[Di/Mi, 23/24.5.2023 – Pistazien, Webcam in der Arktis]

Die Webcam auf dem Dach der Uni in Longyearbyen (UNIS) funktioniert bereits seit mehreren Wochen nicht. Die Bilder sind von letztem Monat datiert. Normalerweise aktualisieren sich die Bilder alle 15 Minuten. Das arktische Dorf ist auf der Webcam noch von Schnee bedeckt, mittlerweile müsste aber die Schmelze eingesetzt haben. Deswegen schrieb ich vorgestern eine verzweifelte Mail an die Verwaltung der UNIS. Dass ich mir Sorgen mache. Dass ich diese Webcam für mein Seelenheil brauche. Ob ich damit rechnen kann, dass sie irgendwann wieder funktionieren wird.

Die Antwort ist ausgeblieben. Ich bin möglicherweise nicht der einzige Spinner, der sie deswegen angeschrieben hat.

Dienstag ist nichts erzählenswertes passiert. Bis auf das Geschenk der neuen iranischen Mitarbeiterin. Sie brachte mir eine eine riesige Geschenkbox mit iranischen Nüssen. Ich schrieb letztes Jahr bereits von dem anderen iranischen Mitarbeiter, der iranische Pistazien schenkte, daraufhin erfuhr ich erst, dass Iran das Pistazienparadies auf Erden ist. Allerdings bekommen wir aufgrund der Sanktionen gegen das Regime der Mullahs keine iranische Pistazien zu kaufen, sondern beziehen diese aus den USA. Komisch, dass Schwurbler das Thema Pistazien noch nicht für sich entdeckt haben.

In der Nüsseschachtel sind viele verschiedene Nüsse enthalten, Pistazien, Cashews, Mandeln, kleine längliche und auch runde, dessen Namen ich nicht kenne, die verschiedenen Sorten sind unterschiedlich geröstet, einige mit Safran, einige mit einer zitronigen Marinade. Die ganze Schachtel enthält vermutlich hunderttausend Kilokalorien. Danach darf ich ein Vierteljahr nicht mehr essen.

Heute kamen dann meine Schwiegereltern. Wir assen Lasagna und tranken Bier.

[Mo, 22.5.2023 – im Trikot]

Ich ging heute mit Hertha-Trikot ins Büro. Selten wurde ich auf der Strasse so oft von fremden Menschen angelächelt. Das macht ich jetzt öfter.

Ich postete auch ein Foto davon auf Twitter und Insta. Der offizielle Twitteraccount von Hertha likte das Foto. Danach likten tausende (ok, etwa 80) unbekannte Meschen das Foto. Das ist etwas ungewohnt exponiert. Ich glaube auch Social Media ja immer, dass wir unter uns sind.

Und sonst so. Sonst passierte nicht sehr viel. Ich höre Herthapodcasts mit therapeutischen Hintergedanken, ich abonnierte die zweite Liga in meiner Fussball-App. Und sonst habe ich gearbeitet.

[So, 21.5.2023 – Feuchtigkeitsfilm, saugen/scheren/saugen]

Ich erhielt viele Nachrichten, die mich wegen Herthas Abstieg bemitleideten. Der Duktus der Nachrichten ähnelte Beileidsbekundungen. Eigentlich schlimm, aber so ist das im Fussball, es ist immer ernst.

Es hiess, ich hätte nach Abpfiff Tränen in den Augen gehabt. Das sagten mir Menschen, die beim Verlassen des Stadions an mir vorbeigingen, aber so sicher bin ich mir da nicht. Ich kann mich an einen Film von Flüssigkeit auf meinen Augen erinnern, aber das kam eher durch die tiefstehende Sonne und die Enttäuschung, die ich in dem Moment erlebte. Viele Menschen, die an mir vorbeigingen und die ich umarmte, die hatten aber Tränen.

Heute war ich dann noch etwas down. Das hatte aber auch viele andere Gründe. Zum einen gab es wieder Probleme mit unserer Platform, dann habe ich wieder zugenommen und überhaupt. Ich war gar nicht so sehr down, sondern eher schlecht gelaunt und etwas kratzig.

Nunja.

