[Mittwoch, 9.6.2021 – Telekomschränke]

Gestern Abend gab es Internetstörungen im Festnetz, bzw beim DSL. Ab 23Uhr lief dann gar nichts mehr. In diesem Haushalt fällt das Leben flach, wenn das Internet weg ist. Kein Spotify, kein Netflix, kein Arbeiten, nur lokale Texte gehen. Hänge wie am Tropf an diesem Kabelpfropf beim Wohnungseingang.

Mitten in der Nacht wachte ich zwei Mal auf. Beide Male checkte ich, ob mein WLAN Internet hatte. Das erst Mal nicht. Das zweite Mal schon.
Als ich am Morgen aufstand war das Internet wieder da und ich vergass die Störung schnell.

Dann fuhr ich los, die Strasse hinaus und ein Telekom-Auto stand an einem der Kästen an der Strasse geparkt. Der Schrank war offen und davor saß ein Mann, der Dinge mit Kabeln machte. Ich sagte: oh Danke, die Störung ist jetzt behoben, oder?
Er vejeinte das. Er meinte, es sei jetzt provisorisch gelöst, aber in einer Stunde würde es vermutlich ein weiteres Mal ausfallen. Am Abend könnte ich aber mit einer stabilen Verbindung rechnen. Ich sagte das freue mich. Und dann fuhr ich los.

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Später fiel mir auf, dass der Telekom-Herr gar nicht an dem Telekom-Kasten arbeitete, den ich als Telekom-Kasten identifiziert hatte. Ich erzählte ja mehrmals von dieser Farbschlacht, die ich mir mit einem FC Unionfan an den Telekomkästen in meiner Straße liefere. Mittlerweile habe ich seinen FCU-Schriftzug mit vielen kleinen HERTHA HERTHA HERTHA Wörtern übersäht. Soll er das mal überpinseln.
Wenn der Telekom-Herr aber an anderen Kästen werkelt, dann sind das gar keine Telekomschränke, die ich da Union-frei halte.

Muss ich mal checken, was das für Kästen sind. Ich kann hier ja keine Märchen erzählen.

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Am Abend bin ich ein bisschen gaga. Müde und von den vielen Themen auf der Arbeit etwas leergesogen. Ich sitze eine Stunde auf dem Schaukelstuhl in der Küche und schaue in die Leere. Eine Podcastfolge läuft. Von irgendwem über irgendwas.

[Donnerstag, 10.6.2021 – Spazieren in Berlin. Und im Tiergarten]

Zur Mittagspause traf ich Klaus Gierl auf einen längeren Spaziergang im Tiergarten. Da er bei historischen Themen sehr bewandert ist und sich mit der Geschichte Herthas und der Geschichte Berlins auseinandersetzt, brachte ich ihm ein Buch von Franz Hessel mit. „Spazieren in Berlin“. Ich hatte das Buch bei meiner Ankunft in Berlin vor 14 Jahren, geschenkt bekommen. Es beschreibt das Stadtleben in 1929, was einerseits eine sehr spannende und viel besungene Zeit in der Stadt war, ausserdem auch jene Zeit, in der Hertha gerade zur besten Fussballmannschaft Deutschlands aufzusteigen begann.

Als ich das Buch gelesen hatte, spielte Hertha noch keine Rolle in meinem Leben, ich kann mich daher nicht erinnern, ob es darin vorkam.
Was ich an dem Buch mochte, ist dieses Zeitzeugnis Berlins. Keine Fiktion, keine Geschichte. Einfach nur ein Mann, der durch Berlin flaniert und Sachen beschreibt, Leute, Bauten, Bauarbeiten und hat dabei auch ein gutes Verständnis für Zusammenhänge, politische Entscheidungen, die zu gewissen städtebaulichen Änderungen führten etc.

Wenn ich eine Zeitreise machen würde und im Berlin von 1929 landen würde, dann wären es ziemlich genau diese Dinge, die Franz Hessel eingefangen hat, die mich interessieren würden. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde man mir eine Videokamera durch ein Zeitloch reichen und er würde für mich als Menschen aus der Zukunft das damalige Berlin zeigen.

