[Tagebuchbloggen. Samstag, 10.4.2021]

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Ich stand auf, tat belanglose Dinge, dann war das Fussballspiel gegen Gladbach, dann tat ich belanglose Dinge und gleich ist Bettzeit.

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Eigentlich wollten wir diese neue Serie „Them“ sehen. Eine Horroserie über eine schwarze amerikanische Familie, die im Los Angeles der Nachkriegsjahre in eine weisse Nachbarschaft zieht und dort Horror erlebt. Anfangs denkt man, dass es schlichtweg um Nachbarschaftshorror mit einer sozialkritischen Nuance gehen wird, aber es kommt dann schon etwas klassisch Übersinnliches, das böse Dinge tut, ins Spiel.

Nach etwa 7 Minuten verfingen wir uns in eine Diskussion über den Film „Antebellum“, den wir bereits vor einigen Wochen gesehen hatten. Auch jener Film behandelt das Thema Hautfarbe und wir waren uns damals total uneinig.
Nach wenigen Minuten kam jenes Gesprächsthema wieder hoch und die steigenden Lautstärke unserer Stimmen verriet uns, dass wir das Thema offenbar noch nicht zu Ende besprochen hatten. Da wir von der Serie nichts mehr mitbekamen, war meine Frau so klug, auf den Pause-Knopf zu drücken.

Wir vertraten zwei sehr gegensätzliche Meinungen über die Auswirkungen des Films. Ich werde den Inhalt der Diskussion jetzt nicht im Detail wiedergeben, da es den Rahmen sprengen würde, aber die Essenz des Streitgespräches war, dass für mich der Film lediglich eine Art Jurassic Park mit rassistischem Thema war.
Der Plot des Films geht so: eine erfolgreiche, schwarze Frau wird entführt und findet sich auf einer Baumwollplantage, samt Herrenvolk, Konföderiertenflagge und Sklaven wieder. Am Ende schafft sie es zu flüchten und man erfährt, dass es ein privates Gelände von Rassisten in der Jetztzeit war.
Die Diskussion entflammte sich schon vor einigen Wochen an der Frage, ob es für mich schlimmer gewesen wäre, wenn sich dieses private Gelände in der Vergangenheit befunden hätte oder, dass es in der Jetztzeit angelegt ist. Für mich war es klar, dass es schlimmer gewesen wäre, wenn sie durch die Zeit in der Vergangenheit gelandet wäre. Weil sie dann nach der Flucht ja immer noch diese 180 Jahre vor sich gehabt hätte um sich am Rassismus abzuarbeiten bis dahin, wo wir heute sind. Das Problem ist ja längst noch nicht vorbei, aber es hat sich in den letzten fast zwei Jahrhunderten schon viel getan. Wenn sie in der Jetztzeit flüchtet, kann sie sich in der Gegenwart, mit allen Rechten, die sie als Frau und als Schwarze hat, an den Peinigern rächen.
Meine Frau fand es wesentlich deprimierender, dass diese Plantage in der Jetztzeit angesiedelt war und zwar, weil die Frau mit den daraus resultierenden Traumatas (es passieren sehr schlimme Dinge in dem Film) in der Jetztzeit leben muss und diese Selbstverständlichkeit, dieses selbstbestimmte Leben, das sie sich als schwarze Frau aufgebaut hat viel fragiler geworden ist und die kleinen, beiläufigen, alltäglichen Rassismen im Restaurant, an der Rezeption, beim Einsteigen in ein Taxi, ein ganz anderes Gewicht bekommen.

Im Laufe der nächsten Stunde erfahren wir wieder viel über die Fremd- und Eigenwahrnehmung unserer Hautfarben, aber vor allem auch über Geschlechter und das Selbstverständnis, mit dem wir durch das Leben gehen.
Nach einer Stunde sind wir wieder halbwegs versöhnt und drücken auf den Play-Knopf. Die Serie stand immer noch bei Minute sieben.

Mir gefiel die Serie nicht. Das lag aber mehr an der Unglaubwürdigkeit der Figuren.

