7 August Samstag/Saturday – libera me domine

Im Mai hatten wir mit dem Chor das Verdi-Requiem in der Musikhalle aufgefuehrt. Vor einigen Wochen kam die CD raus. Und hier die versprochene Kostprobe. Das Libera me domine. (8280kB, ogg)

Libera me, domine, de morte aeterna
in die illa tremenda
quando coeli movendi sunt et terra,
dum veneris judicare saeculum per ignem

Tremens factus sum ego et timeo,
dum discussion venerit atque venture ira:
quando coeli movendi sunt et terra.

5 August Donnerstag – Sommer

Es sind die Naechte die den Sommer verschoenen. Nicht die Tage. Es sind die Naechte.
Es sind nicht die Tage, wo man so hohl wie eine Fata Morgana herumschwebt und vor und hinter den Augen einem nur die Formen verbiegen und die Distanzen so nah doch am Ende der Erdenplatte verdampfen, weil der Arsch erstickt und sich nicht heben kann.
Nein, es sind die Naechte. Wo man naechtlich wieder, nachtein nachtaus vom Hitzetod befreit, in die Strassen eintaucht und Wunder ueber Wunder man darin frei atmen kann als haette man ploetzlich Chiemen, wo der ganze Tagesschweiss sich wegwaescht oder abstreift und nur noch die nackte Haut am Ende bleibt.
Es sind wirklich nur die Naechte.

1 Ausgut Sonntag/Sunday – Boss 3

Am Freitag kam mein Boss zu mir und sagte:

Mek, ich moechte ein ernstes Gespraech mit dir fuehren. Hast du Zeit? Natuerlich hatte ich. So sass ich mich in sein Buero und fing meinen einstudierten Monolog an. Ueber meinen Vetrag der in zwei Wochen aufhoert und meine Unfreude darueber dass ich als Zeitarbeitler weiterhin fuer diesen Hungerlohn weiterarbeiten muesse. Doch gleich nach dem ersten Satz unterbrach er mich mit den abwesenen Worten:
„Das betrifft dich nicht. Dein Vertrag bei der Zeitarbeitsfirma wird nicht verlaengert“. Mein ganzer Mut fiel zu Boden und verstrickte sich in den dunkelgruenen Teppichboden: „Du Schwein, du mieses Ferkel“ dachte ich „ja ich weiss auch dass ich die letzte Zeit alles andere als ein guter Mitarbeiter war, dass ich viel zu viele Raucherpausen einlege und dass ich viel zu viel auf den anderen Abteilungen rumhaenge und mich verquatsche und dass sich schon mehrmals Leute beschwert haben dass ich immer barfuss rumlaufe. Komm schon raus mit der Sprache, entlass mich dann, ich gehe jetzt gleich noch, du mieser Hund“. Dann fuhr er fort, waehrend er in irgendwelc he Papieren rumblaetterte. „Ich moechte dich gerne bei uns einstellen“. Ich guckte etwas verstoert drein. Das war nun wirklich nicht die Weiterfuehrung seines Satzes den ich erwartet hatte. Ich guckte zu Boden und hielt Ausschau nach meinem Mut der sich im Teppichboden verstrickt hatte, doch der hatte sich schon auf den Weg zur Tuere gemacht. Ich versuchte ihm zuzurufen dass es keinen Grund gab sich aus dem Staub zu machen, aber dann fuhr mein Chef schon fort mit einem minutenlangen Monolog voller Lob und Komplimenten „…du wurdest wegen deines merkwuerdigen Akzentes etwas schwer zu vermitteln eingestuft, aber bei deinen Qualitaeten und Lebenserfahrung wollte ich dich unbedingt ins Boot holen…“ Der Mut war ziemlich eingegangen und versuchte unter Schnauben und Stoehnen vergeblich die Tuerklinke zu erreichen. Wenn der weiter so laut war, dann wuerde er alles vermasseln. „…du bist zwar ein unglaublicher Dickschaedel, aber du hast Freude an den Sachen die du machst…“ Ich schielte in die Ecke und sah dass der Mut nun die Tuerklinke erreicht hatte und darauf