[So, 3.12.2023 – es ist kalt, Heimsieg, Tombola]

Wahrscheinlich wird das heute das letzte Heimspiel des Jahres für mich gewesen sein. Gegen Mittag fuhr ich ins Olympiastadion zum Spiel gegen Elversberg, dem Aufsteiger aus der saarländischen Provinz. Der Gästeblock war ziemlich leer, aber für ein 8000-Einwohner Dorf war das ziemlich viel. Es waren mehr Gästefans vor Ort als wenn man gegen Wolfsburg spielt.

Die Temperatur hatte sich bei minus zwei Grad eingependelt. Dummerweise kam ich frisch aus der Dusche und ich hatte mich nicht richtig zwischen den Zehen getrocknet, deswegen blieben meine Zehen den ganzen Tag über kalt. Ich habe nie kalte Füsse. Nie. Es ist ein komisches Gefühl.

Ich habe eine wirklich gute Winterjacke. Ich sehe darin zwar nicht gut aus, aber sie hält ungemein warm. Und wenn ich einen warmen Rumpf habe, ist das andere nebensächlich. Eine dezente Mütze ist gut und natürlich warme Schuhe, mit trockenen Füssen.

Das Spiel gewannen wir unerwartet hoch. Elversberg spielt erfolgreicher als wir, entsprechend stehen sie auch vor uns in der Tabelle, aber wir gewannen wie aus dem Nichts mit 5:1. Ich habe noch nicht ganz verstanden, wie das passieren konnte, aber ich verstehe die Spiele in der Kurve auch nicht so gut, ich muss mir nachher immer noch Teile des Spiels auf dem Bildschirm ansehen.

Zu 17 Uhr begab ich mich mit Freunden in ein Restaurant in Charlottenburg, zur Weihnachtsfeier unseres Fanclubs. Wir hatten dort einen Teil des Restaurant gemietet. Es gab ein Buffet und wir hielten eine Tombola ab. Ich hatte Lose dabei, weil Hertha uns Geschenke zugeschickt hatte, die wir auf der Feier verlosen würden. Leider kam das Paket nicht an, obwohl die DPD das Paket als zugestellt gemeldet hat. So hatten wir nicht viel zu verlosen. Weil wir das vorher wussten, brachten einige Menschen Geschenke mit Herthabezug mit. Originalverpackte Tassen und ein noch verschweisstes Puzzle unserer Mannschaft aus der Saison 2009/2010. Die Geschenke waren eher mittelmässig, aber lustig war es dennoch.

[Sa, 2.12.2023 – Irland, Tromsö, Schwan]

In unserem Haushalt wird gerade viel The Pogues gespielt. In einer Whatsappgruppe von ehemaligen Freunden aus Südtirol schicken wir uns Links, sogar auf Arte wird das Programm geändert und sie zeigen eine Doku über Shane MacGowan mit dem Titel „Mein Leben mit den Pogues„. Die muss ich mir in den nächsten Tagen ansehen.
Wir hörten damals offenbar alle the Pogues.
Einer der Freunde in der Gruppe ist Alan. Ich bezeichnete ihn damals als meinen besten Freund. Er wohnt seit fast 30 Jahren in Irland, in Galway, er ist Berufsmusiker und er schrieb in den Chat: wenn er damals als Teenie nicht the Pogues gehört hätte, würde er heute nicht in Irland leben.
Ja, so geht Schicksal. Es ist ganz einfach eine Folge von Ereignissen.

#
Es gibt jetzt eine Direktverbindung von Berlin nach Tromsö. Wollte ich nur sagen. Über Eurowings. In einigen Wochen folgt auch Norwegian mit dieser Verbindung.