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Später habe ich Dinge im Internet bestellt. Tastenkappen für meine mechanische Tastatur, AAA-Batterien, ein Ladegerät für AAA-Batterien, Pflaster, eine medizinische Schere, einen Akku für das Festnetztelefon, eine Pomade, die nach Holz und Patchouli riecht, ein Küchenthermometer, einen Omelettenwender und ein Schneidebrett aus Kunststoff.

[Sonntag, 11.4.2021]

Heute bin ich das erste Mal ohne Jacke aus dem Haus gegangen. Das war ein seltsames Gefühl. Ein schönes Gefühl, aber ein seltsames Gefühl. Dieser einsame Ausstecher auf zwanzig Grad. Gestern war Regen und zehn Grad, morgen auch wieder. Aber heute: zwanzig Grad und Sonne.

Wir hätten die Gelegenheit nutzen und Fenster putzen können. Aber das fühlte sich sehr nach verschwendeter Zeit an. Deswegen haben wir stoßgelüftet. Alle Fenster geöffnet und etwa eine Stunde lang die ganze Wohnung durchpusten lassen.
Eine Freundin erzählte mir neulich, sie würde jeden Tag die Fenster öffnen um durchzulüften. Ich sage jetzt nicht in welchem Jahr ich das Fenster in meinem Arbeitszimmer das letzte Mal geöffnet habe.
Ich habe nicht das Gefühl, dass es im Nachhinein einen großen Unterschied gemacht hat, ich finde die Luft hier drin ziemlich wie immer. Aber dieses Aufreissen der Fenster und dieses Gefühl, jetzt lasse ich mal die Wohnung mit Frühlingsluft durchfluten, ja für sowas macht man es ja, oder? Für dieses Gefühl habe ich es getan.

Auch die Weihnachtsbeleuchtung haben wir heute abgebaut. Zumindest eine der drei Lichterketten. Die Lichterketten an den Stühlen an der Wand und auf dem Stierkopf haben wir hängen gelassen. Zum einen weil ich sie zu kompliziert verwickelt habe, aber auch, weil sie uns mittlerweile ganz gut als Raumbeleuchtung gefallen. Vor allem der Stier.

Die andere Beleuchtung war allerdings etwas missglückter. Jene Lichterkette war an der Gardinenstange im Wohnzimmer befestigt und wollte ihren Zweck irgendwie nie richtig erfüllen. Daher nahm ich sie ab.
Weil ich zu faul war mir eine Leiter zu holen, versuchte ich sie vom Boden aus abzulupfen, also mit Lupfbewegungen vom Gestänge abzukriegen. Ich hätte es vorhersehen können, dass das nicht funktioniert, ich hätte es vorhersehen können, dass ich die komplette vier Meter lange Gardinenstange samt Gardinen und Schrauben aus der Wand reisse.

Danach erst Mal lange spazieren gegangen.

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Viel Zeit in der Küche verbracht. Restgemüse zusammengeschnitten und in den Ofen geschoben. Außerdem habe ich eine Haferschleimsuppe zubereitet. Dieser Name. Ich suchte im Internet nach alternativen Namen, es geht sicherlich anders, als Nahrung mit Schleim in Verbindung zu bringen, aber andere Bezeichnungen als Haferbrei finde ich nicht und Haferbrei ist eigentlich doch wieder etwas anderes. Der Name sagt vermutlich etwas über die Menschen und ihre Beziehung zum Essen aus. Mehlschwitze. In Südtirol gibt es die Brennsuppe, das klingt auch nicht wesentlich besser. Sicherlich gibt es einen historischen Bezug zur Armut der Leute.
Läge Berlin Frankreich, hieße es bestimmt „Hafergold“ oder „Suppe aus dem lieblich sich windenden Loiretal“. Haferschleim. Das könnte eine Suppe aus einem BDSM-Keller sein.

