ihr zu essen, sie ass aber nicht.

Ich frage mich manchmal, was sie sich beim Fahrstuhlfahren denkt. Es muss für sie so etwas wie eine Teleportiermaschine sein. Hunde verstehen ja nicht einmal das Konzept von Etagen. Wenn sie mir beispielsweise hinterherschaut, wie ich die Treppe runtergehe, dann glaubt sie, dass ich jeden Moment von der oberen Treppe wieder herunterkomme. Schlichtweg, weil das die Richtung ist, in der ich verschwunden bin. Oder wenn wir die Treppen zu Fuss laufen, läuft sie nur von Halbtreppe zu Halbtreppe, sie weiss aber nie, wann wir uns vor unserer Wohnung befinden. Das finde ich bei ihrem Geruchsinn erstaunlich.

Der Fahrstuhl teleportiert sie immer zu dem gleichen Ort. Wir machen das seit fast zwei Jahren mindestens drei Mal täglich. Das waren ungefähr zweitausend Mal. Sie wird immer an dieselbe Stelle hinportiert.

Heute sagte ihr Herrchen aber “bleib”, die Tür verschloss sich. Und danach ward Herrchen nicht mehr wiedergesehen.

Bis er vom Supermarkt zurückkam und alles wieder gut war.

Ich hatte Zutaten für Dirty Martini Pasta gekauft. Und so gaben wir uns dem Kochen hin. Eine Sauce mit reduziertem Gin, Oliven und Blauschimmelkäse. Das ist ein richtig gutes Gericht.

[Do, 11.1.2024 – Glatt, Tattoo]

Über Nacht hatte es eine Lage Puderzucker geschneit und morgens war es einfach kalt. Wie in den letzten Tagen auch. Gegen Mittag taute Berlin aber kurz auf und danach schwebten die Temperaturen entspannt und ahnungslos wie auf einem fliegenden Teppich zwischen -1 und 0 Grad auf und ab. Und ganz Berlin wurde zu einer Rutschbahn.
Radfahren ging noch einigermassen, solange man langsam fuhr, nicht bremste und keine hektischen Manöver vollzog. Aber laufen war schlimm. Die Hunderunde blieb heute eine Runde um den Block und mit den anderen Menschen auf der Strasse lieferten wir ein Breakdance Gesamtkunstwerk. Auf der kurzen Runde sah ich drei Menschen stürzen.

Ich selbst rutschte schon am Nachmittag aus. Ich kam gerade nach einer zweistündigen Session aus dem Tattoostudio heraus und schritt glücklichen Schrittes über das Kopfsteinpflaster im zweiten Innenhof eines Kreuzberger Altbaukomplexes. Mein Standbein hob ab und mein Steissbein sank ab.

Ich bin aber gut gepolstert.

[Mi, 10.1.2024 – Fahrradlaufen, Timeline, Schokokussbrötchen]

Fürs Protokoll: Als ich heute Abend vom Fahrradladen nach Hause fuhr, lief meine Hündin ganz entspannt neben mir her. Fahrradfahren hatten wir nur zwei Mal kurz geübt. Das erste Mal im Sommer. Damals dachte sie, das sei ein Spiel und sprang ständig an mir hoch. Das zweite Mal übten wir im Herbst in einer sehr toten Gegend in der Nähe des Velodroms da sprang sie nicht mehr an mir hoch, aber wir behielten die ganze Zeit Augenkontakt und sie blieb immer dort wo ich es ihr mit der Hand anzeigte. Heute war ich spontan gut gelaunt und dachte es einfach in einer Liveumgebung zu testen, also sprang ich auf das Rad und rief ihr “Komm” zu. Und sie folgte einfach. Natürlich fuhr ich nicht schnell und auf der Strasse, sondern gemütlich auf dem Bürgersteig, dabei überquerten wir drei Strassen und begegneten vielen Fussgängerinnen. Sie kam mir nie gefährlich nahe und hielt immer mit meinem Tempo mit.