#
Am Abend traf ich meine österreichischen Nachbarn beim Parkeingang. Unsere Hunde mögen sich, also liefen wir ein Stück gemeinsam. Dann sahen wir ein Auto in den Park auffahren, es hatte die üblichen, aufgemalten Streifen. In der Dunkelheit konnten wir nicht erkennen ob es die Polizei oder das Ordnungsamt war, aber in beiden Fällen würde es Leinenpflicht bedeuten. Wir riefen also unsere Hunde zu uns, leinten sie an und liefen unauffällig in die andere RIchtung. Dann merkten wir aber, dass die etwas anderes im Sinn hatten, als Leinenpflichtsünder zu schnappen. Die Uniformierten stiegen mit einer weissen Decke aus dem Wagen aus und dann sahen wir auch den Schwan. Offenbar befand sich ein Schwan im dunklen Park.
Ich bin ja froh, dass unsere Hunde das Tier nicht aufgespürt hatten.

Wir schauten der ganzen Aktion etwa eine halbe Stunde lang zu, in der Zeit schafften sie es nicht, den Vogel einzufangen. Der Unterhaltungsfaktor war eher gering, aber es war schön, im Schnee zu stehen und zu quatschen, während die Polizei versucht, einen Schwan zu fangen.

[Do, 30.11.2023 – Shane]

The Pogues prägten schon sehr früh meinen musikalischen Geschmack. Meine musikalische Entwicklung zwischen dem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr ging so: Mozart -> Pink Floyd -> Iron Maiden -> Sex Pistols -> The Pogues -> Nick Cave & The Bad Seeds. Seitdem habe ich mich musikalisch nicht mehr sonderlich weiterentwickelt.

Ich hörte damals ausschliesslich Punkrock, bereits als Teenie setzte ich meinen Lebenslauf auf ein stumpfes Gleis und die Band um Shane MacGowan produzierte diesen romantisch-wilden Folkpunk Sound, der mich auf meiner holpigen Fahrt begleiten sollte. Dieser blasse Typ mit den Zahnlücken und den abstehenden Ohren, der eigentlich immer mit einem Drink abgelichtet wurde, am liebsten hätte ich selber abstehende Ohren und schlechte Zähne gehabt.

Jetzt ist Shane MacGowan tot. Ein irischer Lebenslauf. Die meisten irischen Dichter starben am Alkohol und deren Folgen. Shane wurde immerhin 65. Es wirkt aber nicht tragisch. Von aussen betrachtet, erweckte er sogar den Eindruck bis zum Schluss irgendwie Freude zu haben. Jetzt tritt ein grosser Romantiker ab. Danke für alles.

[Mi, 29.11.2023 – es schneit]

Es schneit. Abends ging ich mit der Hündin noch einmal auf eine lange Runde. In den dunklen Monaten gehe ich abends nur noch einmal um den Block. Mehr will auch sie nicht. Aber heute mit dem Schnee bogen wir nicht rechts um den Block um, sondern gingen geradeaus, in den Park. Sie wusste sofort, wofür ich mich entschieden hatte und sie schien begeistert.
Der Park war aufgehellt. Auch wenn es in unmittelbarer Nähe keine Strassenbeleuchtung gab, schien der Park aufgrund des Schnees, Licht abzustrahlen, man konnte fast lesen. Wie üblich trugen im Park alle schwarzen Hunde ein Leuchtband. Nur die hellen Hunde nicht, die tragen das ja nie, aber im Schnee sah man heute die weissen Hunde nicht mehr. Die schwarzen Hunde rannten als schwarze Flecken mit Leuchtbändern durch die Gegend. Sonst sieht man ja nur die Leuchtbänder.

Nachher spazierten wir weiter durch den Schnee, durch die stillen Ecken des Kiezes, irgendwo weit entfernt hörte man die Sbahnen surren, unter meinen Schuhen knarzte der Schnee.

Man kann aber noch immer Fahrrad fahren. Viele Radwege sind immerhin halbherzig geräumt, aber während der Schnee von oben nachkommt, bildet sich die neue Schicht. Am Abend auf dem Nachhauseweg ist die neue Schicht schon härter, fast vereist. Ich denke nicht, dass die Räumemaschine im Laufe des Tages noch einmal über die Wege fuhr. In den Niederlanden sind die Radwege immer geräumt, mindestens wie die Autostrassen. In Kopenhagen räumt man die Fahrradwege sogar vor den Autowegen, dies um Radfahrerinnen aufzuzeigen, dass sie Priorität haben, dementsprechend fahren die Leute dort auch bei jedem Wetter. Ein psychologischer Bossmove.