[Montag, 12.4.2021]

Mein Plan, Wahlhelferin zu werden und dadurch in die Impfgruppe 3 zu rutschen, wird vermutlich scheitern. Ich habe erfahren, dass man im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sein muss, um dafür infrage zu kommen. Damit ist das hinfällig.
Ich wollte schon vor 4 Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen um in diesem Land wählen zu dürfen. Das war damals genau wie jetzt, ein paar Monate vor den Wahlen. Aber ich war vier Jahre lang zu faul dafür. Vermutlich ist es mir nicht wichtig genug. Jetzt finde ich einigermaßen lustig, dass wieder Wahlen anstehen und ich mich wieder in der Staatsbürgerschaft eingeschränkt fühle. Meine Verhaltensmuster sind ziemlich unterkomplex. Und dann darf ich nicht Mal bei den Wahlen helfen.

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Gestern habe ich ja AAA-Batterien bestellt. Heute sind sie gekommen. Ich brauchte offenbar aber AA-Batterien. Ich kann mir die Anzahl AAAAAA’s nie merken. Es ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert. Ich liebe viele AAAAAA’s beim Schreien. Zwei AA’s sehen seltsam unauthentisch aus.

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In Longyearbyen wird es schon nicht mehr richtig dunkel. Es ist irre, wie schnell das geht. Vor einem Monat, am 8.3. ging das erste Mal die Sonne auf, jetzt Mitte April wird es nachts schon nicht mehr richtig dunkel. Es ist Mitternacht, im Norden sieht man noch die Ausläufer eines Sonnenuntergangs.

Hier die Webcam.

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Eine Freundin hat mir ihre alten Keycaps geliehen. Also Tastenkappen für meine Tastatur. Ich habe ja ein OEM Tastenprofil, das ich eher als breit empfinde und ich wollte Cherry-Profile probieren, ob ich damit besser tippen kann.
Jetzt stellt sich raus: die geliehenen haben das gleiche Profil. Das bedeutet, dass ich bereits Cherry-Profil hatte. Also baute ich alles wieder zurück.
Nun werde ich auf die Keycaps warten, die ich im Netz bestellt habe, die sind in einem altmodischen DSA Profil. Sie kommen von einer obskuren Herstellerin aus den USA, der Liefertermin ist Mitte Mai.

Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich überhaupt neue Keycaps will. Ich habe mich bereits an diese Tasten gewöhnt und habe sie auch sehr zu schätzen gelernt, man merkt, dass sie sehr hart sind, das ist ein sehr schönes Gefühl.

[Dienstag, 13.4.2021]

Bis vor einigen Wochen hatte ich immer Kabelkopfhörer. Neuerdings habe ich Bluetoothkopfhörer.
Wenn ich aus dem Haus gehe, höre ich immer Podcasts. So auch heute, als ich gutgelaunt die Wohnung verließ, die Treppe hinunter lief, im Innenhof das Fahrrad aufsperrte, durch das Haus hinaus auf die Straße ging, mich auf das Fahrrad schwang und losfuhr. Bis zwei Häuser weiter das übliche Stottern begann, wie man es kennt wenn beim Sprechen die Telefon- oder Internetverbindung vom jemandem abbricht.

Ich dachte nur: schlechte Aufnahme. Als eine Straße weiter das Audio nicht zurückkommt, halte ich an um auf mein Telefon zu schauen. Ich hatte es nicht dabei.

Dieses innere Bild, wie das Handy neben meinem Bett liegt und verzweifelt versucht, mir meinen Podcast durch halb Berlin zu senden.

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Am Abend einen Freund für einen kurzen Plausch getroffen.

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Ah und wir haben wieder eine verliebte Nachtigall im Hof. Ich frage mich manchmal, ob es immer die Gleiche ist und jedes Jahr zurückkomt.

[Donnerstag, 15.4.2021]

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Und schon wieder fast Wochenende.