Heute reiste mein Schwager wieder ab. Am Nachmittag saugte ich die Wohnung und dann scherte ich die Hündin. Heute mass es 27 Grad, es wird Zeit, ihr schwarzes, dichtes Fell zu stutzen. Nachdem man sie geschoren hat, überzieht sich die ganze Wohnung mit vielen kleinen, feinen, schwarzen Haaren. Sie sind plötzlich überall. Auch in meinen Kleidern. Nachher musste ich noch einmal saugen. Ich muss mir das mit der Reihenfolge merken. Scheren, saugen, nicht saugen, scheren, saugen.

scheren/saugen

scheren/saugen

scheren/saugen

[Sa, 20.5.2023 – der Abstieg]

Es ist das letzte Heimspiel. Wir müssen heute gewinnen. Verlieren wir oder spielen wir Ausgleich, steigen wir ab. Es ist ein gutes Spiel meiner Mannschaft, in der 63. Minute köpft uns Tousard in Führung, es ist der letzte Strohhalm, die Mannschaft hält den Gegner auch gut vom eigenen Tor fern, ein paarmal ist es haarig, aber sonst geht es gut. Bis zur 93. Minute. Als ein Spieler von Bochum etwas höher springt und der Ball in unser Netz geht.

Es ist plötzlich still in der Kurve. Richtig still. Niemand redet. Sechzigtausend Leute starren auf das Spielfeld. Nur weit entfernt hört man den Gästeblock jubeln. Es klingt wie aus einer Tauchglocke. Die Fahnen werden niedergelegt.

Nach Abpfiff setzt die Mannschaft den Gang in die Kurve an. Auf den Rängen klatschen die Menschen trotzdem. Bei uns in der Kurve ist es gemischt, viele klatschen, in der Reihe hinter mir schimpfen sie vor allem. Die Ultras geben der Mannschaft Zeichen, dass sie wieder umkehren sollen. Unten rechts stehen eine handvoll Hools am Zaun und es wirkt, als würden sie gleich den Platz stürmen. Es bleibt aber alles ruhig.

Die Kurve leert sich. Ich setze mich und schaue noch lange aufs Feld. Neben mir setzt sich ein junger Mann. Wir schauen beide aufs Feld. Ab und zu kommen Freunde vorbei, wir klatschen ab, wir sehen uns nachher noch am Rondell. Ich bleibe mit dem wildfremden Mann dort noch eine Weile sitzen, wir reden über die letzten schlimmen Jahre, über Windhorst, Klinsmann, Preetz, Bobic. Wir reden vor allem auch über die Zukunft, zumindest die nächsten paar Jahre. Nach einer Dreiviertelstunde ziehen auch die Ultras ab, als geschlossene Gruppe, wie immer, mit ihren Trommeln und Geräten.

Der Mann und ich sind fast die letzten im Stadion, dann gehen auch wir zum Rondell, bei den Bahnen ist es immer noch voll. Ich trinken noch ein Bier. Eigentlich wissen wir alle schon seit Wochen, dass wir absteigen werden, aber man geht dennoch mit Hoffnung in jedes Spiel. Es ist heute gar nicht deprimierend. Dieser Abstieg kam mit langer Vorlaufzeit aber gleichzeitig scheint der Verein in sich zu ruhen. Das ist bei Hertha ungewöhnlich.

Und wir stehen nächste Saison ja eh wieder am Rondell.

Bevor ich zur Sbahn gehe, treffe ich noch den jungen Mann, mit dem ich im sich leerenden Stadion sass. Ich bedankte mich bei ihm, den Moment mit mir geteilt zu haben. Auch er bedankte sich. Es habe ihm gut getan, das alles einzuordnen. Er nennt seinen Namen, ich nenne meinen Namen, wir verabschieden uns.

[Fr, 19.5.2023 – Brückentag, Verstörnis, Romane]

Ich blieb am heutigen Brückentag im Homeoffice, meine Frau war im Büro. Mit dem Schwager ging ich mittags einen Döner essen. Wir setzten uns in die milde Frühlingssone und assen.

Abends setzten wir uns ins Brewdog und bestellten eine Tastingrunde für einen Euro. Das sind 5 kleine Gläser mit deren verschiedenen Bieren. Danach gingen wir zu einem Japaner an der Frankfurter Allee. So war das.

Heute las ich Verity fertig. Es ist der zweite Roman, den ich in wenigen Wochen gelesen habe. Das freut mich ungemein, nachdem ich seit vielen Jahren keinen einzigen Roman gelesen habe, zumindest nicht über die ersten 100 Seiten hinweg. Verity sollte also verstörend sein. Ich wartete bis zum letzten Satz auf das verstörende Erlebnis. Wie der vorangehende Satz bereits verrät, kam dieses verstörende Erlebnis nicht. Es passieren viele Dinge, die ich bei einer echten Person verstörend fände, die mich in einer erfundenen Geschichte aber wiederum eher kalt lassen. Da haben wir wieder das Problem mit Romanen. Ich fand es aber dennoch unterhaltsam zu lesen, vielleicht, weil ich immer dachte, dass irgendwann diese verstörenden Momente passieren würden. Am Ende war ich ein wenig enttäuscht, ich hatte bis zur Enttäuschung hin aber eine sehr gute Zeit.