[Di, 28.11.2023 – es ist kühl]

Es ist kühl. Lustigerweise ist es in Longyearbyen seit mehreren Tagen konstant wärmer als in Berlin. In Longyearbyen misst es immer zwischen 0 und 3 Grad plus. In Berlin zwischen -2 und +1. Zumindest noch bis morgen. Danach wird es auch in der Arktis wieder kühler.

Ja, ich checke das jeden Tag. In der Statusleiste auf meinen Laptops werden immer beide Wetterlagen angezeigt. Ich weiss immer Bescheid. Am Sonntag im Stadion wird es voraussichtlich -2 Grad sein. In Berlin aber, nicht in Longyearbyen. Das Olympiastadion ist bei Minusgraden allerdings kein sehr wirtlicher Ort. Der ganze Steinkörper strahlt die Kälte noch einmal zusätzlich ab. Früher, sass ich oft in Block 2.1, als ich die Dauerkarte einer Freundin benutzen konnte, die ein Kind bekommen hatte. Ihr Mann und ihr Vater sassen deswegen neben mir und der Vater hatte immer 3 Sitzkissen bei sich. Den dritten gab er deswegen mir. Bei Minusgraden ist das sehr angenehm, sonst sitzt man auf diesen eisigen Hartplastikschalen. Jetzt stehe ich in der Kurve, dort sitzt man nicht. Immerhin bewegt man sich und man singt etwas mehr als oben auf den Sitzplatzrängen. Aber ich kann nicht 90 Minuten lang hüpfen. Bei Minusgraden muss man eigentlich 90 Minuten lang hüpfen.

Am Abend fuhr ich zu Hertha in die Geschäftsstelle um ein Interview mit zwei Spielerinnen der Frauenmannschaft aufzunehmen. Die beiden waren sehr lustig und gut gelaunt und etwas frech. Nach dem Interview öffnete Saskia eine Sektflasche und wir stiessen auf die Folge Nummer 11 an. Ausserdem wird sie morgen Geburtstag haben. Alles gute Gründe für eine Flasche Sekt.

Diesmal war ich nicht mit dem Auto zu Hertha gefahren sondern mit der Ubahn. Ich dachte immer, es sei praktischer mit dem Auto zu fahren, wegen der langen Fusswege und des Umsteigens. Aber jetzt fährt die U2 ja wieder durch und der Bahnhof ist wirklich nicht weit von der Geschäftststelle entfernt. Ich brauche lediglich 3 Minuten länger als mit dem Auto. Dafür spare ich mir den Stress mit der Blechkiste durch den Feierabendverkehr zu navigieren. Ich kam auf dem Olympiagelände an und fühlte mich wie eine ausgeglichene Zen-Puppe.

(Ich muss mal googlen ob es Zen-Puppen überhaupt gibt)

[Mo, 27.11.2023 – meine Sinusitis und ich]

Heute früh ging ich zum HNO. Ich habe seit vielen Jahren eine chronische Sinusitis.

Das begann etwa vor sechs oder sieben Jahren, als sich meine Nebenhöhlen ständig entzündeten und dadurch meine Nase tagelang verstopften. Es kam immer in Schüben, alle paar Wochen, zuerst waren die Abstände zwischen den Schüben noch gross. Ich bekam es mit Nasenspray immer ganz gut hin, sodass wenigstens meine Nase frei war und ich gut schlafen konnte, ich musste aber immer drei oder vier Mal pro Tag sprühen, weil nach sechs bis acht Stunden die Wirkung des Sprays nachliess und das Innere der Nase einfach dichtklappte. Eine zusätzliche Abhängigkeit von Nasenspray ist natürlich überhaupt nicht hilfreich, vielleicht hat das die Sinusitis auch beschleunigt. Die Abstände zwischen den Entzündungen verkürzten sich stetig und seit dreieinhalb Jahren sprühe ich durchgehend, jeden Tag, alle drei bis sechs Stunden, auch nachts, sonst verschliesst sich meine Nase. Manchmal habe ich zusätzliche Infekte, da muss ich jede Stunde sprühen, manchmal über mehrere Tage.
Die Warnung der Apothekerinnen kenne ich natürlich: maximal eine Woche am Stück und höchstens drei Mal täglich sprühen. Wegen des Suchpotentials.
Damit es nicht auffällt, dass ich den Spray durchgehend brauche, wechsle ich ständig die Apotheken, oder besuche vorzugsweise grössere, anonymere Apotheken, in denen sich das Personal häufiger wechselt. Deswegen bestellte ich auch online. Beim Apothekenliederdienst Mayd riefen sie mich einmal an, weil ich 8 Fläschchen bestellt hatte, ich musste mir anhören, dass das süchtig macht. Ich sagte aber, hörensemal, in diesem Haushalt wohnen 5 Kinder und wir sind alle erkältet, wir teilen uns doch keine Nasensprays. Damit bekam ich meine 8 Fläschchen. Aber das steht jetzt halt auch im System. Also bin ich wieder zurück bei den offline Apotheken.