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Heute morgen bin ich wieder in eine Polizeikontrolle geraten. Unweit meiner Wohnung gibt es eine für Fahrradfaherinnen total unnötige und sogar gefährliche Abbiegepflicht. Es ist schwierig, diese Verkehrssituation in einem Text zu erklären, deswegen überspringe ich diesen Teil. Aber man sollte wissen, dass diese Regeln an dieser Stelle von vielen Menschen ignoriert wird. Wie der Großteil aller Verkehrsregeln, wurde die Abbiegepflicht in diesem Teil des Kiezes natürlich wegen Autos eingeführt und weil man bei der Verkehrsplanung traditionell immer an Autos denkt, entstehen total blödsinnige Regeln, an denen sich Fahrradfahrerinnen nicht halten.
Für den Autoverkehr macht die Regel total Sinn aber auf dem Fahrrad begibt man sich in zwei sehr gefährliche Situationen und man wählt daher die ungefährliche Variante, weil man auf dem Rad sofort versteht, dass die Regel für den Fahrradverkehr unsinnig und gefährlich ist.

Das Problem ist. Auch Autos ignorieren diese Regel oft. Das hat sich wohl bis zur Polizei herumgesprochen. Deshalb stand heute die Polizei an besagter Stelle und fischte Auto um Auto raus.
Und natürlich auch mich.

Ich habe gelernt: diskutiere nie mit der Polizei. Siehe dazu auch einen anderen Beitrag. Die Polizei kennt keine Grautöne und sie will recht haben. Ich finde das auch OK. Das ist ihr Job.

Ich grüße den Herrn und sage gleich: ich ahne, was das Problem ist.
Dann antwortet er: wenn Sie wissen, was das Problem ist, warum machen Sie es dann?
Ich antworte: ich könnte das erklären, aber das bringt ja nichts
Er fragt: Warum bringt das nichts?
Ich sage: Weil ich ja etwas Regelwidriges getan habe
Er sagt: Versuchen Sie es doch zu erklären
Ich sage: nein, weil dann diskutieren wir hier nur rum und Sie werden die Regel für mich ja nicht ändern
Er denkt nach und sagt: das stimmt auch wieder

Wir pausieren kurz. Dann sagt er: fahren Sie. Aber das nächste Mal kostet es 30€

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Ich habe jetzt ein eigenes Büro. Eigentlich mag ich kein eigenes Büro. Zum einen, weil ich Einzelbüros so als überholtes Statussymbol für Chefs empfinde aber ich liebe einfach Großraumbüros. Das war immer schon so. Ich mag den Kontakt mit Menschen, wenn ich im Büro bin. Den Austausch, die kurzen Wege, ich weiß, was los ist, die positive Teamdynamik die in den Gruppen entsteht, die ganz anders ist als wenn Leute zu zweit oder zu viert in ihren Hamsterställen sitzen. Zumindest wenn die Leute entsprechend positiv zueinander stehen oder bereit dazu sind. Aber ich weiß schon, das ist immer ein Thema mit unterschiedlichen Farbtönen.

Jetzt Einzelbüro. Weil ich so viele Calls und Telefonate und vertrauliche Gespräche führe, dass ich ohnehin immer in einem kleinen Besprechnungsraum auf dem Sofa sitze, hat man mir jetzt einen Schreibtisch hineingestellt und einen Monitor und eine Tastatur. Das soll jetzt mein festes Büro werden. Dass man mich fragte, ob ich eine mechanische Tastatur haben möchte, hat mich am meisten gefreut. Womöglich bin ich beim Thema Tastaturen etwas verhaltensauffällig. Jetzt habe ich eigentlich zwei Arbeitsplätze. Im Großraumbüro mit mechanischer Tastatur. Und das Gleiche nochmal in meinem neuen Einzelbüro. Mit dem Laptop wandere ich dann hin und her.
Und das Sofa habe ich auch noch da.

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In Herthas Mannschaft und Trainerstab ist Covid ausgebrochen. Morgen wird vermutlich verkündet, dass die nächsten drei Spiele nicht ausgetragen werden dürfen. Das bedeutet, dass wir diese Spiele irgendwann in einer kurzen Zeitspanne alle einmal nachholen müssen. Es sind noch sechs Spiele bis Saisonende. Drei werden wir sicherlich nachholen müssen. Vielleicht auch vier. Diese Spiele werden wir irgendwo unter der Woche reingeschoben bekommen und müssen dann jeden dritten Tag ein Spiel absolvieren. Bis die Knochen brechen. Und wir stehen einem Platz über den Abstiegsrängen.