[Do, 18.5.2023 – Himmelfahrt, alter Wein]

Vatertag bzw Herrentag bzw Männertag bzw Christi Himmelfahrt. Wir spazierten 8 Kilometer durch die Stadt. Nicht mit einem Bollerwagen, sondern zu dritt, also meine Frau, ihr Bruder und ich. Und die Hündin. Einmal die Warschauer runter, durch Zalando-City bis zur Eastside Gallery, dann hinauf bis zum Holzmarkt, dort assen wir einen grilles Sandwich mit Gemüse und dann spazierten wir weiter zum Strausberger Platz und über die Karl-Marx-Allee zurück.

Später sassen wir auf dem Balkon. Die Hündin war platt.

Am Abend öffneten wir einen Wein, den uns meine Schwester in 2011 geschenkt hatte. Der Wein hatte in 2011 einen Preis gewonnen. Die Flasche verschwand dann aber in den Schränken, sie machte einen Umzug mit und verschwand danach wieder. Es ist seltsam. Wir haben immer etwa 5 bis 8 Flaschen Wein herumliegen, diese Flaschen verschwinden nie, aber diese eine Flasche verschwand gleich zweimal.
Letzte Woche tauchte sie wieder auf, sie befand sich in einem falsch gelabelten Karton. Heute öffneten wir sie. Weil der Korken zerbröselte, liessen wir den Wein durch mehrere Teefilter fliessen. Mein Schwager sagte, der Wein gehöre zu den Top10 der Weine, die er je getrunken habe. Ich fand ihn gut. Allerdings zweifelte ich, ob sich noch Alkohol darin befand, er schmeckte manchmal wie zuckerloser Traubensaft. Aber das kann nicht sein. Betrunken war ich nachher trotzdem. Das kann aber auch am Gin und am Whisky gelegen haben, den wir nachher tranken. So genau kann man das jetzt nicht mehr sagen.

[Mi, 17.5.2023 – Jetzt aber Cornwall]

Die Reise wird uns jetzt allerdings nach Cornwall führen. Ich machte im Chat mit Mutter und meinen Schwestern einen Vorschlag, wie eine Reise nach Cornwall aussehen könnte:
Wir treffen uns in London, mieten uns ein Auto und fahren 4h nach Cornwall, unterwegs besuchen wir Stonehenge, in Cornwall selber lassen wir uns in Falmouth nieder, checken in ein kleines Hotel am Hafen ein, dann besuchen wir über die Tage verteilt 3 oder 4 Gärten (das ist ein Hobby meiner Mutter), dann eine Wanderung an der Westküste, dann besuchen wir ein Moor mit Schlössern und Steinkreisen, abends gehen wir in den Pub und wir gehen auch nett essen. Dazu schickte ich ein paar Fotos von Falmouth und ein paar bookingcom-Links.

Am Nachmittag wollte ich etwas ähnliches für das Baltikum zusammenschreiben. Aber allen gefiel jetzt die Option Cornwall. Also träumten wir ein bisschen über diese Option. Am Abend stellte sich allerdings heraus, dass alle ihre Reisepässe ausgelaufen sind, und UK ja nicht mehr zur EU gehört. Mal sehen, wie schnell italienische Pässe ausgestellt werden können.

Am Abend kam mein Schwager. Wir assen kaltgekochten Lachs und tranken roten Wein.

[Di, 16.5.2023 – auf eine Reise mit Mutter]

Meine Mutter hatte neulich Geburtstag. Meine Schwestern und ich vereinbarten, ihr eine Reise zu schenken. Eine Reise mit uns dreien, irgendwohin, eigentlich egal wo, um ein paar schöne, gemeinsame Erinnerungen zu sammeln, an die wir später zurückdenken werden, wir sind noch nie gemeinsam verreist. Auch wenn unsere Mutter noch sehr fit ist, die Jahre sind begrenzt, es ist jetzt die beste Zeit gemeinsam auf eine Reise zu gehen. Erinnerungen sammeln. Dem Plan läuft eine eigenartige zukünftige Nostalgie voraus. Unsere Mutter freut sich schon sehr.