Klaus und ich irren durch den Park. Die Sprenkleranlagen sind mächtig, sie strahlen große Wassermassen ins Grün. Manchmal muss man auf den Wegen warten, bis der Wasserstrahl sich gedreht hat. Manche Menschen werden nass.
Wir reden über die linke Szene. Über deren Uniformität, über konservative Haltungen. Es ist ein Thema, das uns beide sehr beschäftigt.

Es ist sehr warm. Im Schatten geht es, aber sobald man sich bewegt, wärmt sich der Körper schnell auf.

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Ich habe mir an der Tastatur einen Bluterguss am rechten Daumen zugezogen. Wie ich herausgefunden habe, kann man nämlich an meiner mechanischen Tastatur nicht nur die Tastenkappen austauschen, sondern auch die darunterliegenden Schalter. Ich habe ja bereits von den unterschiedlichen Schaltern erzählt, dass braune Schalter aufgrund des taktilen Gefühls gut für Vieltipperinnen sind, rote Schalter überhaupt kein Feedback geben, sondern sich linear betätigen lassen und so weiter. Deswegen besorgte ich mir jetzt vier rote Schalter. Diese Schalter sind offenbar standardisierte Bauteile. Ich liebe offene Standards. Diese vier roten Schalter habe ich heute in meine vier Cursortasten verbaut, damit ich, nunja, geräuschlos linear Cursortasten bedienen kann. Man weiss nie, wofür das mal wichtig ist.

Beim Herausziehen der Schalter habe ich mich jedenfalls verletzt und habe nun einen Bluterguss am Daumen. Das wollte ich sagen.

[Freitag, 11.6.2021 – Lost]

Langer Tag im Büro.

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Heute kam die letzte Folge von Kate Winslets Mare of Easttown. Wir hatten die ganze Woche darauf gewartet und würden nun endlich erfahren, wer das Mädchen getötet hat. Es war, wie wir ahnten, ziemlich unerwartet.
Gute Geschichte, gute Figuren. Und ich habe Kate Winslet ganz neu für mich entdeckt, ich muss mal schauen, was die sonst noch so gemacht hat, in den letzten Jahren.

Nach dem Ende saßen wir noch lange auf dem Sofa und unterhielten uns über die Geschichte. Später unterhielten wir uns über die Entwicklung der Erzählformen und kamen dann unweigerlich zu LOST aus 2004, die ein neues Zeitalter der Serien eingeleitet hatte, diese lange, seriell erzählte Mysterie-Serie in Kino Optik. The Wire und Six Feet Under hatten die ersten Bohlen ausgelegt, und mit LOST zog das erste mal ein riesiges Epos ins Fernsehen ein. Wir besclossen die Pilotfolge noch einmal Probe zu sehen und alle Gefühle, und die ganze Aufgeregtheit, die damals hochkam, war wieder da.

Wir wurden dermaßen reingesogen, dass wir die vier ersten Folgen noch einmal schauten.

Ja, LOST wurde ab der vierten Staffel vergurkt. Und ab der zweiten Staffel merkte man schon, dass bei der Fülle an Fässern, die da geöffnet werden, es sehr schwierig wird so eine Geschichte je wieder schlüssig zu Ende zu bekommen. Hat dann auch nicht geklappt.

Die Macherinnen von LOST habe mich Jahre später dann mit The Leftovers versöhnt. Alles, was sie mit LOST vergurkt haben, haben sie bei The Leftovers richtig gemacht.
Als wir heute LOST ausschalteten, beschlossen wir, die ersten beiden Folgen von Leftover noch einmal zu schauen. Aber ein andermal natürlich.

[Samstag, 12.6.2021 – Kühe, Raben, Kloster Chorin]

Wir haben heute den Ausflug in die Uckermark nachgeholt. Mit Frau Modeste, ihrem Mann und dem kleinen Sohn. Wir fuhren zuerst nach Brodowin. Ich wusste gar nicht so genau, was uns da erwarten würde, aber ich bin immer für Ausflüge zu haben, ich brauche gar kein besonderes Programm, ein wenig Kulissenwechsel, mich bewegen.