Würden wir absteigen, wäre es eine dieser Geschichten, die zu Herthas Vereinsgeschichte passen würde.

[Freitag, 16.4.2021]

Eine Freundin kam auf einen Kaffee bei mir am Potsdamer Platz vorbei. Sie war auf dem Weg, ihren Mann vom Büro abzuholen und hatte noch etwas Zeit, also trafen wir uns draussen auf einem Plausch. Sie hatte ihre 2 jährige Tochter dabei. Letzten Sommer hatte ich der Tochter ein Schokoladeneis gekauft und seitdem ist sie meine Freundin.

Auch heute bekam sie natürlich ein Eis von mir.

Ihrem Vater erzählte sie nachher: ich habe heute meinen Freund Markus getroffen und er hat mir ein Eis geschenkt. Mama war auch dabei.

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Ausserdem habe ich mir im Büro ein Headset bestellt. Ich hatte mich bisher auf In-Ear Kopfhörer mit eingebautem Mikro beschränkt, weil Headsets mit ihren Bügeln und Mikrophonstangen ja immer Scheisse aussehen. Für so etwas bin ich zu eitel. Weil ich aber fast den ganzen Tag lang über Hangouts kommuniziere, habe ich ständig Plastikstöpsel in meinem Ohr, was jetzt unweigerlich zu wunden Ohren geführt hat. Links ist es sogar schon entzündet.

Das Headset liegt schön weich auf meinen Ohrmuscheln auf. Kein Druck, kein Scheuern, keine Stellen, die sich abends wund anfühlen.

Das wird mich in meinem Leben jetzt immer öfter begleiten, dass ich die Eitelkeit der Bequemlichkeit und der Gesundheit opfern muss.

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Am Abend treffe ich meine Frau am Alex. Wir schlendern den ganzen Weg nach Hause.

[Samstag, 17.4.2021]

Wieder in dem Dreieck Mauerpark, Jahnstadion, Arkonaplatz herumspaziert. Wir hatten uns mit Graffitiutensilien eingedeckt. Blaue und weiße Dickstifte, wasserfest, Benzinbasis. Auch sogenannte Squeezer. Den Squeezer hat uns einer der Jungen aus dem Fanclub empfohlen. Die zwölfjährigen kennen sich damit schließlich am besten aus. Wir so, um die fünfzig, an einem Samstagnachmittag auf einer Parkbank mit einem Squeezer. Das konnte natürlich nicht gut gehen. Ich nahm das mit dem Squeezen ein bisschen zu wörtlich, die Funktionsweise des Squeezers verstand ich sofort, es ginge darum, den Stift zu drücken, damit die Farbe vorne am Kissen herauskommt. Damit kann man gut im Vorbeigehen Tags anbringen. Squeezer bringen auch diese dickflüssige Farbe hervor, bei einer Schriftbreite von 25mm.
Squeezen also. Ich squeezte das Ding so fest, dass es mir in der Hand zerplatzte. Jacke, Hose, Hände, Bank: alles blau.

[Sonntag, 18.4.2021]

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Den ganzen Tag nicht dazu gekommen, den Tagebuchtext von gestern online zu bringen. Zum Einen, weil er nicht fertig geschrieben war und zum anderen war ich sehr abgelenkt und es fehlte mir der Elan, die Dinge aufzuschreiben und anzupinseln. Bis auf die Sache mit dem Squeezer, die ich heute noch spät online gebracht habe.

Dafür habe ich heute Blumenkohlreis gemacht. Blumenkohlreis werde ich in mein kulinarisches Portfolio aufnehmen. Es geht dabei im Kern nur darum, dass man Blumenkohl mit einer groben Käsereibe zu Reis reibt und diesen dann etwa 8 Minuten in einer Pfanne mit etwas Salz anbrät bzw trockenbrät.