Etwa 500m später, als wir zu Hause ankamen, war ich dermassen stolz auf sie, dass ich sie freudig umarmte und lobte. Sie schien sich eher zu wundern, sie schien nicht ganz zu verstehen was ich nun wieder hatte. Als wäre es das normalste der Welt, neben dem Fahrrad herzulaufen.

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Heute schickte mir Google meine Timeline 2023. Es ist eine vertikale Linie durch Mittel- und Nordeuropa bis in die Arktis. Mit einer Art Polarstern in der Arktis.

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Heute auch das erste Mal Schokokussbrötchen serviert bekommen. Ich weiss nicht genau was ich davon halten soll. Es schmeckte aber gut.

[Di, 9.1.2024 – HNO, Grippeschutz, Wintersonne, True Detective]

Um neun Uhr früh ging ich zum HNO-Arzt zur Vorbereitung meiner OP nächste Woche. EKG und Lungenfunktionen testen. Beides super. Deswegen war ich heute mit der Hündin sehr früh draussen, noch bevor es hell wurde. Sie scheint diese Temperaturen um die zehn Grad im Minusbereich zu lieben. Sie rennt los und wirkt lebendiger. Vielleicht macht sie es, um in Bewegung zu bleiben und nicht zu frieren. Sie kann ja nicht lachen, es lässt sich schwer an ihr ablesen. Alles wirkt aber wie Freude.

Am Nachmittag liess ich mich gegen Grippe impfen. In zwei Wochen fahren wir in den Urlaub, ich möchte nicht noch einmal die Situation wie zu Weihnachten erleben. Die Arzthelferin fragte mich, ob ich Links- oder Rechtshänder sei. Ich sagte, ich sei Rechtshänder, also bekam ich den Stich in den linken Oberarm. Erst nachher fiel mir ein, dass am Donnerstag genau an der Stelle eine Tätowierung gestochen wird. Aber nach dem zweiten Gedanken wusste ich nicht, warum das ein Problem sein sollte.

Und dann die Wintersonne. Ich stand mit der Hündin eine Weile im Park bei minus 8. Die feine Wintersonne flutete die weite Wiese. Ich hielt meine ganze Körperbreite den zaghaft wärmenden Strahlen entgegen. Später sah ich mehrere Menschen, die das Gleiche taten. Wie sie da so im Park mit geschlossenen Augen standen und sich der Sonne aussetzten.

Am Abend begannen wir mit der dritten Staffel von True Detective. Am Sonntag kommt nämlich die vierte Staffel der Serie ins Netz. In der vierten Staffel wirkt u. a. Jodie Foster mit und die Handlung ist in Alaska angesiedelt. Das kann nur Gutes bedeuten.
Ich war damals sehr von der ersten Staffel angetan, ich liess aber die zweite Staffel aufgrund der sehr schlechten Kritiken aus. Als die dritte Staffel veröffentlicht wurde, hatte ich nie mehr den Elan, sie zu schauen. Obwohl sie wieder sehr gute Kritiken bekommen hatte. Meine Frau mochte True Detective aufgrund der Darstellung von Gewalt an Frauen nicht. Und sie fand die Buddy-Dialoge der beiden Detektive nicht. Die Folge, die sie gesehen hatte, hatte wiederum ich nicht gesehen, ich kenne nur den Rest. Aber dieser Rest der Serie wirkte mit ihrer gesamten Grösse auf mich ein. Ich konnte diese ganze sogenannte “Grösse” nicht richtig in Worten erklären, aber heute las ich, warum die weiteren Staffeln nie so wirklich beim Publikum ankamen. Das hatte laut einem Artikel damit zu tun, dass die erste Staffel eine grosse, allumfassende und welthaltige Erzählung war, die den Zustand der USA maß. Dieser Einschätzung kann ich in weiten Teilen folgen. Das ist natürlich eine hohe Hürde, an der sich alle Nachfolger messen müssen.