In Brodowin trafen wir uns bei diesem offenbar bekannten Ökohof und assen zu Mittag. Ich bestellte einen Pulled-Reh Burger, meine Frau ass Thymian-Rinderbockwurst. Der Ökohof ist ein Bauernhof mit angeschlossenem Laden, einer Küche und man darf da zwischen den Ställen herumlaufen.
Ich war ja Kuhhirte und hatte bis zu meinem 12. Lebensjahr sicherlich mehr Kühe kennengelernt als Menschen. Aber ab 13 hörte das auf. Nicht, dass ich ab dem 13. Lebenjahr keine Kühe mehr mochte, aber in meinem Freundeskreis hütete einfach niemand mehr Kühe, deswegen hing man nicht mehr bei den Kühen ab, sondern am Parkplatz bei der Feuerwehr.
Solange jemand Kühe hütete, traf man sich immer am Dorfrand, wo die Kumpels auf die Kühe aufpassten und man folgte alle paar Stunden der Herde, bzw brachte sie bei den Strassenübergängen von einer Wiese zu der nächsten.
Ab 13 wurde es ehrlicherweise ein bisschen uncool, bei den Kühen abzuhängen, vor allem, wenn im Sommer die schönen Mädchen aus Deutschland oder Italien kamen, da wollten wir nicht wie Bauernburschen wirken, sondern so cool sein wie Michael J Fox oder Michael Jackson.

Mir wurde erst vor zwei Jahren in Irland wieder bewusst, was das eigentlich für große und schwere Tiere sind. Wir liefen damals über eine Weide an der Westküste und es kamen zwei Kühe auf uns zu. Große, schwere Tiere mit langen Hörnern und einem finsteren Blick. Ich verstand zum ersten Mal, dass die mich einfach tottrampeln könnten. Dabei waren sie einfach nur neugierig auf uns, sie konnten ja nicht wissen, was lange Hörner bei Menschen für Assozationen hervorrufen. Kühe sind ja Totalphlegmatinnen, springen nie, rennen nie und streiten sich nie. Vermutlich hingen wir als Kinder deshalb so gerne bei den Kühen ab. Wir waren ein bisschen wie die, wir wurden gerne in Ruhe gelassen, wollten nie rennen, nie springen, nur ein bisschen mit Händen in den Hosentaschen herumhängen, uns alberne Dinge erzählen und Kaugummi kauen. Dieses ständige Kauen der Kühe. Diese Leckmich Attitüde.

Es ist ein lustiger Zufall, dass ich am Dienstag einen Tattootermin habe und das Motiv ist, genau, eine Kuh.

Wir haben dann auch zwei Raben gesehen. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich richtige Raben gesehen habe. Ich meine nicht Krähen, sondern richtige Kolkraben, die großen Schwarzen. Ich komme aus einem kleinen Alpendorf namens Corvara, was so viel wie „Ort der Raben“ bedeutet. Corv ist rätoromanisch für Rabe, also wie Corvus auf lateinisch. Ich kann mich aber nicht erinnern, ob es in meiner Kindheit Raben gab. Verschiedene, vor allem kleinere, Krähenarten schon, aber Vögel interessierten mich damals nun wirklich nicht.

Die Rabenpopulationen wurden in Mitteleuropa ja ziemlich ausgerottet, da man sie im Mittelalter und in den darauffolgenden Jahrhunderten als Überbringer von schlechten Zeiten sah und aufgrund ihrer Größe und weil sie schlichtweg alles fressen, also auch Wirbeltiere, hatte man auch einfach Angst davor. Es ereilte sie das gleiche Schicksal wir Wölfe und Bären.
Ich las kürzlich darüber, dass sich in Brandenburg wieder einzelne Kolonien gebildet haben. Da standen wir also. In Brodowin. Über uns auf dem Dach eines Heusilos, zwei Exemplare dieses symbolträchtigen Vogeltiers, vielleicht die ersten Boten einer großen Rückkehr. Und wie sie da so saßen, finster, mit diesem langen Schnabel und dieses laute, tiefere kraaa, das eher einem rollendem grrrrrroooo ähnelt. Als ich so an die gegenwärtigen politischen Wetterverhältnisse dachte und die beiden Verkünder von schlechten Zeiten auf dem Dach zu uns herunterrufen sah, wundert es mich eigentlich nicht, dass Leute sie töteten.