Danach kann man ihn weiterverarbeiten. Wir haben ihn ihn als Reisbeilage zu einem mexikanischen Schwarze-Bohnen-Gericht mit Guacamole genommen. Das passt ausgezeichnet. Ich finde das phantastisch.

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Gestern hatte jemand im Fanclub die Idee, Genesungskarten an die Mannschaft zu schreiben. Zumindest an die kranken Spielerinnen und Trainerinnen. Rune Jarstein lag beispielsweise wegen seiner Coronainfektion in der Charite. Er wurde allerdings heute wieder entlassen. Meine Karte schrieb ich an Jarstein. Ich mag seine Frisur und ich finde den einen guten Typen.
Ich mag die Aktion. In diesem Organismus Fussball fehlt es grundsätzlich immer ein bisschen an Liebe. Kann nie schaden.

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Wir haben zwei Horrorfilme gesehen, wovon einer richtig gut war. The Ritual. Eigentlich schaue ich keine Filme mehr, in denen keine Frauen in tragenden Rollen vorkommen, aber ein Horrorfilm, der im schwedischen Wald stattfindet hatte dann doch einen gewissen Reiz. Um ordentlich Brennstoff für meine Alpträume zu sammeln, wenn wir nächsten Sommer wieder unser Häuschen im schwedischen Wald besuchen.

Der Plot geht so: fünf englische Kumpels sitzen im Pub und wollen wieder einmal einen Männerurlaub machen. Neben Ibiza, Berlin und Amsterdam schlägt der eine eine Hikingtour durch den schwedischen Wald vor. Alle anderen eher so: mwah… das ist anstrengend.
Fünf Minuten später gehen er und einer der anderen in einen Späti um Vodka zu holen, dort werden sie überfallen und der eine, der die Hikingtour machen wollte, stirbt.
Der andere Freund, der mit ihm im Laden war, konnte sich verstecken und überlebte den Überfall unbeschadet. Seitdem plagt ihn ein latentes Gefühl der Schuld. Wenn wir ganz ehrlich sind, er hätte da nicht viel machen können, die Mörder waren zu dritt oder zu viert und sie waren bewaffnet. Aber wer weiss. Dieses „wer weiss“ schleppt er halt mit sich herum.

Sechs Monate später sieht man die verbliebenen vier Kumpels im schwedischen Wald (der eigentlich in Rumänien gefilmt ist), um so etwas wie einen letzten Wunsch ihres Freundes zu erfüllen. Wie man es erwartet, geht das nicht gut. Sie kommen vom Weg ab, verlaufen sich, verletzen sich und begegnen dort schließlich einer sehr düsteren Macht.

Was ich an vielen Horrorfilmen immer doof finde, sind die Monster. Wenn sie zu explizit mordend und offensichtlich hässlich dargestellt werden. Hier ist das anders. Diese düstere Macht ist lange Zeit nur etwas, das bei den Menschen zu Visionen führt. Der eine Kumpel, der sich in seinen Visionen immer wieder in diesem Späti mit dem sterbenden Freund wiederfindet. Dies Monster lässt Leute gruselige Dinge tun, es ist etwas, das nur angedeutet wird, etwas, von dem man weiss, dass es durch Fremde angebetet wird, die ganzen Ritusstätten, die eingeritzten Symbole in den Bäumen.

Leider wird es am Ende dann doch noch gezeigt. Es wurde ein bisschen zu viel aufgedeckt. Das Monster lässt sich sogar in der nordischen Mythologie einordnen. Das hätte nicht sein müssen.

[Montag, 19.4.2021]

Das war ein Scheissmorgen. Ich fuhr ins Büro, setzte mich an den Schreibtisch, wollte den Laptop aus der Tasche ziehen und merkte, dass da nur mein Essen drin war, aber kein Laptop. Ohne Laptop kann ich nicht arbeiten, also stellte ich das Essen auf den Schreibtisch um mich von unnötigem Gewicht zu befreien, ging runter zu meinem Fahrrad und fuhr wieder nach Hause.