Vor dem ersten Coronawinter, also im November 2020, fand ich eine HNO Ärztin, die mein Problem mit der Sinusitis angehen wollte. Der CT hatte ergeben, dass faktisch alle Höhlen in meinem Nasentrakt verschlossen waren, mit einer OP würden die problematischen Schleimhäute und Polypen entfernt werden, damit alles wieder gut durchlüftet wird. Ich bekam einen kurzfristigen OP-Termin im Dezember. Es gibt grundsätzlich zwei Methoden um solche Probleme mit Nasennebenhöhlen zu fixen. Die mechanische Variante und die Variante mit dem Laser. Die mechanische Variante ist meistens nachhaltiger, die Variante mit dem Laser aber weniger invasiv. Ich kenne einige Menschen, die sich für die mechanische Variante entschieden, meine Frau hatte sich aber vor mehr als zehn Jahren einmal einer Laser-OP unterzogen. Meine HNO-Ärztin übte aber nur die mechanische Variante aus. Mir war das recht, ich mag Nachhaltigkeit.

Eine Woche vor der OP sagte ich dann aber ab.

Ich hatte von so vielen Unfällen gelesen. Einem Bekannten musste man nach dieser OP die Nase mit Knorpeln wieder aufbauen. Im Netz las man von vielen ähnlichen Fällen, es ist eine sehr mechanische und invasive OP. Unterfüttert von dieser Angst und der Tatsache, dass sich die Coronafälle gerade wieder häuften und Corona ist ja faktisch das Virus der Nase und des Rachens, ich würde wochenlang mit einer Wunde in der Nase herumlaufen und unter der FFP2-Maske ein schönes Ökösystem an Bakterien ansammeln, daher sagte ich ab.

Ich brauchte noch eine Denkpause. Diese Denkpause dauerte dann drei Jahre. Vor drei Monaten kontaktierte ich den HNO meiner Frau. Der ist dermassen beliebt, dass ich den Termin fast drei Monate im Voraus buchen musste. Heute fand der erste Termin statt. Er stellte alle relevanten Fragen und meinte, das kriege man mit einer Laser-OP gut hin. Nächste Woche habe ich jetzt den Termin um mich dem Nasenlaser zu unterwerfen.

So schnell kann das manchmal gehen.

Doof ist jetzt allerdings, dass ich nächste Woche am Donnerstag die Firmenweihnachtsfeier habe. Und ich liebe Firmenfeiern. Auch mit der Laser-OP werde ich ein paar Tage ausfallen. Ist natürlich ungut, wenn ich im Krankenstand und mit verwundeter Nase auf der Firmenfeier tanze und trinke. Ausserdem muss ich die Woche darauf wieder nach Amsterdam. Nach einiger Überlegung entschied ich mich, den Termin in den Januar zu verschieben.