Nachher fuhren wir zum Kloster Chorin. Ich wollte immer schon einmal zum Kloster Chorin. Auch wenn ich nicht wusste, was mich da erwartete, so waren doch alle Menschen, die einmal dort waren, begeistert von dem Ort.

Es regnete die ganze Zeit, auch schon in Brodowin. Es war ein schöner Sommerregen. Man konnte noch gut herumlaufen, als der Regen ein bisschen stärker wurde, stand man einfach irgendwo unter. Bevor wir zum Kloster gingen, setzten wir uns in die Klosterschenke, draussen im Garten unter ein Zeltdach. Wir aßen Grütze und Pfannkuchen. Die Frauen tranken gespritzten Aperol, wir führerscheinhaltenden Männer nicht.

Das Kloster ist eine Ruine und ein Museum. Also mit Eintritt und einem Museumsshop. Das sollte man wissen. Ich wusste das nicht, ich wusste ja nur, dass alle immer begeistert waren. Da ich als Kind zwei Jahre in eine Klosterschule gegangen bin, kenne ich Mönche und Nonnen aus erster Hand und es ist mir nicht besonders fremd, es hätte also genau so gut ein richtiges Kloster mit richtigen Bewohnerinnen sein können, ich ging da völlig unvorbereitet hin. Das klingt erst mal so, als wäre ich enttäuscht gewesen, aber das ist keineswegs so, ich hatte mir einfach keine Gedanken darüber gemacht, was Kloster Chorin hätte sein können, ausser, dass Leute immer begeistert waren. Ich war dann auch begeistert.

Es ist eine Museumsruine. Sie hat viele Gedanken bei mir ausgelöst. Zum einen fand ich vor allem den organisatorischen und wirtschaftlichen Teil der Anlage unglaublich spannend, also die Aufteilung von religiösen und der Andacht zugedachten Trakten und jenen Teilen, in denen sich das Brauhaus und die Küche befanden. Auch der Fakt, dass der ganze Komplex lediglich zwei warme Räume hatte, ist eigentlich schwer vorzustellen, immerhin zu einer Zeit, in der es etwas kälter als heute war.
Am meisten beeindruckt hat mich dann doch ein Film. Dieser wurde in einem der Räume gezeigt in denen die Mönche sich mehrmals täglich zum Beten trafen. Es war ein animierter Film über den Tagesablauf der Mönche. Ein sehr strukturierter und ritualisierter Alltag unter Männern. Demut, Gottesgefälligkeit, Unterwerfung an strikten Regeln, Machtausübung. Irgendwie sexualisiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass man damals, wenn man einem Lebensstil oder sexuellen Praktiken zugeneigt war, die man heute dem BDSM zuschreibt, und wenn man das gleiche Geschlecht vorzog, man hinter Klostermauern ein erträglicheres Leben vorfand als draussen in einer Welt, in der man bestimmte Rollenbilder aufrecht zu erhalten hatte. Diese Erkenntnis ist vermutlich nicht neu. Sie hat sich beim Ansehen dieses Filmes bei mir nur so offensichtlich ausgebreitet.

Besonders angetan war ich von der Fusswaschung. Mönche waschten sich am Abend gegenseitig die Füße. Aus sakralen Gründen, weil Jesus das auch tat. Sie taten das Gegenseitig, ungeachtet der sozialen Hierarchie. Das gegenseitige Waschen der Füße. Wie schön.

[Sonntag, 13.6.2021]

Oh. Das Fussballnationalschiessen hat wieder begonnen. Ich dachte, das sei viel später.

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Wenn ich den heutigen Tag rekapituliere, dann fällt mir nicht ein, was ich aufschreiben sollte. Nun, ich habe ein bisschen Bauchsport gemacht, ich habe ja Angst, dass das Bauchgewebe etwas zu sehr hängen wird, wenn ich noch mehr abnehme. Dann habe ich 500g Haferreis gemacht und teilweise eingefroren, damit ich unter der Woche immer ein bisschen davon mit ins Büro nehmen kann. Aber sonst habe ich wirklich nur aufgeräumt und gechillt.