Als ich zuhause ankam, hatte ich also fast 60 Minuten intensives Fahrradfahren hinter mir. Ich war erstaunt darüber, wie sehr mich das erschöpfte. 30 Minuten intensives Fahren ist überhaupt kein Problem, ich fahre sie jeden Tag. Bei Schnee, bei Regen, immer. Und dann wieder am Abend 30 Minuten nach Hause. Diese Minuten aber alle an einem Stück zu fahren nimmt meinem Körper die Kraft. Das fand ich erstaunlich.

Ich blieb zuerst zuhause, um mich zu erholen, hielt ein paar Calls ab, aber ich musste wieder ins Büro, schließlich hatte ich ja mein Essen auf den Schreibtisch gestellt, es würde verderben. Kurz nach Mittag fuhr ich also wieder los.

Im Innenhof traf ich meinen Nachbarn. Er fragte mich, ob mein Fahrrad kaputt sei. Ich schaute auf mein Fahrrad hinab und fragte: nein, warum? Er sagte, er dachte ich hätte ein anderes Fahrrad.
Ich muss zugeben, dass mein Fahrrad etwas abgerockt aussieht. Meine Fahrräder sahen immer schon abgerockt aus. Und wenn sie neu sind, dann sehen sie sehr schnell immer sehr abgerockt aus. Ein Fahrrad ist für mich ein Vehikel mit dem ich schnell und unkompliziert von A nach B komme. Dass mein Fahrrad als Notlösung betrachtet wird, finde ich dennoch ein bisschen lustig. Außerdem bin ich ein bisschen stolz darauf, nicht zu diesen tüddeligen Leuten zu gehören, die erst bei zweistelligen Plustemperaturen und Sonnenschein ihre seltsamen und unbequemen vintage Rennräder hervorziehen um danach Angst vor Kratzern und Schlaglöchern zu haben.

In der Wallstraße unweit vom Spittelmarkt fanden Filmarbeiten statt. Die Cinemobils hingen da schon bei meiner Fahrt am Morgen herum, aber die Straße war da lediglich für Autos gesperrt. Mit dem Rad konnte man noch ungehindert durchfahren. Jetzt am Nachmittag, war es auch für mich untersagt. Ich sollte einen Umweg nehmen. Rechts war die Brücke gesperrt, ich hätte einen riesigen Umweg nehmen müssen. Links war der Umweg vielleicht ein wenig kürzer aber sehr kompliziert.
Ich hatte gleich einen Call und würde zu spät kommen. Die Fahrt war genau so geplant, dass ich zwischen zwei Calls ins Büro fahren kann. Ich ärgerte mich sehr und ließ das Sicherheitspersonal meinen Ärger spüren, ich versuchte dabei aber ruhig zu bleiben und nicht persönlich oder aggressiv zu werden, sondern regte mich nur über die deutsche Filmindustrie auf, dass den uninspirierten deutschen Filmkäse ja ohnehin niemand sehen will. Ich stand da seltsam verloren herum und wusste nicht welchen Umweg ich nehmen sollte, und schwörte währenddessen mir selber und dem Sicherheitspersonal, dass ich nie wieder eine deutsche Produktion sehen werde, auch nicht wenn sie von Netflix ist.
Vermutlich bin ich total peinlich.

Als ich mich für einen Umweg entschieden hatte und losfahren wollte, kam mir Frau Modeste entgegen. Die Freude ist groß. Auch sie wird zu einem Umweg gezwungen. Ich bekräftige, dass ich nie wieder ein deutsche Filmproduktion schauen werde, auch wenn sie für für Netflix gedreht wird.

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Ich habe heute zwei Mitarbeiterinnengespräche. Bei beiden Gesprächen gehen wir raus in die Sonne und wärmen uns.

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In Longyearbyen ist die Sonne gestern das letzte Mal untergegangen. Jetzt dreht sie bis zum 25. August am Himmel ihre Kreise.