[So, 26.11.2023 – warten ohne Telefon]

Heute früh machte ich einen fast zweistündigen Spaziergang mit einer Frau aus dem Park. Wir kennen uns schon seit einem Jahr, unsere Hundinnen mögen sich und auch wir verstehen uns prima. Kennengelernt hatten wir uns im Winter. Mit dicken Jacken und Mützen. Als es im April einmal plötzlich warm wurde und sie keine Mütze und keine dicke Jacke trug, kam sie auf mich zu und ich erkannte sie nicht.
Im Sommer sassen meine Frau, meine Hündin und ich einmal auf einer schattigen Bank an der Frankfurter Allee und liessen unsere Augen flanieren. Dann kam sie mit ihrer Hündin über die Strasse auf uns zu und wir plauderten ein wenig. Sie trug ein kurzes Tshirt und man sah, dass sie richtig muskulös ist. Das beeindruckte uns und seitdem nennen wir sie die blonde Frau mit den Muskeln. Mittlerweile kenne ich auch ihren richtigen Namen. Von den Muskeln bin ich dennoch beeindruckt.
Heute fehlte ihr Bargeld an der Bäckerei und ich traf sie, als sie auf dem Weg nach Hause war um Bargeld zu holen. Ich habe seltenst Bargeld dabei, daher bot ich ihr an, mit meinem Telefon zu bezahlen, also gingen wir die paar Schritte zurück zum Bäcker. Sie nahm mein Telefon mit rein zur Kasse und ich passte draussen auf die Hunde auf.
Warten ohne Telefon. Früher mussten wir das ja ständig machen. Es ist eine Probe mit der Geduld.

Danach spazierten wir sehr lange.

[Sa, 25.11.2023 – Grüne und Sozialdemokraten, Orange Day]

Am frühen Nachmittag kam meine Frau zurück. Ich holte sie vom Hauptbahnhof ab und liess dabei die Hündin zuhause um 30 Minuten lang Erwachsenenzeit zu haben. Mittlerweile kann ich schlecht nachvollziehen, warum Menschen Kinder erzeugen. Wenn mein Hund schon so viele emotionale Ressourcen von mir abgreift, würde ich mit Kindern meine Frau gar nicht mehr richtig wahrnehmen.

Nungut.

In den Niederlanden sind die Sozialdemokraten und die Grünen übrigens fusioniert. Das ergibt auf den ersten und auch den zweiten Blick durchaus Sinn. Ich fand es immer schon merkwürdig, dass eine Partei sich dem Umweltschutz verschreibt. Natürlich verfolgen die Grünen mehr als nur Schutz der Ökologie, aber die anderen Felder überschneiden sich schon in weiten Teilen den Werten der Sozialdemokratie. Nur halt mit einem etwas jünger wirkenden Elan und weniger Anzugskultur. Ich bin gespannt, ob das hier auch irgendwann geschehen wird. Zur Zeit scheinen sich die Parteien in Deutschland aber eher zu zersplittern.

Übrigens. Zum heutigen „Orange Day“, also dem Tag an dem es über Gewalt gegen Frauen gehen soll: Red Flags erkennen und Hilfe finden. Ich fand das einen guten Text.
Und all den Rechten da draussen möchte ich noch mitgeben, dass Gewalt gegen Frauen (und auch Kindern) meistens in den eigenen vier Wänden geschieht, und eben nicht unbedingt durch Horden von vermeintlichen Barbaren aus dem Süden, die in unser Land einfallen.

[Fr, 24.11.2023 – der traurige Clown, Barbaren]

An der Ampel gibt es diesen traurigen Clown. Meine Hündin mag den überhaupt nicht. Das ist an der Ampel, wenn man aus der Karl Marx Allee kurz vorm Alex links in die Otto-Braun-Strasse einbiegt. Dort steht man manchmal zwei Ampelphasen lang. Das hat sich dieser traurige Clown zunutze gemacht und läuft während den Rotphasen mit Melone, Gehstock und einem Charly-Chaplin-Walk zwischen den Autos. Er is weiss geschminkt, hat einen mit schwarzer Farbe traurig gemalten Mund und wenn er am Autofenster steht, nimmt er höflich seine Melone vom Kopf, in die man das übrige Kleingeld werfen soll. Ich habe notorisch niemals Bargeld dabei, ich zucke daher immer mit den Schultern.
Jedes Mal höre ich es auf dem Rücksitz knurren. Meine Hündin mag den überhaupt nicht.