[Montag, 14.6.2021]

Ich trage heute zum dritten Mal in meinem Leben eine kurze Hose im Büro. Ich habe eine kurze Hose gefunden, die nicht so sehr nach Sommerurlaub aussieht, ich bin da äußerst wählerisch. Langsam gewöhne ich mich daran.
Vermutlich werde ich morgen wieder eine kurze Hose tragen. Übermorgen soll es über dreissig Grad warm werden. Übermorgen also sicherlich.
Ich habe heute zwei weitere kurze Hosen online bestellt. Und kurze Socken. Lange Socken mit kurzen Hosen sind schwierig.

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Am Abend treffe ich meine Fussballfreundinnen.

Wir sitzen lange im Tiergarten im Gras. Eine der Freundinnen hat Fruitysecco mitgebracht. Ich esse ja ab 14Uhr immer noch nichts. Dazu gehört auch Alkohol. Bei Fruitysecco denke ich: zum Glück. Es ist aber ein lustiges Mitbringsel. Die Ameisen mögen ihn und bevölkern die Flasche von innen.

[Dienstag, 15.6.2021]

Heute hatte ich einen Termin bei meiner Tätowiererin. Der Termin war um vierzehn Uhr, aber die eigentlichen Arbeiten begannen erst um 18 Uhr. Wir hatten planerische Probleme. Der Drucker funktionierte nicht, wir versuchten lange ihn zum Laufen zu bekommen, bis wir aufgaben, dann stellte sich heraus, dass das Motiv spiegelverkehrt war, weil ich meinen Oberarm vorab im Spiegel abfotografiert hatte und sie daher das Motiv falsch erstellt hatte, dann war das Motiv zu klein und so mussten wir zwei Mal in den Copyshop, vor dem jeweils eine lange Schlange wartender Menschen stand. Mit vier Stunden Verspätung konnten wir dann endlich beginnen.

Ich mag diese Tätowiererin sehr. Sie kommt aus Florenz und wohnt seit etwa zehn Jahren in Berlin. Seit einigen Jahren pendelt sie zwischen beiden Städten. Letzten Januar flog sie nach Florenz und als dann Corona in Italien ausbrach und das ganze Land in die Knie zwang, sass sie da fest.
Ich gehe hauptsächlich zu ihr, weil sie sehr ruhig ist, und der Austausch mit ihr sehr ungekünstelt, ohne Attitüde ist, und dass sie sich Zeit nimmt und ein bisschen langsam ist.

Nach diesem langen Termin mit vielen stressigen Momenten, bedankte sie sich bei mir, dass ich als Kunde so ruhig geblieben bin. Ich war etwas erstaunt und sagte, dass ich immer zu ihr ginge, weil sie immer so ruhig ist. Haha. Fanden wir beide lustig.

Als ich nach Hause kam, musste ich ein paar Telefongespräche absolvieren, danach fragte mich meine Frau, ob ich mit ihr Fussball schauen würde. Meine Frau fragte das. Sie weiss, wie sehr ich das Nationalschiessen verabscheue, sie meinte das aber nicht aus Witz, sondern fragte allen ernstes, ob wir das Spiel zusammen schauen könnten.

Ich sagte zuerst nein, aber der Gedanke liess mir nicht mehr los. Irgendwann kurz vor der Halbzeitpause schalteten wir dann ein. Deutschland gegen Frankreich. Klischeehafter geht kaum. Deutschland lag wegen eines Eigentores von Mats Hummels einsnull zurück. Wir sahen einige unfassbar schnelle Angriffe des französischen Teams.

[Mittwoch, 16.6.2021]

Am späten Nachmittag Benny getroffen. Wir setzten uns auf eine Wiese am Potsdamer Platz in den Schatten der großen Häuser. Im Schatten ist es die perfekte Temperatur. Ja, ich weiss, ich sage das öfter: die perfekte Temperatur. Ich habe das auch schon mal bei 12 Grad gesagt, auch schon bei 16 und sicherlich ganz oft bei 21. Dass ich das auch bei 25 sage, ist aber neu. Vielleicht kommt es dadurch, dass ich eine kurze Hose trage und ich deswegen ein paar Grad mehr vertrage. Aber man kann ja nicht immer kurze Hosen tragen, oder? Wie sähe die Welt da bloss aus?