rumritt. Jedoch war er viel zu klein geworden und eben nicht schwer genug diese zu bewegen. Wenn er bloss nicht so einen Laerm machen wuerde. Ich beruhigte mich etwas und setzte mich deshalb gerade in meinen Sessel um mir eine stattliche Haltung zu geben und sagte aufrecht und selbstbewusst: „Ahm mh“. Mein Chef merkte nichts davon, blaetterte immer noch in seinen Unterlagen und fuhr weiter „…und oben im UNIX-team wird sich im naechsten budgetaeren Jahr vieles tun und neue Stellen auftun und die meinten sie haetten grosses Interesse in dich…“ Es wurde Still in der Ecke bei der Tuer. „…du sprichst sechs Sprachen, hast viel gereist…“ Ich drehte meinen Kopf zur Tuer und sah wie der Mut an der Wand klebte wie eine Spinne, ploetzlich herangewachsen auf die doppelte Groesse von eben und guckte verstohlen zu uns herueber. „Moechtest du nicht vielleicht in naher Zukunft irgendeine kleine Fuerhungsposition nehmen, so zum anfangen?“ Ich erschrak „Nein um Himmels willen! Ich kann zwar gut Kommandos geben, aber um ein Team zu leiten fehlen mir die sozialen Faehigkeiten“. Ich hoerte ein Schnurren von der Tuer her. Wenn ich es nicht besser gewusst haette, dann haette man meinen koennen es waere ein Brummen, so tief klang das. „Haha! Ja stimmt. Ich glaube du waerst in der Tat kein guter Teamleiter, du bist eher der Typ der eine ganze Firma leitet“. Er schaute mich zufrieden an. „Oder Zirkusdirektor!“ seinen Witz fand er sehr komisch. Ich guckte etwas verdutzt drein und sah auch meinen Mut da drueben wie er seine Augenbrauen verzog. Mein Chef war nicht mehr zu bremsen lobte meine Eskalationsgespraeche mit veraergerten Kunden, wie geschickt ich diese Gespraeche unter Kontrolle hielt, unterdessen sah ich aus den Augwinkeln den Mut da drueben schon so gross wie einen grossen Koffer sich langsam die Wand hinauf bewegen in Richtung Decke. Und der Chef erzaehlte mir die Geschichte wieder, wie ich der einen alten Oma uebers Telefon half alle ihre Kabel mit dem Modem, dem Wandler, dem NTBA und dem Splitter zu verkabeln und zeigte mir den Dankes-Fax der besagten Frau, waehrend der Mut wie eine riesige Krake sich ueber die ganze Decke breit machte und herunterguckte und immer naeher kam. Dann wollte ich wissen was das in Termen von Lohn fuer mich bedeuten wuerde. Diese Frage kam etwas zoegernd heraus da der Mut nun die ganze Decke in Beschlag genommen hatte und ich das Gefuehl hatte dass er sich ganz loesen wuerde und auf uns runterfallen wuerde und saemtliche Blumen und Kaffetassen auf dem Tisch kaputtmachen wuerde. Dazu sagte er „Nun es wird schon etwas mehr sein als jetzt, aber natuerlich nicht das was du gerne haettest, ich kann in meiner Abteilung einfach nicht mehr rausruecken. Aber das ist natuerlich anders wenn du im UNIXteam bist“. Und in dem Moment machte es an der Decke einen Knacks und das ganze dunkle Biest da oben, das mittlerweile zu einem schleimigen und sabbernden Ungeheuer herangewachsen war, fiel hernieder, ueber mich her und ich war von oben bis unten mit braunem Schleim ueberzogen. Ich stand vom Stuhl auf und lief zweimal durch sein Buero und sagte „Schoen. Danke. Ich bade von all deinen Worten in einer dicken Lage feuchtem Schweiss“. Der Mut sprach zu mir „Verlange mehr Lohn oder kuendige“, aber ich wies den Mut auf seinen Platz, entledigte mich seiner und stiess ihn in die Ecke. „Dann ist ja alles klar und kann ich in den Urlaub gehen bald“. „Genau“.