Bisher gefällt mir die dritte Staffel durchaus. Auch wenn sie etwas langsam vorankommt. Ich freue mich dennoch sehr auf Staffel vier.

[Mo, 8.1.2024 – Minusgrade, Wucherung, Chor]

Morgens war es minus neun Grad Celsius. Beim Fahrradfahren froren die Barthaare unter der Nase ein. Wenn ich meine Lippen bewegte, dann brachen klitzekleine Eiszapfen.
In Longyearbyen mass es heute nur -11. In zwei Wochen fahren wir nach Rovaniemi, dort gab es vor ein paar Tagen -34 Grad. Minus vierunddreissig. Ich würde gerne einmal spüren, wie kalt das ist. Ich weiss nicht, ob ich je minus 34 gefühlt habe. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, befindet sich auf etwa 1600 m Meereshöhe. Da war es den ganzen Winter lang zwischen minus eins und minus zehn. Nachts war es sicherlich oft kälter. Aber ich führte keine Statistiken. Wenn man mit dem Lift auf die Berge fuhr, war es kälter, aber Kälte war immer gut, mir setzte Kälte nie zu.
Doch gab es den Vallonlift. Den Vallonlift nahmen wir nicht oft, weil er sich auf der anderen Seite des Tals befand und man zuerst mit einer Seilbahn fahren musste und Seilbahnen – weiss nicht – Seilbahnen waren immer so Alte-Leute-Gondeln. Hoch oben bei der Bergstation der Seilbahn begann der Vallonlift, das war ein Sessellift und der fuhr so weit in den Sella-Stock hinauf, wo es fast nur noch Felsen gab. Es gab keinen Lift, der so weit hinauffuhr. Auf dem Vallonlift spürte man meist die Kälte durch die Skibekleidung hindurch. Man merkte schon, dass das eine andere Kältezone war. Vielleicht war es da oben minus dreissig.

Vielleicht aber auch nicht.

Wer weiss das schon.

Wenn wir nach Rovaniemi fahren, hätte ich jedenfalls gerne einen Tag minus 40, nur damit ich weiss, wie sich das anfühlt und danach kann es gerne minus 10 sein.

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Am Nachmittag ging ich zur Dermatologin und liess mir einen Leberfleck entfernen. Ich will mir die Wucherung schon seit zwei oder drei Jahren abmachen lassen, weil sie immer grösser wurde und oft juckt. Da sie aber gutartig ist, hatte ich keine Eile.
Neulich riss ich sie mir jedoch auf. Es geschah nachts auf dem Weg zum Klo. Die Wucherung befand sich links an der Seite am unteren Ende der Rippen. Ich stiess mich am Türrahmen an und riss mir das Ding auf. Es blutete stark. In den folgenden Tagen verheilte es aber schnell. Jedoch lief ich seitdem mit einer halb hängenden Wucherung herum, die ich manchmal mit dem Ellbogen festdrücken musste.

Heute kam sie also weg. Sie wurde mit einem scharfen Löffelchen weggeschabt. Ich dachte, man schneidet das einfach raus und näht es wieder zu. Aber nein. Man schabt es ab.

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Heute wurde es wieder spät. Auf dem Nachhauseweg traf ich eine Nachbarin, die gerade von der Chorprobe nach Hause kam. Sie erzählte mir von ihrem Chor. Ich hatte schon drei Biere intus und es setzte eine Begeisterung ich mir ein. Ich sang ja lange in Chören. Als Knabe in einem Knabenchor, als Erwachsener in mehreren gemischten Chören. Der letzte Chor, in dem ich sang, war ein Chor, der genau das Repertoire probte, das ich mag. Frühbarock, Barock, Frühklassik. Aber der Proberaum befand sich an der Heerstrasse in Westberlin, das war mir zu weit weg, also nahm ich lediglich an einer einzigen Probe teil. Meine besten Erinnerungen habe ich an den Kammerchor in Hamburg, in dem ich mehrere Jahre sang, mit dem wir auch mehrere Konzerte in Norddeutschland gaben und sogar einen Auftritt im Vatikan absolvierten. Das war gut.