Wir sitzen jedenfalls lange auf der Wiese bei einer perfekten Temperatur und reden über die Dinge.

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Interessanter Thread: Julian Zündorf fragt: Welche Romane haben euch emotional am stärksten überfordert.

Der erste Titel, der mir in den Sinn kam, war „Disgrace“ von J.M Coetzee. Meine Frau empfahl es mir damals, als wir noch ein frisch verliebtes Liebespaar waren und ich wollte alles lesen, was diese schöne, unbekannte Frau mir empfahl. Bei Disgrace wusste ich nicht, worauf ich mich einließ, ich wusste nur, dass es in Südafrika angesiedelt war und natürlich die ethnische Thematik behandelte.

Ich meine mich zu erinnern, dass ich schon einmal darüber gebloggt hatte und in der Tat, eine kurze Suche hier spuckt mir einen Eintrag aus 2011 heraus. Ich notierte damals:

„Beim Lesen von Coetzees »Schande« kalt erwischt worden. Die Geschichte kommt leichtfüßig und unscheinbar daher, Gesellschaftsstudie vielleicht, schön zu lesen, große Figuren, Nobelpreisliteratur halt, dann kommt die Szene mit dem Überfall, unangekündigt und beiläufig, man braucht ein bisschen Zeit zu verstehen, dass jetzt etwas anderes passiert, und schon hat man das Grauen hereingelassen und wird von seiner ganzen, beliebigen Brutalität erschlagen. Meine Handinnenflächen gaben kalten Schweiß ab. Den Rest des Tages blieb ich leicht verstört.“

Lass ich mal so stehen.

[Donnerstag, 17.6.2021 – Rigaer, Gleis3eckpark, Hitze]

Zwei Strassen weiter in der Rigaer brannte es gestern und auch heute brannte wieder. Wegen einer geplanten Brandschutzbegehung. Auch wenn ich früher selbst an den brennenden Barrikaden stand, sehe ich mittlerweile nur die Revolutionsfolklore. Nein, es ist nicht cool, Polizistinnen zu verletzen, nein es ist nicht cool, dein Lebensmodell einem ganzen Kiez aufzudrücken, und du kannst dich nicht militärisch gegen eine Staatsmacht hochrüsten. Erst recht nicht, wenn du das sogenannte „Volk“ nicht hinter dir stehen hast. Und militärisch hochrüsten sollte nie das Ziel sein, wenn du eigentlich pazifistische Ziele vefolgst. Tust du es trotzdem ist es Revolutionsfolklore. Und es dient auch nicht der Diskussion über das Wohnungsproblem. Auch wenn es charmant ist für 200€ pro Jahr ein Haus zu bewohnen, dient das halt auch nicht als Modell für das Wohnungsproblem einer ganzen Stadt.
Es verzerrt den politischen Diskurs und es spielt den Rechten in die Hände.

Auch wenn ich es nach wie vor richtig finde, leerstehende Häuser zu besetzen. Aber das ist eine andere Diskussion.

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Am Abend treffe ich mich mit einer früheren Kollegin. Wir setzen uns in den Südostteil des Parks am Gleisdreieck. Diesen älteren und größeren Teil des Parkes kenne ich gar nicht, ich kenne nur den anderen Teil mit der Brauerei.
Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen und haben viele Dinge nachzuholen, aber nach unserem Treffen bin ich von allen möglichen Themen angefixt, u.a. berichtete sie mir von ihrem Urlaub im letzten Sommer, an dem sie ein Hausboot gemietet hatte und darauf mit ihrem Freund eine Woche lang über die Havel geschippert ist. Ein Hausboot, also ein kleines Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und ein Balkon auf einem fahrbaren Unterbau. Die Fotos die sie zeigte, wie sie für die Nacht einfach mitten in irgendeinem See den Anker ausgeworfen hatten und die Sonne am Horizont absank, die Ruhe des Wassers. Boah.