Heute sitze ich wieder in einem längeren Call mit dem Geschäftsführer in Amsterdam und diesmal reden wir über die Wahl und Wilders. Der Geschäftsführer ist homosexuell und das ist natürlich das erste, das ihn persönlich tangiert und worauf er in den letzten Jahren ganz besonders geachtet hat. Wilders und seine Partei sind nie stark als homo- oder transphob aufgetreten, sie haben aber in den Abstimmungen immer gegen die Interessen der Community gewählt. Wilders‘ Rhetorik ist hauptsächlich auf Migration und den Islam gerichtet, damit punktet es sich besser. Erschreckend ist auch, dass seine Partei in den grossen Städten erfolgreich war. In Rotterdam, in Den Haag, im Süden sowieso, aber auch in Dordrecht und Tilburg. Davon ausgenommen sind nur Amsterdam und Utrecht, sowie die nordischen Städte, also Groningen und Leeuwaarden und ein paar kleinere Städte in der Randstad, zB Leiden und Haarlem.

Migration, Migration, Migration. Die Angst vor den keulenschwingenden und rodenden Barbaren. Man hat der Angst so wenig entgegenzusetzen.

Abends kommen spontan zwei Freunde vorbei und wir schauen das Spiel gegen Hannover. Es ist ein gutes Spiel, aber am Ende geben wir eine 2:0 Führung aus der Hand und es endet 2:2. Es wird nichts mit dem Aufstieg. Aber das habe ich schon ein paarmal gesagt.

[Do, 23.11.2023 – Wilders, Cider]

Der Morgen begann mit Kaffee und dem Wahlsieg von Wilders in den Niederlanden. Wilders kam erst ins Bild nachdem ich aus den Niederlanden weggezogen war. In meinen letzten beiden niederländischen Jahren 2001/2002 gab es bereits eine ähnliche Figur namens Pim Fortuyn, ein charismatischer Islamhasser aus dem rechten Spektrum, der allerdings einen ungewöhnlichen Mix an Standpunkten vertrat. So stand er gegen die Monarchie, was in den Niederlanden eine ungewöhnliche Position war, und er setzte sich gegen die multikulturelle Gesellschaft ein, aber dafür warb er wiederum für eine offene Gesellschaft. Sicherlich auch, weil er selber schwul war. Ausserdem versprach er dem Volk, dass man nach der Wahl wieder Tierpelze tragen darf. Seiner Partei traute man für die Parlamentswahlen 20% bis 30% der Stimmen zu. Kurz vor den Wahlen wurde er allerdings von einem Tierrechtler auf einem Parkplatz erschossen.

In der darauffolgenden Nacht zog ein wütender Mob von Fortuyn-Untersützern durch Den Haag. In den besetzten Häusern rechnete man mit Angriffen. Ich wohnte damals bereits zur Miete, ich betrieb aber noch diese Internetwerkstatt in der besetzten Ubica am Utrechter Ganzenmarkt. Einige aus meinem Team zogen für die Nacht in die Werkstatt. Es blieb aber alles ruhig.

Heute hatte ich einen längeren Call mit den Amsterdamern. Ich wollte nach dem Befinden fragen, aber ich vergass das Thema. Mache ich morgen.

Am Abend traf ich mich mit Benny. Er kam zu mir ins Büro, weil er aus dem tiefen Westen kam und ich war heute mit dem Auto im Büro. Also fuhren wir gemeinsam mit dem Auto nach Friedrichshain. Danach spazierten wir mit der Hündin runter zum Boxhagener Platz, assen einen Schawarmateller beim Syrer und gingen danach ins Hops&Barleys. Wir wollen dort schon lange mit unseren Frauen hingehen um deren Cider zu trinken. Bennys Frau liebt Cider. Ich hatte über deren selbstgegärten Cider geschwärmt und so war vor einiger Zeit der Plan entstanden, ins Hop&Barleys zu gehen um Cider zu trinken.
Heute gingen wir dann ohne Frauen hin und tranken Bier. Nun.