Ich sollte in einer guten Laune nach drei Bieren keine Entscheidungen treffen, aber ich merkte eben, wie die Begeisterung einsetzte.

[So, 7.6.2023 – Lost Boys, Pannbiff]

Weil wir gestern Goonies schauten, blieben wir heute beim Thema Achtzigerjahre und guckten das zwei Jahre später entstandene “Lost Boys”. Wir standen vor der Wahl “Lost Boys” zu schauen oder “Outsider”. Von Outsider hatte ich als Teenie bereits das Buch gelesen und sehr gemocht, ich bevorzugte daher Lost Boys. Der Film war mir tatsächlich entgangen, als er in die Kinos kam. Ich war damals zwölf. Mit elf und zwölf sass ich auf einer Klosterschule und verpasste daher viele spannenden Filme in meinem Dorfkino. Dass in unserem katholischen 800-Einwohner-Bergdorf ein richtiges Kino stand, hatte ich hier einmal erwähnt. Als Zehnjähriger durften wir schon alles sehen, solange keine nackten Brüste auf dem Filmplakat abgebildet waren. Wenn es im Saal noch Plätze frei gab, brauchten wir Dorfkinder auch keinen Eintritt bezahlen. Meine Kumpels und ich schauten damals alles, was Action, Blut und Schiessereien versprach.

Heute schaffte ich es auch, die smarte Lampe zu konfigurieren. Jetzt haben wir rot oder grün oder lila usw im Wohnzimmer. Man kann sie auch mit dem Telefon dimmen. Ich finde das gut. Ausserdem hatte ich gestern auch eine LED-Kette gekauft. Diese war einfacher einzustellen. Allerdings wissen wir nicht, wo wir sie aufhängen wollen, deshalb hängt sie jetzt etwas unmotiviert an der Klimmstange in der Küche. Ich ahne, dass sie noch lange dort hängen wird.

Am Abend kochten wir uns schwedische Pannbiff. Das sind schwedische Buletten. Fürs Protokoll. Wir kochen ja nicht so oft ausserhalb unserer Komfortzone.

[Sa, 6.6.2023 – moralisierende AI, Goonies]

Die AI Assistenz mochte meinen Eintrag von gestern überhaupt nicht. Sie schrieb mir dazu:

The content appears to contain inappropriate and potentially offensive content that is not suitable for a general audience or professional setting. It’s important to ensure that the content is respectful, culturally sensitive, and appropriate for all readers. Consider revising the text to focus on more appropriate and respectful topics and language. It’s crucial to maintain professional and respectful language and topics in all written content.

Nur das. Sonst nichts. Das ist einer der gruseligen Aspekte der künstlichen Intelligenz: wenn sie moralisch wird. Sowohl beim Erstellen von Inhalten wie auch beim Bewerten. Sie kann wahrscheinlich jetzt schon Psychogramme über Menschen auf Social Media, in Blogs, Redaktionen, Emails, Whatsapp-Chats und Publikationen erstellen und Menschen politischen Lagern zuordnen oder deren Vorlieben und Schwächen bestimmen. Das wird noch interessant, wenn Menschen künftig voll automatisiert nach Gesinnung oder charakterlicher Eignung sortiert werden.

Apropos Charakter. Heute früh wurde mir von einer fremden Frau gesagt, wie gut ich mit meiner Hündin umginge. Sie hätte mich ein paarmal im Kiez gesehen und war beeindruckt, wie gut sie auf mich hörte. Ich bin mir nie ganz sicher, ob es wirklich meine Erziehung ist oder bloss der Charakter der Hündin. Ich glaube, achtzig Prozent ist es sie selbst und ich mache ein bisschen das Beste draus. Das sagte ich so, aber ich bedankte mich trotzdem. Die Frau hatte einen Nova Scotia Retriever. Ich finde es lustig, dass diese ostkanadischen Gegenden ihre eigenen Hunde haben: Labrador, New Foundland und offenbar auch Nova Scotia.