Die Hitze ist im Schatten einigermaßen erträglich. Ich vermute, es hängt auch damit zusammen, dass ich ab 14 Uhr nichts mehr esse und vor allem, weil ich keinen Alkohol trinke. Essen und Alkohol heizen mich ja immer auf. Morgen sind wir zum Essen und zum Trinken verabredet. Auch wenn ich mich schon lange auf diese Verabredung freue, fürchte ich mich jetzt ein wenig. Weil ich ahne, dass die Nacht danach bei diesen Temperaturen qualvoll wird. Andererseits wiege ich jetzt auch so wenig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Und das kennt man ja so, von den Gesprächen an der Kaffeemaschine, dass dicke Menschen die Hitze schlechter vertragen. Das ist bestimmt wahr.

In einem Meeting am Vormittag fragte ich meine Kollegin aus Indien, wie ihr der Sommer bisher gefällt. Wir reden oft über die klimatischen Bedingungen in Berlin. Sie lebt zum ersten Mal ausserhalb Indiens und Jahreszeiten findet sie sehr exotisch. Es ist ihr erster Sommer in Berlin. Am Sommer überrascht sie vor allem die langen Abende und dass es bereits ab 4 Uhr morgens hell wird. In Indien geht die Sonne immer zwischen 5 und 6 Uhr unter. Sommer wie Winter.

Sie sagt aber auch, dass sie die Sonne hier als unangenehm empfindet. Sie sagt, die Sonne brenne hier auf der Haut, sie fühlt sich ein bisschen wie ein Hühnchen im Ofen. In Indien sei das nicht der Fall, weil sie dort aufgrund der Luftfeuchtigkeit immer schwitze, und es käme ihr vor, als würde sie das vor der brennenden Sonne schützen. Darüber muss ich mal nachdenken. Ich hatte oft das Gefühl, dass die Menschen sich in Berlin vor allem dann beschweren, wenn die Sommer feucht und drückend werden. Dass eine erfahrene Sonnenhitzekennerin wie sie jetzt so eine mir neue und gegenteilige Beobachtung macht, finde ich spannend. Das muss ich mal beobachten.

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Hölzernes deutsch heute.

[Freitag, 18.6.2021 – Wienerschnitzel]

Hitzewelle also.

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Am 15. März des vorigen Jahres waren wir mit Freunden zum Schnitzelessen verabredet gewesen. Fünf Tage vorher, am 10. März, begannen wir uns Gedanken zu machen. Die Lage um das Virus veränderte sich schließlich zwei Mal pro Tag. Am 13. März begannen wir dann alle zu kneifen und wir schlugen vor, den Schnitzeltermin erstmal um ein paar Wochen zu verschieben.

Ein Jahr und drei Monate später zogen wir dann diesen Termin wieder aus der Chatgruppe hoch. Wir wollten Ende Juni den Termin nachholen und damit sowas wie die letzten 15 Monate ausräuchern. Auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist, aber es fühl sich an, als würden wir der Pandemie bei ihren letzten Zuckungen zu sehen. Was natürlich auch eine Täuschung dieses Sommerlebens sein kann.
Nicht alle wollten schon daran teilnehmen, weil nicht alle geimpft waren, wir werden den Termin also offiziell noch einmal nachholen und damit das Ende der Pandemie einläuten.

Wir gingen ins Alt-Wien in der Hufelandstraße, wo es das beste Wienerschnitzel außerhalb der wiener Stadtgrenzen gibt, und aßen, genau, Wienerschnitzel. Außerdem trank ich seit mehreren Monaten das erste Mal wieder Alkohol. Ich hatte ein wenig Angst vor dem Abend. So viel Essen, Alkohol trinken und die Hitze. Ich bin das alles nicht mehr gewohnt, aber ich schien es gut zu vertragen, dennoch werde ich morgen wohl ein wenig verkatert sein. Kater, ich weiss gar nicht mehr, was das ist.

Gegen Mitternacht liefen wir durch diese schöne Sommernacht durch den Prenzlauer Berg nach Hause.