29 Juli Donnerstag/Thursday – Boss 2

Ich ging heute zum Chef und sagte:

Hallo Boss, also ich muss jetzt mal ernsthaft mit dir reden, und zwar geht es um meine Zukunft hier in der Firma, weisst du-
Boss: Mek, ich habe keine Zeit jetzt.
Ich: Ich moechte binnen kurzer Zeit mit dir ein ernstes Gespraech fuehren.
Boss: Ja klar.
Ich: Hast du heute im Laufe des Nachmittags Zeit?
Boss: Nein, Morgen auch nicht, und am Anfang der naechsten Woche auch nicht.
Ich: Na schlage du den schnellstmoeglichen Termin vor.
Boss: (schaut in Kalender) Naechste Woche Donnerstag um 14Uhr.
Ich: *Grummel* Nein, da kann _ich_ nicht. Nenn mir ein frueheres Datum.
Boss: (vertieft sich im Kalender)
Nachdem ich zwanzig Sekunden wartete verliess ich sein Buro.

(3) ein neuer Anfang / a new start

Zwischen meinem 18. und 23. Lebensjahr hatte ich eine sehr kreative literaire Phase. Ich las damals Charles Bukowsky und waehrend dem Lesen meldete sich ploetzlich meine Muse und sagte „Mek, sieh her. Das kannst du doch auch. Schreibe deine wilden Saufgeschichten auf und werde beruehmt.“ Ich entdeckte spaeter natuerlich dass es bei Bukowsky weit mehr auf sich hatte als nur Saufgeschichten, aber das war fuer mich jedenfalls der Anstoss mich wieder in die Welt des Schreibens zu stuerzen. Ich schrieb als Kind sehr viel. Bis ich etwa 13 oder 14 wurde. Ich schrieb ausschliesslich Horrorgeschichten oder ganz fuerchterlich pathetische Heldengeschichten. Danach setzte die Zeit der Drogen ein und die kreativitaet musste weichen. Nach dem Lesen von Bukowsky besorgte ich mir dann eine Schreibmaschine und tippte drauflos. Ein halbes Jahr spaeter hatte ich ein 80-seitiges Buechlein fertig und ging damit auf Reisen. Wien, Zuerich, Augsburg, Berlin. Betrank mich, fing in der Kneipe an zu lesen, verkaufte meine Schreiberei und soff noch mehr vom Erloes. Eine schoene Zeit war das.
Obwohl das Buechlein eine Sammlung von Kurzgeschichten, Zeichnungen und Gedichten war, gab es einen Zusammenhang zwischen den ganzen Komponenten und ich fing somit an, an eine etwas reifere Geschichte zu basteln, die direkt aus jenem Buechlein hervorkam. Eine Geschichte ueber einen planlosen 20jaehrigen Hausbesetzer der ungewollt Mittelpunkt einer Weltverschwoerung zwischen Gott und gierigen Machthabern wird und ohne es zu merken die ganze Welt in den Abgrund stuerzt. Eine Weltuntergangskomoedie. So schrieb ich 4 Jahre lang an dieser Geschichte. In der Zwischenzeit zog ich nach Wien, fand keine Wohnung, verstritt mich und zog nach einigen Monaten fuer einen Winter in die Niederlande, besetzte dort ein huebsches kleines Haus in der Innenstadt und blieb. Da schrieb ich weiter, wurde mehrmals geraeumt, verliebte mich, und zog irgendwann mit meiner Schreibmaschine, Brecheisen und Schlafsack zu meiner damaligen Freundin. Da bezahlte ich das erste mal in meinem Leben Miete und machte mich breit. Dann fing ich auch irgendwann an zu arbeiten um etwas Geld im Sack zu haben, erwarb mir einen billigen Laptop damit ich meine Geschichte endlich mal sauber irgendwo eingeben konnte, und nicht immer alles uebertippen musste wenn ich groessere Korrekturen gemacht hatte. Dann hatte ich irgendwann fast 350 DIN A4 Seiten zusammengeschrieben und kam eines Tages nach Hause und fand die Wohnungstuere aufgebrochen. Die naechsten Schritte durch meine Wohnung waren wohl die schlimmsten Minuten meines Lebens, weil alle Buecher auf dem Boden lagen und ich gleich merkte dass mein Laptop nicht mehr da stand wo ich ihn gelassen hatte. Und waehrend ich so auf meinen leeren Schreibtisch hinlief wusste ich auch gleich dass ich keine Kopie des ganzen Geschriebenen hatte. Weder auf Floppy noch irgendwo anders. Lediglich die ersten 50 Seiten hatte ich einmal ausgedruckt gehabt und einige Fragmente hatte ich mal onlline gesetzt um HTML zu lernen. Die Geschichte war damals fast fertig gewesen. Ich war schon beim Vorletzten Kapitel und musste danach eigentlich nur noch eine feine, finale Korrektur durchnehmen.
Und dann war plotzlich alles weg. Es waere mir nie im Leben eingefallen dass ich jemals das Opfer eines EInbruches haette werden koennen, da ich ja der war der leerstehende Haeuser aufbrach und sonst eh niemals Geld hatte. Aber ich ich musste mir gleichzeitig eingestehen dass ich in der Zwischenzeit eben etwas Geld verdiente und sogar einen (wenn auch bescheidenen) Besitz hatte. Aber das einzige wofuer ich eigentlich lebte, oder jedenfalls das einzige wovon ich wirklich sagen konnte dass es etwas war woran ich arbeitete, was mir eben das Gefuehl gab dass ich nicht ganz so nutzlos war, war eben meine Geschichte die ich schrieb. Und dann kam der Junkie, der auf die Schnelle etwas Geld brauchte, und machte in wenigen Minuten alles kaputt was ich _eigentlich_ besass. Vielleicht bekam er 50EUR dafuer. Vielleicht 100.
Ich hingegen versuchte die Geschichte zu rekonstruieren, aber merkte bei jedem Satz schmerzhaft dass sich jener Satz vorher ganz anders anfuehlte und viel geistiger war und beinahe jede Minute verzweifelte ich daran und nach etwa zwei Wochen gab ich es voellig auf. Ich beschloss eine ganz neue Geschichte anzufangen wenn meine ganze Wut vorbei war.
Ich fing nie damit an.
Einige Kapitel findet man hier auf meiner Seite unter dem Link ‚Literature‘. Das sind die Kapitel die ich auf Niederlaendisch geschrieben hatte.
Ich hoerte mit der Schreiberei dann vollkommen auf. Irgendwie schmerzte der Gedanken am Schreiben immer und das mochte ich nicht. Erst wo ich vor etwas mehr als einem Jahr mit diesem Tagebuch anfing, packte mich die Lust am Schreiben wieder, und nun, auch nach mehrmaligem Andringen von Julietta, habe ich letzten Donnerstag wieder damit angefangen die Geschichte neu zu schreiben. Es scheint alsob jetzt genug Zeit voruebergegangen ist. Die Geschichte macht ploetzlich wieder Spass.