Und sonstso. Ich habe eine smarte Lampe gekauft. Sie kann per Telefon gedimmt und in Millionen Farben getönt werden.
Allerdings bekam ich sie nicht konfiguriert. Jetzt leuchtet sie einfach superhell und superweiss.

Am Abend schauten wir “The Goonies”. Ein Film aus meiner Kindheit. Ich habe viele positive Erinnerungen an den Film. Es ist ein wilder Abenteuerfilm über Kinder in meinem Alter, die sich auf die Suche nach einem Piratenschatz begeben. Eine Mischung aus “Indiana Jones” und “Stranger Things”. Ja, es ist befremdlich, es mit dem zeitgenössischen Stranger Things zu vergleichen, aber es stellt das Genre am besten dar. Der Film ist gar nicht so schlechte gealtert, er ist vielleicht ein bisschen hektisch, aber das hat nichts mit dem Alter zu tun. Die Hektik störte mich als Kind nicht. Damals waren das alles nur Helden im Gefecht.

[Fr. 5.1.2024 – die Frau des wichtigen Mannes]

Als ich letzte Woche im Dorf meines Vaters war, traf ich eine ehemalige Nachbarin. Die Nachbarin war die Frau eines wichtigen Mannes, und wie es sich in meinem Dorf für Frauen von wichtigen Männern gehörte, war sie Hausfrau. Ihr Mann arbeitete ständig und war deswegen auch immer unterwegs und sie verbrachte viel Zeit zu Hause mit den beiden kleinen Töchtern.

Als Junge wurde ich regelmässig beauftragt, irgendwas bei ihr zu holen oder ich sollte ihr mit irgendwas helfen. So ist das, wenn man noch nicht erwachsen ist. Man wird ständig zu irgendwas befohlen. Ich wusste es nicht besser. Es störte mich aber nicht, denn sie war sehr nett zu mir. Und sie trug immer eine schwarze Feinstrumpfhose. Und zwar nur eine schwarze Feinstrumpfhose mit nichts darüber. Dazu hatte sie meist ein Hemd an und an den Füssen flauschige Hauspantoffeln. Aber zwischen dem Hemd und den Pantoffeln trug sie immer nur eine sehr durchsichtige Strumpfhose. Natürlich mit einem Slip darunter, den man durch die Strumpfhose hindurch sehen konnte, so viel Hygiene muss sein.
Sie hatte einen riesigen Hintern und stramme Oberschenkel. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Lage war, ihren Fragen oder Anweisungen richtig zuzuhören.

Ich hatte schon als Junge eine sehr lebhafte Fantasie. Aber das konnte sie ja nicht wissen.

Ich glaube, es war nicht ihre Absicht, sie dachte sich vermutlich nichts dabei. Sie trug diesen Look auch wenn ich mit meiner Mutter auf einen Kaffee zu Besuch war, auch später noch, als ich ein erwachsener Mann war. Ich nehme an, dass das ihr bequemer Schlabberlook für zu Hause war, Jogginghosen lagen vielleicht unter ihrem Niveau, also lief sie in durchsichtigen Strumpfhosen herum.

Es war ein offenes Geheimnis, dass ihr wichtiger Ehemann von vielen Frauen umgarnt wurde und er auch aus diesem Grund wenig zu Hause war. Jetzt im Nachhinein fällt mir schwer, das zu verstehen. Wenn eine Frau Strumpfhosen trägt, als wären es Jogginghosen, dann verlässt man doch nie wieder das Haus.

Ich traf sie neulich ganz zufällig, als ich mit meinem Vater die Dorfstrasse hinauflief. Sie befand sich auf dem Weg in die Kirche zur Chorprobe. Sie war sehr nett und auch überrascht, sie betonte, mich nur zu erkennen, weil ich neben meinem Vater stand. Sie sagte auch: du hast jetzt einen Bart, soso. Ich weiss nicht, wie sie das meinte.