Es gibt ein paar Orte, die wir im Auge haben: Cornwall, England, das Baltikum, Skandinavien, Irland. Meine Mutter möchte ins Baltikum, sie war vor einigen Jahren auf einer Busreise in Lettland und Estland, das hat ihr sehr gefallen, da möchte sie wieder hin. Ich war 2015 im Baltikum, in Litauen, ich mochte es sehr, diese freundlichen Leute an der Schnittstelle zwischen dem Norden, Russland und Europa. Schwieriger scheint es einen Termin zu finden, an dem wir alle können. Vor allem die ältere Schwester und ich, unsere Kalender sind im Sommer schon ziemlich gefüllt. Sonst wäre ich auch dafür im Winter zu verreisen, nach Israel beispielsweise oder nach Madeira, zur Not auch erst im Sommer des nächsten Jahres. Wir werden schon etwas finden.

Anonsten waren die letzten beiden Tage sehr ereignislos.

[So, 15.5.2023 – Hertha MV, Ant-Man]

Morgens ging es mir immer noch schlecht. Heute war Mitgliederversammlung von Hertha BSC. Normalerweise mag ich solche Veranstaltungen, aber heute fehlte es mir an Kraft, mehrere Stunden in einem Messegebäude zu verbringen. Es lag ein Antrag vor um den Fanclub, in dessen Vorstand ich bin, zu verbieten. Der Antrag wurde abgewiesen. Der selbe Antragsteller hatte dutzende Anträge gestelltt. Die meisten seiner Anträge wurden abgewiesen.

Ich verfolgte die Versammlung in verschiedenen Tickern, Twitter, Morgenpost und der Leute aus dem Fanclub. Die Versammlung ging von 11 Uhr bis in den Abend hinein, die Nachrichten begleiteten mich den ganzen Tag. Am Nachmittag ging es mir etwas besser. Ich war nicht mehr so konstant müde. Wir putzten daher die Wohnung. In einer Pause schauen wir Ant-Man. Ich behaupte seit Jahren, dass wir Ant-Man bereits gesehen haben. Meine Frau fragte immer wieder danach, ob wir Ant-Man schauen wollen, aber von mir kam immer die gleiche Reaktion: haben wir schon gesehen, das ist der FIlm mit dem Typen der klein gemacht wird.
Meine Frau sagt aber immer, dass die Story ihr unbekannt ist. Das geht seit Jahren so.

Jetzt ist aber die Fortsetzung von Ant-Man herausgekommen, also schauten wir heute die Fortsetzung. Bzw wollten wir schauen. Um in die Geschichte hineinzufinden, beschlossen wir, den Trailer des ersten Teils auf Youtube zu schauen. Dabei stellte ich fest, dass ich den Film nie gesehen habe. Deswegen schauten wir den ganzen ersten Teil.
Nach dem ersten Teil entdeckten wir ausserdem, dass es bereits einen zweiten Teil gibt und die Fortsetzung, die wir heute schauen wollten, eigentlich der dritte Teil ist und weil man einen dritten Teil nicht vor einem zweiten Teil schaut, hingen wir gleich den zweiten Teil hintendran.

Dafür schauten wir aber nicht den dritten Teil, den, den wir ursprünglich schauen wollten. Wir sparen ihn uns für die kommende Woche auf, wenn der Schwager kommt. Für ein schönes, faules Sofaprogramm.

[Sa, 13.5.2023 – schlechte Laune, ESC]

Ich bin zur Zeit unfassbar schlecht gelaunt. Ich versuche reize zu vermeiden, übe mich in Gelassenheit. Wir machten einige längere Spaziergänge mit der läufigen Hündin. Wir assen auch ein Eis und sassen dabei im Schatten. Sonst habe ich wenig getan. Dafür viel gelesen. Morgen ist die Hertha Mitgliederversammlung, nächste Woche kommt mein Schwager, die Wohnung müsste aufgeräumt und geputzt werden, eigentlich müsste das heute geschehen, aber mir fehlt die Energie dafür.

Am Abend schauten wir in den ESC rein. Reinschauen bedeutet, dass wir schauen wollten, was da los ist, ohne uns festzulegen, die ganze Sendung zu schauen. Aber wir waren beide müde, daher installierte ich den Minibeamer im Schlafzimmer und wir schauten bis zum deutschen Beitrag. Ich kann dem ESC weiterhin nicht viel abgewinnen. Zwar mag ich diesen Turniermodus, aber die Inhalte, also die Musik, haben mich noch nie angesprochen. Dabei würde ich mich als sehr musik-affin bezeichnen. Das einzige Lied, das mir in den vielen Jahren einigermassen gefallen hat, war Kedvesem, der ungarische Beitrag aus 2013. Alle anderen Songs, die ich in den Jahren hörte, machten ziemlich gar nichts mit mir. Das will ich gar nicht werten, es überrascht mich nur, wie weit ich von einem breiten musikalischen Konsens entfernt bin, und das macht mich nicht stolz, im Gegenteil, ich hätte gerne ein besseres Gespür für die Allgemeinheit.